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Der Keller (eBook)

Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019
480 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-21558-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Keller - Sabine Thiesler
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Hannah und Heiko sind glücklich verheiratet und freuen sich auf ihr erstes Kind. Da erreicht Hannah der Hilferuf ihres Vaters: Ihre Mutter sei depressiv und selbstmordgefährdet, Hannah möge doch bitte kommen. Trotz ihrer Schwangerschaft fliegt sie in die Toskana, wo ihre Eltern ein Ferienhaus besitzen. Im Flugzeug lernt sie einen charmanten Herrn kennen, und da der Flieger erst am späten Abend in Florenz landet, nimmt sie die Einladung des sympathischen Fremden zu einem Abendessen in seinem Palazzo gerne an. Seitdem gibt es von Hannah kein Lebenszeichen mehr. Ihre Familie ist vollkommen verzweifelt, und auch die Polizei ist ratlos. Denn Hannah ist nicht die letzte junge Frau, die in der Toskana spurlos verschwindet.

Sabine Thiesler, geboren und aufgewachsen in Berlin, studierte Germanistik und Theaterwissenschaften. Sie arbeitete einige Jahre als Schauspielerin im Fernsehen und auf der Bühne und schrieb außerdem erfolgreich Theaterstücke und zahlreiche Drehbücher fürs Fernsehen (u.a. Das Haus am Watt, Der Mörder und sein Kind, Stich ins Herz und mehrere Folgen für die Reihen Tatort und Polizeiruf 110). Ihr Debütroman »Der Kindersammler« war ein sensationeller Erfolg, und auch all ihre weiteren Thriller standen auf der Bestsellerliste.

3

Hannah wunderte sich nicht schlecht, als Daniel seine Tasche direkt neben ihr auf den Sitz stellte.

»Sie sitzen hier?«

»Offensichtlich, ja!« Er sah noch einmal auf seine Bordkarte und zeigte sie ihr.

»Das kann ich gar nicht glauben.«

»Ich auch nicht«, meinte er, »aber wenn das kein Wink des Schicksals ist, dann weiß ich es auch nicht!« Er verstaute seine Sachen und setzte sich.

»Was für ein Zufall!«, sagte sie. »So was glaubt einem ja keiner!«

»Nee. Das Leben schreibt Geschichten, die man sich gar nicht ausdenken kann.«

Vor Hannah und Daniel saßen drei Italienerinnen, um die vierzig Jahre alt, die sich lautstark unterhielten. Hannah konnte jedoch nicht verstehen, worüber. Ab und zu kreischte eine laut, dann gab es wieder schallendes Gelächter. Die Frau, die neben Hannah auf der anderen Seite des Ganges saß, gehörte offensichtlich auch zu der Gruppe und beugte sich quer über den Gang, um mit ihren Freundinnen reden zu können.

Hannah und Daniel sahen sich an. Als sie begriffen, dass sie in diesem Moment dasselbe dachten und gleichermaßen von den vieren genervt waren, mussten sie grinsen.

»Da sehen Sie mal«, sagte Daniel leise in Hannahs Ohr, »es gibt Leute, die machen sich überhaupt keine Gedanken, ob das Flugzeug abstürzt oder nicht. Diese Menschen fliegen genauso sorglos, als wenn sie morgens zum Bäcker gehen und sich ein paar Brötchen kaufen. Das sollte Sie beruhigen.«

Hannah nickte dankbar.

Die Stewardess kam, bat die vier Frauen, jetzt sitzen zu bleiben und sich anzuschnallen, und führte ihr Sicherheitsballett vor.

Daniel schaltete sein Smartphone in den Flugmodus.

»Hoffentlich haben die auch alle ihre Handys ausgeschaltet«, flüsterte Hannah.

»Keine Sorge. Heutzutage stürzt kein Flugzeug mehr wegen so was ab. Sonst würden die Flieger ja pausenlos vom Himmel fallen. Was glauben Sie, wie viele Leute ihre Geräte anlassen. Jede Menge, aber so genau wollen wir das gar nicht wissen.« Er lächelte.

Kurz darauf rollte die Maschine auf die Startbahn, hielt noch einmal inne und beschleunigte dann.

Daniel nahm Hannahs Hand. »Es ist alles gut«, sagte er leise. »Alles läuft nach Plan. Jetzt ganz ruhig einatmen – ausatmen – einatmen – ausatmen …« Und bei jedem »Einatmen« drückte er ihre Hand, bei jedem »Ausatmen« lockerte er den Griff wieder.

Erst als hoch über den Wolken die Anschnallzeichen erloschen, hörte er damit auf.

»War es schlimm?«, fragte er leise.

»Nein, gar nicht. Sie haben mir sehr geholfen!«

Erst jetzt ließ er ihre Hand los.

Kurz darauf zog Daniel ein Buch aus seinem Handgepäck. Florenz: Die Maler der Renaissance. Er blätterte darin herum, las aber nicht.

Daher wagte Hannah, ihn zu stören. »Entschuldigen Sie, aber was machen Sie denn in Italien? Sind Sie an einer deutschen Schule? Unterrichten Sie?«

Daniel schloss das Buch, legte den Kopf in den Nacken und lachte leise. »Nein. Ich bin nur kunstgeschichtlich sehr interessiert, und da hat man ja in Florenz und Umgebung wirklich die besten Voraussetzungen. Kunst und Kultur in Hülle und Fülle. Nein, es ist ganz banal. Ich besitze in der Toskana einen kleinen Palazzo und vermiete Ferienappartements an wahrscheinlich ebenso kunstinteressierte Urlauber.«

»Fantastisch! Sie haben wirklich einen Palazzo?«

»Nun ja.« Er wand sich, was bescheiden wirken sollte. »Das ist ja in der Toskana nahe Florenz nicht so ganz außergewöhnlich.« Er wechselte das Thema. »Und was machen Sie beruflich, wenn ich fragen darf?«

»Ich bin Lehrerin. Habe gerade Herbstferien.«

»Oh! Was für ein schöner Beruf! Kommen Sie, wir trinken noch ein Gläschen. Sie werden sehen, es hilft dabei zu vergessen, dass wir in einem Flugzeug sitzen.« Er klingelte nach der Stewardess.

»Diesmal für mich aber etwas Alkoholfreies, bitte!«, sagte sie.

Als sie die Gläser in der Hand hielten, fragte Daniel: »Worauf trinken wir? Auf eine schöne Zeit in der Toskana?«

Hannah nickte.

Sie stießen an, nahmen einen Schluck, und Hannah vergaß ihre Flugangst.

Stattdessen dachte sie an ihre Mutter, ihren Vater und an die SMS, die sie vor einigen Tagen bekommen hatte.

Sie hatte sie so oft gelesen, dass sie sie auswendig kannte:

Hannah, hatte ihr Vater geschrieben, deiner Mutter geht es sehr schlecht. Ich habe Angst um ihr Leben. Sie hat versucht, sich umzubringen. Du bist wahrscheinlich die Einzige, die ihr noch helfen kann. Bitte, komm! So schnell wie möglich. Dein Vater

Am Abend hatte sie Heiko die SMS vorgelesen. Er hatte mit unbeweglicher Miene zugehört und sie auch nicht angesehen, als er fragte: »Ich nehme an, du willst hinfliegen?«

»Ich weiß es nicht, ich überlege noch, aber ich denke schon«, antwortete Hannah vorsichtig.

Heiko schwieg. Dann wandte er sich ihr zu und strich ihr übers Haar. »Schatz, du bist schwanger. Du solltest nicht fliegen!«

»Mach dir keine Sorgen. Ich hab beim Arzt angerufen. Er hat gesagt, in diesem Stadium ist es kein Problem. Im neunten Monat sollte man es lieber bleiben lassen, aber jetzt Ende dritter, Anfang vierter Monat muss man sich keine Gedanken machen.«

»Wir freuen uns so sehr auf das Kind, bitte, du solltest wirklich alles vermeiden, was auch nur im Entferntesten nicht gut für das Würmchen sein könnte.«

»Ich hab es dir doch gerade gesagt: Es ist echt kein Problem!«

Heiko raufte sich die Haare. »Hannah, deine Mutter ist seit Monaten krank, ach was, seit Jahren. Sie ist depressiv, schizophren, was weiß ich. Kein Mensch weiß, warum und wieso und wann genau es angefangen hat. Wir leben damit. Du und ich und dein Vater. Wir ertragen es, dass sie ständig weint, tagelang im Bett liegt, nichts isst, mit niemandem spricht oder stundenlang durch den Wald irrt. Das ist alles nichts Neues. Und jetzt ist sie in Italien. Die Toskana hat ihr eigentlich immer ganz gutgetan. Aber diesmal eben nicht. Und da willst du gleich hinfliegen? Bitte!«

»Sie hat versucht, sich umzubringen, Heiko!«

»Ja. Aber das war sicher nur ein Hilfeschrei. Sonst hätte es ja geklappt. Und dein Vater ist bei ihr. Was willst du machen? Tagelang an ihrem Bett sitzen, Händchen halten und auf den nächsten Versuch warten? Der vielleicht nie kommt? Das ist Blödsinn, Hannah. Die Krankheit, die deine Mutter hat, kannst du nicht heilen, indem du zwei Tage an ihrem Bett sitzt oder ihr draußen Blümchen pflückst und sie ihr ins Zimmer stellst. Vergiss es!«

»Ich hab das Gefühl, sie braucht mich. Und Papa meint das auch. Normalerweise schreibt er so etwas nicht. Da muss es schon ernst sein.«

Er rang die Hände. »Ich brauche dich auch, Hannah. In drei Wochen beginnt das Staatsexamen. Ich muss noch lernen ohne Ende. Habe einen Berg von Arbeit vor mir und die Hosen gestrichen voll. Hab in meinem Leben noch nie so viel Schiss gehabt, Hannah. Bitte, hau jetzt nicht ab! Lass mich nicht allein! Ich kann mich nicht auch noch um den Haushalt kümmern. Verstehst du das nicht? Es tut mir einfach gut, wenn du abends da bist, mir ein Spiegelei in die Pfanne haust und mich in den Arm nimmst. Ich pack das sonst nicht allein!«

»Aber was ist, wenn meiner Mutter was passiert? Das ist endgültig. Ein Staatsexamen kann man wiederholen.«

»Wiederholen?«, schrie Heiko fassungslos. »Weil meine schwangere Frau zu ihrer depressiven Mutter fliegt, muss ich nicht nur vor Angst um sie umkommen, sondern auch noch mein Staatsexamen wiederholen?«

Hannah wusste, dass der Streit jetzt bald eskalieren würde, aber sie sagte dennoch: »Ach so. Und weil mein gesunder, intelligenter Mann sich allein kein Spiegelei in die Pfanne hauen kann, darf ich nicht zu meiner schwerkranken Mutter und muss mein Leben lang darunter leiden, wenn sie stirbt und ich nicht da gewesen bin? Ich hab meinem Mann das Frühstück gemacht, bevor er in die Uni gegangen ist! Währenddessen ist meine Mutter einsam gestorben. Und ich hab mich nicht von ihr verabschieden können? Meinst du das im Ernst?«

Heiko überlegte einen Moment. Dann sagte er: »Meinetwegen, flieg zu deiner Mutter. Damit setzt du die Priorität. Und damit ziehen wir nicht mehr an einem Strang. Ich bin allein auf mich gestellt. Ich habe keine Frau, die in Krisenzeiten – und ein Examen ist eine Krisenzeit – zu mir hält. Falls du es schon vergessen haben solltest: Als du im Prüfungsstress warst, hab ich alles für dich getan, hab dir rund um die Uhr den Rücken freigehalten, hab dich auf Händen getragen. Und du lässt mich jetzt hängen!«

»Aber das kannst du doch nicht vergleichen, Heiko!« Hannah war den Tränen nahe.

»Doch, das kann ich!«

Hannah zuckte hilflos die Achseln.

»Ich dachte außerdem, du hast schreckliche Flugangst?«, setzte Heiko nach. »Seit Jahren findest du tausend Gründe, warum wir nicht fliegen sollten, und nun steigt die Lady plötzlich ohne Probleme in ein Flugzeug? Und dann auch noch mit Babybauch? Das versteh ich nicht!«

»Es fällt mir verdammt noch mal auch nicht leicht!«

»Na also. Dann würde ich an deiner Stelle eben nicht fliegen.«

»Ich habe dir schon gesagt, dass ich mich noch nicht entschieden habe! Ich wollte mit dir in aller Ruhe darüber reden, aber das geht anscheinend nicht. Jedenfalls will ich mir keine Vorwürfe anhören, wenn ich deinen Rat brauche!«

»Ich glaube, es gibt nichts mehr dazu zu sagen.«

»Du...

Erscheint lt. Verlag 23.9.2019
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bestsellerautorin • Commissario Neri • eBooks • Familiendrama • Florenz • Frauenmorde • Jagd • Luxushotel • Psychothriller • Serienmörder • Thriller • Toskana
ISBN-10 3-641-21558-7 / 3641215587
ISBN-13 978-3-641-21558-3 / 9783641215583
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