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Mord in Venedig (eBook)

Die Tatortfotografin ermittelt
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
352 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-40567-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mord in Venedig -  Ulrich Hoffmann
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Kaitlyn «Cat» Picard ist Europas beste Tatortfotografin. Mit ihren 13jährigen Zwillingen will sie nach Venedig reisen - doch kaum am Flughafen Marco Polo gelandet, wird sie zu einem Tatort gebeten. In einem prachtvollen venezianischen Gebäude wurde eine Bürgerin der Stadt ermordet, ein ganzes Zimmer ist durchtränkt von Blut. Wer konnte Chiara di Vitale, der Oscar-Preisträgerin, Tierschützerin und engagierten Fürsprecherin für Kinder und Jugendliche, etwas Böses wollen? Cats Ermittlung bringt sie von den Glasbläsereien von Murano bis in die düstersten Ecken der Lagunenstadt ...

Ulrich Hoffmann, Jahrgang 1968, ist Bestsellerautor, Journalist und Übersetzer. Er hat drei Kinder und ist verheiratet; die Familie lebt in Hamburg und den USA. Hoffmann war u.a. als Textchef für die Verlage Condé Nast, Springer und Gruner & Jahr tätig.

Ulrich Hoffmann, Jahrgang 1968, ist Bestsellerautor, Journalist und Übersetzer. Er hat drei Kinder und ist verheiratet; die Familie lebt in Hamburg und den USA. Hoffmann war u.a. als Textchef für die Verlage Condé Nast, Springer und Gruner & Jahr tätig.

Eins


Km 15.

Die Hälfte hatte sie schon geschafft. Es war Cats längster Lauf seit dem Unfall. Der Arzt hatte gesagt, sie solle nichts überstürzen, den Knöchel schonen und sich langsam steigern. Aber ihr blieben nur noch sechs Wochen bis zum Berlin-Marathon. Sie hatte keine Zeit für langsam. Queens «Don’t Stop Me Now» aus ihrer Playlist half ihr auch jetzt wieder, um durchzuhalten.

Vom Kottbusser Tor aus war sie am Landwehrkanal entlanggelaufen, hatte eine Runde durch den Görlitzer Park gedreht, dann ging es Richtung Treptow, über die Spree, vor dem Ostkreuz nach rechts durch Rummelsburg, an der Boulderhalle vorbei, und nun erreichte sie das Bolleufer. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie längst noch nicht ihre alte Form wie vor einigen Wochen erreicht hatte. Sie musste also doch aufpassen, sich jetzt nicht zu sehr anzutreiben. Druck erzeugt Gegendruck.

Die Spree metallgrau unter diesigem Himmel.

Immerhin hatte Cat schon über die Hälfte der Trainingsstrecke in Halbmarathonlänge geschafft, ohne dass die Schmerzen im Knöchel zunahmen.

Der Song wurde leiser, das Handy vibrierte. Während des Laufens ließ sie nur fünf Nummern durch: ihre Schwester Emmea, ihren Vater, die Zwillinge, die Einsatzzentrale. Mist!

Sie tippte auf den Annahmesensor des Bluetooth-Kopfhörers und lief dabei in unverändertem Tempo weiter. Die Kinder.

«Ja?», keuchte sie.

«Mama! Leos Auge blutet.» Leonie klang aufgeregt.

Cat blieb stehen, stützte die Hände auf die Knie und schloss die Augen. Sie rang nach Luft. «Was? Wieso?»

«Es hat einfach so angefangen.»

Cat rieb sich die Stirn. «Kann sich das nicht Emmi ansehen?» Sie wollte so gern wenigstens über die zwanzig Kilometer kommen. Aber dann wurde ihr klar, dass dies kein Fall für ihre kleine Schwester war, sondern sie sich selbst kümmern musste. «Pass auf. In der Schublade im Flur liegt ein Notfall-Fünfziger. Nehmt ein Taxi, lasst euch in die Augenklinik der Charité bringen.» Cat musste einmal tief Atem holen. «Fragt nach Ferdinand. Dr. Menzel. Campus Mitte. Wir treffen uns dort. Ich bin in zehn Minuten mit der Bahn am Ostkreuz.»

«Okay. Machen wir.» Leonie legte auf.

Cat war alleinerziehende Mutter und Polizistin. Im Grunde bestand ihr Leben nur daraus, ständig in Bereitschaft zu sein. Diesmal also wegen Leo.

Die Musik blendete auf, und Cat rannte los. Schneller als zuvor. Sie trainierte nicht mehr, sie war im Einsatz. Ihr Knöchel konnte später heilen.

Was hatte Leo bloß wieder angestellt? Ein blutendes Auge, ausgerechnet einen Tag, bevor sie in die Ferien fahren wollten. Sie drückte sich an einem Pärchen vorbei, das vor ihr in inniger Umarmung schlenderte. Trat dabei fast in einen Hundehaufen. Berlin.

Das Wichtigste war, dass Leo keinen bleibenden Schaden davontrug. Wie gut, dass sie die Kinder zu Ferdi geschickt hatte. Der würde Leo die beste Behandlung zukommen lassen. Immerhin war er Leiter der Augenklinik der Charité.

Cat holte tief Luft. Rechts die Neubauten, links der Fluss. Der Himmel erfreulich weit. Cat genoss trotz der Sorgen um ihren Sohn die letzten Minuten ihres Laufs. Morgen um diese Zeit wollten sie schon in Venedig sein. Der erste richtige Urlaub seit über einem Jahr.

____

«Cat.» Ferdinand kam auf sie zu. Unter seinem offenen Kittel trug er Jeans und T-Shirt. Er begrüßte Cat mit einer Umarmung. Seit ihrem Umzug mit den Kindern nach Berlin und dem ersten Jahr in seiner WG waren sie beste Freunde.

«Was ist mit Leo?», fragte Cat.

Ihr Telefon vibrierte erneut, sie zog es aus der Rückentasche ihres Laufshirts. Papa stand im Display, darunter das gespeicherte Bild vom Besuch im Frühjahr: Ihr Vater in seinem Garten. Sie drückte ihn weg und steckte das Handy wieder ein.

Ferdinand war schon vorausgegangen. «Das wird wieder», sagte er. «Ihr fliegt morgen in den Urlaub?»

«Eine Woche Venedig», antwortete Cat. «Ist Leo denn reisefähig?»

«Ja, kein Problem. Er hat es offenbar beim Trainieren etwas übertrieben, dabei ist eine Ader im Auge geplatzt. Er hat dann so sehr gerieben, dass sich ein Riss im Augenlid gebildet hat. Und aus dem hat es geblutet, nicht aus dem Auge selbst. Er hat jetzt Salbe im und auf dem Auge – und trägt eine Augenklappe.» Ferdinand blieb vor einer Tür stehen und öffnete sie schwungvoll. «Ich präsentiere: die Piraten der Adria!»

Cat trat hinter ihm ins Behandlungszimmer. Auf der Liege saßen Leo und Leonie nebeneinander. Beide trugen Augenklappen und mit Filzstiften aufgemalte Zwirbelbärte auf der Oberlippe.

«Oh mein Gott!» Cat hob die Hände vor den Mund und wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. «Was hast du … du verdammter Blödmann!» Sie stieß Ferdinand in die Seite. «Wie soll ich mit den beiden denn morgen durch die Passkontrolle?»

Er zuckte mit den Achseln. «Mal doch einfach Augenklappen und Bärte auf die Passbilder.»

Cat seufzte. Dann nahm sie Leo in den Arm. «Ich bin so froh.»

«Argh!», raunzte der gespielt heiser. «Fünfzehn Mann auf des toten Manns Kiste!»

«Guck mal», unterbrach ihn Leonie und hielt Cat ihr Handy hin. Zu sehen war ein Foto der Zwillinge im Piratenlook, doch statt im Untersuchungszimmer in Berlin standen sie an einem karibischen Palmenstrand. «Cool, oder?»

Cat war nicht nur Tatort-, sondern auch begeisterte Hobbyfotografin. Diese Leidenschaft hatte sie offenbar an Leonie vererbt. Die war wie besessen von Filtern, Linsen und Foto-Apps. Ihr Bruder Leo interessierte sich nur für Sport. Auch das hatte er von seiner Mutter.

«Hier.» Ferdinand deutete auf eine große und eine kleine Tube, die auf dem Schreibtisch lagen. «Die kleine ins Auge, die große aufs Auge. Eine Woche lang drei Mal täglich. Dann ist alles wieder in Ordnung.»

Cat nickte.

«Oh, und wenn ihr in Venedig seid … Warte mal einen Augenblick.»

Ferdinand verließ den Raum. Cat sah ihren Kindern dabei zu, wie sie auf ihren Handys herumtippten. Offenbar reichte dafür ein Auge pro Person völlig.

Mit einer zierlichen schlanken Glasvase, in der nur eine einzige, strahlend orangefarbene Gerbera steckte, kehrte Ferdinand zurück. Die Vase hatte einen derart schmalen Fuß, dass sie eher zu schweben als zu stehen schien.

«Wow.» Cat war beeindruckt.

«Wir haben zwölf davon in der Klinik. Keine ist wie die andere. Aus Murano. Da müsst ihr hin. Schau mal.» Ferdinand hob die Vase erneut hoch und streckte sie Cat entgegen. Sie trat einen Schritt vor. Das Glas war nicht ganz durchsichtig, sondern schien einen zarten Rauchschleier zu enthalten, der es noch edler wirken ließ. Zudem waren einige orange Stückchen darin eingefangen, die aufblitzten wie Lichtreflexe auf dem Wasser, wenn die Sonne unterging.

«Faszinierend. Wie fertigt man so was?», murmelte Cat.

«Man kann bei der Arbeit zuschauen. Es gibt Touren und Vorführungen. Großer Touristenzirkus, aber es lohnt sich. Ich war dabei, als diese hier geblasen wurde, konnte die Farben und Größe festlegen. Diese Wahnsinnshitze des Glasbrennofens! Es gibt dort einen Glasbläser … ich muss den Namen raussuchen. Er ist der beste von allen, weltberühmt. Sein Glas hat diesen ganz besonderen Schimmer. Eine Lebendigkeit, die anderen fehlt. Ich schaue zu Hause nach und schicke dir seinen Namen.»

«Super, danke», sagte Cat. Sie hatte bis gestern gearbeitet und die Reise noch nicht vorbereitet. Leo wollte Spaghetti essen – Kohlehydrate! –, Leonie Gondel fahren und bei einem der fliegenden Händler eine «echte» Designerhandtasche kaufen. Das war zwar nicht legal, aber ließ sich wohl trotzdem machen, wenn Cat gerade ganz weit in die andere Richtung sah. Der Rest würde sich finden. Ob die Kinder Lust hatten, Glasbläsern bei der Arbeit zuzugucken, wagte Cat allerdings zu bezweifeln.

Das Handy klingelte erneut. Ihr Vater. Der konnte ganz schön hartnäckig sein. Sollte er doch auf die Mailbox sprechen – was er erfahrungsgemäß nie tat.

«Wo du schon hier bist …», begann Ferdinand.

Cat kniff abwehrend die Augen zusammen. Ferdi hatte sie und die Kinder nicht nur damals nach dem Umzug bei sich aufgenommen, sondern er war auch derjenige gewesen, der bei Cat einen Verdacht auf Blau-Gelb-Schwäche geäußert hatte, nur weil sie auf einem Fest im letzten Sommer die blaue Arbeitskleidung des Partyservices für grün gehalten hatte und über sie hergezogen war. Die Sachen hatten aber auch zu sehr der müden Farbe alter Polizeiuniformen geähnelt. «Tritanopie» – Cat hatte den Begriff nachschlagen müssen – war eine sehr seltene, genetisch bedingte Farbfehlsichtigkeit und führte dazu, dass die Betroffenen Blau und Grün nicht sicher und in allen Schattierungen auseinanderhalten konnten. Gelb war ganz schwierig.

Eine farbenblinde Tatortfotografin, das fehlte noch!

Sie hatte versprochen, einen Termin in der Klinik zu vereinbaren, es aber immer wieder «vergessen». Ferdinand hatte nicht mehr nachgefragt, wenn sie sich trafen. Bis jetzt. Er hatte natürlich nicht vergessen, dass er sie noch untersuchen wollte. Und sie fürchtete, dass er mit seiner Vermutung richtiglag. Seit letztem Sommer hatte sie darauf geachtet, was sie sah und wie andere über die Welt sprachen. Außerdem hatte sie mit den Einstellungen der Bildbearbeitungsprogramme experimentiert.

Sie griff zu ihrem Handy. «Ich sollte meinen Vater noch zurückrufen.»

«Kein Problem, ich kann warten», entgegnete Ferdinand.

Sie wusste, er würde sie diesmal nicht davonkommen lassen.

Warum war sie nur so vorschnell gewesen, die...

Erscheint lt. Verlag 23.3.2021
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Destinationskrimi • ermordete Schauspielerin • Fotografie • Glasbläserei • Italien • Kunst • Kunstfälschung • Menschenschlepper • Menschenschmuggel • Murano • Regionalkrimi • Schlepper • Schmuggel • Tatortfotografie • Tatortfotografin • Venedig
ISBN-10 3-644-40567-0 / 3644405670
ISBN-13 978-3-644-40567-7 / 9783644405677
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