Die Verlorenen (eBook)
416 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00495-5 (ISBN)
SIMON BECKETT ist einer der erfolgreichsten englischen Thrillerautoren. Seine Serie um den forensischen Anthropologen David Hunter wird rund um den Globus gelesen und wurde für Paramount+ als sechsteilige Serie verfilmt: «Die Chemie des Todes», «Kalte Asche», «Leichenblässe», «Verwesung», «Totenfang» und «Die ewigen Toten» waren allesamt Bestseller, ebenso sein atmosphärischer Psychothriller «Der Hof». «Die Verlorenen», der Auftakt einer neuen Thrillerserie um den ehemaligen Polizisten Jonah Colley, stand mehrere Wochen auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Simon Beckett ist verheiratet und lebt in Sheffield.
- Spiegel Jahres-Bestseller: Belletristik / Taschenbuch 2022 — Platz 19
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SIMON BECKETT ist einer der erfolgreichsten englischen Thrillerautoren. Seine Serie um den forensischen Anthropologen David Hunter wird rund um den Globus gelesen und wurde für Paramount+ als sechsteilige Serie verfilmt: «Die Chemie des Todes», «Kalte Asche», «Leichenblässe», «Verwesung», «Totenfang» und «Die ewigen Toten» waren allesamt Bestseller, ebenso sein atmosphärischer Psychothriller «Der Hof». «Die Verlorenen», der Auftakt einer neuen Thrillerserie um den ehemaligen Polizisten Jonah Colley, stand mehrere Wochen auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Simon Beckett ist verheiratet und lebt in Sheffield. Karen Witthuhn übersetzt nach einem ersten Leben im Theater seit 2000 Theatertexte und Romane, u.a. von Simon Beckett, D.B. John, Ken Bruen, Sam Hawken, Percival Everett, Anita Nair, Alan Carter und George Pelecanos. 2015 und 2018 erhielt sie Arbeitsstipendien des Deutschen Übersetzerfonds. Sabine Längsfeld übersetzt bereits in zweiter Generation Literatur verschiedenster Genres aus dem Englischen in ihre Muttersprache. Zu den von ihr übertragenen Autor:innen zählen Anna McPartlin, Sara Gruen, Glennon Doyle, Malala Yousafzai, Roddy Doyle und Simon Beckett.
1
Als Jonah das Blut roch, war ihm klar, dass er in Schwierigkeiten steckte.
An dem alten Kai war es stockfinster. Keine einzige Straßenlaterne brannte, die Lagerhäuser lagen im Dunkeln, Relikte einer anderen Zeit. Die Scheinwerfer des Saab beleuchteten eine industrielle Geisterstadt. Jonah starrte aus dem Fenster. Er hatte den größten Teil seines Lebens in London verbracht, und doch gab es immer noch Ecken, von deren Existenz er nichts wusste. Und eigentlich auch nichts wissen wollte, jedenfalls in diesem Fall.
Die Kaianlage war nicht leicht zu finden gewesen. Sie lag an einem trostlosen Abschnitt der Themse, an einem vergessenen Uferstück, das selbst der Karten-App seines Handys unbekannt war. Die Wegbeschreibung, die er bekommen hatte, war mehr als vage gewesen, mehrmals hatte er wenden müssen, wenn sich ein unbeleuchteter Holperweg wieder als Sackgasse herausstellte. Jetzt stand er auf einer unkrautüberwucherten Brache, neben ihm eine lange Ziegelmauer. Drüben auf der anderen Flussseite glitzerten die Lichter von Luxuswohnungen, Bars und Restaurants. Hier war alles dunkel. Die ständig fortschreitende Bebauung, die den Rest der Docklands niederwalzte, hatte diese Flusssackgasse aus irgendeinem Grund verschont. Was bei ihrem Namen nicht überraschte. Jonah hatte es erst nicht glauben können, aber es stand tatsächlich auf dem rostigen Straßenschild vor ihm.
Slaughter Quay. Schlachterkai.
Einige Stunden zuvor hatte er nach dem Schießtraining noch mit ein paar Teamkollegen vor einem Pub gesessen und den lauen Spätsommerabend genossen. Als er gerade am Tresen stand und darauf wartete, bedient zu werden, hatte sein Handy geklingelt. Die Nummer kannte er nicht, fast wäre er nicht drangegangen. Aber weil vor ihm noch einige andere Leute an der Reihe waren, hatte er nach kurzem Zögern abgenommen.
«Jonah? Ich bin’s.» Und dann, als könnte es irgendeinen Zweifel geben: «Gavin.»
Obwohl er die Stimme seit fast einem Jahrzehnt nicht gehört hatte, war alles wieder gegenwärtig. Ein Schlag in die Magengrube.
«Bist du da?»
Jonah suchte sich eine ruhigere Ecke, die Getränke waren vergessen. «Was willst du?»
«Ich brauche deine Hilfe.»
Kein Wie geht es dir? oder Lange nichts von dir gehört. Jonah spürte, dass sich seine Kiefermuskulatur anspannte.
«Wieso ausgerechnet ich?»
«Weil du der Einzige bist, dem ich vertrauen kann.»
«Und worum geht es?»
Schweigen. Dann: «Ich hab’s versaut. Ich hab alles falsch gemacht. Alles …»
«Wovon redest du?»
«Das erkläre ich dir, wenn du hier bist.»
«Mann, du kannst doch nicht ernsthaft erwarten …»
«An der South Bank steht ein altes Lagerhaus, der Ort heißt Slaughter Quay.» Gavin sprach hastig. «Mit dem Navi findest du die Stelle nicht, aber ich schicke dir die Wegbeschreibung. Es ist das letzte Lagerhaus am Kai. Ich warte davor auf dich, um Mitternacht.»
«Mitternacht? Ist das dein Ernst?»
«Wenn du kommst, wirst du alles verstehen.» Und dann sagte Gavin ein Wort, das Jonah in der ganzen Zeit ihrer Freundschaft nie von ihm gehört hatte. «Bitte.»
Das Gespräch brach ab. Verdammt.
«Alles in Ordnung?»
Das war Khan, ebenfalls Sergeant der bewaffneten Sondereinheit der Metropolitan Police. Seine Arme und der Brustkorb drohten sein weißes T-Shirt zu sprengen, Schultern und Nacken waren muskelbepackt. Jonah hatte ihn einmal eine Tür eintreten sehen, der dahinter stehende Typ war mitsamt seinem Messer quer durch den Raum geflogen. Privat war Khan ein sanfter Familienmensch, zu dem alle in der Einheit mit ihren Problemen kamen.
Jonah nickte und steckte sein Handy ein. «Bloß jemand, von dem ich lange nichts gehört hatte.»
«Probleme?»
Jonah wusste nicht, was er antworten sollte. «Wahrscheinlich nicht. Aber er klang …»
Ein Schlag auf die Schulter unterbrach ihn. «Ich dachte, du willst an den Tresen? Selber brauen wäre schneller gegangen.»
Jonah drehte sich um. Nolan stand mit finsterem Blick vor ihm. Den hatte sie oft drauf. Die Polizistin war fast einen Kopf kleiner als Khan und Jonah, aber wenn es hart auf hart kam, hatten die beiden gegen sie kaum eine Chance. Erst recht nicht, wenn sie auf ihr Bier warten musste.
«Wir führen hier ein Gespräch.» Khan setzte seinen strengsten Sergeant-Blick auf.
«Klar. Gib mir Geld, dann hole ich die Getränke.»
Jonah musste lachen. «Entspann dich, ich gehe ja schon.»
«Bist du sicher?», fragte Khan.
«Ja, alles gut.» Jonah zuckte die Achseln. «Steckt wahrscheinlich sowieso nichts dahinter.»
Sollte Gavin seine Probleme gefälligst selber lösen. Jonah war ihm nichts schuldig. Rein gar nichts.
Trotzdem beschäftigte ihn der Anruf. Als er die Getränke an den Tisch der Truppe brachte, ging ihm ein Satz, den Gavin gesagt hatte, immer noch nach.
Du bist der Einzige, dem ich vertrauen kann.
Früher mochte das so gewesen sein. Und Jonah hätte das Gleiche über Gavin gesagt. Sie kannten sich seit Ewigkeiten. In der Schule beste Freunde, dann zusammen zur Polizei, die Probezeit bei der Met gemeinsam durchlaufen und schließlich im selben Stadtteil gearbeitet. Gavin war immer der Extravertiertere gewesen, aber hinter seiner Lässigkeit und Fröhlichkeit verbarg sich erbitterter Ehrgeiz. Sie hatten zusammengewohnt, auch dann noch, als Gavin Detective geworden und zu der Einheit für Gangkriminalität und organisiertes Verbrechen gewechselt war. Jonah hatte ebenfalls darüber nachgedacht, war aber stattdessen zur SCO19 gegangen, dem bewaffneten Eliteteam der Met. Trotzdem waren sie Freunde geblieben. Und als Jonah Chrissie kennengelernt hatte und Gavin mit Marie zusammen war, bildeten sie eine enge Viererbande. Gemeinsame Abende, Urlaub zu viert – gute Zeiten.
Das war Jahre her. Ein anderes Leben. Wieso tauchte Gavin jetzt aus dem Nichts auf und bat Jonah um Hilfe? An Selbstbewusstsein und Freunden hatte es Gavin nie gemangelt. Wenn er Jonah anrief, dann musste er wirklich verzweifelt sein, und das gab schließlich den Ausschlag. Denn eins machte Jonah zu schaffen.
Gavin hatte ängstlich geklungen.
Also verabschiedete Jonah sich von seinen Kollegen und ging zu seinem Wagen.
Und jetzt stand er hier an diesem verlassenen Kai mitten im Nirgendwo. Er stellte den Motor aus, holte eine Taschenlampe aus dem Handschuhfach und stieg aus. Ein weiteres Auto parkte auf der Brache, ein Audi, wahrscheinlich Gavins. Ein überwachsener Pfad führte auf die dunklen Umrisse leerstehender Lagerhäuser und Industriegebäude zu, dahinter glitzerte der Fluss silbrig im Licht des Sichelmonds. Jonah knipste die Taschenlampe an und machte sich auf den Weg.
Der Pfad mündete in eine schmale Gasse zwischen zwei verrammelten Gebäuden, an der Giebelwand des einen war eine verblichene Aufschrift zu erkennen: Jolley’s Gerberei. Feine Leder und Pelze. Andere Schilder verwiesen auf Großhandelsschlachtereien und Fleischverarbeitungsbetriebe, ein großes, hangarartiges Gebäude stellte sich als ehemaliger Schlachthof heraus. Slaughter Quay, welch passender Name für diesen unheimlichen Ort.
Normalerweise machte Dunkelheit Jonah nichts aus, jetzt aber merkte er, dass er unwillkürlich auf fremde Schritte horchte. Er war froh, als er am anderen Ende der Gasse angekommen war, am Wasser stand und das sanfte Schwappen hörte. Unter dem bröckeligen Asphalt lugte Kopfsteinpflaster hervor, die Luft war feucht und roch nach Salzwasser, verrottendem Unkraut und Motoröl. Kähne schaukelten in unterschiedlichen Rhythmen auf dem pechschwarzen Wasser, wenn sie aneinanderstießen, wurde die Stille durch dumpfes Rumpeln oder Quietschen durchbrochen. Hinter den Kähnen lag noch ein größeres Boot vertäut. Als Jonah daran vorbeiging, war plötzlich lautes Zischen zu hören. Erschrocken schwenkte er die Taschenlampe in Richtung des Geräuschs und atmete auf, als sich das Licht im Auge einer Katze brach. Das verwahrloste Tier kauerte im Schatten einer Luke und verteidigte ein großes Stück Burger. Das eine Auge war durch eine Verletzung oder Entzündung verklebt, das andere starrte ihn bösartig an. Wieder fauchte die Katze.
«Schon gut, gehört alles dir», murmelte Jonah und wandte sich ab. Der Lichtkegel seiner Lampe fiel auf verschnörkelte Buchstaben am Bug des großen Bootes. Sie waren halb von einem als Fender eingesetzten Autoreifen verdeckt, aber wenn er einen Schritt zur Seite machte, konnte er den Bootsnamen ganz lesen: The Oracle. Mit einem weiteren Fauchen machte die Katze ihm klar, dass er sich verziehen sollte.
«Bin ja schon weg», sagte er leise.
Der schlammige Boden schmatzte unter seinen Schritten. Ein Stück vor sich konnte er am Ende der Kaimauer ein einsames Lagerhaus ausmachen, auf zwei Seiten von Wasser umgeben und halb unter einem Baugerüst verborgen, an dem eingerissene, halbdurchsichtige PE-Folie hing. Ein hoher eingedellter Maschendrahtzaun umgab das Gebäude und versperrte Jonah den Zutritt.
Außer ihm war niemand hier.
Fluchend sah er auf die Uhr. Fast zehn Minuten nach Mitternacht. Gut, er war ein bisschen zu spät, aber nicht viel. Er fragte sich, ob Gavin schon weg war, doch dann fiel ihm der Audi vorne am Kai ein. Er konnte nur vermuten, dass der Wagen Gavin gehörte, wer sonst sollte sich hier mitten in der Nacht herumtreiben?
Wo also war Gavin?
Er leuchtete mit der Taschenlampe die Umgebung ab, aber nichts regte sich. Minuten vergingen, in Jonahs Magen bildete sich ein Knoten. Um zwanzig nach zwölf...
Erscheint lt. Verlag | 8.7.2021 |
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Reihe/Serie | Jonah Colley | Jonah Colley |
Übersetzer | Karen Witthuhn, Sabine Längsfeld |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Bestseller • Bestseller-Autor • bestsellerliste spiegel aktuell • David Hunter • England • Jonah Colley • Kidnapping • Kindesentführung • Krimi • Kriminalroman • London • Sebastian Fitzek • Serienkiller • Spannung • spiegel bestseller • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Thriller • Thriller Neuerscheinungen 2021 |
ISBN-10 | 3-644-00495-1 / 3644004951 |
ISBN-13 | 978-3-644-00495-5 / 9783644004955 |
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