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Mörderischer Nordwind (eBook)

Ein Schären-Krimi
eBook Download: EPUB
2021
304 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-26774-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mörderischer Nordwind - Christoffer Holst
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Entspannter ist nur der Tod
Nach einem ereignisreichen Sommer auf Bullholmen kündigt sich der Herbst an, und Cilla kehrt zurück in ihr altes Leben in Stockholm. Für einen True-Crime-Podcast soll sie den Fall der Prominenten Laila Damm recherchieren, die vor dreißig Jahren spurlos verschwand. Doch dann lädt Nachbarin Rosie sie zu einem Spa-Wochenende auf Bullholmen ein. In dem neu eröffneten Luxushotel auf der Insel treffen die beiden auf eine Hochzeitsgesellschaft, die schon bald durch einen Todesfall erschüttert wird. Angeblich nur ein Unfall, aber Cilla und Rosie glauben nicht daran und ermitteln auf eigene Faust.

Christoffer Holst ist Jahrgang 1990, er arbeitet als Lektor und ist Autor mehrerer Romane. Wenn er nicht gerade schreibt, genießt er gerne ein Glas Chardonnay oder guckt romantische Komödien. Als unverbesserlicher Romantiker findet er, dass das Leben mehr wie ein Film oder ein Buch sein sollte. Er lebt in Stockholm.

1


Stockholm, Oktober 2018


»Zacke! Aretha Franklin hat auf meine Notizen gekotzt!«

Ich weiß genau, wie bekloppt das klingt, und verdrehe die Augen. Dieses kleine zottelige Ding von Hund sitzt vor mir auf dem Teppich im Wohnzimmer und sieht mich aus riesigen Augen an. Die sind noch größer und runder als sonst. Zacke steckt seinen Kopf durch die Küchentür.

»Das klingt wie eine Ausrede«, prustet er.

»Wie bitte?«

»Um nicht arbeiten zu müssen. Frau Lehrerin, der Hund hat meine Hausaufgaben gefressen!«

»Aber das hat sie auch wirklich getan! Na ja, okay, nicht direkt gefressen, aber draufgekotzt.«

»Verzeih. Du weißt doch, wie empfindlich Arethas Magen ist.«

Ich runzele die Stirn und starre in Aretha Franklins schuldbewusste Augen. Ich habe auch manchmal Magenprobleme, aber ich spucke dann nicht anderer Leute Sachen voll. Schon gar nicht, ohne mich danach zu entschuldigen. Genau genommen, sieht sie fast stolz aus. Stolz auf den funkelnden Klumpen auf dem Papierstapel vor ihr. Ihr Blick scheint sagen zu wollen: Sorry, aber so bin ich halt. Ich kotze, wohin ich will, so einfach ist das. Am besten du gewöhnst dich daran.

Außerdem überrascht es mich überhaupt nicht, dass sie Magenprobleme hat, wenn sie Weinkorken und Steine frisst. Ganz offensichtlich gehört sie zu den Kandidaten, bei denen die immense Bedeutung einer gesunden Darmflora noch immer nicht angekommen ist, obwohl in letzter Zeit so viele Bücher dazu erschienen sind.

»Dein Hund hat nicht gerade eine steile Lernkurve«, murmele ich.

»Wer hat die schon?«, kontert Zacke.

Er wirft mir eine Rolle Haushaltspapier hin, die ich elegant in der Luft fange. Dann verschwindet er wieder in der Küche. Ich reiße zwei Blätter ab und versuche, den Klumpen Hundekotze von meinen Aufzeichnungen wegzuwischen. (Tatsächlich handelt es sich um einen Klumpen – man stelle sich Crème brûlée vor, nur ohne die Karamellkruste.) Mein Porträt über Elizabeth Short hat sich dank der Feuchtigkeit aufgelöst. Verdammt.

Ich kraule den nervtötenden, aber unfassbar niedlichen Hund hinter den Ohren und gehe zu Zacke in die Küche, um mich an ihm vorbeizuschieben und das ekelige Papier mit der Hundekotze im Mülleimer zu entsorgen. Während ich mir die Hände wasche, seufze ich vernehmlich, vielleicht ein bisschen zu vernehmlich.

»Hilf, Herrgott«, sagt er. »Da ist aber heute jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden, was?«

»Ich weiß. Sorry.«

»Hast du schlecht geschlafen?«

»Nein, gar nicht. Ich bin nur gestresst, weil ich heute Abend die endgültige Fassung meines Textes noch abschicken muss.«

»Ah, verstehe. Kann ich dir dabei helfen?«

»Nein, das kann Aretha übernehmen. Schließlich ist sie auch einfach über meine Sachen getrampelt.«

»Das würde sie bestimmt gerne tun, aber sie ist leider so doof, dass sie nichts beitragen kann. Außer Liebe.«

»Wie der Herr, so sein Gescherr.«

»Pass bloß auf, du.«

Zacke steht am Herd, rührt in seinen Töpfen herum und lacht. Und steckt mich damit an. Ich drücke ihn und werfe einen Blick in einen der Töpfe, in dem ein exotischer Sonnenuntergang blubbert.

»Was wird das hier?«

»Indisch! Paneer Korma.«

»Himmel. Womit habe ich das nur verdient?«

»Keine Ahnung. Vielleicht hat das was mit deinem früheren Leben zu tun?«

Ich hebe eine Augenbraue.

»Und das wäre?«

»Vielleicht bist du eine Hexe gewesen?«, sagt Zacke neckend.

»Das würde auf jeden Fall meine mangelhaften Schwimmkünste erklären. Wann gibt es Essen?«

»Das dauert bestimmt noch eine Stunde. Du hast also noch genug Zeit für deinen Artikel. Hopp, hopp, raus hier!«

Ich verlasse den Ort aromatischer Düfte und gehe ins Wohnzimmer zurück. Ich liebe die Wohnung von Zacke und Jonathan, vor allem dieses Wohnzimmer. Vielleicht liegt es daran, dass der Raum kreisrund und riesengroß ist. Das Zentrum der Wohnung. Der Fußboden ist mit persischen Teppichen bedeckt, und an den sonnengelben Wänden hängen Fotografien und farbenfrohe Kunst. Die großen Fenster zeigen auf den Mariatorget, wo die Laubbäume langsam nackt werden und ihre gelborangen Blätter verlieren. Es ist kurz vor acht. Das weiß ich, weil der Fernseher leise läuft und sich die Kochshow Um halb acht bei mir ihrem Ende zuneigt. Ich muss bei dem Anblick einer Frau lachen, die vollkommen verrückt gekleidet ist und Kartoffelpuffer mit Nasen aus Parmaschinken und Augen aus Oliven serviert. Himmel. Was für ein Geschenk und Glück, dass wir Menschen so verschieden sind. Wie traurig diese Welt sonst wäre.

Wie auch immer, zurück an die Arbeit.

Ich setze mich an den Esstisch, klappe meinen Laptop auf und starre eine gefühlte Ewigkeit meinen Text an. Der ist eigentlich so weit fertig, aber es fehlt noch das gewisse Etwas. Er ist wie ein frisch gebackener Apfelkuchen ohne Schlagsahne oder Vanilleeis. Nur halb fertig eben. Aber was genau fehlt ihm?

Die Verfasserzeile. Ich grinse ironisch. Heutzutage hat diese Zeile nicht mehr dieselbe Funktion wie früher, man benutzt sie fast kaum noch. Zumindest nicht in meinem jetzigen Job. Niemand soll erfahren, wer sich diese Geschichte ausgedacht und zusammengestümpert hat. Und eigentlich stört mich das auch nicht. Aber ich schreibe trotzdem meinen Namen unter den Artikel. Schon aus Prinzip.

Cilla Storm, Kriminalreporterin.

Ganz genau. Vor einem halben Jahr noch hätte ich mich als Klatschreporterin bezeichnet. Damals habe ich bei der Zeitschrift Chance gearbeitet – einem Blatt, das sich hauptsächlich dafür interessiert, wie viele Zigaretten Prinzessin Madeleine bei einer Party geraucht hat, was für einen Stuss die Sängerin Kikki Danielsson wieder auf Twitter verzapft hat und warum es auf dem Dachboden der Fernsehmoderatorin Agneta Sjödin spukt. Der letzte Themenbereich wird übrigens vom schnauzbärtigen Jörgen abgedeckt, unserem hauseigenen Medium.

Mir hat die Zeit in der Redaktion gut gefallen, obwohl ich mich immer nach etwas anderem gesehnt habe. Und dann, als Danne, mein Ex, mich verlassen hat, passierte dieses Etwas.

Um es kurz zu machen: Ich habe mir einen Schrebergarten in den Stockholmer Schären gekauft, und zwar auf der kleinen, bei Touristen sehr beliebten Insel Bullholmen. Dort habe ich diesen Sommer verbracht, um neu anzufangen. Ich wollte über die Trennung von Danne hinwegkommen, das Gärtnern lernen und den Sinn des Lebens finden. Vor allem wollte ich beweisen, dass ich allein zurechtkomme. Allerdings war ich nicht darauf vorbereitet gewesen, mitten in einen rätselhaften Mordfall zu schlittern, genau genommen eine Mordserie, die meine Sommerpläne über den Haufen warf.

Das alles kommt mir unendlich lange her vor, obwohl seitdem nur ein paar Monate vergangen sind. Der Sommer verabschiedete sich Ende August, und dann war es auch für mich Zeit, aufs Festland zurückzukehren.

In den Alltag zurückzufinden hatte Vor- und Nachteile.

Klarer Nachteil: In meiner kleinen Wohnung in der Bastugatan hatte es einen Wasserrohrbruch gegeben, woraufhin sich meine Küche in einen gigantischen Indoorpool im Dallas-Stil verwandelte. Ich musste also meine Koffer wieder packen und bei Zacke und Jonathan unterkommen, deren Wohnung zum Glück gleich um die Ecke ist.

Zwei Monate ist das jetzt her, und die Bauarbeiter und Handwerker sind immer noch damit beschäftigt, meine Wohnung wiederherzustellen. Und die unter mir übrigens auch.

Klarer Vorteil: Mit meiner Rückkehr in die Stadt hatte ich einen neuen Job angefangen.

Ja, ich kann es selbst noch nicht so recht glauben. Nach den ersten, ziemlich blutigen Wochen auf Bullholmen im Sommer wurde etwas in mir zum Leben erweckt. Ich würde mich eher als ängstliche Person beschreiben, die praktisch vor allem Schiss hat. Zwar mit einer großen Portion Neugier, aber meistens verstecke ich mich lieber hinter der nächsten Häuserecke. Die Sommermorde auf der Insel haben mich verändert. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich gezwungen gewesen, zu handeln, statt wegzurennen und mich zu verstecken. Und aus diesem Grund beschloss ich auch, bei Chance zu kündigen und mir einen neuen Job zu suchen.

Ich wollte auch weiterhin meine angeborene Neugier beruflich einsetzen, aber es war einfach an der Zeit, die Geister und Gewichtsprobleme der C-Promis hinter mir zu lassen.

Mein Ziel war es, Kriminaljournalistin zu werden. Also bewarb ich mich bei den Redaktionen der Zeitungsbeilagen, wurde aber abgewiesen. Dann versuchte ich mein Glück bei Fernseh- und Radiosendern sowie Lokalredaktionen, aber auch dort wurde ich nicht genommen. Was nicht weiter überrascht, wenn man bedenkt, wie schwer es heutzutage ist, im Journalismus einen Fuß in die Tür zu bekommen. Diese Branche ist ein echter Dschungel.

Wenn ich ehrlich bin, hat mich Rosie (meine neue Freundin und Schrebergartennachbarin auf Bullholmen) auf den Podcast Blutspur aufmerksam gemacht, nach dem sie süchtig ist. Darin geht es um gelöste und ungelöste schwedische und internationale Mordfälle. Ergreifende Berichte über das Böse in dieser Welt.

Ich wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, mich bei einer Podcastredaktion zu bewerben. Außerdem hatte ich mir nicht vorstellen können, dass man mit so einem Job auch wirklich Geld verdienen kann. Aber das kann man. Blutspur hat dreihunderttausend Hörer in der Woche. Und jemand muss für die Sendung die Skripte schreiben. Als ich...

Erscheint lt. Verlag 9.8.2021
Reihe/Serie Cilla-Storm-Reihe
Cilla-Storm-Reihe
Übersetzer Kerstin Schöps
Sprache deutsch
Original-Titel Blå, Blå Höstvågor
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bullholmen • Cosy Crime • eBooks • Familiengeheimnis • Ferien auf Saltkrokan • Fjäderholmen • Herbst • Hochzeitsgesellschaft • Inga Lindström • Inselkrimi • Krimi • Krimi 2021 • Kriminalromane • Krimis • Neuerscheinungen 2021 • Sandhamn • Schären • Schärengarten • Schäreninsel • Schweden • Schwedischer Krimi • Spa • Urlaubskrimi • Vaxholm • Viveca Sten • Zimtschnecke • Zwillinge
ISBN-10 3-641-26774-9 / 3641267749
ISBN-13 978-3-641-26774-2 / 9783641267742
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