Funkenmord (eBook)
496 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2330-5 (ISBN)
Altusried hat einen prominenten Sohn: Kommissar Kluftinger. Volker Klüpfel, Jahrgang 1971, kommt wenigstens aus dem gleichen Ort. Nach dem Abitur zog es ihn in die weite Welt - nach Franken: In Bamberg studierte er Politikwissenschaft und Geschichte. Danach arbeitete er bei einer Zeitung in den USA und stellte beim Bayerischen Rundfunk fest, dass ihm doch eher das Schreiben liegt. Seine letzte Station vor dem Dasein als Schriftsteller war die Feuilletonredaktion der Augsburger Allgemeinen. Die knappe Freizeit verbringt er am liebsten mit seiner Familie, mit der er im Allgäu lebt. Sollte noch etwas Zeit übrig sein, treibt er Sport, fotografiert und spielt Theater. Auf der gleichen Bühne wie Kommissar Kluftinger.
Altusried hat einen prominenten Sohn: Kommissar Kluftinger. Volker Klüpfel, Jahrgang 1971, kommt wenigstens aus dem gleichen Ort. Nach dem Abitur zog es ihn in die weite Welt – nach Franken: In Bamberg studierte er Politikwissenschaft und Geschichte. Danach arbeitete er bei einer Zeitung in den USA und stellte beim Bayerischen Rundfunk fest, dass ihm doch eher das Schreiben liegt. Seine letzte Station vor dem Dasein als Schriftsteller war die Feuilletonredaktion der Augsburger Allgemeinen. Die knappe Freizeit verbringt er am liebsten mit seiner Familie, mit der er im Allgäu lebt. Sollte noch etwas Zeit übrig sein, treibt er Sport, fotografiert und spielt Theater. Auf der gleichen Bühne wie Kommissar Kluftinger.
- 1 -
»Gleich sind wir da.« Die Stimme der alten Frau hallte durch die klamme Herbstnacht. Mit starrer Miene blickte sie in die Dunkelheit, doch durch den zuckenden Feuerschein der Fackeln wirkte es, als wären ihre Gesichtszüge in ständiger Bewegung. Als kämpfte sie selbst mit den Dämonen, die bei dieser nächtlichen Wanderung heraufbeschworen wurden. »Da hinten ist es passiert. Seid jetzt vorsichtig.«
Angestrengt versuchten ihre Begleiter, in der Schwärze etwas auszumachen, irgendetwas, das ihnen verraten würde, wo genau sich ihr Ziel befand. Einer nahm allen Mut zusammen, holte Luft, doch bevor er etwas sagen konnte, legte die Alte ihren Finger an die Lippen. »Schhhhhhh …«, zischte sie, wobei ihre Spucke in alle Richtungen flog.
Keiner wagte mehr zu sprechen. Alle spürten, dass etwas Unheilvolles in der Luft lag. »Leise, wir wollen nicht, dass uns jemand bemerkt. Los jetzt«, flüsterte die Frau und winkte mit ihrer knochigen Hand. Dann ging sie weiter. Sie machte dabei keinen Laut, setzte ihre Schritte mit traumwandlerischer Sicherheit. Jedem war klar, dass sie nicht zum ersten Mal hier war. Für ihre Begleiter galt das nicht. Auch wenn sie sich Mühe gaben, sich ebenso geräuschlos zu bewegen, rutschten sie immer wieder im feuchten Gras weg und pressten die Lippen zusammen, um nicht aufzuschreien.
Nach einem anstrengenden Marsch bergauf über schmierige Wiesen und matschige Trampelpfade erreichten sie ein kleines Plateau. »Könnt ihr es schon sehen?«, fragte die Frau, und alle kniffen die Augen zusammen, suchten nach einer bestimmten Form, die sich vom Horizont abhob.
»Da!«, rief einer, streckte die Hand aus, nur um sie gleich wieder vor seinen Mund zu halten, erschrocken über seine eigene Lautstärke.
»Nicht so schlimm«, erwiderte die Frau, »hier oben ist niemand mehr, der uns hören könnte.«
Ihre Begleiter wirkten erleichtert und hielten die Fackeln von ihren Gesichtern weg, um besser sehen zu können. In diesem Moment gab eine Wolke den Mond frei, und sein Schein erhellte die Szenerie mit kaltem Licht. Da erblickten sie es. Es sah noch genauso aus wie damals, niemand hatte es seitdem angerührt. Ein Balken, der schwarz aus seinem gegossenen Fundament in die Höhe ragte, wie ein Finger, der anklagend in den Himmel ragte. Auf halber Höhe ging rechtwinklig ein Teil eines weiteren Balkens ab, ebenfalls verkohlt, links nur ein Stummel. Das Gebilde wirkte wie die Verhöhnung eines Kreuzes. Einst war es ein stolzes Fanal des Glaubens gewesen, das man von weit her sehen konnte. Bis zu dem verhängnisvollen Tag vor gut fünfunddreißig Jahren, an dem dieses Symbol christlicher Werte ins Gegenteil verkehrt wurde.
»Der Tag, an dem Karin Kruse starb …«, raunte die Stimme der Alten, während sie entschlossen auf das Kreuz zuschritt. Die anderen blickten sich unsicher an und folgten ihr zögernd. »… war der zwanzigste Februar 1985.«
»Funkensonntag«, keuchte eine Frau.
Die Alte nickte. »Ja. Das letzte Funkenfeuer, das jemals in Altusried gebrannt hat. Aus gutem Grund.« Mit einer ausladenden Geste zeigte sie auf das verbrannte Holz. Die Gruppe nickte eifrig. Deswegen waren sie alle hier. »Als Karin Kruse hier ihr Leben auf die schrecklichste Art und Weise aushauchte, ans Kreuz gebunden wie eine zum Tode verurteilte Sünderin, tobte unten im Ort das Leben, die Blaskapelle spielte, und das Funkenfeuer brannte. Das Feuer, mit dem man die Dämonen des Winters austreibt. Dabei waren sie längst hier oben zugange.« Sie sah einen nach dem anderen an und machte eine lange Pause, bevor sie fortfuhr: »Doch dann bemerkte einer der Besucher, dass der Funken nicht das einzige Feuer war. Sah, dass hier oben das Kreuz in Flammen stand. Und dieser Mann ist heute hier …«
Die Umstehenden sogen erschrocken die Luft ein, als sich aus dem Schatten hinter dem Kreuz eine Gestalt löste und auf sie zuschritt, bis sein Gesicht vom Schein der Fackeln erleuchtet wurde.
»Vatter?«
Kluftinger biss sich auf die Zunge. Er hatte nichts sagen, sich diskret im Hintergrund halten wollen und war ja auch unerkannt bis hier oben gekommen. Doch damit hatte er nicht gerechnet.
»Bub?«, entfuhr es der Gestalt.
»Nazi?«, zischte die Alte.
»Frau Rimmele, so nennt mich eigentlich niemand mehr«, protestierte Kluftinger. Nur die Alten, die mich noch von früher kennen, fügte er in Gedanken hinzu.
Die Frau wandte sich nun an den Mann, den sie gerade so wirkungsvoll hatte erscheinen lassen. »Hast du gewusst, dass dein Bub meine Führung hier stören will?«
»Stören? Aber ich wollt ja gar nicht …«
»Das ist alles legal hier, nur dass du’s weißt, Nazi.«
»Frau Rimmele, ich heiß nicht … sagen Sie wenigstens Bertel.«
»Ich hab das als Gewerbe angemeldet, und wir sind hier auf öffentlichem Grund.«
Kluftinger senior nickte. »Das stimmt, Adi, es waren sogar schon Gemeinderatsmitglieder mit dabei. Und dass wir ein bissle über die Felder von den Bauern hier schleichen, ist ja nur, weil es so ein Umweg wär, wenn wir hinten über die Straße müssten, und oft sind ja die Leut nicht so gut zu Fuß, und da …«
»Oft? Vatter, du willst sagen, du machst das nicht zum ersten Mal?«
»Ja, dein alter Herr ist unser Experte, schließlich hat er damals die ganze Sache entdeckt und war als Erster am Tatort«, mischte sich die Rimmele ein, deren Tonfall von geheimnisvoll zu angriffslustig wechselte.
»Du hast …?« Kluftinger hielt mitten im Satz inne, als er sah, wie die Blicke der übrigen Teilnehmer dieser Gruselnachtführung zum echten Mordschauplatz, wie sie Regine Rimmele annonciert hatte, zwischen den Kontrahenten hin und her flogen. »Egal jetzt, darüber reden wir später.«
»Wie hast du dich überhaupt hier reingeschlichen, Nazi? Hab dich nicht auf meiner Liste«, wollte die Führerin wissen.
»Doch, ich hab regulär gebucht. Nur nicht direkt unter meinem Namen«, erwiderte er kleinlaut. »Aber ich hab bezahlt.« Dieses Argument schien die Alte zu besänftigen.
»Dann passt’s ja. Können wir also weitermachen. Schadet ja nix, wenn dein Assistent von damals auch dabei ist«, sagte sie in Richtung von Kluftingers Vater.
Der Kommissar schluckte auch diese Verdrehung der Tatsachen unkommentiert hinunter. Zwar war er es gewesen, der damals das brennende Kreuz bemerkt hatte und gegen Anraten seines Vaters, des Dorfpolizisten, hierhergefahren war. Er hatte die Leiche entdeckt und den Tatort gesichert. Aber das war nichts, was er in diesem Kreis richtigstellen musste. Und nichts, worauf er stolz war. Denn auch wenn der Fall den Grundstein zu seiner Karriere bei der Kriminalpolizei gelegt hatte, auch wenn er als einfacher Streifenpolizist maßgeblich an der Aufklärung eines der spektakulärsten Verbrechen der letzten Jahrzehnte hier in Bayern beteiligt gewesen war: Inzwischen verfluchte er den Tag. Er war sich längst sicher, dass der Täter, der für diesen schrecklichen Mord lange hinter Gittern gesessen hatte und mittlerweile nicht mehr am Leben war, der Falsche gewesen war. Allerdings stand er mit seiner Meinung ziemlich allein da, wie unter anderem sein Vater bewies, der nun fortfuhr: »Also, wer hier was gesehen hat, ist ja wurscht, wichtig ist nur, dass wir den Mörder Harald Mendler innerhalb kürzester Zeit dingfest gemacht haben.«
Die Teilnehmer der Führung schauten Kluftinger senior enttäuscht an. Sie hatten offenbar mit einer etwas spannenderen Geschichte gerechnet. So wie Frau Rimmele: »Was soll das? Das ist doch nicht der vereinbarte Text«, zischte sie. »Was ist aus In der unheilvollen Nacht lag der Geruch verkohlten Fleisches wie eine teuflische Wolke über der Szenerie geworden, hm?«
Kluftingers Vater blickte unsicher zwischen Frau Rimmele und seinem Sohn hin und her. »Ja, mei, das ist vielleicht schon arg blumig ausgedrückt.«
»Das hast du dir doch überlegt«, unterbrach ihn die Rimmele, die nun kaum noch bemüht war, ihren Zorn über den Fortgang der Führung zu verbergen.
»Ja, aber …«
»Nix aber«, flüsterte sie noch, dann fuhr sie mit gespreizter Stimme fort: »Als Sie damals hierhergekommen sind, an den Ort des Verbrechens, als Sie die toten Augen der blutjungen Karin Kruse erblickt haben, erleuchtet vom alles verzehrenden Feuer, was ging da in Ihnen vor?«
Jetzt waren die Fackelträger um sie herum wieder ganz Ohr. Das war offenbar der Ton, der ihre Aufmerksamkeit erregte.
»Tote Augen? Mei, also die Augen hab ich jetzt gar nicht so genau …«
»Aber Sie waren doch der Leiter dieser bemerkenswerten Polizeiaktion«, raunte die Rimmele mit Blick auf ihre Kunden.
Jetzt fand langsam auch Kluftinger Gefallen an der Führung. Sosehr es ihm auch zuwider war, wie hier die Tragödie vom gewaltsamen Tod eines Menschen als Touristenattraktion verkauft wurde, sosehr es ihn auch schockierte, dass ausgerechnet sein Vater bei dieser Sache mitmachte – es bereitete ihm ein trotziges Vergnügen, dabei zuzusehen, wie er sich wand, wie er seine Rolle, die er...
Erscheint lt. Verlag | 29.9.2020 |
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Reihe/Serie | Kluftinger-Krimis | Kluftinger-Krimis |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | allgaeu krimi • Allgäu • Allgäuer • Allgäu Krimi • Allgäu-Krimi • Alpen • Alpenkrimi • atmosphärische Krimis • Autorenduo • bayerischer Krimi • Bayern • Bayernkrimi • Bestsellerautoren • Bestsellerduo • bestseller krimis neuerscheinungen • Bücher Mord • Buecher • Cold Case • Deutsche Krimis • Deutscher Krimi • Ermittler • Funkenfeuer • Grimmbart • Heiterer Kriminalroman • Herzblut • Himmelhorn • Humor • Käsespätzle • Kässpatzen • kluepfel • kluftingers • Klüpfel • Klüpfel Kobr • Kobr • Kommissar • Kommissar Kluftinger • Krimi • Kriminalkommissar • Kriminalroman • Krimi Neuerscheinungen • Krimis • krimi und thriller • Kult • Kult-Kommissar • Lebensgefahr • Lederhosen • Lesetipp • lustig • lustiger Krimi • milchgeld • Mundart • Rauhnacht • Regiokrimi • Regionalkrimi • spannend • Spannung • spannung buch • Taufe • unterhaltsamer Krimi • Unterhaltung • Witziger Krimi |
ISBN-10 | 3-8437-2330-3 / 3843723303 |
ISBN-13 | 978-3-8437-2330-5 / 9783843723305 |
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