Sorge dich nicht, stirb! (eBook)
240 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00370-5 (ISBN)
Dietrich Faber wurde 1969 geboren. Bekannt wurde er als ein Teil des mehrfach preisgekrönten Kabarett-Duos FaberhaftGuth. Bereits sein erster Roman «Toter geht´s nicht» schaffte es auf Anhieb auf die Bestsellerliste. Die Lesungen und Buchshows zu seinen Romanen um den wenig charismatischen Kommissar Bröhmann wurden zu Bühnenereignissen. Der Autor lebt mit seiner Familie in der Mittelhessenmetropole Gießen.
Dietrich Faber wurde 1969 geboren. Bekannt wurde er als ein Teil des mehrfach preisgekrönten Kabarett-Duos FaberhaftGuth. Bereits sein erster Roman «Toter geht´s nicht» schaffte es auf Anhieb auf die Bestsellerliste. Die Lesungen und Buchshows zu seinen Romanen um den wenig charismatischen Kommissar Bröhmann wurden zu Bühnenereignissen. Der Autor lebt mit seiner Familie in der Mittelhessenmetropole Gießen.
Kapitel 1
Meine Frau Franziska ist der Meinung, dass ein Mann, der in meinem Alter unbedingt Tschacks an den Füßen tragen möchte, wenigstens wissen sollte, dass man Tschacks nicht Tschacks schreibt, sondern Chucks.
Das wusste ich nicht.
Bis vor kurzem wusste ich nicht einmal im Entferntesten, was Chucks überhaupt sind. Natürlich habe ich diese sommerlichen Turnschuhe in den vergangenen Jahren schon häufiger an den Füßen von Melina gesehen, unserer inzwischen erwachsenen Tochter, die in der Großstadt Frankfurt lebt. Doch was interessierten mich schon bei jungen Leuten angesagte Schuhmarken? Ich habe mich in den letzten Jahren eher mit Outdoor-Allzweck-Regenjacken, Merino-Funktionsunterwäsche, Schuheinlagen und Nasenhaarschneidern beschäftigt.
Inzwischen ist das anders. Seit ich auch ein Instagram-Profil habe und Fotos von Sonnenuntergängen poste, fühle ich mich insgesamt einfach jünger. Und so trage ich nicht nur Chucks in der High-Sneakers-Ausführung, wie der Kenner sagt, sondern auch noch einen grauen Hoodie – für Ältere: das ist ein Kapuzenpullover – mit der unmissverständlichen Aufschrift «Player!».
Und zwar nicht irgendwann, sondern zu keinem geringeren Anlass als zu meiner Geburtstagsparty. Ich werde heute fünfzig Jahre alt.
«Du könntest dich langsam mal umziehen», ruft mir Franziska zu, während sie sich gelassen, aber nicht euphorisch im Flurspiegel betrachtet. «In einer halben Stunde kommen die Gäste.»
«Wieso?», frage ich und ziehe den Reißverschluss meines Hoodies weiter hoch. «Bin ich doch.»
Da lacht sie kurz auf, ehe ihr Gekicher abrupt abbricht. «Das ist jetzt nicht dein Ernst?»
Ich erwidere darauf nichts und trage stattdessen noch ein paar Bierflaschen zum Kühlen auf die Terrasse.
Ja, ich meine es ernst, denn dieser fünfzigste Geburtstag soll alles werden, nur kein gewöhnlicher fünfzigster Geburtstag. Es wird der unfünfzigste Geburtstag aller Zeiten werden. So jedenfalls ist der Plan.
«Warum bitte darf man in diesem Alter nicht mehr lässig sein?», rufe ich Franziska zu, die inzwischen in das Kinderzimmer unserer Zwillinge entschwunden ist.
«Weil du noch nie lässig warst», tönt es zurück.
Ich entscheide mich dafür, dass das wohl ein Scherz war, und lächle etwas gequält. Weil sie vermutlich recht hat.
Ich bin ein bisschen nervös und angespannt, die Achseln nässen und die Hände sind kalt. Dabei soll das heute doch alles ganz locker werden, lässig eben.
Zunächst lautete der Plan, nur im kleinen Kreis zu feiern. Dann fiel mir allerdings ein, dass ich gar keinen kleinen Kreis habe. So habe ich einfach alle eingeladen, die ich irgendwie kenne, ganz unabhängig davon, ob ich sie sonderlich mag oder nicht.
Sowieso eine uralte Menschheitsfrage: Soll man zu einem runden Geburtstag nur die Leute einladen, die man mag, oder auch die Verwandtschaft?
Franziska war von Anfang an dagegen, die Feier zu Hause auszurichten, aber ich habe mich durchgesetzt. Vor nicht allzu langer Zeit hätte ich mich noch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Meinung Franziskas widerstandslos gefügt und sofort klein beigegeben. Doch das ist vorbei. Da hat sich seit einiger Zeit bei und mit mir etwas geändert. Ich will das jetzt nicht zu hoch hängen, aber ja: es gibt so etwas wie einen neuen Henning. Einen mutigen, einen toughen Henning, der Entscheidungen trifft, zack, und der auch einmal entspannt improvisiert, wenn für eine so große Gästeschar weder genügend Geschirr noch ausreichend Sitzgelegenheiten im Eigenheim zur Verfügung stehen. Da muss man dann eben lässig bleiben, die Dinge auf sich zukommen lassen. Und Chucks und Hoodie tragen.
Ich bekomme Kopfschmerzen.
Laurin kommt die Treppe heruntergepoltert und ruft mir irgendetwas zu, das ich nicht verstehe. Unser Sechzehnjähriger beherrscht die seltene Kunst, mit lauter Stimme nuscheln zu können.
«Wo sollen die denn alle sitzen?», wiederholt er seine Frage, als er mein fragendes Gesicht sieht.
«Na, auf den Matratzen», antworte ich.
«Auf den Matratzen?»
«Ja, auf den Matratzen. Soll so ein bisschen loungig sein.»
«Loungig? Auf Matratzen?»
«Ja, verdammt noch mal», fluche ich. «Das soll heute hier halt mal so …»
«Lässig sein, ich weiß», komplettiert Laurin breit grinsend meinen Satz.
Er trägt übrigens Chucks und einen Hoodie. Fast den gleichen wie ich. Nun werde ich doch nachdenklich.
Dann gehe ich rasch die Treppe hinauf, in unser Schlafzimmer, in dem der alternde Berlusconi schnarcht, und ziehe mich eben um. Ich entscheide mich dann doch für ganz unchuckige schwarze Schuhe und ein blaues Hemd. Ohne Kapuze. Ist besser so.
«Papapapapapapapapapapapapapapapapapapapapapapa» schreiend kommt Frida mit zwei ihrer unübertrefflich hässlichen rosa Kitschbarbie-«Traumpferde» herangestürmt. Sich aus pädagogischen Gründen gegen dieses üble Geschlechterklischees zementierende Schrottspielzeug zu wehren, das haben Franziska und ich inzwischen aufgegeben. Trotzdem schmerzen die rosa Schleifen in den topfrisierten Mähnen der Plastikpferde noch immer bei jedem Anblick.
Ihr Zwillingsbruder Nick spielt übrigens mit Autos und will Feuerwehrmann werden. Das dazu.
Frida ist, positiv ausgedrückt, eine sehr lebendige Achtjährige. Man könnte allerdings auch sagen: sie ist einfach laut. Sehr, sehr laut. «Guckmaguckmaguckma», schmettert sie, und ich sorge mich um meine Ohren. Gleichzeitig klingelt es an der Haustür Sturm.
Der DJ ist da. Jawohl, der DJ!
Eigentlich gehört es ja zur Bröhmann’schen Familientradition, an runden Geburtstagen Onkel Willi zu engagieren. Onkel Willi, irgendein entfernter Cousin meines verstorbenen Vaters, der seit seiner Pensionierung mit öliger Gesangsstimme und zeitloser Alleinunterhalterorgel im Gepäck unter dem Namen Orgel-Willi unaufhaltsam durch den Vogelsberg tingelt. Willis große Stärke ist, dass man ihn eigentlich den ganzen Abend kaum bemerkt. Er stört also nicht groß. Schon beim Aufbau seines Equipments wird er gerne übersehen. Er ist einfach nicht der Typ, der sich in den Vordergrund drängt. Gerne setzt er sich mit seinem Keyboard in die hinterste Ecke des Saals, und wenn er doch mal auf eine Bühne muss, dann schiebt er irgendwelche Pflanzenkübel vor sich, sodass er kaum zu sehen ist. Wenn er dann irgendwann zu spielen beginnt, hat man nach spätestens zwei Minuten vergessen, dass da jemand sitzt und so etwas Ähnliches wie Musik macht. Und einige Stunden später hört er dann selbständig auf und trottet von allen Gästen unbemerkt still und stumm vom Veranstaltungsort. Zudem klingen alle seine Liedbegleitungen durch die Bank gleich. Egal ob er «Fiesta Mexicana», «Let it Be», «Strangers in the Night», «Highway to Hell» oder «Atemlos» anstimmt, die Lieder sind kaum auseinanderzuhalten und gehen auch oft ineinander über.
«Mega-Hit-Medley» nennt er das dann kühn. Darüber hinaus besitzt Onkel Willi die seltene Gabe, diverse Walzer konsequent im 4/4-Takt zu spielen. Auch wechselt er nie die Tonlage und singt einfach stumpf alles in C-Dur. Das passe am besten zu seiner Stimmlage, sagte er mal. Und er könne weitestgehend auf die schwarzen Tasten am Piano verzichten, was die Sache einfacher mache.
Sehr zum Entsetzen meiner Mutter habe ich also für meine Feier dieses eherne Sippengesetz ignoriert, ja gebrochen und mich eiskalt gegen ein Engagement von Onkel Willi entschieden.
Stattdessen wird also ein DJ auflegen. So. Und zwar nicht irgend so ein Provinz-Party-Blödmann, sondern ein richtig lässiger DJ. Einer aus der großen Stadt, aus Gießen.
«Hallo, ich bin der Henning», begrüße ich DJ Nightfighter mal so ganz locker und führe ihn in unser Wohnzimmer, das noch immer nicht fertig renoviert ist – aber das ist eine andere Geschichte. Franziska ist seit Wochen komplett genervt, dass weder die Wände neu verputzt sind noch Türgriffe an den bodentiefen Fenstern angebracht wurden. Von den neuen Heizkörpern mal ganz abgesehen. Mich nervt diese Stagnation genauso, doch vor ein paar Tagen ist mir der tröstliche Gedanke gekommen, dass dieser halbfertige Zustand ein cooles Ambiente für meine Feier darstellen könnte.
«Industrial Style», habe ich Franziska heute Morgen erklärt. Sie schüttelte nur den Kopf, doch der neue Henning sieht die Dinge eben auch mal positiv.
«DJ Nightfighter», der laut eigener Homepage in den angesagtesten Clubs Mittelhessens und bei diversen Uni-Erstsemester-Feten schon «gebookt» wurde, richtet sich routiniert in der rechten Ecke unseres Industrial-Wohnzimmers ein. Er baut einen kleinen Tisch auf, schließt einen Laptop an ein kleines Mischpult an und verbindet dieses mit einer langen, schmalen Lautsprecherbox, die aussieht wie irgendwas aus «Star Wars». So habe ich mir das vorgestellt. Das Gegenteil von Onkel Willi.
«Wahnsinn», staune ich ihn an, «das geht ja jetzt alles digital, was?!»
Der Nachtkämpfer lächelt höflich, nickt und weiß nicht recht, was er darauf antworten soll.
«Da habt ihr gar keine CDs mehr dabei, wie?» Ich habe ihm als der knapp Ältere das Du angeboten, auch wenn er mich seit seiner Ankunft durchgängig siezt. DJ Nightfighter schüttelt den Kopf.
«Auch kein Vinyl?», frage ich und rücke noch ein Stück näher. «Ich dachte, Vinyl sei wieder in. Nein?»
«Doch, äh, ja schon», stammelt der junge...
Erscheint lt. Verlag | 17.9.2019 |
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Reihe/Serie | Bröhmann ermittelt | Bröhmann ermittelt |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Achtsamkeit • Achtsam morden • Carsten Dusse • Coach • Coaching • Esoterik • Hessen • Humor • humorvoller Krimi • Krimi • Krimikomödie • Kriminalroman • Mittelhessen • motivationstrainer • Selbstoptimierung • Vogelsberg |
ISBN-10 | 3-644-00370-X / 364400370X |
ISBN-13 | 978-3-644-00370-5 / 9783644003705 |
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Größe: 737 KB
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