Friedrich Glauser - Wachtmeister Studer (eBook)
1078 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-631-5 (ISBN)
Friedrich Charles Glauser (geboren 4. Februar 1896 in Wien; gestorben 8. Dezember 1938 in Nervi bei Genua) war ein Schweizer Schriftsteller. Er gilt als einer der ersten deutschsprachigen Krimiautoren. In den letzten drei Lebensjahren schrieb Glauser fünf Kriminalromane, in deren Mittelpunkt Wachtmeister Studer steht, ein eigensinniger Kriminalpolizist mit Verständnis für die Gefallenen der Gesellschaft. Bei einer Umfrage im Jahr 1990 unter 37 Krimifachleuten nach dem 'besten Kriminalroman aller Zeiten' landete Wachtmeister Studer als bester deutschsprachiger Krimi auf Platz 4.
Friedrich Charles Glauser (geboren 4. Februar 1896 in Wien; gestorben 8. Dezember 1938 in Nervi bei Genua) war ein Schweizer Schriftsteller. Er gilt als einer der ersten deutschsprachigen Krimiautoren. In den letzten drei Lebensjahren schrieb Glauser fünf Kriminalromane, in deren Mittelpunkt Wachtmeister Studer steht, ein eigensinniger Kriminalpolizist mit Verständnis für die Gefallenen der Gesellschaft. Bei einer Umfrage im Jahr 1990 unter 37 Krimifachleuten nach dem "besten Kriminalroman aller Zeiten" landete Wachtmeister Studer als bester deutschsprachiger Krimi auf Platz 4.
Wachtmeister Studer
Die Fieberkurve
Matto regiert
Der Chinese
Krock & Co
Literaturverzeichnis
Index
Einer will nicht mehr mitmachen
Der Gefangenenwärter mit dem dreifachen Kinn und der roten Nase brummte etwas von »ewigem G’stürm«, – weil ihn Studer vom Mittagessen wegholte. Aber Studer war immerhin ein Fahnderwachtmeister von der Berner Kantonspolizei, und so konnte man ihn nicht ohne weiteres zum Teufel jagen.
Der Wärter Liechti stand also auf, füllte sein Wasserglas mit Rotwein, leerte es auf einen Zug, nahm einen Schlüsselbund und kam mit zum Häftling Schlumpf, den der Wachtmeister vor knapp einer Stunde eingeliefert hatte.
Gänge… Dunkle lange Gänge… Die Mauern waren dick. Das Schloss Thun schien für Ewigkeiten gebaut. Überall hockte noch die Kälte des Winters.
Es war schwer, sich vorzustellen, dass draußen ein warmer Maientag über dem See lag, dass in der Sonne Leute spazieren gingen, unbeschwert, dass andere in Booten auf dem Wasser schaukelten und sich die Haut braun brennen ließen.
Die Zellentüre ging auf. Studer blieb einen Augenblick auf der Schwelle stehen. Zwei waagrechte, zwei senkrechte Eisenstangen durchkreuzten das Fenster, das hoch oben lag. Der Dachfirst eines Hauses war zu sehen – mit alten, schwarzen Ziegeln – und über ihm wehte als blendend blaues Tuch der Himmel. Aber an der unteren Eisenstange hing einer! Der Ledergürtel war fest verknüpft und bildete einen Knoten. Dunkel hob sich ein schiefer Körper von der weißgekalkten Wand ab. Die Füße ruhten merkwürdig verdreht auf dem Bett. Und im Nacken des Erhängten glänzte die Gürtelschnalle, weil ein Sonnenstrahl sie von oben traf.
»Herrgott!« sagte Studer, schoss vor, sprang aufs Bett – und der Wärter Liechti wunderte sich über die Beweglichkeit des älteren Mannes – packte den Körper mit dem rechten Arm, während die linke Hand den Knoten aufknüpfte.
Studer fluchte, weil er sich einen Nagel abgebrochen hatte. Dann stieg er vom Bett und legte den leblosen Körper sanft nieder.
»Wenn Ihr nicht so verdammt rückständig wäret«, sagte Studer, »und wenigstens Drahtgitter vor den Fenstern anbringen würdet, dann könnten solche Sachen nicht passieren. – So! Aber jetzt spring, Liechti, und hol den Doktor!«
»Ja, ja!« sagte der Wärter ängstlich und humpelte davon.
Zuerst machte der Fahnderwachtmeister künstliche Atmung. Es war wie ein Reflex. Etwas, das aus der Zeit stammte, da er einen Samariterkurs mitgemacht hatte. Und erst nach fünf Minuten fiel es Studer ein, das Ohr auf die Brust des Liegenden zu legen und zu lauschen, ob das Herz noch schlage. Ja, es schlug noch. Langsam. Es klang wie das Ticken einer Uhr, die man vergessen hat aufzuziehen; Studer pumpte weiter mit den Armen des Liegenden. Unter dem Kinn durch, von einem Ohr zum anderen, lief ein roter Streifen.
»Aber Schlumpfli!« sagte Studer leise. Er nahm sein Nastuch aus der Tasche, wischte sich zuerst selbst die Stirne ab, dann fuhr er mit dem Tuch über das Gesicht des Burschen. Ein Bubengesicht: jung, zwei dicke Falten über der Nasenwurzel. Trotzig. Und sehr bleich.
Das war also der Schlumpf Erwin, den man heut morgen in einem Krachen des Oberaargaus verhaftet hatte. Schlumpf Erwin, angeklagt des Mordes an Witschi Wendelin, Kaufmann und Reisender in Gerzenstein.
Zufall, dass man zur rechten Zeit gekommen war! Vor einer Stunde etwa hatte man den Schlumpf ordnungsgemäß im Gefängnis eingeliefert, der Wärter mit dem dreifachen Kinn hatte unterschrieben – man konnte getrost den Zug nach Bern nehmen und die ganze Sache vergessen. Es war nicht die erste Verhaftung, die man vorgenommen hatte, es würde auch nicht die letzte sein. Warum hatte man das Bedürfnis verspürt den Schlumpf Erwin noch einmal zu besuchen?
Zufall?
Vielleicht… Was ist schon Zufall?… Es war nicht zu leugnen, dass man dem Schicksal des Schlumpf Erwin teilnahmsvoll gegenüberstand. Richtiger gesagt, dass man den Schlumpf Erwin liebgewonnen hatte… Warum?… Studer in der Zelle strich sich ein paar Male mit der flachen Hand über den Nacken. Warum? Weil man keinen Sohn gehabt hatte? Weil der Verhaftete auf der ganzen Reise seine Unschuld beteuert hatte? Nein. Unschuldig sind sie alle. Aber die Beteuerungen des Schlumpf Erwin hatten ehrlich geklungen. Obwohl…
Obwohl der Fall eigentlich ganz klar lag. Den Kaufmann und Reisenden Wendelin Witschi hatte man am Mittwochmorgen mit einem Einschuss hinter dem rechten Ohr, auf dem Bauche liegend, in einem Walde in der Nähe von Gerzenstein aufgefunden. Die Taschen der Leiche waren leer… Die Frau des Ermordeten hatte behauptet, ihr Mann habe dreihundert Franken bei sich getragen.
Und am Mittwochabend hatte Schlumpf im Gasthof zum ›Bären‹ eine Hunderternote gewechselt… Am Donnerstagmorgen wollte ihn der Landjäger verhaften, aber Schlumpf war geflohen.
So war es eben gekommen, dass der Polizeihauptmann am Donnerstagabend den Wachtmeister Studer in seinem Büro aufgesucht hatte:
»Studer, du musst an die frische Luft. Morgen früh gehst du den Schlumpf Erwin verhaften. Es wird dir gut tun. Du wirst zu dick…«
Es stimmte, leider… Gewiss, sonst schickte man zu solchen Verhaftungen Gefreite. Es hatte den Fahnderwachtmeister getroffen… Auch Zufall?… Schicksal?… Genug, man war an den Schlumpf geraten, und man hatte ihn liebgewonnen. Eine Tatsache! Mit Tatsachen, auch wenn sie nur Gefühle betreffen, muss man sich abfinden. Der Schlumpf! Sicherlich kein wertvoller Mensch! Man kannte ihn auf der Kantonspolizei. Ein Unehelicher. Die Behörde hatte sich fast ständig mit ihm beschäftigen müssen. Sicher wogen die Akten auf der Armendirektion mindestens anderthalb Kilo. Lebenslauf? Verdingbub bei einem Bauern. Diebstähle. – Vielleicht hat er Hunger gehabt? Wer kann das hinterdrein noch feststellen? – Dann ging es, wie es in solchen Fällen immer geht. Erziehungsanstalt Tessenberg. Ausbruch. Diebstahl. Wieder gefasst. Geprügelt. Endlich entlassen. Einbruch. Witzwil. Entlassen. Einbruch. Thorberg drei Jahre. Entlassen. Und dann hatte es Ruhe gegeben – zwei volle Jahre. Der Schlumpf hatte in der Baumschule Ellenberger in Gerzenstein gearbeitet. Sechzig Rappen Stundenlohn. Hatte sich in ein Mädchen verliebt. Die beiden wollten heiraten. Heiraten! Studer schnaubte durch die Nase. So ein Bursch und heiraten! Und dann war der Mord an dem Wendelin Witschi passiert…
Es war ja bekannt, dass der alte Ellenberger in seinen Baumschulen mit Vorliebe entlassene Sträflinge anstellte. Nicht nur, weil sie billige Arbeitskräfte waren, nein, der Ellenberger schien sich in ihrer...
Erscheint lt. Verlag | 12.12.2024 |
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Reihe/Serie | Gesammelte Werke bei Null Papier | Gesammelte Werke bei Null Papier |
Verlagsort | Neuss |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Alpen • Columbo • cover krimi • criminal dinner • dinner krimi • Dorf • Dorfkrimi • Fernsehen • Krimi • Krimiautoren • krimi couch • Krimicouch • krimiforum • krimi hotel • Krimi literatur • kriminal literatur • Krimis • krimis krimi • krimi spiele • krimis thriller • Krimi Thriller • krimi total • Mord • Mörder • oxford krimi • Schweiz • Thriller • thriller krimis |
ISBN-10 | 3-96281-631-3 / 3962816313 |
ISBN-13 | 978-3-96281-631-5 / 9783962816315 |
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