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Bruchstücke (eBook)

bruised. not broken
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
432 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491289-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Bruchstücke -  Maria Milisavljevi?
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Was passiert, wenn deutsche Dramatik auf kanadisches Theater trifft? Eine Menge. Weil Maria Milisavljevi? ihre preisgekrönten Theaterstücke für nordamerikanische Bühnen völlig neu überschreibt. Aus einem entstehen zwei. In Bruchstücke sind diese beeindruckenden Variationen erstmals zweisprachig abgedruckt: Brandung / Abyss, Beben / Noise, geteilt / about a woman. Ein einzigartiger dramatischer Einblick in zwei völlig unterschiedliche Theaterlandschaften. »Grenzausreizung der Sprache von Milisavljevic besteht darin, dass sie sich traut, wuchtige, poetische Worte neben Alltagssprache zu stellen, weder Kitsch, Pathos, Rätsel noch deren Brechung scheut.« nachtkritik.de Abgedruckt in Bruchstücke sind: Brandung / Abyss Beben / Noise geteilt / about a woman.

Maria Milisavljevi?, geboren 1982 in Arnsberg, studierte Englische Kulturwissenschaften, Englische Literatur und Kunstgeschichte. Im Anschluss arbeitete sie u.a. als Regisseurin an Theatern in Deutschland und London und promoviert über das Londoner Royal Court Theatre. Maria Milisavljevi? lebte von 2013 bis 2015 in Toronto, Kanada, wo sie am Tarragon Theatre als Dramaturgin und Regisseurin arbeitet. Außerdem war sie dort 2013/2014 dort International Playwright-in-Residence. 2013 wurde sie für das Stück Brandung mit dem Kleistförderpreis für junge Dramatik ausgezeichnet. Sie gewann 2016 mit Beben den Autorenpreis des Heidelberger Stückemarktes und den Else-Lasker-Schüler-Förderpreis des Pfalztheaters Kaiserslautern. Maria Milisavljevi? lebt in Berlin.

Maria Milisavljević, geboren 1982 in Arnsberg, studierte Englische Kulturwissenschaften, Englische Literatur und Kunstgeschichte. Im Anschluss arbeitete sie u.a. als Regisseurin an Theatern in Deutschland und London und promoviert über das Londoner Royal Court Theatre. Maria Milisavljević lebte von 2013 bis 2015 in Toronto, Kanada, wo sie am Tarragon Theatre als Dramaturgin und Regisseurin arbeitet. Außerdem war sie dort 2013/2014 dort International Playwright-in-Residence. 2013 wurde sie für das Stück Brandung mit dem Kleistförderpreis für junge Dramatik ausgezeichnet. Sie gewann 2016 mit Beben den Autorenpreis des Heidelberger Stückemarktes und den Else-Lasker-Schüler-Förderpreis des Pfalztheaters Kaiserslautern. Maria Milisavljević lebt in Berlin.

Gestern, vorgestern, seit 16 Tagen


ER

Gesehn in München.

ICH

Gesehn in Brüssel.

ER

Auf ’ner Party in Berlin.

ICH

Getäuscht. Sorry.

Plötzlich steht Vlado.

ER

Listen.

Wegen der Tasche. Gelb und der Spruch. Seit ’ner Weile läuft ’n Penner damit rum. Gesehen im Russenviertel. Sammelt Pfandgut darin.

SIE

Bei den Flachbauten.

ICH

Der Mann mit der Tasche, zwischen den Häusern. Wir überlegen uns seine Geschichte.

SIE

Zum Mitmachen Teil I

Kaninchen essen. Kaninchen am Spieß

Man braucht:

1 Spieß samt Aufhängung und Drehvorrichtung (im Idealfall mit Elektroantrieb)

15 Kilo Kohlen

ICH

Diese Arbeit geht nur zu zweit!

SIE

Eine der am Spieß befestigten Fixierungen (Stacheln, die das Tier von hinten und von vorn in Position halten) lösen und abziehen. Den Spieß zwischen den Hinterbeinen durch die Geschlechtsöffnungen durch die Bauchhöhle vor bis durch den Mund. Fixieren: Die Vorder- und Hinterläufe zusammenbinden, die Stacheln der Fixierung je in die Vorder- und Hinterbacken rammen. Vorn tief in den Kopf. Hinten tief in den Hintern. Fixierungen gut verschrauben. Spieß in die Vorrichtung einhängen. Gleichmäßig (wichtig!) drehen. Garzeit ca. 2 Std. Vorsicht: nur über der Glut, nie über offenem Feuer.

ICH

Im Garten der Geruch von gebratenem Knoblauch

SIE

und Mama wird auch morgen nicht anrufen.

ICH

Draußen die bittere Kälte. Der Wind pfeift durch die Straßen und beißt an unseren Ohren. Das Russenviertel, die Plattenbauten.

SIE

Wir sollten überlegen, wie wir vorgehen.

ICH

Martina spitzt den Mund an, wie die Lehrerin, die nicht sagt:

SIE

Bitte, ich will was hören. Aber mal ’ne richtig gute Antwort.

ICH

Und Vlado hat einen Plan, nickt »warten«, greift kurz in die Tasche, nimmt das Handy, Kurzwahl 4, ruft seinen Vater an, Goran, und fragt den Papa nach einer Nummer und bekommt zwei Namen: einen Mann und eine Straße.

ER

Got it. Ivan hat mal mit Goran zusammengearbeitet, ist jetzt in Rente. Arbeitet zumindest nicht mehr. Schon daheim war seine Oma das Gedächtnis des Dorfes.

ICH

Manche Dinge bleiben in der Familie.

ER

Ivan jetzt das Gedächtnis des Viertels.

ICH

Nichts, das Ivan nicht weiß.

SIE

Ist der umgänglich?

ICH

Typische Martina-Frage.

ER

Wenn er gesoffen hat.

SIE

Meinst du, er hat gesoffen? Ist ja noch früh.

ER

Wenn er nicht noch schläft.

ICH

Opa hat nie getrunken und wenn, dann nur Schnaps aus Tassen. Papa trinkt Bier und das nur aus Flaschen. Und die leeren Flaschen stellt er in die Spülmaschine. Spült sie, denn er kann den Geruch nicht leiden, von schalem Bier. Sagt, im Leben hat ihm schon genug gestunken. Das letzte Mal geredet mit Papa hab ich vor zwei Jahren, kurz nach dem Brief von Mama.

SIE

Gott, ist das trostlos hier.

ER

Ein bisschen wie zu Hause.

ICH

Aber Vlado ist Deutscher.

SIE

Sind wir doch alle …

ICH

Die Kälte ist unerträglich, alles grau, in dem Wind. Wenn Karlas Tasche hier wandert … Kann Karla hier sein? In Hinterzimmern oder Katakomben. Die Gesichter hier ernst, nicht verkniffen. Die Kälte ist doch kein Feind hier, pfeift fröhlich »Heimat«.

ER

This is it.

ICH

Drückt auf »Abramowitsch«. Und der Mann ist schon wach und hat auch schon gesoffen.

SIE

Gut.

ICH

Ich hatte heimlich gehofft, Ivan sähe aus wie Opa, aber er ist klein und dick mit verquollener Nase und freut sich, stellt drei Tassen auf den Tisch – Schnaps nur aus Tassen – und erzählt von gutem und schlechtem Wodka. Ich dachte, Russen haben Besseres zu tun, nur 14-jährige reden so: guter und schlechter Wodka.

Ivan trinkt Fusel, ohne Etikett, aus dem Hinterzimmer oder den Katakomben und stellt viele Fragen.

SIE

Goran? Und das Leben?

ICH

Ivan ist jetzt in Rente, nennt das mal so, und während er redet, geht dreimal das Telefon, und er lauscht strahlend Geschichten.

SIE

Wie geht’s dir denn, mein Junge?

ER

Meine Freundin ist verschwunden.

ICH

Ivan nimmt die Zeitung:

Ist das deine Freundin?

Ivan ist mittendrin:

SIE

Wie kann ich dir helfen? Ich kenne Leute –

ICH

lehnt sich vor, weil wir ja Mädchen

SIE

auch ein paar von den gefährlichen.

ICH

Gut zu wissen.

ER

Danke. Es geht nur um ihre Tasche.

ICH

Ivan fühlt sich wie in einem Thriller, und mir macht das Angst.

Ja, die Tasche. Die hat er gesehen

SIE

mit eigenen Augen.

ICH

Im Thriller lügen die Russen immer.

Bei den Amis zumindest. Aber das hier ist fast so was wie eine deutsche Produktion.

SIE

Gestern, unten bei Dima.

ICH

Die Wohnungen im Thriller riechen nicht nach verfaultem Obst. Thriller sind völlig geruchsfrei.

SIE

Der Alte aus den Baracken kam damit an, um bei Dima Leergut abzugeben. Ich weiß das wegen dem Spruch mit dem Mädchen im Himmel und überall. Kommt ja ganz dumm bei so ’nem alten Penner. Wir haben ganz schön gelacht. Dima hat ihn gefragt, wo er die her hat. Hat gesagt, das is ’n Geschenk.

ICH

Gestern. Vorgestern.

ER

Baracken?

SIE

Ja, hinter den Häusern stehen so Container, die nennen sie Baracken.

ER

Und kennst du seinen Namen?

SIE

Nee. Is ’n Deutscher.

ICH

Ivan sieht uns an, als erwarte er jetzt Szenenmusik, Streicher, ein Orchester.

Die Stühle knarzen, als wir aufstehen. Ich bilde mir ein, die Handflächen flatschen, als sie klebrig geschüttelt werden. Vlado und Ivan reden noch, aber Martinas und meine Gedanken sind schon vor der Tür. Vlado steckt seinen Geldbeutel wieder weg:

ER

Für guten Wodka.

ICH

Und jetzt haben wir Rückenwind, auf dem Weg zu den Baracken.

SIE

Karla!

ICH

Vlado und ich zucken zusammen.

ER

Lasst uns suchen.

ICH

Was, wenn sie hier ist? Versteckt. Irgendwo.

ER

Then we’ll find her.

SIE

Die Baracken

ICH

das sind alte Bauwagen, Transportcontainer

SIE

Wellblechverschläge.

ICH

Von irgendwo Stimmen, aber niemand zu sehen. Müll, ein verrostetes Dreirad. Zum Glück die bittere Kälte, das heißt kein Geruch. Das Schlimmste sind immer die Gerüche, weil sie bleiben, für immer, tief eingegraben ins Hirn, in die Erinnerung.

SIE

Karla!!

ICH

Vlado nimmt meine Hand. Wir suchen die Stimmen, suchen nach Zeichen.

Angst. Was wenn wir nie wieder von hier fortkommen. Vlado hält meine Hand, und wir gehen gemeinsam. Martinas Rufen ganz nah, hinter dem Wellblech.

Vor uns ein Rascheln, Poltern in einem Bauwagen. Die Welt wabert. Was tun? Vlados Griff wird fester. Er ist bereit, klopft an die Bauwagentür. Wär da nie drauf gekommen. Martina ruft:

SIE

Karla.

ICH

Ein leises »Herein«.

SIE

Zum Mitmachen Teil II

Kaninchen essen. Kaninchenkopf in Suppe.

Besonders toll in Erbsensuppe auszukochen ist der Kopf des Kaninchens. Nicht nur verleiht er der Suppe einen kräftigen Geschmack; Backenfleisch und Hirn sind darüber hinaus sehr schmackhaft. Blick in den Topf: Erbsen und Schädel. Opa zu Oma:

ER

Willse ma des Hirn?

SIE

Nein, die Backen.

ICH

Opa aß am liebsten das Hirn.

SIE

Das Hirn dem Familienoberhaupt.

ICH

Für die Kinder das...

Erscheint lt. Verlag 27.10.2021
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte About a woman • Abyss • Beben • Brandung • Drama • Drama Literatur • Dramatik • Dramatiker • DramatikerIn • Else-Lasker-Schüler-Stückepreis • geteilt • Heidelberger Stückemarkt • junge Dramatik • kanadisch • Kleistförderpreis • Kleist-Preis • Mülheimer Dramatikerpreis • Noise • Tarragon Theatre • Theater-Künstlerin • Theater-Macherin • Theaterstücke • Theaterszene • Toronto • Zweisprachig
ISBN-10 3-10-491289-0 / 3104912890
ISBN-13 978-3-10-491289-9 / 9783104912899
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