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DIE STIMME AM TELEFON (eBook)

Der Krimi-Klassiker!

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
CCLXXXVII Seiten
BookRix (Verlag)
978-3-7487-3803-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

DIE STIMME AM TELEFON - George H. Coxe
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Ihm war klargeworden, dass er einen Fehler begangen hatte, und er versuchte nun, die nötige Objektivität aufzubringen, um die Konsequenzen richtig einzuschätzen. Er versuchte sich einzureden, dass er schon alles wieder in Ordnung bringen würde, wenn er sich auch durchaus der Tatsache bewusst war, dass hier die Sache anders lag als in Boston, wo eine Zeitung ihm den Rücken deckte und wo er Freunde im Morddezernat besaß, die seine Schuld zumindest bezweifeln würden. Hier war er ein Fremder, und die Umstände sprachen gegen ihn. Nachdem er niemanden in der Stadt kannte, der Einfluss genug hatte, ein gewichtiges Wort für ihn einzulegen, würde er verhaftet und möglicherweise den ganzen Tag lang verhört werden, sobald er sich der Polizei stellte... Der Roman Die Stimme am Telefon von George H. Coxe (* 23. April 1901 in Olean/New York; ? 31. Januar 1984 in Old Lyme/Connecticut) erschien erstmals im Jahr 1950; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1961. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  Erstes Kapitel


 

 

Die Aufgabe, die Kent Murdock nach Uniontown führte, war teils geschäftlicher, teils privater Natur. Der geschäftliche Teil hing mit einem fotografischen Routineauftrag zusammen, der ihm am späten Vormittag trotz einiger Einwände seinerseits erteilt worden war; den privaten Teil hatte er auf Grund seiner freundschaftlichen Gefühle für ein Mädchen, das jetzt verheiratet war und das er früher sehr gern gehabt hatte, freiwillig übernommen.

Er verließ das Gebäude des Courier am Montagnachmittag um ein Uhr und schlug wegen der besseren Straßenverhältnisse eine Inlandroute ein.

Als er die Stadt hinter sich gelassen hatte, setzte er sich bequem zurück, um den hellen, sonnigen Nachmittag richtig genießen zu können, der das hügelige Land mit Frühlingszauber übergoss. Er kam gut voran, nicht etwa, weil er sich sonderlich beeilt hätte, sondern weil er von dem geringen Verkehr nicht behindert wurde. Es war zehn Minuten vor vier, als er seinen Wagen auf den Parkplatz abstellte und zu Fuß zum Hotel Greene zurückging.

In der gediegenen hohen Hotelhalle saß, wie üblich, eine ganze Anzahl von Leuten müßig herum. Einige von ihnen warteten offensichtlich darauf, zu ihrem Zimmer geführt zu werden, denn neben dem Platz des Empfangssekretärs war eine Reihe von Koffern abgestellt. Murdocks Koffer und die kleine Tasche, die sein Fotomaterial enthielt und ebenso zu seiner Reiseausrüstung gehörte wie seine Brieftasche, gesellten sich hinzu. Der Portier prüfte seine Zimmerbestellung und schob ihm mit einigen Worten der Entschuldigung die Anmeldungskarte hinüber.

»Wir haben Ihre Bestellung hier, Mr. Murdock«, sagte er, »aber es dauert unter Umständen noch eine Weile, bis wir Ihnen ein Zimmer geben können.«

Murdock unterschrieb die Anmeldung.

»Hm«, äußerte er unschlüssig und runzelte die Stirn. Zu seiner Rechten klirrte irgendetwas, und als er sich umwandte, sah er, dass das Mädchen, das die Hotelkasse verwaltete, einen Schlüssel aus ihrem Glaskäfig in eine kleine Schachtel hinter dem Pult geworfen hatte. Er blickte den Angestellten vielsagend an, und dieser verstand ihn anscheinend zur Genüge, denn er ging hinüber und betrachtete den Schlüssel. Dann kam er zurück und biss sich zweifelnd auf die Unterlippe.

»Wenn es Sie nicht stört, in ein unaufgeräumtes Zimmer zu ziehen«, sagte er zögernd, als widerspräche dies den Gepflogenheiten des Hauses, »könnten wir Sie sofort unterbringen.«

Murdock erklärte sich einverstanden. Als jedoch fünf Minuten, nachdem ihm der Hausdiener das Gepäck heraufgebracht hatte, das Telefon schrillte, fragte er sich, ob er nicht besser getan hätte, noch etwas zu warten. »Harry«, sagte eine angenehme weibliche Stimme, »werde ich dich heute Abend sehen?«

Murdock sah sich in dem unaufgeräumten Zimmer um. Das Bett war zerwühlt. Ein Tablett mit einer Flasche Soda, zwei benutzten Gläsern und einer Schale mit schmelzenden Eiswürfeln stand auf der Kommode; das Telefonbuch lag neben dem Bett auf dem Fußboden. Auf der Türschwelle zum Badezimmer sah er ein achtlos hingeworfenes Handtuch liegen, das möglicherweise zum Schuhe putzen verwandt worden war.

Es schien ihm, dass Harry wohl ein sehr unordentlicher Mensch sein musste, doch gleich darauf fühlte er Sympathie für seinen Vormieter in sich aufsteigen, den Frauen mit so netten Stimmen anriefen und um Verabredungen baten. Ohne zu wissen, wie er das Gespräch fortführen sollte, aber von einer plötzlichen Neugier gepackt, den Namen der Unbekannten mit der schönen Stimme zu erfahren, gehorchte er einem Impuls und fragte: »Hallo, bist du es, Anne?«

»Anne? Hier spricht Leona!« Dann, etwas misstrauisch: »Wer ist Anne?«

Murdock lachte vergnügt. »Tut mir leid«, sagte er, »ich habe nur Spaß gemacht. Ich fürchte, Harry ist gar nicht mehr hier.«

»Ist das nicht Zimmer 617?«

»Doch.«

»Aber ich dachte... ich meine, er sagte doch...« Sie brach ab. »Verzeihen Sie bitte«, sagte sie mit hörbarer Enttäuschung in der Stimme.

Murdock grinste und entschuldigte sich ebenfalls. Als sie daraufhin nicht einhängte, war er versucht, die Unterhaltung fortzusetzen, da ihm der Gedanke kam, Leonas Zögern könnte vielleicht bedeuten, dass ihr dies nicht unangenehm wäre. Vielleicht entwickelte sich daraus...

Etwas widerstrebend verwarf er den Gedanken, als ihm einfiel, was er alles zu tun hatte. »Ich bin gerade erst eingezogen«, erklärte er. »Das Zimmer ist noch gar nicht aufgeräumt; deshalb nehme ich an, dass Harry erst vor kurzem gegangen ist.«

Diesmal erfolgte keine Antwort, und einen Augenblick später hörte er, wie die Verbindung unterbrochen wurde. Belustigt legte er den Hörer auf. Er schlüpfte aus seiner Jacke, hängte sie über eine Stuhllehne und schüttelte dabei immer noch den Kopf über Leona und Harry. Dann wuchtete er seinen Koffer auf den Kofferbock, öffnete ihn, holte sein Waschzeug heraus und begab sich ins Badezimmer. Er trocknete sich eben die Hände ab, als jemand an die Tür klopfte.

Als er aufmachte, spazierte ein junges Mädchen herein.

»Tag«, sagte sie mit einem Blick ins Zimmer und drehte sich dann überrascht um. »Oh, ist Harry denn nicht hier?«

Murdock musterte sie eingehend. Vor ihm stand ein junges, grünäugiges Mädchen mit einem glatten, runden Gesicht und aschblondem, nachlässig frisiertem Haar. Sie hatte einen Kamelhaarmantel um die Schultern gehängt. Ihre Kleidung bestand aus Pullover, langer Hose und Tennisschuhen, und abgesehen von dem starken und etwas zu gekonnten Make-up hätte man sie auf den ersten Blick für eine Oberschülerin der höheren Klassen halten können.

»Nein«, erklärte er. Während er die Tür schloss, musste er lachen. »Harry ist anscheinend gerade ausgezogen.«

»Na, so ein Schuft!«, schimpfte sie lachend. »Er hat mir kein Wort davon gesagt.«

Sie bemerkte nun Murdocks unverblümte Musterung, schien sich aber dabei nicht zu genieren. Sie setzte sich auf die Lehne des einzigen Armsessels, wippte mit dem Fuß und schaute ihm direkt ins Gesicht. Sie sah sehr hübsch, aber nicht sonderlich apart aus; in ihrem Auftreten lag eine gewisse Treuherzigkeit. Als jetzt ihr Mantel auseinanderschlug, revidierte Murdock seine vorherige Meinung. Er sah, dass sie das Schulmädchenalter vielleicht um zwei oder drei Jahre überschritten hatte. Der erfreulich enganliegende Pullover enthüllte ganz unerwartete Rundungen.

»Sie sind nicht die einzige«, sagte er.

»Ach?«

»Er wurde schon einmal verlangt.«

Sie überlegte kurz und fragte: »Von einer Frau?«

»Woher wissen Sie das?«

»Ich kenne Harry«, lächelte sie.

»Sie hieß Leona.«

»Ach«, wiederholte sie in einem Ton, der vermuten ließ, dass ihr der Name nicht unbekannt war. Sie zuckte leicht die Achseln und stand auf.

»Ist sie nett?«                     

Murdock lehnte an der Kommode. Sie machte Anstalten, an ihm vorbeizugehen, sah den Spiegel hinter ihm und blieb stehen, um sich eingehend zu betrachten.

»Harry findet sie nett.« Sie hielt den Kopf schräg, während sie ihr Spiegelbild einer genauen Musterung unterzog, und holte einen Kamm aus der Tasche. Ohne sich um Murdocks Anwesenheit zu kümmern, bearbeitete sie ihr schulterlanges Haar mit schnellen, kräftigen Strichen. »Doch, sie ist schon ganz nett... wenn man Rothaarige mag.«

»Wie alt?«

»Ach, so um die Dreißig. Vielleicht etwas jünger.«

Murdock musste abermals lächeln, als er ihr zusah. »So, das wäre also Leona«, meinte er. »Und wer ist Harry?«

Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. »Er ist mein Agent.«

»Sie sind also im Theaterfach tätig?«

»Ich spiele Klavier.« Sie steckte den Kamm ein und drehte sich mit einem Augenaufschlag zu Murdock um. »Drüben im Ebony-Club, bis zehn Uhr, wenn das Programm anfängt.«

»Schön, schön«, meinte Murdock. »Chopin?«

Sie schnitt ihm eine Grimasse und lächelte dann. »Nur Modernes«, gab sie zurück und zog den Mantel zusammen. »Tut mir leid, dass ich hier so hereingeplatzt bin.«

»Sie haben mich absolut nicht gestört«, meinte Murdock. »Spielen Sie gut Klavier?«

»Warum kommen Sie nicht einmal hinüber und hören es sich selbst an?« Sie öffnete die Tür und schenkte ihm dabei einen vielversprechenden Blick. »Sie sind jederzeit willkommen.«

Das würde er vielleicht tun, meinte er und fügte hinzu, dass er hoffe, sie wiederzusehen. Ihre offene, ungezwungene Selbstsicherheit zog Ihn an.

Als sie gegangen war, versuchte Murdock an etwas anderes zu denken. Er stand vor der Kommode und schnitt seinem Spiegelbild ein finsteres Gesicht, als er plötzlich bemerkte, dass sein Haar ganz zerzaust war. Er ging ins Badezimmer und fuhr sich mit der nassen Hand darüber. Darauf holte er seinen Kamm und trat wieder vor den Spiegel, bemerkte jedoch, dass dieser für eine größere Person eingestellt war, und streckte die Hand aus, um ihm einen anderen Neigungswinkel zu geben. In diesem Augenblick hörte er etwas fallen.

Der Spiegel hing zwischen zwei senkrecht stehenden Pfosten und drehte sich um eine Achse. Bevor ihn Murdock berührte, hatte er mit dem unteren Rand die Wand berührt. Der eben zu Boden gefallene Gegenstand musste also zwischen dem Spiegel und der Wand verborgen gewesen sein. Er kniete nieder und konnte mit seinem ausgestreckten Arm den Briefumschlag erreichen, der nun zwischen Kommode und Fußbodenleiste lag.

Er richtete sich auf, klopfte den Staub von den Knien und...

Erscheint lt. Verlag 25.4.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Amerika • Apex-Verlag • Detektiv • Detektive • eBook • E-Book • Klassiker • klassisch • Krimi • Mord • Morde • Neuausgabe 2020 • neuerscheinung 2020 • Privatdetektiv • Roman • Romane • Spannung • Suspense • Thriller • USA • Verbrechen
ISBN-10 3-7487-3803-X / 374873803X
ISBN-13 978-3-7487-3803-9 / 9783748738039
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