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Inspektor Jury und der Weg des Mörders (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019
512 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-23914-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Inspektor Jury und der Weg des Mörders - Martha Grimes
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Robbie Parsons kennt als Taxifahrer jeden Winkel Londons. Nichts kann ihn aus der Ruhe bringen. Bis eines Tages zwei seiner Fahrgäste, David und Rebecca Moffit, beim Aussteigen wie aus dem Nichts erschossen werden - und der Mörder prompt in Robbies Taxi springt, um sich durch die Stadt chauffieren zu lassen. Doch zum Glück steigt der bewaffnete Fahrgast am Bahnhof Waterloo aus und verschwindet. Inspektor Jury ist schockiert, als er davon erfährt, denn er hat kurz zuvor Bekanntschaft mit dem sympathischen David gemacht. Eine erste Spur führt ihn in einen exklusiven Londoner Club. Und was er dort erfährt, stellt ihn vor ein Rätsel ...

Martha Grimes zählt zu den erfolgreichsten Krimiautorinnen unserer Zeit. Lange Zeit unterrichtete sie kreatives Schreiben an der Johns-Hopkins-University. Durch ihre Serien um Inspektor Richard Jury und die 12-jährige Ermittlerin Emma Graham wurde sie weltbekannt. Die »Mystery Writers of America« kürten sie 2012 für ihr Lebenswerk zum »Grand Master«, und ihre Inspektor-Jury-Reihe wurde nun auch fürs deutsche Fernsehen entdeckt und erfolgreich verfilmt. Martha Grimes lebt heute in Bethesda, Maryland.

London,

1. Nov., Freitagabend

1. Kapitel


Er war ein toter Mann, und er wusste es.

Sobald er diesem Dreckskerl nichts mehr nützte, würde der ihn erschießen.

Also musste Robbie Parsons ihm weiter nützen.

Er war froh, dass er sich seine grüne Kennmarke verdient hatte, dankbar für all die Monate, die er auf dieser oder jener Strecke in London in der Gegend umhergefahren war, um sich als Fahrer eines schwarzen Taxis zu quali­fizieren.

Robbie hatte Straßenkarten im Kopf. Manchmal, wenn er umherfuhr und nach einem Fahrgast Ausschau hielt, machte er sich den Spaß und setzte sich Zielmarken mit Orientierungspunkten, an denen er auf dem Weg zu einem bestimmten Ort entweder vorbeikommen musste oder nicht. Mit solchen Straßenkarten im Kopf war es egal, wohin dieser schwarze Typ ihn fahren ließ (bisher hatte er ihm noch gar nichts gesagt), und Robbie wusste, wie er den längsten Weg nahm, ohne Argwohn zu erregen.

Robbie wusste Bescheid, weil er schon seit fünfunddreißig Jahren alle möglichen Menschen in der Gegend he­rumkutschierte. Trotzdem, so clever war er nicht, dass er sämtliche afrikanischen Länder durchgehen konnte, um festzumachen, aus welchem dieser Kerl stammte. Normalerweise drangen kleine Gesprächsfetzen an sein Ohr – etwa dass ein Fahrgast Kapstadt erwähnte oder Nairobi oder Victoria Falls, so in der Art. Dieser Fahrgast heute Abend war allerdings nicht an Smalltalk interessiert. Es herrschte Schweigen. Robbie hatte noch nie ein solch lastendes Schweigen erlebt.

Allerdings auch noch nie Schweigen plus Schusswaffe.

Vor knapp einer Stunde war er die Ebury Street entlanggefahren, hatte ein bisschen in Belgravia herumgeschaut und war dann in Richtung Beeston Place abgebogen, wo sich das Goring Hotel befand. Er hatte den Portier nach einem Taxi Ausschau halten sehen, hinter sich das Pärchen, für das es anscheinend gedacht war, während der die beiden mit einem riesigen Schirm schützte. Gar nicht so einfach bei dem Regen.

Ein sehr gutaussehendes Paar. Robbie fuhr beim ­Goring vor, der Portier riss den Wagenschlag auf und half der Frau hinein. Sie war wirklich wunderschön, ihr Haar hell schimmernd wie Mondlicht, das Perlweiß ihres Gesichts noch verstärkt von ihrem weißrosa Kleid. Der Mann, groß und dunkel, trug einen Abendanzug unter dem schwarzen Kaschmirmantel. Er schob sich ins Taxi, schüttelte sich ­dabei den Regen von den Mantelaufschlägen, achtete ­jedoch darauf, dass die Frau nichts abbekam.

Robbie schob das Glasfensterchen auf und sagte über die Schulter: »Ihr Zielort, Sir?«

»Ein Klub im Finanzdistrikt. Die Straße ist schwer zu finden, sagte man mir.«

Geht es Uneingeweihten nicht allen so?

»Der Name des Klubs, Sir?«

»The Artemis. Ein Spielcasino?«

»Ein sehr exklusiver Klub, Sir, einer der besten in London. Sie haben Glück, dass Sie da überhaupt reinkommen. Die Warteliste ist ein Jahr lang.«

Sie sagte: »Wieso wartet jemand ein Jahr, um in ein ­Casino zu kommen?« Dann lachte sie.

»Ich weiß, was Sie meinen, Madam.«

Der Mann sagte: »Die haben alle möglichen Regeln. Man muss zur vereinbarten Zeit ankommen und sich richtig fein machen. Ziemlich seltsam, dabei will man bloß ein bisschen spielen.«

Geschmeidig fädelte sich Robbie in den Verkehr Richtung Knightsbridge ein. »Ich glaub, das Artemis versteht sich nich bloß als Casino. Von den Regeln hab ich gehört. Die wollen nich so viele Leute auf einmal, dann is auch die Auffahrt nich so voll mit Autos.«

»Ich hoffe, es braucht keinen geheimen Handschlag«, meinte sie, »damit kennen wir uns nämlich nicht aus.«

Robbie fasste lachend ans Schiebefensterchen und überlegte: für Eurydike wäre es einfacher gewesen, aus der Unterwelt zurückzufinden, wenn sie sich einfach ein schwarzes Taxi hergewunken hätte, anstatt auf Orpheus zu warten. Komisch, dass ihm das bei den beiden hier einfiel. Orpheus da unten in der Unterwelt, um sie zurückzu­holen. Robbie hatte das Gefühl, der hier würde es auch tun für sie.

Als der Mann an die Scheibe tippte, schob Robbie sie wieder auf.

»Und Sie finden hin, wenn Sie bloß den Namen haben?«

»Ja, Sir, mach ich.«

»Sie haben aber gar kein GPS.«

Robbie verdrehte die Augen. »Nein, Sir. So was brauchen wir nicht.«

»Erstaunlich. Den Taxifahrern in Manhattan muss man die nächste Querstraße nennen, wenn man irgendwo hinwill. Ich wollte mich mal zum Waldorf fahren lassen, da sagte der Fahrer in diesem missmutigen Ton, in dem die New Yorker Taxifahrer reden, ›Welche Querstraße?‹. Stellen Sie sich das mal vor!«

Die Frau sagte: »Ich fand es schon immer erstaunlich, wie ihr Fahrer euch in dieser Stadt auskennt.«

Robbie staunte über ihr Staunen. Ihr Akzent ließ erkennen, dass sie Britin war, seiner war dagegen definitiv amerikanisch. An welchen Service waren Amerikaner denn gewohnt? New York. Wie konnte man in einer Stadt herumfahren und sich so schlecht auskennen? Das machte doch keinen Spaß, fremd sein in der eigenen Heimatstadt!

Den Artemis Club hinter sich, befand sich das schwarze Taxi jetzt im Finanzdistrikt in der Old Broad Street. Und hintendrin saß ein Typ mit einer Knarre in der Hand.

Robbie versuchte, cool zu bleiben. Gar nicht so einfach. »Wenn Sie mir Ihren Zielort sagen könnten …?«

»Wenn’s so weit ist. Fahren Sie.«

Also gut. Dann würde er eben in irgendeine Stauecke im West End fahren – Charing Cross oder Piccadilly – in der Hoffnung auf eine günstige Gelegenheit.

Am schnellsten wäre es um Bank herum und die Walbrook runter zur Upper Thames Street. Von dort zum Embankment. Die Strecke gedachte er aber nicht zu nehmen. Der Kerl würde es nicht merken. Wohin Robbie auch fuhr, er hatte es jedenfalls nicht eilig.

Zu dieser Uhrzeit an einem Freitagabend wäre der nächste große Verkehrsstau am Piccadilly – von Green Park am Ritz vorbei bis Piccadilly Circus und Shaftesbury Avenue mit all den Theatern. Also beschloss er, in diese Richtung zu fahren. Zuerst schlängelte er sich aber durch und kam auf die A40 heraus, die er entlangfuhr bis zum Holborn Viadukt. Nach ein paar Minuten bog er rechts ab nach Snow Hill.

Dort nahm er den Fuß vom Gas und hielt nach Polizeiautos Ausschau, sah jedoch bloß ein paar Polizisten, die gerade aus der Polizeiwache Snow Hill kamen. Mittlerweile müsste eigentlich die ganze Polizei im Finanzdis­trikt alarmiert sein. Sachte schaltete er seine Scheinwerfer ein und aus, ein und aus und sah, wie die Bullen stehen blieben, sich umdrehten und in der Ferne verschwanden. Das Funkradio war natürlich außer Betrieb. Dafür hatte der Kerl schon gesorgt.

»Da hinten war eine Polizeiwache.«

»Ja Sir, davon gibt’s dreitausend in London. Schwierig, nicht an einer vorbeizufahren.«

Der Typ rückte auf einen der Notsitze direkt hinter ­Robbie, steckte die Waffe wieder durch das offene Schiebefensterchen und sagte: »Dann versuchen Sie’s.«

Robbie schwieg. Er hörte, wie der andere sein Gewicht wieder auf den Fahrgastsitz verlagerte.

»Wo fahren Sie hin?«, wollte er wissen.

»Ins West End.«

»Warum?«

»Nachdem Sie mir keine Adresse gegeben haben, fahr ich eben einfach. Wie Sie sagten.«

Der andere brummte bloß.

Oh Mann, dachte Robbie.

Zwanzig Minuten zuvor war Robbie die halbrunde Auffahrt vor dem Artemis Club hoch bis zum Eingang gefahren, wo kaum andere Fahrzeuge standen. Man hätte meinen können, das Artemis hätte überhaupt keine Gäste, bei den wenigen Autos. Das lag zweifellos daran, dass Besuchern mitgeteilt wurde, wann sie kommen konnten, und außerdem wurden die Autos vom Personal auf einen vom Klub bezahlten Parkplatz chauffiert.

Robbie hatte gebremst und schob gerade das Glasfensterchen auf, als er überrascht sah, wie eine übergewichtige Frau in Orange die Zufahrt entlangkam, nachdem ihr ­Wagen wohl von einem der Bediensteten in Empfang genommen worden war. Schnaufend bewegte sie sich in Richtung Eingangstür.

»Ist es hier?«, fragte die schöne Ehefrau.

»Ja, würde man gar nicht denken, stimmt’s?«

»Sehr gediegen«, sagte sie, während ihr Mann ausstieg und herumging, um ihr den Wagenschlag zu öffnen. Er bezahlte Robbie mit einem beiläufigen »Der Rest ist für Sie« – und der Rest war ordentlich, ein stattliches Trinkgeld. Die beiden Reichen und Schönen blieben kurz stehen, während die Dame in Orange sich anschickte hineinzugehen.

»Oh, ich bin schon ganz starr vor K…«, begann die Frau.

Doch dann wurde alles starr. Robbie hörte einen ungewohnten Knall, der Mann stolperte und fiel voll aufs Gesicht. Ein paar Sekunden später ein weiterer Knall, und die Frau sank neben ihm zu Boden. Erst lag sie still, dann streckte sie den Arm zu ihrem niedergesunkenen Mann hin. Und dann, reglos, tot. Diese schönen Menschen, diese wunderschöne Frau – die blasse Haut, das Grace-Kelly-Haar, wie alles mit dem durchscheinenden Kleid verschwamm. Als er sie in der Auffahrt vorm Goring erblickt hatte, dachte ­Robbie, so weiß und federleicht war sie gewesen, so unwirklich, dass sie vom Wind und vom Regen hätte weggeweht werden können, durchsichtig und geisterhaft.

So hatte sie ausgesehen, wie ein Geist.

Und nun, niedergesunken, war sie es: ein Geist.

Robbie war völlig durch den Wind. Er stieß die Wagentür auf, wollte aussteigen, als ihm ein großer Schatten über den Weg fiel und er zurück ans Steuer geschubst wurde, während der Eindringling gleichzeitig mit der anderen Hand das Funkradio außer Betrieb setzte, indem er die Waffe wie einen Hammer darauf niedergehen ließ.

Der Mann riss die Fahrgasttür auf...

Erscheint lt. Verlag 20.5.2019
Reihe/Serie Die Inspektor-Jury-Romane
Die Inspektor-Jury-Romane
Übersetzer Cornelia C. Walter
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Knowledge
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Afrika • britische Krimis • eBooks • Edelsteine • England • Großbritannien • Inspector Jury • Krimi • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinungen 2019 • Krimis • Krimis und Thriller • London • Melrose Plant • Sommerlektüre • Spiegelbestseller • Taschenbuch • Taxifahrer • The Knowledge
ISBN-10 3-641-23914-1 / 3641239141
ISBN-13 978-3-641-23914-5 / 9783641239145
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