Buona Notte - Ein Lago-Maggiore-Krimi (eBook)
304 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491373-5 (ISBN)
Andrea Di Stefano ist das Pseudonym von Andreas Lebert und Stephan Lebert. Die beiden Brüder sind im Hauptberuf Journalisten. Wenn sie als Autoren-Duo zusammen Romane schreiben, schlüpfen sie nicht nur in ein anderes Leben, sondern auch unter andere Namen. Die Bestseller der Thriller-Trilogie »Der Regler« sowie »Die Siedlung der Toten« schrieben sie als Max Landorff, die Taschenbuch-Serie »Holly« als Anna Friedrich. Ihre Lago-Maggiore-Fälle kommen den beiden gefährlich nahe, nicht nur im Autorennamen: Sie verbringen seit über zehn Jahren viel Zeit an dem Gletschersee in den Alpen.
Andrea Di Stefano ist das Pseudonym von Andreas Lebert und Stephan Lebert. Die beiden Brüder sind im Hauptberuf Journalisten. Wenn sie als Autoren-Duo zusammen Romane schreiben, schlüpfen sie nicht nur in ein anderes Leben, sondern auch unter andere Namen. Die Bestseller der Thriller-Trilogie »Der Regler« sowie »Die Siedlung der Toten« schrieben sie als Max Landorff, die Taschenbuch-Serie »Holly« als Anna Friedrich. Ihre Lago-Maggiore-Fälle kommen den beiden gefährlich nahe, nicht nur im Autorennamen: Sie verbringen seit über zehn Jahren viel Zeit an dem Gletschersee in den Alpen.
Ein Krimi wie ein Rocksong: leise Töne, harte Riffs. Bühne frei!
[...] ein spannender, aber nicht brutaler Krimi vor malerischer Kulisse.
[...] charakterlich durchaus vielschichtige[r] Romanprotagonist [...].
Atmosphärisch starke Geschichte mit einem tiefblauen Protagonisten, dem Lago Maggiore.
Genreliteratur vom Feinsten! Der seltene Fall eines guten Lokalkrimis.
Mit [...] Ermittler Lukas Albano Geier haben die beiden einen ebenso kauzigen wie überzeugenden Charakter erschaffen [...]. Guter Stoff für die Ferien.
1
Was zieht man an, wenn man einen Toten abholt?
Samantha hat sich für Schwarz entschieden. Schwarze Stiefel, schwarze Hose, schwarzer Pulli. Auch der Mantel, den sie über dem Arm trägt, ist schwarz. Nur ihr Rollkoffer ist hellblau.
Die Maschine aus London war pünktlich. Samantha tritt aus der Ankunftshalle des easyJet-Terminals in Mailand-Malpensa, bleibt stehen und sieht sich um. Ich gebe ihr ein Handzeichen, laufe auf sie zu und nehme ihr den Koffer ab.
»Hi, Samantha«, sage ich.
»Hi, Lukas«, erwidert sie.
Und sie sagt: »Pleased to meet you.«
Ihr Gesicht ist blass, ungeschminkt. Wir gehen zum Parkplatz, wo mein Suzuki-Jeep steht. Sie weint ein bisschen. Das kleine verbeulte Auto erntet trotzdem einen erstaunten Blick.
Sie ist wirklich sehr jung, noch jünger, als ich dachte. Höchstens dreiundzwanzig, schätze ich. Etwas pummelig, die Stiefelabsätze sind zu hoch, die rötlichen Haare hat sie zu einem Knoten gebunden.
»Er hat mir versprochen, dass er hundert Jahre alt wird«, sagt sie, als ich den Koffer auf die Rückbank hieve.
Es ist Mitte Januar, später Nachmittag. Die ganze Welt ist grau und trostlos, und die Mailänder Vororte und Gewerbegebiete sind besonders grau und trostlos. An den Straßenrändern liegt schmutziger Schnee.
»Ich war noch nie in Italien«, sagt Samantha.
Ich habe längst einen Schleichweg vom Flughafen zum Lago Maggiore gefunden, und ich fahre ihn immer, selbst wenn die Hauptstraßen und die Autobahn – vielleicht – leer sind.
»Weißt du«, hat mein Freund Stormy Hopton gesagt, »Samantha ist nicht meine große Liebe, ganz sicher nicht. Aber sie tut mir gut, verstehst du? Sie ist so normal, so neugierig, so unverbraucht.« Das war am letzten Abend seines Lebens, sechs Tage ist das erst her. Wir saßen in bester Laune vor Schüsseln mit Wildschweinragout und Polenta in einem der wenigen Lokale, die um diese Zeit im Winter nicht geschlossen haben.
»Ich kann ihr alle Geschichten von früher erzählen, sie weiß nichts davon«, sagte er und lachte. »Das ist toll. Sie kennt nicht mal meine Platten, sie will sie wirklich hören, also lege ich sie alle noch mal auf. Geiles Zeug dabei, hatte ich fast vergessen. Nein, nicht die große Liebe. Aber vielleicht ist Sammy ja die kleine Liebe meines Lebens.«
»Bring sie das nächste Mal mit«, sagte ich.
»Mal sehen«, antwortete Stormy.
Wenn es irgendwo um berühmte Rockgitarristen geht, taucht immer auch sein Name auf: Pete »Stormy« Hopton. Die Londoner Legende, die mit den ganz Großen gespielt hat. Alle italienischen Zeitungen und Websites haben seinen Tod gemeldet. Die britische Sun zeigte sogar ein verschwommenes Foto vom Transport der Leiche von meinem Turm in Maccagno den steilen Berg hinunter, begleitet von drei Carabinieri. Weiß der Teufel, wo die das herhatten. Last Solo, titelte das Blatt.
»Du warst früher Polizist?«, fragt Samantha. »Stormy hat das erzählt …«
»Ja, früher«, sage ich. »Jetzt nicht mehr.«
Es ist dunkel, als wir in Luino an den See kommen, aber der Himmel ist jetzt klar, und ein fast voller Mond ist bereits am Werk. Die riesige Wasserfläche glänzt, die Lichter der Orte und Häuser an den Hängen spiegeln sich darin, die schwarze Silhouette der Berge sieht aus, als wäre sie ganz nah, und die schneebedeckten Gipfel blitzen weiß.
»Beautiful«, sagt Samantha. Sie kommt aus Cheltenham im Südwesten Englands, hat Stormy erzählt, dort sprechen die Leute ein sehr klares, korrektes Englisch.
Wir fahren fünf Kilometer am See entlang nach Maccagno, das ist der Ort, wo ich wohne. Allerdings wohne ich nicht in einem Haus, sondern in einem mittelalterlichen Turm – hoch über dem Ort auf einem Felsen. Normalerweise gehe ich immer zu Fuß, ich benutze den Suzuki nur für Transporte. Und im Dunkeln fahre ich besonders ungern nach oben. Der Weg ist zu steil und zu schmal, und manchmal steht plötzlich ein Wildschwein im Scheinwerferkegel. Dann steigt man auf die Bremse und kann anschließend nur mit großer Mühe wieder anfahren. Einmal musste ich deshalb den ganzen Weg rückwärts wieder runter, weil noch nasses Laub auf der Strecke lag.
Doch Samanthas Absätze sind zu hoch und ihre Verfassung zu schlecht für eine nächtliche Bergtour mit Taschenlampe. Ich schalte Allradantrieb und Untersetzung ein und sage ihr, sie solle sich festhalten.
»Jesus Christ«, sagt sie, als wir nach hinten kippen. Im Auto kommt einem der erste Anstieg fast senkrecht vor.
Stormy hat Samantha in einem Hotel in London kennengelernt, wo sie nachts an der Rezeption arbeitete. Er war mit Kumpels in der Bar, »und immer, wenn ich zur Toilette musste, hab ich sie wieder nach dem Weg gefragt, so lange, bis sie sich zu uns gesetzt hat«. Sie hatte ihre Hotelfachschule abgeschlossen und wollte sparen, um ins Ausland zu gehen.
Der alte Rocker und das Mädchen. Ein Jahr ungefähr ging das schon. Die Geschäfte laufen ja für alte Rockgitarristen wahrlich nicht besonders gut, Legende hin oder her. Einmal hat Stormy seine Samantha nach Stockholm mitgenommen, wo er in einer Oldieshow im Fernsehen auftrat, und ein paar Tage waren sie wohl auch zusammen in Prag, warum, habe ich vergessen.
»Da sind wir«, sage ich, als der Suzuki die letzte Haarnadelkurve nimmt und auf der kleinen Wiese vor dem Turm zum Stehen kommt. Im Dunkeln hier anzukommen, ist nicht besonders einladend. Der Turm ist ein schwarzes Viereck, die Bäume sind schwarze Gestalten. Ich greife nach der Taschenlampe zwischen den Sitzen, ehe ich den Motor abstelle und die Scheinwerfer ausmache.
Samantha klettert aus dem Wagen und bleibt daneben stehen. »This is where you live?«, fragt sie. Ihre Stimme klingt dünn.
»Ja«, sage ich, »hier wohne ich.« Und meine Stimme klingt ebenfalls dünn. Manchmal kommt mir mein Zuhause selbst ja auch fremd vor. Und merkwürdig.
Jetzt zum Beispiel.
Ich leuchte den ehemaligen Eselstall an, den ich zum Musikstudio umgebaut habe. »Hier haben wir Musik aufgenommen«, sage ich. »Stormy hat wunderbar gespielt.«
»Er hat dort auch geschlafen, oder?«, sagt sie. »Er hat mir Fotos geschickt. Nicht viele. Ich musste immer drum betteln.«
Sie bewegt sich im Lichtkegel auf das Studio zu.
»Vielleicht gehen wir erst in den Turm«, sage ich. »Ich muss dort den Strom fürs Studio einschalten …«
Sie hört mich nicht oder will es nicht hören. Ich gehe ihr nach und öffne die Tür zum Studio. Mit der Taschenlampe leuchte ich den Raum ab, die elektronischen Geräte, die Keyboards, die zwei Bässe, die in der Ecke stehen, die Mikrophonständer … und die Liege an der gegenüberliegenden Wand, auf der ich Stormy gefunden habe. Es war der Tag, an dem er abreisen wollte. Alle Soli waren gespielt, alle Geschichten erzählt.
»Er hat sehr friedlich ausgesehen«, sage ich. Lüge ich. Und lege Samantha meine Hand auf die Schulter.
Hinter uns knackt etwas sehr laut im Gebüsch. Sie erschrickt, fährt herum.
»Nur ein Reh«, sage ich und schließe die Tür zum Studio. Manchmal kommen Rehe genau im richtigen Moment.
In meinem Turm sind vier Räume übereinandergestapelt. Ganz unten Bad und Toilette, dann Schlafzimmer, dann Wohnzimmer und ganz oben die Küche. Verbunden sind sie mit einer schmalen Wendeltreppe, und von der Küche kann man über eine ausklappbare Leiter auf die höchste Plattform, die von Zinnen eingerahmt ist. Wer dort oben zum ersten Mal aus der Luke klettert, vergisst in der Regel, zu atmen. Stormy wollte jeden Abend noch nach oben, bevor er schlafen ging. Er fühle sich dann wie Richard Löwenherz, sagte er.
Was bietet man einer jungen Frau zu essen an, die gekommen ist, um einen Toten abzuholen? Ich stelle Tomaten und Burrata auf den Tisch und mache Pappardelle mit Steinpilzen. Mein Freund Ambrogio holt sie im Herbst aus dem Wald und bringt sie mir. Ich friere sie dann ein.
Samantha hat Hunger. Und sie trinkt schnell zwei große Gläser Rotwein. Sie erzählt von sich, von Stormy, manchmal lacht sie, dann weint sie, dann schweigt sie, dann will sie noch ein Tiramisu. Und immer wieder sagt sie »Beautiful« beim Blick aus dem Fenster. Nach einigem Hin und Her mit dem Denkmalschutz durfte ich schließlich in die ein Meter vierzig dicke Mauer des Turms ein einziges Fenster schneiden, ein wirklich großes. Es erstreckt sich über zwei Ebenen, über die Küche und das darunterliegende Wohnzimmer. Sonst gibt es hier nur sehr kleine Fenster, die ehemaligen Schießscharten.
»Ich war noch nie bei einer Beerdigung«, sagt Samantha jetzt. »Ich weiß gar nicht, ob ich zu Stormys Beerdigung hingehen soll … Ich kenne ja niemanden. Er hat einen Bruder und eine Schwester, nie gesehen, die beiden. Und seine zwei Ex-Frauen … Und einen Sohn hat er auch. Die werden mich alle hassen und fragen, wer ich eigentlich bin …«
»Ja, das könnte schwierig und unangenehm werden«, sage ich.
»Für mich ist diese Reise die Beerdigung«, erklärt sie und sieht an sich hinunter auf die schwarzen Klamotten. »Hier und jetzt habe ich ihn ganz für mich allein. Für mich ist das der Abschied … Danke, dass du alles organisiert hast.«
Samantha wird Stormy morgen Vormittag in der Gerichtsmedizin noch einmal sehen dürfen, ehe er zum Flughafen gebracht wird. Und sie wird in derselben Maschine nach London sitzen.
Draußen hat der Himmel zugezogen. Es schneit. Dicke weiße Flocken tanzen vor der großen Scheibe. Samantha steht auf und will die Teller in die Spülmaschine räumen.
»Lass stehen«, sage ich, nehme...
Erscheint lt. Verlag | 26.5.2021 |
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Reihe/Serie | Lukas Albano Geier | Lukas Albano Geier |
Zusatzinfo | 1 s/w-Abbildung |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | aktuelle bestseller • Andrea Camilleri • Andreas Lebert • Aperol Spritz • Bella Italia • Bruno Varese • Buchgeschenk • Dolce Vita • Donna Leon • Ermittler • Ferien • Gardasee • Geschenk für Männer • Gil Ribeiro • Italien • Italien-Krimi • Italienliebe • Jean-Luc Bannalec • Krimi • Krimi Bestseller 2021 • Krimi Neuerscheinung • Krimi-Neuerscheinungen • Krimis-und-Thriller • Lago Maggiore • Lombardei • Mond • Oberitalien • Oberitalienische Seen • Pasta • Pierre Lagrange • Polizist • Regler • Schweiz • Sommerhit • Sophie Bonnet • Stephan Lebert • Strandlektüre • Thriller • Tutto Bene • Urlaub • Urlaubskrimi • Urlaubslektüre |
ISBN-10 | 3-10-491373-0 / 3104913730 |
ISBN-13 | 978-3-10-491373-5 / 9783104913735 |
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