Mein Garten im Sommer (eBook)
121 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-76265-2 (ISBN)
Vita Sackville-West, Schriftstellerin und begnadete Gärtnerin, hat nicht nur den berühmtesten Garten der Welt - Sissinghurst - geschaffen, sondern ihre Liebe zur Natur auch in ihren legendären, weil ebenso kenntnisreich wie charmanten Gartenkolumnen festgehalten, die hier nach Jahreszeiten geordnet vorgestellt werden.
In »Mein Garten im Sommer « entführt uns Vita Sackville-West in ein märchenhaftes Reich mit alten Rosensorten. Sie porträtiert die große Blumenvielfalt der Jahreszeit und gibt Hinweise, wie man sie im Beet farblich kombiniert. Den Gärtnern empfiehlt sie, schon jetzt phantasievoll an die Zukunft zu denken und die Bepflanzung für das kommende Frühjahr zu planen.<p>Victoria Mary Sackville-West (1892-1962), genannt Vita, publizierte in ihrem Leben über fünfzig Bücher. Für den Observer schrieb sie jahrelang eine erfolgreiche Gartenkolumne. 1930 erwarb sie Sissinghurst Castle in Kent, wo sie zusammen mit ihrem Mann einen der schönsten Gärten Englands entwarf und anlegte.</p>
Juni
Es gibt zwei sehr hübsche im Mai und Juni blühende Sträucher, die nicht viel Pflege brauchen und trotzdem nicht häufig zu sehen sind. Sie passen gut zueinander, denn beide sind von einem zarten Muschelrosa, und beide gehören zur selben botanischen Familie (Caprifoliceae), aus der wir vor allem die vertrauten Weigelien und das Geißblatt mit seinen kleinen, trompetenförmigen Blüten kennen, die an eleganten Zweigen hängen. Die beiden Sträucher, von denen hier die Rede ist, heißen Kolkwitzia amabilis und Dipelta floribunda.
Kolkwitzia blüht ein wenig später als Dipelta, wodurch derselbe Farbton länger erhalten bleibt; mit anderen Worten, eine Kombination von beiden sichert uns während etlicher Wochen eine blaßrosa Wolke im Garten. Dipelta sollte hinter Kolkwitzia gepflanzt werden, denn Kolkwitzia ist rundlicher, während Dipelta höher und lockerer wächst und bisweilen gestützt werden muß, um nicht zu sehr zu hängen. Beide Sträucher stammen aus China, und beide haben das Adjektiv des anderen verdient, denn beide sind liebenswürdig und blütenreich.
Wenn ich schon von im Mai blühenden Sträuchern spreche, dann möchte ich auch noch Rubus odoratus erwähnen. Er stammt aus den Rocky Mountains und ist ein Dornstrauch ohne stechende Dornen. Ich weiß einfach nicht, warum dieser schöne und pflegeleichte Strauch auf so törichte Weise vernachlässigt wird. Wer die große weiße Einzelrose Nevada kennt, kann sich Rubus odoratus bestimmt sofort vorstellen, denn mir ist aufgefallen, daß die beiden oft verwechselt werden, bis die Betrachter bei näherem Hinsehen entdecken, daß die Blüten zwischen Blättern wie denen der Schwarzen Johannisbeere sitzen. Rubus odoratus kann über zwei Meter hoch werden. Ansonsten macht er keine Arbeit, nur das tote Holz muß bisweilen abgeschnitten werden.
Dieser für den Mai bestimmte Rubus hat im Rubus biflorus, der Zierbrombeere, einen Verwandten aus dem Himalaya. Die Zierbrombeere jedoch wird weniger wegen ihrer unbedeutenden Blüten gepflanzt als wegen der Schönheit ihrer reinen weißen Zweige im Winter. Wie große weiße Gespenster tauchen sie überraschend in der Winterlandschaft auf und sehen aus, als seien sie permanent mit Reif überzogen. Die Zierbrombeere zieht reichen Boden vor, und Sie müssen im folgenden Jahr die Zweige, die geblüht und vermutlich auch Früchte getragen haben, abschneiden, denn Sie sollten die neuen Sprößlinge ermutigen und am Leben erhalten.
Im Rasen gibt es nur gekräuseltes Unkraut. Löwenzahn-, Wegerich- und Gänseblümchenblätter schauen alle nach oben, wie kleine Hände, die sich in einem letzten, verzweifelten Gebet zum Himmel erheben. In wenigen Wochen, das ist meine erbarmungslose Hoffnung, werden sie verschwunden und einer schönen sauberen Decke von tadellosem Rasen gewichen sein, von dem Besucher aus Übersee irrtümlicherweise annehmen, man brauche vierhundert Jahre, um ihn anzulegen.
Diesem Unkraut muß man mit dem Unkrautmittel »Verdone« zu Leibe rücken. Ich halte es für ein Wunder, daß eine schnöde Flüssigkeit aus einer Dose derart wählerisch und intelligent ist, daß sie weiß, welche Pflanzen sie zu zerstören hat. Aber so ist es nun einmal. Ich weiß natürlich, daß das Mittel im Grunde den Wuchs der Unkrauts dermaßen stimuliert, daß die Zellen schließlich vor lauter Üppigkeit bersten und die Pflanze eingeht, während die Grashalme keinen Schaden davontragen. Höchst seltsam und vielfältig sind die arbeitsschonenden Mittel, die die Wissenschaft inzwischen für den überarbeiteten Gärtner bereit hält.
Statt allein, schlechtgelaunt und vom murrenden Ischias geplagt mit einem Pflanzenheber oder einem abgebrochenen Küchenmesser auf allen vieren auf dem Rasen umherzukriechen, können Sie jetzt lässig flanieren, können hin und her spazieren und dabei mit einer Gießkanne Tod verteilen, während sie sich mit den Freunden unterhalten, die zum Tee gekommen sind. Auf diese Weise verbinden Sie Ihr gesellschaftliches Leben mit der Gartenarbeit, zu der Sie bisher noch nicht gekommen sind. Ihre Freunde finden Sie vielleicht ein wenig zerstreut, aber Sie können sie immer noch zur Arbeit heranziehen, wenn Sie über eine weitere Gießkanne verfügen. Erwachsene wie auch Kinder machen sich gern nützlich; es vermittelt ihnen das Gefühl, wichtig zu sein.
Die Gebrauchsanweisungen, die den Dosen beigelegt sind, sind so klar, daß ich sie hier nicht zu wiederholen brauche. Ich möchte nur auf die Möglichkeit sparsamer Verwendung hinweisen, wir können jetzt die dreifache Stärke kaufen, die mit Wasser verdünnt wird. Für sehr wenig Geld können wir sehr viel Rasen vom Unkraut befreien. Wegerich und Butterblume reagieren außerordentlich schnell auf diese grausame, aber effektive Behandlung; Gänseblümchen und Löwenzahn brauchen vielleicht einen zweiten Durchgang. Und lassen Sie den Kopf nicht hängen, wenn Sie nach einem oder zwei Monaten noch keinen wirklichen Erfolg sehen. Am Ende klappt es immer.
Aber ach, ich hoffe so sehr, daß solche auswählenden Unkrautvertilgungsmittel niemals am Rand unserer Landwege eingesetzt werden. Kein Mittel kann wählerisch genug sein, um wilde Veilchen und Primeln zu verschonen.
Der Streit um die besten Methoden, Rosen von Ablegern zu ziehen, wird sich wohl niemals beilegen lassen. Züchter tun diese Methode gern ab und ziehen es aus naheliegenden Gründen vor, ihre jungen Stecklinge den verschiedenen Dornsträuchern aufzupfropfen. Auf diese Weise läßt sich in kürzerer Zeit eine Pflanze von verkäuflicher Größe ziehen, außerdem sind in Fällen, wo eine große Anzahl von Exemplaren einer Sorte gewünscht wird, von der Elternpflanze mehr Stecklinge zu erwarten als Ableger; drittens behaupten die Züchter, und das vielleicht zu Recht, daß die Kraft der wilden Pflanze auch die Konstitution ihres Pflegekindes stärkt.
Da ich keine Züchterin bin, finde ich es billig und unterhaltsam, zu meinem eigenen Vergnügen allerlei Rosen zu ziehen. Entweder möchte ich mehr von einer Sorte, die ich schon habe, oder ich erbettele mir von Freunden den Ableger einer neuen Sorte. Auf diese Weise habe ich innerhalb weniger Jahre eine ansehnliche Rosengruppe zusammengebracht, die allesamt aus ihren eigenen Wurzeln heraus wachsen; sie haben mich nichts gekostet, und ich weiß, daß jedes neue Gewächs, das der Wurzelstock hervorbringt, nicht zu diesen vermehrungssüchtigen Arten gehört, die, wenn man sie läßt, die Rosen schließlich zu den Arten Rosa canina oder Rosa rugosa zurückführen. Meine neue Gewächse gehören zu ihrer eigentlichen Rose, und ich kann sie dort lassen, wo sie stehen, ich kann sie verpflanzen, und ich kann sie verschenken.
Es ist ein einfaches Verfahren. Sie nehmen Ableger mit reifem Holz, das unten kräftiger wird, und pflanzen sie sehr fest auf einem freien Stück Boden, wo sie der Sonne nicht gar zu sehr ausgesetzt sind, in Reihen. Dort lassen Sie sie ein Jahr, danach sollten die Wurzeln entwickelt und zum Umzug bereit sein. Ende September oder Anfang Oktober ist dafür die beste Zeit, obwohl als Alternative manchmal auch der Juli empfohlen wird. Wichtig ist, daß das Holz reif ist, das heißt, nicht zu weich, und daß die Ableger so fest im Boden stecken müssen, daß kein Wind sie losreißen und kein Tauwetter nach einem Frosteinbruch sie hochwerfen kann. Sie sollten immer nach ihnen sehen, wenn eine solche Gefahr bestehen kann, wenn nötig, pflanzen Sie sie noch einmal.
Rechnen Sie nicht mit hundertprozentigem Erfolg; bei manchen kann es einfach nicht funktionieren. Es lohnt sich, doppelt so viele Ableger zu pflanzen, wie Sie wirklich brauchen. Denken Sie auch daran, daß manche Rosen einfach nicht ausschlagen, das ist zum Beispiel bei vielen Centifolien der Fall. Bei allem jedoch ist Erfahrung die beste Beraterin, und zumeist sollten Sie mit Ihren Ergebnissen mehr als zufrieden sein. Ein gesunder Rosenstrauch, den wir selber gezogen haben, ist viel befriedigender als ein fertiger, der von der Post geliefert wird. Nach dem ersten Triumph müssen wir das Experiment einfach wiederholen, und schon bald ertappen Sie sich...
Erscheint lt. Verlag | 17.6.2019 |
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Übersetzer | Gabriele Haefs |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Klassiker / Moderne Klassiker |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 20. Jahrhundert • 50plus • Best Ager • Blumen • Blumenrausch • Blumenstrauß • Buch • Cottage Garten • Flowers • Frühjahr • Frühling • Frühlingsgarten • Garten • Gartengestaltung • Garten im Frühling • Garten im Herbst • Garten im Winter • Gartenkolumnen • Gartenliebhaber • Gartenratgeber • Gärtnern • Generation Gold • Geschenkbuch • Geschenkbuch für Frauen • Geschenkbuch für Gärtner • Golden Ager • Herbst • Herbstgarten • Illustrationen • insel taschenbuch 4713 • Iris • IT 4713 • IT4713 • Kräuter • Lady Nicolson • Lieblingsblumen • Lilien • Mein Frühlingsgarten • Mohn • Pfeifenstrauch • Rentner • Rentnerdasein • Rosen • Ruhestand • Senioren • Sissinghurst • Sommer • Virginia Woolf • Winter • Wintergarten |
ISBN-10 | 3-458-76265-5 / 3458762655 |
ISBN-13 | 978-3-458-76265-2 / 9783458762652 |
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