Bermuda (eBook)
400 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45838-9 (ISBN)
Thomas Finn, geboren 1967 in Evanston/Chicago, studierte Volkswirtschaft und war nebenbei als Journalist und Autor für diverse deutsche Verlage und Magazine tätig, u.a. als Chefredakteur für das Magazin Nautilus. Seit 2001 arbeitet er als Roman-, Spiele- und Drehbuchautor. Er ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, u.a. mit der Segeberger Feder. Er lebt und arbeitet in Hamburg. Mehr unter: www.thomas-finn.de
Thomas Finn, geboren 1967 in Evanston/Chicago, studierte Volkswirtschaft und war nebenbei als Journalist und Autor für diverse deutsche Verlage und Magazine tätig, u.a. als Chefredakteur für das Magazin Nautilus. Seit 2001 arbeitet er als Roman-, Spiele- und Drehbuchautor. Er ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, u.a. mit der Segeberger Feder. Er lebt und arbeitet in Hamburg. Mehr unter: www.thomas-finn.de
Anno 1533
Ein auf- und abschwellendes Dröhnen drang an Miguels Bewusstsein, dem ein Prasseln wie von knackenden Feuerscheiten folgte. Aufgeregte Stimmen mischten sich in den unheimlichen Laut, und der Untergrund senkte sich unentwegt auf und nieder. War das Seewind, der über seine klamme Kleidung strich? Es roch nach Salz und Tang. Ihn fröstelte.
Nur … konnte er sich kaum bewegen.
Er war gefesselt.
Miguels Kopf ruckte endgültig hoch, und er spürte mit der Bewegung einen pochenden Schmerz an seinem rechten Bein. Stöhnend öffnete er die Augen. Seine wollene Kniehose war auf Höhe des rechten Oberschenkels aufgerissen und gab den Blick auf blutverkrustete Wickel frei, unter denen grüne Blätter hervorlugten. Mehr als die Wunde selbst erschreckte ihn jedoch das mehr als ein Dutzend halb nackter Männer in Lendenschurzen, die in einer langen Reihe quer vor ihm hockten und auf unbestimmte Art aufgeregt wirkten. Ihr Hautton glich dem der Menschen auf den Kanarischen Inseln. Allerdings war ihr schwarzes Haar dicht und struppig, wobei sie es über der Stirn kurz trugen, während es zum Rücken hin Pferdeschweifen ähnelte.
Indios. Eindeutig.
Ihre Oberkörper waren mit grauer Farbe bemalt, die Augenpartien hingegen auf gefährlich wirkende Weise weiß und rot markiert. Keiner von ihnen schien älter als dreißig Jahre zu sein, und das Sonnenlicht, das hin und wieder den Himmel durchbrach, enthüllte das Schattenspiel ihrer kräftigen Muskeln. Stark mussten sie auch sein, denn sie stachen in einem rhythmischen Takt mit Rudern, die ihn an Ofenschaufeln erinnerten, in die Wellen. Jenseits der Schiffsbegrenzungen erkannte er nichts als Wasser. Viel Wasser. Sie befanden sich irgendwo auf dem Meer.
Miguel war nur ein einfacher Matrose, hatte jedoch bereits die Hälfte seines jungen Lebens auf See verbracht und war mit seinen vierundzwanzig Lebensjahren weit herumgekommen. Auf den zurückliegenden Fahrten in die Neue Welt hatte er genug mit den hiesigen Bewohnern zu tun gehabt, um Händler von Kriegern unterscheiden zu können. Die Indios vor ihm waren Krieger – und das war alles andere als ein gutes Omen.
Die Zeiten, in denen seine Landsleute bei den Einheimischen ein paar Glasperlen gegen Schmuck, Perlen, Gewürze und seltene Vögel hatten eintauschen können, waren lange vorbei. Die Indios hatten längst verstanden, dass Spanier und Portugiesen sich ein brutales Wettrennen um die kostbaren Goldschätze ihrer Heimat lieferten. Auch der Dschungel, die tödlichen Tiere oder das mörderische Klima der Neuen Welt konnten die Konquistadoren nicht davon abhalten, das neu entdeckte Land für die jeweilige Krone in Besitz zu nehmen. Viele der Indios setzten sich daher längst gegen die brutale Landnahme zur Wehr, nur hatten sie gegen die Feuerwaffen der Abenteurer kaum eine Chance. Gerüchten zufolge war inzwischen sogar ein ehemaliger Schweinehirt namens Pizarro mit einigen Söldnern ausgerückt, um ein Reich südlich Neuspaniens zu erobern. Wenn das stimmte, dachte Miguel, dann konnte jeder in der Neuen Welt zu Ruhm und Wohlstand gelangen.
Jeder … bis auf ihn.
Denn beim Anblick der vielen Ruderer beschlich Miguel das unangenehme Gefühl, dass ihn sein Glück verlassen hatte, noch ehe er es überhaupt in die Waagschale hatte werfen können.
»Na, ist unser Bürschchen aufgewacht?«, erklang hinter ihm eine dunkle Stimme in vertrautem Spanisch.
Miguel drehte mühsam den Kopf, und seine Vermutung bewahrheitete sich. Er saß mit klammer Kleidung auf der Mitte eines überraschend großen Floßes, das sich auffallend von den aus Baumstämmen gefertigten Kanus unterschied, mit denen die Einheimischen üblicherweise zwischen den Inseln unterwegs waren. Auch auf der gegenüberliegenden Floßseite hockten in einer langen Reihe Indios, die mit ihren Rudern in gleichförmigem Takt ins Wasser stachen. Was ihn jedoch am meisten beunruhigte, war, dass feste Stricke seinen Körper umschlangen. Außerdem waren ihm die Hände auf den Rücken gefesselt worden. Man hatte ihn Rücken an Rücken mit zwei Unbekannten zusammengebunden, von denen er gerade so viel erkennen konnte, dass der Sprecher deutlich älter als er war, einen struppigen grauen Vollbart trug und in einem verschmutzten braungelben Wams steckte. Ein Konquistador.
»Wo bin ich hier?«, presste Miguel hervor, während dicht an seinem rechten Ohr ein Summen ertönte. Eine Biene. Eine Biene? Verärgert schüttelte er den Kopf, um sie zu vertreiben.
»Na, wo wohl? Weit draußen auf dem Meer.« Der zweite Kerl hinter ihm schnaubte freudlos. Miguel warf einen Blick über seine andere Schulter und sah, dass auch der zweite Mann nicht mehr der Jüngste war. Im Gegensatz zu dem des Konquistadors war sein Haar allerdings noch immer schwarz, und das Gesicht zierte ein mächtiger Schnauzbart. Auch die Wangen schienen schon längere Zeit nicht mehr geschabt worden zu sein. Dem Hemd und der knielangen Wollhose nach war er ebenso ein Seemann wie Miguel selbst. Vermutlich ein Segelmacher, dachte er, als er nach einem Blick über die Schulter den leeren Schultergurt seines Mitgefangenen erspähte, in dem üblicherweise Werkzeuge wie Pricker, Splisshorn oder Markpfriem steckten.
»Ich bin Miguel Fernandez«, stellte er sich vor und versuchte zugleich, seine unbequeme Sitzposition etwas zu verlagern, was sofort Schmerzen in seinem Bein verursachte. »Wer seid ihr?«
»Antonio de Ovando, Ritter vom Calatrava-Orden.« Der Konquistador beäugte misstrauisch die Indios um sie herum, die das Floß weiterhin kraftvoll durch die Wellen steuerten. »Unser Kamerad hinter uns hört auf den Namen Diego Vazquez.«
»Und wie bin ich hierhergelangt?«
»Das solltest du eigentlich selbst am besten wissen«, knurrte Diego Vazquez. Der Segelmacher ruckte heftig an den Seilen, mit denen sie zusammengebunden waren, da die Biene nun ihn umschwirrte. Wo kam das lästige Insekt überhaupt her? »Die verdammten Heiden haben dich vor einigen Stunden samt einem Treibstück aus dem Meer gefischt. Ich schätze, die haben dich zunächst für tot gehalten. Und nicht nur die … Der Don und ich hingegen sind ihnen vor drei Wochen bei einer, na ja, sagen wir mal missglückten Bestrafungsexpedition in die Falle getappt. In La Florida.«
Miguel, der von diesem La Florida noch nie gehört hatte, runzelte die Stirn. »Ist das weit weg?«
Der Konquistador lachte abfällig. »Inzwischen schon. Die Heiden haben uns anfangs zwar unter Drogen gesetzt, aber wenn ich richtig mitgezählt habe, sind wir jetzt schon drei Tagen unterwegs. Und es geht seitdem immer weiter gen Osten.«
Miguel musterte erst die Rudernden und dann sein schmerzendes Bein. »Haben die Indios meine Wunde versorgt?«
»Ja, der Kazike da vorn.« Antonio de Ovando bedeutete ihm mit dem Kopf, zum Bug des Floßes zu schauen, wo neben einem Berg aus Kalebassen, die wohl Wasser und Nahrungsmittel enthielten, auch die erbeuteten Besitztümer seiner Leidensgenossen aufgehäuft waren. Darunter Stiefel, Umhängetaschen, ein abgetragener Mantel sowie de Ovandos ausgebeulter Halbharnisch, sein Glockenhelm und das Waffengehänge samt Rapier. Daneben war hochkant ein Baumstamm verzurrt, um den zu Miguels Verwunderung ein halbes Dutzend Bienen schwirrte. Unweit von ihm stand ein auffallend groß gewachsener und prächtig gekleideter Indio mit buntem Federschmuck im Haar, der – von den Insekten scheinbar unbeeindruckt – auf das Meer hinausblickte. Über seinen Schultern lag ein braun gefleckter Umhang aus dem Fell eines Pumas, links trug er ein goldenes Ohrgehänge. Außerdem konnte Miguel Ketten am Hals des Indios ausmachen, an denen vermutlich Perlen und Muscheln aufgefädelt waren.
»Ist das nicht im Zweifel ein gutes Zeichen?«, wandte sich Miguel hoffnungsfroh an seine Schicksalsgenossen. »Also, dass sie sich um mich gekümmert haben?«
»Darauf würde ich besser nicht wetten.« Antonio de Ovandos Stimme klang resigniert. »Das sind Taíno. Die gelten zwar als friedfertiger als die Menschenfresser weiter unten im Süden, aber es erklärt nicht, warum sie uns mit auf See genommen haben.«
»Sag schon, Junge«, machte der Segelmacher wieder auf sich aufmerksam. »Woher kommst du? Offensichtlich bist du ein Schiffbrüchiger.«
Miguel versuchte verzweifelt, sich zu erinnern. Sein Kopf war zwar noch immer wie in Bausch gepackt, doch vor seinem geistigen Auge stiegen allmählich Bilder empor. Unangenehme Bilder.
»Wir befanden uns auf dem Rückweg nach Spanien«, stöhnte er, während er mit den Erinnerungen kämpfte. »Am fünften Tag sind wir in einen Sturm mit vielen Gewitterschlägen geraten, der unseren ohnedies bereits angeschlagenen Segeln schwer zugesetzt hat. Irgendwann war der Wind so stürmisch, dass unsere Karavelle derart tief tauchte, dass wir schon glaubten, sie wolle in Grund und Boden versinken. Wir haben wegen der schweren Ladung vor Top und Takel gelenzt. So ging es zwei Tage, danach erst flaute der Wind wieder ab. Nur … hatte das Ruder bereits drei Fingerlinge verloren. Und dann hieß es, dass der Kompass verrücktspiele. Wir gerieten … in ein seltsames Meeresgebiet. Da war plötzlich dieses weiße Wasser. Überall auf den Wellenbergen. Bevor ich über Bord gespült wurde, befahl Kapitän de Padilla noch …«
»Wer bitte?«, unterbrach ihn der Konquistador brüsk.
»Kapitän Alonso de Padilla.«
»Du sprichst vom Kapitän der Isabella?«
»Ihr kennt die Karavelle? Ich befürchte …«
»Willst du uns verarschen?«
Miguel sah eingeschüchtert zu einem der Ruderer auf, der angesichts ihrer Unterhaltung...
Erscheint lt. Verlag | 1.5.2020 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Alex Kirchner • Bermuda-Dreieck • Biologe • blutiger Thriller • Einsame Insel • Grusel Romane • Heiligtum • Horror • horror buch • Horror Mystery • Horror Roman • horror thriller • Horrorthriller • Hurrikan • Indianer • Insel-Thriller • Itzil Pérez • Kampf ums Überleben • Kreuzfahrt • Kreuzfahrtschiff • Legenden • Lost • Mystery • Mystery-Thriller • Romane Horror • Schiffbruch • Schiffbrüchig • Schiffbruch-Überlebende • Thriller Übersinnliches • Überleben • Überlebende • Umweltaktivistin • unheimliche und phantastische Geschichten |
ISBN-10 | 3-426-45838-1 / 3426458381 |
ISBN-13 | 978-3-426-45838-9 / 9783426458389 |
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