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SKRUPELLOS (eBook)

Der Krimi-Klassiker!

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020
CCLXXX Seiten
BookRix (Verlag)
978-3-7487-3453-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

SKRUPELLOS - Evelyn Berckman
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Es ist die Stimme eines Kidnappers. Sie wird über alle englischen Rundfunksender verbreitet. Auf Tonband war eine telefonische Unterredung zwischen dem Kidnapper und dem Vater des entführten und inzwischen ermordeten Kindes aufgenommen worden. Wer kann der Polizei Hinweise geben? Vor der Telefonzelle, aus welcher der Mörder sprach, hatte eine alte Frau gewartet. Obwohl ihre Beschreibung nur vage und ungenau ist, versucht die Polizei, den Mörder zu stellen. Wird es ihr gelingen, den skrupellosen Unhold in eine Falle zu locken? Evelyn (Domenica) Berckman (*18. Oktober 1900; ?18 September 1978) war eine US-amerikanische Autorin von Kriminal- und Schauer-Romanen. Der Roman Skrupellos erschien erstmals im Jahr 1960; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1963. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  Drittes Kapitel


 

 

Die Kindesentführung war von ihren ersten Anfängen an durch seltsame Abweichungen von dem üblichen Muster solcher Verbrechen gekennzeichnet. Erstens einmal waren die Wilmers weder reich noch auch nur besonders wohlhabend. Welche Maßstäbe man auch anlegen mochte, so waren sie doch nie mehr als immer zahlungsfähig gewesen. Freilich wohnten sie in einem guten und teuren Viertel, aber nur dank einer Laune des Zufalls, weil es ihnen gerade noch gelungen war, den Bauvorschriften ein Schnippchen zu schlagen: Ihre unansehnliche Villa war auf allen Seiten von großen Häusern umgeben, die zum Teil einen hochherrschaftlichen Charakter hatten. Fred Wilmer, ein Kleinunternehmer, würde alle Hände voll zu tun haben, um überhaupt ein Lösegeld aufzutreiben. Bisher war noch keine Summe genannt worden - so weit war die Angelegenheit noch nicht gediehen.

Auf das Verschwinden des Kindes folgte der übliche Tumult. Von jeder ersten Zeitungsseite, von jedem Fernsehbildschirm blickte einem das hübsche, lausbübische Gesicht mit den schwarzen Augen und dem Grübchen-Kinn entgegen. Auf den Brustbildern war die mit Fransen besetzte Cowboyjacke zu sehen, ein besonders imposantes Stück, das Jonny zu seinem fünften Geburtstag, drei Wochen und zwei Tage zuvor, geschenkt bekommen hatte. Nach dem ersten Tamtam setzte eine Art Windstille ein, eine Pause, als hielte das Land den Atem an, während es auf das erste Signal der Kindesräuber wartete. Als dieses erste Signal nach etwas über vierundzwanzig Stunden kam und jeder Quadratmillimeter des halb analphabetischen Briefes auf billigem Papier mit den schärfsten Methoden moderner Kriminaltechnik untersucht wurde, war das Ergebnis gleich Null. Die Formulierung der Nachricht - dass die Kidnapper anrufen würden - schien auf eine nicht bodenständig amerikanische Herkunft des oder der Schreiber hinzudeuten, aber man fragte sich, ob nicht dieser fremdländische Einschlag nur vorgetäuscht sei. In Erwartung des Anrufs, dessen Zeitpunkt nicht näher bestimmt war, wurden alle möglichen Vorbereitungen getroffen und ein komplizierter Apparat in Gang gebracht, dessen Auslösungsmechanismus so exakt bemessen war wie der einer hochexplosiven Sprengstoffladung. Unablässig drehten sich die Spulen der Tonbandgeräte, welche die Leitung bewachten. Sonderagenten waren Tag und Nacht auf dem Posten, um dem Anruf sogleich nachgehen zu können. In jedem Polizeidistrikt standen Funkstreifenwagen bereit, um sich mit gellenden Sirenen auf das ausfindig gemachte Telefon und das gesichtslose Wesen zu stürzen, das sich lange genug aus seinem Schlupfloch hatte hervorwagen müssen, um sich durch den Klang seiner Stimme ans Messer zu liefern. Alles wurde sorgsam arrangiert - mit einem unbegrenzten Aufwand an Zeit, Geld und Umsicht. In endlosen Besprechungen auf höchster Ebene zermarterten sich die Experten das Gehirn, um sämtliche Eventualitäten mit- einzuberechnen, die krassesten und die fadenscheinigsten. Nichts geschah. Nichts und wieder nichts. Die qualvolle Wartezeit schleppte sich hin, vierundzwanzig Stunden, sechsunddreißig Stunden lang...

Die zweite Variation des gewohnten Ablaufs kam am dritten Tag, als die Angelegenheit plötzlich aus einem öffentlichen Ereignis zu einem Geheimnis wurde - einem mit dreifachen Sicherungen umgebenen Geheimnis. An einem erbärmlichen Septembermorgen kam bei strömendem Regen ein Parkwächter namens Neil Monahan, dessen Runden auch einen allgemein zugänglichen Golfplatz umfassten, an einem Gehölz vorbei, das an den Golfplatz grenzte. Als er zufällig einen Blick in das dornige und äußerst dichte Gestrüpp warf, sah er dort etwas Helles mitten im Grün liegen. Er blieb stehen und glaubte, einen verirrten Golfball vor sich zu sehen. Er überlegte lange, ob es der Mühe wert sei, sich wegen einer so bescheidenen Lockung durch das nasse Dickicht zu zwängen. Dann aber sagte er sich, er würde bestimmt den ganzen Tag lang an den Ball denken, der einen knappen Meter entfernt war und den er nur hätte aufzuheben brauchen. Wie ein Elefant ging er gegen die grüne Mauer los und zertrampelte jeden Widerstand mit seinen kräftigen Beinen, die in Ledergamaschen steckten. Der Gegenstand, als er ihn aufhob, erwies sich nicht als ein Golfball, sondern als ein Fransenbesatz, der von einem Cowboyanzug stammte und sauber und neu aussah. Von düsteren Ahnungen erfüllt, eilte Monahan über den durchweichten, öden Golfplatz zu dem Telefon in seiner Bude.

Die Insassen der beiden Bereitschaftswagen, die auf den Alarm hin angerast kamen, entdeckten binnen einer Viertelstunde das flache Grab, nicht weit von der Stelle, wo der Fransenbesatz die Aufmerksamkeit des Parkwächters erregt hatte. Das Opfer war erwürgt worden, und die Obduktion (ein Teilergebnis lag schon nach zwei Stunden vor) ließ darauf schließen, dass man dem Kind einen Faustschlag oder eine heftige Ohrfeige versetzt hatte. Aber lange bevor diese oder sonstige Auskünfte zur Verfügung standen, war eine dringendere Aufgabe zu erledigen, nämlich, die Eltern zu benachrichtigen. Dieses Vergnügen wurde - und da gab es kein Entrinnen - dem Kriminal-Captain zuteil, der den Fall bearbeitete, einem Mann namens Thomas Helm. Er galt als sehr jung für den Rang, den er bekleidete. Groß und vierschrötig, mit derben Zügen und stahlblauen Augen, sah er aus wie der Prototyp des Polizeibeamten. Aber mochte auch sein Äußeres im Rahmen seines Berufs alltäglich sein - seine Fähigkeiten waren keineswegs alltäglich.

Mit jeder Faser seines Wesens vor der Pflicht zurückschreckend, die ihm bevorstand, holte Helm zwei Polizeiärzte heran, da er das Gefühl hatte, ihre Dienste würden nötig sein, und befahl mit finsterer Miene, in den Villenvorort zu fahren, in dem die Wilmers wohnten. Als er die kleine Veranda betrat, wurde die Eingangstür von innen aufgerissen, und der Vater des Jungen stand vor ihm. Jede Falte in Fred Wilmers Gesicht, jeder Muskel an seinem Körper verriet, wie er blindlings hingestürzt war, um die Tür zu öffnen. Verstört blickten seine Augen, entsetzt und fragend. Seine grauen Lippen bewegten sich lautlos wie die Schalen einer Auster. Ein paar Schritte hinter ihm sah Helm die Frau stehen mit zerrauftem Haar und irrem Blick. Aber wie die beiden dastanden und ihre Besucher anstarrten, sah Helm etwas in ihren Gesichtern Vorgehen, nicht so sehr einen Wandel des Ausdrucks, sondern eine jähe Leere: Die Hoffnung erlosch wie eine ausgeblasene Kerze, und dann war tote Finsternis. Ohne dass er ein Wort gesagt hatte, ohne dass er sich den Kopf zerbrechen und nach den behutsamsten Phrasen suchen musste, war es geschehen.

Sie wussten Bescheid.

 

Eine Weile später befanden sich Helm und einer der Ärzte zusammen mit Fred Wilmer im Badezimmer zu ebener Erde. Mrs. Wilmer lag oben zu Bett, mit Beruhigungsmitteln vollgestopft, unter der Obhut des zweiten Arztes.

Die beiden Hauptpersonen und die Polizeibeamten hatten die ersten schlimmen Augenblicke hinter sich - den ersten Einbruch des Albtraums ins tägliche Leben, die entwürdigende Hysterie, das Nein-Nein-Geschrei, als könnte man das Geschehene dadurch, dass man es ablehnt, zur Umkehr zwingen und ungeschehen machen. Dann, nach der Tobsucht, die Erschöpfung und der unvermeidliche Kollaps, eine dumpfe Lähmung, unterbrochen durch neue Krämpfe, die sie packten, wie der Terrier eine Ratte packt, die er zu Tode schüttelt. Der kleine Waschraum bot kaum Platz genug für Fred Wilmer, Helm und den Arzt. Im Wohnzimmer warteten der dem Captain unterstellte Kriminalleutnant Bender und drei weitere Beamte. In den vier Wänden des Badezimmers war ein seltsamer Kampf im Gange - ein ungleicher Kampf: Wille gegen Wille - der eine hellwach, frisch und unbarmherzig, der andere wirr und matt, wie der eines vergifteten Tiers, das seinen Quälgeistern entwischen möchte. Fred Wilmer war ganz still geworden. Seine Augen waren stumpf und umwölkt. Die meiste Zeit saß er in sich zusammengesunken da, während Helm auf ihn einredete. Nur ab und zu sprang er plötzlich auf, beugte sich vor und übergab sich heftig, schmerzhaft würgend aus leerem Magen. Er nahm das Peinliche mit einer sonderbaren Gleichgültigkeit hin, als hätte er selbst irgendwie mit den Vorgängen gar nichts zu tun. Dann setzte er sich wieder, und Helm fuhr fort, auf ihn einzureden.

Helm war übrigens auch nahe daran, sich zu übergeben. Bis ins Mark hinein verspürte er einen so gründlichen Abscheu vor seinem Tun, dass er am liebsten Wilmers Beispiel gefolgt und dem würgenden Brechreiz nachgegeben hätte. Er durfte ja dieses verstümmelte Geschöpf nicht in Ruhe lassen, er durfte ihm nicht erlauben, sich mit seinem Gram in einen einsamen Winkel zu verkriechen, er musste es festhalten, während er es mit Bitten, Argumenten und Vernunftgründen geißelte, um gewaltsam in sein Bewusstsein einzudringen und ihm das Ja zu erpressen, das er hören wollte oder vielmehr brauchte und das er zu erzwingen entschlossen war.

Wilmer saß unbeweglich da, ließ den Wortschwall über sich ergehen und zurückprallen. Er schien nicht sehr gut zu hören oder zumindest den Sinn der Worte nicht zu erfassen. Mit aufmerksam zur Seite geneigtem Kopf runzelte er ab und zu die Stirn, als bemühte er sich, das Gesagte zu begreifen. Helm war schon ziemlich erschöpft, aber seine Geduld war größer. Er war bereit, im Notfall das Ganze noch hundertmal durchzukauen.

»Hier steht, dass er Sie zu Hause anrufen wird«, wiederholte er wie eine festgefahrene Grammophonplatte, einen Zettel schwenkend - den zweiten Erpresserbrief, der vor knapp einer Stunde zugestellt worden war. »Er wird Sie heute um zwölf Uhr mittags anrufen. In einer halben Stunde ist es zwölf. In einer halben Stunde wird er hier anrufen, um mit Ihnen zu sprechen. In...

Erscheint lt. Verlag 3.4.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Amerika • Apex-Verlag • Detektiv • Detektive • eBook • E-Book • Entführung • Ermittler • Erpressung • Geheimnis • geheimnisvoll • Klassiker • klassisch • Krimi • Neuausgabe 2020 • neuerscheinung 2020 • Polizei • Roman • Romane • Spannung • Suspense • Thriller • Unterhaltung • USA
ISBN-10 3-7487-3453-0 / 3748734530
ISBN-13 978-3-7487-3453-6 / 9783748734536
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