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Der Libanese (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
480 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-25620-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Libanese - Clemens Murath
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Frank Bosman führt mit seinem Team vom LKA einen ziemlich hoffnungslosen Kampf gegen Arslan Aziz, den Kopf einer libanesischen Großfamilie, die das Drogengeschäft in Berlin weitgehend kontrolliert. Als die albanische Mafia aggressiv auf den Markt drängt und Arslans Bruder Tarik einen Konkurrenten ermordet, sieht Bosman die Chance, den ganzen Clan zur Strecke zu bringen. Doch die Festnahme endet blutig, und Bosman kommt schwer unter die Räder. Nicht nur hat er die internen Ermittlungen wegen der tödlichen Schießerei am Bein, sondern er muss sich einer blutjungen Augenzeugin erwehren, die ihn jederzeit in den Knast bringen kann. Als wäre das noch nicht genug, stellt sich heraus, dass sein Schwager Harry, ein windiger Filmproduzent, in den Fall verwickelt ist. Er schuldet Aziz eine Menge Geld, das er nicht zurückzahlen kann ...

Der Libanese ist der Auftakt einer Krimiserie um Ermittler Frank Bosman.

Clemens Murath lebt in Berlin und hat über dreißig verfilmte und mehrfach ausgezeichnete Drehbücher geschrieben (Deutscher Drehbuchpreis für »Im Schatten des Jaguar«, Grimme-Preis Nominierung für »Es ist nicht vorbei«). »Der Libanese« war sein Krimi-Debüt und der Auftakt einer Serie mit dem Ermittler Frank Bosman vom Berliner LKA.

1

Frank Bosman hockt auf dem Beifahrersitz des schrottigen VW Passat und schaut rüber zum Eingang des Dreamland, eines Erotikcenters auf der Potsdamer Straße. Die Sonne brennt weiß am wolkenlosen Himmel. Es ist Ende Juli in Berlin und eine Affenhitze hier in der Karre, die vom Band lief, als Klimaanlagen noch zur Sonderausstattung gehörten. Schweiß sammelt sich zwischen Bosmans Schulterblättern und rinnt ihm den Rücken runter, der nass am Kunstleder des Sitzes klebt. Er drückt ein Mintkaugummi aus der Packung, seine Art, mit der Anspannung umzugehen. Früher hat er vor riskanten Einsätzen immer einen Speedball gepoppt. Es war nie verkehrt, auf demselben Level zu operieren wie die Leute, hinter denen man her war. Aber das macht er schon lange nicht mehr. Heute müssen Kaugummis reichen.

Er schaut zu Jackie rüber, der neben ihm hinter dem Steuer sitzt, das Fenster runtergekurbelt, den Arm auf den Türrahmen gelegt. Ein feuchter Film glitzert auf den Tattoos, die sich aus dem Saum seines schwarzen T-Shirts runter bis zum Handgelenk schlängeln. Irgendwelche Drachen und arabische Kalligrafien, die Mut und Ehre und so was bedeuten, hat Jackie ihm mal erklärt. Jetzt hat er den Wagen in der zweiten Reihe geparkt und die Warnblinkleuchte eingeschaltet, aber kein Blaulicht. Hinter ihnen staut sich der Verkehr. Wütendes Hupen, schimpfende Radfahrer.

Es ist die Hitze, denkt Bosman, die macht alle verrückt. Wenn die Autofahrer hier Knarren hätten wie in Amerika, würde es jeden Tag Tote geben, davon ist er überzeugt. Und wenn die Fahrradfahrer Maschinengewehre hätten, würden auf jeder Kreuzung durchlöcherte Autos rumstehen, mit zerschossenen Scheiben und Blutspuren auf dem Fahrersitz. Ein Motor heult auf, ein Audi TT schießt knapp vorbei, der Typ am Steuer zeigt ihnen den Finger. Jackie haut auf seine Hupe.

Arschloch.

Bosman weiß, Jamel »Jackie« Quasim ist leicht entflammbar. Aber das nimmt er in Kauf, denn er kriegt etwas dafür: Kontakte. Als Jackie sich bei der Polizei beworben hatte, war nicht so ganz sicher, ob man ihm über den Weg trauen konnte. Und das lag nicht nur an seinen Tattoos. Er kannte einfach zu viele Jungs aus den Clans, manche noch vom Schulhof. Persönliche Beziehungen, die auf gewachsenem Vertrauen beruhten. Bosman hat Jackie aus genau diesem Grund ins Team geholt. Mit ihm hatte er jemanden, der ihm die Tür zu der geschlossenen Welt arabischer Großfamilien öffnete. Er dreht sich in seinem ausgeleierten Sitz nach hinten um und sagt zu der jungen Frau, die neben Schuster sitzt: »Wer ist noch im Laden?«

»Nur Hakim und Danny. Und Karo, die sauber macht.«

Die Frau hat vor einer halben Stunde die 110 gewählt, sich als Pam vorgestellt und gesagt, dass sie Tarik Aziz gesehen hat, wie er mit den Yilmez-Brüdern ins Dreamland gekommen ist.

Aziz – der Mann, hinter dem sie her sind.

Die Familie Aziz gehört zu den großen Clans in der Stadt, die den Markt unter sich aufgeteilt haben: Schutzgelderpressung, Prostitution, Drogenhandel. Doch in letzter Zeit kommt Bewegung in die Sache. Die Kosovo-Albaner machen sich breit. Bosman und seine Kollegen wissen, dass das Ganze auf einen Krieg hinausläuft. Vor zwei Tagen gab es dann den ersten Toten … und zwei Zeuginnen.

Der Tote: Rodan Ekrem, ein Neffe von Shatira Ekrem, der schon als kleiner Junge alle Fragezeichen aus seiner Sprache gestrichen hatte.

Die Zeuginnen: zwei junge Frauen. Sie standen vor dem Matrix, einem Club am Warschauer Platz, und wollten rein, als Aziz mit ein paar Leuten rauskam.

»Erst hab ich gar nicht kapiert, was da los war«, sagte die eine Zeugin, die Denise hieß und ein kleines Skorpion-Tattoo am Hals trug. Ihre Freundin Yvette sagte: »Die hatten irgendwie den Megazoff, wie sie halt so drauf sind, die Kanaken, immer gleich aufm Baum.«

Sie saßen bei Bosman im Büro im zweiten Stock des LKA am Tempelhofer Damm, einem gesichtslosen Zweckbau. Die Fenster standen auf Kipp, und der Verkehrslärm rauschte herein. Bosman ignorierte Yvettes Kommentar und sagte: »Habt ihr gehört, worüber sie gestritten haben?«

»Nee, die haben doch arabisch gequatscht.«

Bosman wusste, dass das nicht stimmen konnte, denn Rodan Ekrem sprach Albanisch.

»Okay«, sagte er zu den beiden Mädchen und zog die Tastatur seines Computers rüber, um das Protokoll aufzunehmen. »Was habt ihr denn nun genau gesehen?«

»Der eine«, sagte Yvette, »der, der Streit mit dem Araber hatte? Der lag auf einmal auf dem Boden, und Scheiße, Mann, überall Blut auf seinem weißen Hemd, voll krass.«

Denise nickte.

Der Araber, erzählte sie, hatte dem anderen Mann mit einem einzigen Schnitt die Kehle geöffnet, sein Messer am Hosenbein des Sterbenden abgewischt, zusammengeklappt und eingesteckt. Dann hatte er ihm ins Gesicht gespuckt – Mann, ins Gesicht! – und war mit seinen beiden Kumpels in aller Ruhe gegangen. Die Türsteher hatten die Leute des Opfers in Schach gehalten und zu den Mädchen gesagt: »Verpisst euch.« Das war ein Fehler, denn es hatte sie geärgert, weil sie oft im Matrix waren und sich jetzt schlecht behandelt fühlten. So redete man nicht mit Stammkunden, die dort viel Geld ausgaben, oder?

»Nee«, sagte Bosman, »ganz und gar nicht.«

Dann zeigte er ihnen verschiedene Fotos aus der Straftäterdatei, und sie erkannten den Typen wieder, der Rodan Ekrem abgestochen hatte: Der Araber war libanesischer Kurde und hieß Tarik Aziz.

Jackpot.

»Lasst uns reingehen und das Arschloch festnageln«, sagt Schuster und klaubt eine Kippe aus der zerknitterten Schachtel. Er braucht den Nikotinflash, kurz bevor es losgeht. Das war schon immer so, seit sie sich kennen. Schuster ist ein paar Jahre älter, Anfang fünfzig, und ein paar Zentimeter kürzer als Frank. Um die Hüfte herum hat er in letzter Zeit ein wenig angesetzt. Bosman ist sich nicht sicher, ob er die tausend Meter noch im Zeitlimit schafft. Aber es wäre ein Fehler, ihn zu unterschätzen. Er hat mit eigenen Augen gesehen, wie Schuster drei Typen fertiggemacht hat, letztes Jahr, als sie im Anker Billard gespielt haben. Er kann sich nicht mehr genau daran erinnern, worüber der Streit entbrannt war. Woran er sich aber erinnern kann, sind die Sekunden, nachdem einer der Typen Schuster sein Bier ins Gesicht geschüttet hatte. So schnell konnte man gar nicht gucken, wie Schuster die Sache beendete.

Jackies Finger mit den goldenen Ringen klappern auf dem Lenkrad. »Lasst uns reingehen. Ich hab echt keinen Bock mehr, hier noch weiter rumzugrillen.«

Aber der Laden ist groß, und sie haben keine Ahnung, wo genau Tarik sich aufhält. Bosman dreht sich wieder zu Pam um, die nervös auf dem langen Nagel ihres kleinen Fingers herumkaut: »Wo ist das Büro?«

»Hinten rechts zwischen den Regalen mit den Videos. Kriege ich jetzt die fünftausend?«

Schuster grinst. »Wenn wir ihn schnappen, ja.«

»Und wenn nicht?«

»Dann hast du Pech gehabt.«

»Wieso habe ich Pech gehabt, wenn ihr es versaut?«

»Also los«, sagt Bosman, und sie steigen aus. Jackie klappt den Kofferraum auf und holt drei Splitterschutzwesten raus. Schuster schnipst seine Kippe weg, beugt sich vor und wickelt eine Remington Pumpgun aus einer karierten Decke. Seine bevorzugte Waffe, wenn es darum geht, sich Respekt zu verschaffen. Bosman schaut rüber zum Eingang des Dreamland, wo ein paar Jungs in Hoodies und Schlabberhosen rumstehen, während er die Gurte seiner Weste zuzieht.

Keiner von Aziz’ Leuten in Sicht.

Bosman kennt die meisten von ihnen, persönlich oder von den Fotos, die sie im Büro auf einen Stammbaum des Clans an der Wand getackert haben. Ganz oben steht Baba, 1974 vor dem Bürgerkrieg aus dem Libanon geflohen, ein Mann der ersten Stunde. Mittlerweile können sie ein paar Hundert Leute mobilisieren. Chief Executive ist Arslan, Babas ältester Sohn. Sie nennen ihn so, weil er den Laden wie ein CEO führt, kühl berechnend und auf maximale Effizienz bedacht. Anders als sein jüngerer Bruder Tarik, der eine entsicherte Handgranate ist.

Sie gehen quer über die Straße zum Eingang des Erotikcenters. Bosman schiebt den roten Vorhang beiseite und tritt ein, hinter ihm Jackie und Schuster mit seiner riesigen Wumme in der Hand. Ein paar Kunden blättern in Pornomagazinen. Der Typ an der Kasse schaut auf. Bosman erkennt ihn sofort: Achmed Yilmez. Ernsthaftes Gewichtsproblem, gegelte Haare über dem Undercut, Kinnbart und kleine dunkle Augen.

»Wo ist Aziz?«

»Wer?«

Schuster repetiert seine Remington. Jetzt liegt eine Magnum-Ladung im Lauf, eine deutliche Ansage. Doch Yilmez bleibt cool. Er weiß natürlich, dass der Bulle ihn hier nicht abknallen wird. Sie sind ja schließlich nicht in Mossul. Also greift er in aller Ruhe nach seiner Packung Marlboro Light, die neben der Kasse liegt. Sein goldenes Armbändchen klirrt ein wenig, als er eine Kippe rausschüttelt und sagt: »Er ist nicht da, ich schwör’s dir.«

Bosman sieht die geschlossene Tür zwischen den Verkaufsregalen, da, wo laut Pam das Büro ist. Er geht auf die Tür zu, während er seine Waffe zieht und entsichert. Entsetzte Blicke und Getuschel, als die Kunden im Laden der Reihe nach mitkriegen, dass hier Leute mit Knarren rumrennen. Handys werden gezückt, doch Bosman nimmt das nur aus dem Augenwinkel wahr. Seine Konzentration ist auf die Tür vor ihm gerichtet, die Jackie jetzt vorsichtig öffnet. Sie führt in einen dunklen Gang. Rotlicht sickert aus den Leuchtstoffröhren. Rechts geht eine kleine Küche ab, schwarz gekachelt, gelbe Schränke, blubbernde Kaffeemaschine, wie...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2021
Reihe/Serie Die Frank-Bosman-Serie
Die Frank-Bosman-Serie
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 4 blocks • Berlin • Clan-Kriminalität • Don Winslow • Drehbuchautor • Drogenhandel • eBooks • Familienclan • Frank Bosmann • Heimatkrimi • Kottbusser Tor • Kreuzberg • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Krimiserie • Mafia • Neukölln • Organisiertes Verbrechen • Politthriller • Polizei • Thriller
ISBN-10 3-641-25620-8 / 3641256208
ISBN-13 978-3-641-25620-3 / 9783641256203
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