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Der Einzelgänger (eBook)

12 Jack-Reacher-Storys - erstmals auf Deutsch

(Autor)

eBook Download: EPUB
2018
448 Seiten
Blanvalet Verlag
978-3-641-22637-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Einzelgänger - Lee Child
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»Dieser Story-Band zeigt, was Fans an Lee Child so schätzen: Er ist ein geborener Erzähler und ein scharfsinniger Beobachter.« Publishers Weekly
Jack Reacher ist der wahrscheinliche härteste Actionheld der Thrillerliteratur, und das bereits seit 20 Jahren. Am liebsten ist er allein. Er macht sich nicht viel aus der Gesellschaft anderer Menschen. Aber wenn er Ungerechtigkeit bemerkt, dann kann er gar nicht anders als einzugreifen. In zwölf Storys ermöglicht SPIEGEL-Bestsellerautor Lee Child seinen Fans einen tieferen Einblick in einen der faszinierendsten und erfolgreichsten Serienhelden des modernen Thrillers. Ob in New York, dem ländlichen Maine oder in Japan, ob im Alter von 17 oder 57 Jahren: Jack Reacher begeistert Leser und Kritiker - und das seit zwanzig Jahren!
Dieses Buch enthält folgende Storys:
Zu viel Zeit
Der zweite Sohn
Hitzewelle
Tief drinnen
Kleinkriege
James Penneys neue Identität
Das Verhör
Dies ist keine Übung
Vielleicht haben sie eine Tradition
Ein Kerl kommt in eine Bar
Kein Raum in der Herberge
Der einsame Diner

Lee Child wurde in den englischen Midlands geboren, studierte Jura und arbeitete dann zwanzig Jahre lang beim Fernsehen. 1995 kehrte er der TV-Welt und England den Rücken, zog in die USA und landete bereits mit seinem ersten Jack-Reacher-Thriller einen internationalen Bestseller. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Anthony Award, dem renommiertesten Preis für Spannungsliteratur.

DER ZWEITE SOHN

1

An einem heißen Dienstag im August 1974 tat ein alter Mann in Paris etwas, das er noch nie gemacht hatte: Er erwachte morgens in seinem Bett, aber er stand nicht auf. Er konnte nicht. Sein Name war Laurent Moutier, und er hatte sich zehn Tage lang ziemlich mies und weitere sieben Tage lang wirklich schlecht gefühlt. Seine Arme und Beine kamen ihm dünn und schwach vor, und sein Brustkorb schien aus Beton zu bestehen, der langsam aushärtete. Er wusste, was mit ihm los war. Von Beruf Möbelrestaurator, war aus ihm nun etwas geworden, das Kunden ihm manchmal gebracht hatten: ein aus dem Leim gegangenes, wurmstichig gewordenes altes Erbstück. Dabei litt er an keiner bestimmten Krankheit. Stattdessen versagten alle möglichen Organe gleichzeitig. Dagegen war nichts zu machen. Unvermeidlich. Also lag er geduldig keuchend da und wartete auf seine Haushälterin.

Sie tauchte wie immer um zehn Uhr auf und wirkte weder überrascht noch sehr schockiert. Die meisten ihrer Arbeitgeber waren alt, sodass Krankheiten und Todesfälle nicht selten vorkamen. Sie rief einen Arzt an, und Moutier hörte sie im Lauf des Gesprächs offenbar als Antwort auf eine Frage nach seinem Alter »neunzig« sagen – auf eine befriedigt resignierte Weise, die Bände sprach, als umfasste dieses einzelne Wort einen ganzen Absatz. Das erinnerte ihn daran, wie er in seiner Werkstatt gestanden und Staub und Leim und Firnis eingeatmet hatte, während er ein sich in Wohlgefallen auflösendes Schränkchen begutachtet und »Na, sehen wir’s uns mal an« gesagt hatte, obwohl er in Wirklichkeit schon darüber nachdachte, wie er den Kunden damit heimschicken konnte.

Ein Hausbesuch wurde für den Nachmittag vereinbart, aber wie um die unausgesprochene Diagnose zu bestätigen, fragte die Zugehfreu Moutier nach seinem Adressbuch, damit sie seine nächsten Angehörigen anrufen konnte. Moutier besaß ein Adressbuch, aber keine nahen Angehörigen außer seiner Tochter Josephine, die das kleine Buch trotzdem fast allein ausfüllte, weil sie ständig umzog. Seite um Seite stand voller durchgestrichener Postfachnummern und langer ausländischer Telefonnummern. Die Haushälterin wählte die letzte Nummer und hörte das Summen und Pfeifen großer Entfernungen, bevor sich eine Stimme meldete, die Englisch sprach, das sie nicht verstand, sodass sie wieder auflegte. Moutier sah sie zögern, aber wie um die Diagnose nochmals zu bestätigen, verließ sie dann die Wohnung, um den pensionierten Lehrer zwei Etagen tiefer aufzusuchen – einen schüchternen kleinen Mann, den Moutier immer für einen Kretin gehalten hatte, aber wie großartig musste man als Linguist schon sein, um votre père va mourir in your dad is going to die übersetzen zu können?

Die Haushälterin kam mit dem Lehrer zurück, beide vom Treppensteigen ein bisschen außer Atem. Und der kleine Mann rief noch mal dieselbe Nummer an und verlangte Josephine Moutier.

»Nein, Reacher, imbécile«, sagte Moutier mit einer Stimme, die ein kraftvoller Bass gewesen war, aber nun jämmerlich schwach, fast bittend klang. »Sie ist eine verheiratete Reacher. Josephine Moutier kennt dort niemand.«

Der Lehrer entschuldigte sich, verbesserte sich und verlangte Josephine Reacher. Er hörte kurz zu, dann bedeckte er die Sprechmuschel mit der Hand, sah Moutier an und fragte: »Wie heißt der Ehemann Ihrer Tochter? Ihr Schwiegersohn?«

»Stan«, sagte Moutier. »Aber nicht Stanley. Einfach nur Stan. So steht’s in seinem Pass. Das habe ich selbst gesehen. Er ist Captain Stan Reacher vom United States Marine Corps.«

Der Lehrer gab diese Information weiter und hörte wieder zu. Dann legte er auf. Er drehte sich um und erklärte: »Sie sind fort. Anscheinend erst seit ein paar Tagen. Die ganze Familie. Captain Reacher ist versetzt worden.«

2

Der pensionierte Pariser Lehrer hatte mit dem Offizier vom Dienst des Stützpunkts der U.S. Navy auf der Pazifikinsel Guam gesprochen, auf die Stan Reacher drei Monate lang als Verbindungsoffizier des Marine Corps abkommandiert gewesen war. Diese angenehme Verwendung hatte geendet, und man hatte ihn nach Okinawa versetzt. Seine Familie war ihm vier Tage später über Manila nachgeflogen: seine Frau Josephine und die beiden Sohne Joe und Jack, fünfzehn und dreizehn Jahre alt. Josephine Reacher, vierundvierzig, war eine kluge, lebhafte und energische Frau, noch neugierig auf die Welt und glücklich darüber, so viel von ihr sehen zu können, auch wenn das häufige Umzüge und schlechte Unterkünfte mit sich brachte. Joe Reacher war mit fünfzehn schon fast ausgewachsen, über einen Meter fünfundachtzig groß und fast neunzig Kilo schwer, neben seiner Mutter ein Riese, aber noch still und fleißig, noch sehr Clark Kent, nicht Superman. Jack Reacher sah mit dreizehn wie der Entwurf eines Konstrukteurs für etwas noch Größeres, noch Ehrgeizigeres aus; sein großer knochiger Körper glich dem Gerüst um eine Großbaustelle. Weitere fünfzehn Zentimeter und dreißig Kilo Muskeln fehlten noch, aber sie würden kommen. Er hatte große Hände und einen wachen Blick. Er war still wie sein Bruder, aber nicht fleißig. Im Gegensatz zu Joe wurde er stets nur mit seinem Nachnamen gerufen. Den Grund dafür kannte niemand, aber die Familie bestand aus Stan und Josie, Joe und Reacher. So war es schon immer.

Stan holte die drei von der Marine Corps Air Station Futenma ab, und sie fuhren mit einem Taxi zu dem eine halbe Meile vom Strand entfernten Bungalow, den er gemietet hatte. Drinnen war es heiß und ruhig. Das Haus stand an einer schmalen Betonstraße mit tiefen Straßengräben. An der schnurgeraden Straße reihten sich auf kleinen Grundstücken kleine Häuser, und an ihrem Ende war als blauer Fleck das Meer zu erkennen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Familie geschätzte vierzig Umzüge hinter sich, sodass der Einzug reine Routine war. Die Jungen bekamen das zweite Schlafzimmer und sollten selbst entscheiden, ob es geputzt werden musste oder nicht. In diesem Fall hatte Joe wie üblich etwas an der Sauberkeit auszusetzen, das Reacher nicht nachvollziehen konnte. Also ließ er Joe putzen und ging in die Küche hinunter, um ein Glas Wasser zu trinken. Und dort teilte man ihm die schlechte Nachricht mit.

3

Reachers Eltern saßen nebeneinander an der Küchentheke und studierten ein amtliches Schreiben, das seine Mutter aus Guam mitgebracht hatte. Reacher kannte den Umschlag. Der Brief schien irgendwas mit dem Schulsystem zu tun zu haben. Seine Mutter sagte: »Joe und du müsst euch einem Test unterziehen, bevor ihr hier zur Schule gehen könnt.«

Reacher fragte: »Warum?«

»Einstufung«, antwortete sein Vater. »Sie müssen wissen, auf welchem Stand ihr seid.«

»Schreib ihnen, dass wir gut zurechtkommen und dankend ablehnen.«

»Wie meinst du das?«

»Ich fühle mich wohl, wo ich bin. Ich will keine Klasse überspringen, und Joe bestimmt auch nicht.«

»Du glaubst, dass es darum geht, eine Klasse zu überspringen?«

»Etwa nicht?«

»Nein«, sagte sein Vater. »Es geht darum, euch eine Klasse zurückzustufen.«

»Wieso denn das?«

»Neue Bestimmungen«, erklärte seine Mutter. »Eure Schulbildung ist ziemlich bruchstückhaft. Sie müssen prüfen, ob ihr vorrücken könnt.«

»Das haben sie noch nie gemacht.«

»Das liegt an den neuen Bestimmungen. Im Gegensatz zu den alten.«

»Sie wollen, dass Joe einen Test schreibt? Um zu beweisen, dass er versetzt werden kann? Da flippt er aus.«

»Das glaube ich nicht. Bei Tests war er immer gut.«

»Darum geht’s nicht, Mom. Du weißt, wie er ist. Er sieht das als Beleidigung. Also strengt er sich an, um hundert Prozent zu erreichen. Oder hundertzehn. Dabei arbeitet er sich auf.«

»Niemand kann hundertzehn Prozent erreichen. Das ist nicht möglich.«

»Genau. Ihm wird der Kopf explodieren.«

»Und was ist mit dir?«

»Mit mir? Ich komme schon zurecht.«

»Versprichst du, dir Mühe zu geben?«

»Mit wie viel Prozent kommt man durch?«

»Vermutlich mit siebzig.«

»Dann versuche ich, einundsiebzig zu schaffen. Zwecklos, sich unnütz anzustrengen. Wann ist der Test?«

»Heute in drei Tagen. Bevor das Schuljahr anfängt.«

»Klasse«, sagte Reacher. »Welches Schulsystem kennt nicht mal die Bedeutung eines einfachen Wortes wie Ferien?«

4

Reacher trat auf die Betonstraße und betrachtete das blaue Stück Meer in mittlerer Entfernung am Ende der Straße. Das Ostchinesische Meer, nicht der Pazifik. Der Pazifik lag in entgegengesetzter Richtung. Okinawa gehörte zu den Ryukyu-Inseln, und der Archipel trennte die beiden Meere voneinander.

Auf der linken Straßenseite standen ungefähr vierzig Bungalows zwischen Reacher und dem Wasser; auf der rechten Seite waren es ebenso viele. In den strandfernen Häusern in seiner Nähe wohnten vermutlich amerikanische Soldatenfamilien, und die Häuser näher am Wasser würden Einheimischen gehören: japanischen Familien, die ständig dort lebten. Er wusste, wie der Immobilienmarkt funktionierte. Nur wenige Schritte zum Strand. Solche Wohnlagen waren begehrt, und im Allgemeinen überließ das Militär die Filetstücke den Einheimischen. Das Verteidigungsministerium war stets wegen Spannungen besorgt. Vor allem auf Okinawa. Die Marine Corps Air Station lag mitten in Ginowan, einer mittelgroßen Stadt. Immer wenn dort ein Frachtflugzeug startete, musste der Unterricht wegen des Krachs für ein paar Minuten eingestellt werden.

Er kehrte dem Ostchinesischen Meer den Rücken zu und ging landeinwärts, an identischen...

Erscheint lt. Verlag 19.11.2018
Übersetzer Wulf Bergner
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel No Middle Name - The Complete Collected Jack Reacher Short Stories
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte action • eBooks • Filmheld • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Kurzgeschichten • Militär • Militärpolizei • MP • New-York-Times-Bestseller • Serienheld • Spiegelbestsellerautor • Thriller
ISBN-10 3-641-22637-6 / 3641226376
ISBN-13 978-3-641-22637-4 / 9783641226374
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