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Wer Strafe verdient (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman
eBook Download: EPUB
2018
864 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-22532-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wer Strafe verdient - Elizabeth George
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Über 15 Millionen verkaufte Bücher allein im deutschsprachigen Raum.
Die Bürger des englischen Städtchens Ludlow sind zutiefst entsetzt, als man den örtlichen Diakon eines schweren Verbrechens beschuldigt und ihn verhaftet. Kurz darauf wird er in Polizeigewahrsam tot aufgefunden. Im Auftrag Scotland Yards versucht Sergeant Barbara Havers Licht ins Dunkel um die geheimnisvollen Vorfälle zu bringen. Zunächst weist tatsächlich alles auf den Selbstmord eines Verzweifelten hin - doch Barbara und mit ihr DI Thomas Lynley trauen dieser Version der Ereignisse nicht. Gemeinsam werfen sie einen genaueren Blick hinter die idyllische Fassade Ludlows - und entdecken, dass fast jeder hier etwas zu verbergen hat ...

Der 20. Fall für Inspector Thomas Lynley und Barbara Havers.

Akribische Recherche, präziser Spannungsaufbau und höchste psychologische Raffinesse zeichnen die Bücher der Amerikanerin Elizabeth George aus. Ihre Fälle sind stets detailgenaue Porträts unserer Zeit und Gesellschaft. Elizabeth George, die lange an der Universität »Creative Writing« lehrte, lebt heute in Seattle im Bundesstaat Washington, USA. Ihre Bücher sind allesamt internationale Bestseller, die sofort nach Erscheinen nicht nur die Spitzenplätze der deutschen Verkaufscharts erklimmen. Ihre Lynley-Havers-Romane wurden von der BBC verfilmt und auch im deutschen Fernsehen mit großem Erfolg ausgestrahlt.

15. Dezember

BAKER CLOSE
LUDLOW
SHROPSHIRE

In Ludlow begann es zu schneien, während die meisten Leute noch schnell den Abwasch erledigten, um es sich anschließend für den Abend vor dem Fernseher gemütlich zu machen. Nach Einbruch der Dunkelheit gab es in der Stadt eigentlich auch nicht viel mehr zu tun, als sich von irgendeiner Sendung berieseln zu lassen oder sich auf den Weg in einen Pub zu machen. Und da es seit einigen Jahren immer mehr Rentner nach Ludlow zog, die in mittelalterlichem Gemäuer Ruhe und Frieden suchten, wurden selten Klagen über mangelndes Abendprogramm laut.

Wie die meisten anderen in Ludlow war Gaz Ruddock auch gerade beim Abwasch, als er bemerkte, dass es anfing zu schneien. In der Fensterscheibe über seiner Spüle erblickte er sein Spiegelbild und das des alten Mannes neben sich, der das Geschirr abtrocknete. Doch eine kleine Lampe im hinteren Teil des schmalen Gartens beleuchtete die fallenden Schneeflocken. Schon nach wenigen Minuten klebte so viel Schnee an der Fensterscheibe, dass es aussah wie eine Spitzengardine.

»Das gefällt mir nicht. Hab ich doch schon oft gesagt. Aber es nützt ja nichts.«

Gaz schaute zu dem Alten hinüber. Er glaubte nicht, dass er über den Schnee redete, und er hatte richtig vermutet, denn Robert Simmons schaute nicht zum Fenster, sondern betrachtete die Spülbürste, mit der Gaz gerade einen Teller säuberte.

»Das Ding ist unhygienisch«, sagte der alte Rob. »Ich hab’s dir schon hundert Mal gesagt, und du hörst nicht auf mich.«

Gaz lächelte, aber er lächelte nicht den alten Rob an – so nannte er ihn immer, als gäbe es auch einen jungen Rob –, sondern sein eigenes Spiegelbild. Er tauschte mit dem Gaz im Fenster einen wissenden Blick aus. Rob beklagte sich jeden Abend über die Spülbürste, und Gaz erklärte ihm jeden Abend, dass seine Methode wesentlich hygienischer war, als Gläser, Geschirr, Besteck, Töpfe und Pfannen in Seifenlauge zu tauchen, so als würden sie sich nach jedem Tauchvorgang selbst reinigen.

»Das Einzige, was besser ist als das hier«, sagte Gaz jeden Abend und wedelte mit der Bürste, »ist eine Spülmaschine. Ein Wort von dir, und ich besorg uns eine, Rob. Geht ganz schnell. Ich schließ sie sogar selber an.«

»Pah«, erwiderte Rob dann. »Ich bin sechsundachtzig Jahre ohne so eine Kiste ausgekommen, dann werd ich’s wohl auch ohne noch bis ins Grab schaffen. Moderner Schnickschnack.«

»Aber eine Mikrowelle hast du«, gab Gaz zurück.

»Das ist was anderes«, lautete die lapidare Antwort.

Wenn Gaz fragte, inwiefern es etwas anderes war, eine Mikrowelle zu besitzen, als eine Spülmaschine anzuschaffen, erntete er jedes Mal die gleiche Reaktion: ein Schnauben, ein Achselzucken und ein »Ist einfach so«, und damit war die Diskussion beendet.

Im Prinzip war es Gaz auch egal. Er kochte sowieso kaum, es gab also nie viel Abwasch. Heute hatte es Backkartoffeln gegeben, gefüllt mit Chili con Carne aus der Dose, dazu Mais und grünen Salat. Das meiste davon hatte er in der Mikrowelle zubereitet, und die Dose hatte eine Aufreißlasche gehabt, er hatte nicht mal einen Öffner gebraucht. Es gab also nicht mehr zu spülen als zwei Teller, ein bisschen Besteck, einen hölzernen Kochlöffel und zwei Henkeltassen, aus denen sie ihren Tee getrunken hatten.

Gaz hätte den Abwasch auch allein erledigen können, aber der alte Rob half gern. Der Alte wusste, dass Abigail, sein einziges Kind, jede Woche anrief und sich bei Gaz nach dem Wohlbefinden ihres Vaters erkundigte, und Gaz sollte ihr sagen, dass sein Schützling noch genauso voller Saft und Kraft war wie an dem Tag, als er eingezogen war. Aber der alte Rob würde auch ohne die regelmäßigen Anrufe seiner Tochter darauf bestehen, seinen Teil beizutragen, das wusste Gaz. Schließlich hatte der Alte nur unter der Bedingung zugestimmt, einen Betreuer ins Haus zu lassen.

Nach dem Tod seiner Frau hatte er sechs Jahre lang allein gelebt, aber seine Tochter fand, dass er allmählich allzu vergesslich wurde. Zweimal täglich musste er seine Medikamente nehmen. Und falls er stürzte, würde ihn niemand finden. Sie brauche jemanden, der sich um ihren Vater kümmerte, hatte Abigail erklärt, und vor die Wahl gestellt, sein Zuhause mit einem sorgfältig ausgewählten Fremden zu teilen oder aus Ludlow wegzuziehen und bei seiner Tochter, ihren vier Kindern und ihrem Mann zu wohnen, den Rob seit dem Tag nicht ausstehen konnte, als er vor der Tür gestanden hatte, um seine einzige Tochter in eine Disco in Shrewsbury zu entführen, hatte er sich mit einer solchen Begeisterung für den Hausgenossen entschieden, als wäre der sein Lebensretter.

Und dieser Hausgenosse war Gary Ruddock, genannt Gaz. Er hatte auch noch einen Job als Hilfspolizist, aber in dieser Funktion drehte er meist nur abends seine Runden und konnte deshalb zwischendurch nach dem alten Herrn sehen. Das Arrangement war eigentlich perfekt: Von dem, was er als Hilfspolizist verdiente, blieb kaum etwas übrig, aber der Job bei dem alten Rob verschaffte ihm nicht nur einen Wohnplatz, sondern er verdiente zusätzlich auch noch Geld.

Rob hängte das säuberlich gefaltete Geschirrtuch zum Trocknen über den Herd, und Gaz säuberte das Abtropfbrett. Gaz’ Handy klingelte, und er warf einen kurzen Blick aufs Display. Er überlegte kurz, ob er den Anruf einfach ignorieren sollte, da Rob ihn schief beäugte. Er wohnte jetzt lange genug bei dem Alten und wusste, was als Nächstes passieren würde. Wenn am Abend ein Anruf kam, mussten sie meistens ihre Pläne ändern.

»Gleich fängt Let’s Dance an«, sagte Rob. Let’s Dance war seine Lieblingssendung. »Und auf Sky kommt ein Film mit Clint Eastwood. Der mit dieser verrückten Frau.«

»Sind nicht alle Frauen verrückt?« Gaz beschloss, den Anruf nicht anzunehmen, und er wurde auf die Mailbox umgeleitet. Er würde die Nachricht abhören, sobald er den alten Rob in seinen Sessel bugsiert hatte, die Fernbedienung in Reichweite.

»Aber die übertrifft alle«, sagte der Alte. »Das ist die, die immer dieses Lied im Radio hören will. Du weißt schon. Dann will sie Clint Eastwood unbedingt haben – vielleicht treiben sie’s auch miteinander, kann mich nicht erinnern, aber Männer sind ja so blöd, wenn’s um Frauen geht – und dann bricht sie bei ihm ein und verwüstet seine Wohnung.«

»Wunschkonzert für einen Toten«, sagte Gaz.

»Du erinnerst dich also?«

»Allerdings. Nach dem Film wollte ich nichts mehr mit Frauen zu tun haben.«

Der alte Rob lachte, was jedoch zu einem Hustenanfall führte. Das klang überhaupt nicht gut, dachte Gaz. Rob hatte im Alter von vierundsiebzig nach einer Bypass-Operation das Rauchen aufgegeben, aber da er sechzig Jahre geraucht hatte, konnte er immer noch Krebs oder ein Emphysem kriegen.

»Alles in Ordnung, Rob?«, fragte Gaz.

»Klar. Wieso denn nicht?« Der alte Rob bedachte ihn mit einem giftigen Blick.

»Stimmt eigentlich«, sagte Gaz. »Komm, wir schalten die Glotze an. Oder musst du vorher noch aufs Klo?«

»Was redest du da? Ich werd doch wohl noch wissen, wann ich pissen muss!«

»Ich hab auch nichts Gegenteiliges behauptet.«

»Also, wenn ich einen brauch, der mich zum …«

»Ich hab’s kapiert.« Gaz folgte dem alten Herrn ins Wohnzimmer, das nach vorne hinaus lag. Es gefiel ihm nicht, wie Rob beim Gehen schwankte und sich mit der Hand an der Wand abstützte. Er sollte eigentlich einen Stock benutzen, aber der Alte war ein sturer Hund. Wenn er keinen Stock benutzen wollte, dann konnte ihn keiner eines Besseren belehren.

Im Wohnzimmer ließ der alte Rob sich in seinen Ohrensessel sinken. Gaz schaltete den Elektrokamin ein und zog die Vorhänge zu. Dann kramte er die Fernbedienung unter einem Sofakissen hervor und suchte den Sender, auf dem Let’s Dance lief. Noch fünf Minuten, bis die Sendung anfing, Zeit genug, um die allabendliche Ovomaltine anzurühren.

Er nahm Robs Henkeltasse aus dem Schrank, die ein Foto von seinen Enkelkindern zusammen mit dem Weihnachtsmann zierte. Das Foto war vom vielen Spülen ein bisschen verblasst, und der Henkel in Form eines Tannenzweigs war angeschlagen. Aber der alte Rob weigerte sich, seine Ovomaltine aus einer anderen Tasse zu trinken. Er beklagte sich zwar gern wortreich über seine Enkel, aber Gaz hatte schnell begriffen, dass er in Wirklichkeit ganz vernarrt in sie war.

Als Gaz mit der heißen Ovomaltine ins Wohnzimmer ging, klingelte sein Handy schon wieder. Auch diesmal ließ er es klingeln. Let’s Dance hatte gerade angefangen, und der Vorspann war immer das Beste an der Sendung.

Rob konnte sich gar nicht sattsehen an den Frauen, die am Wettbewerb teilnahmen, und den Profitänzerinnen, die den anderen den Cha-Cha-Cha, den Foxtrott, den Wiener Walzer und das ganze Zeug beibringen sollten. Er liebte die Kostüme, die mehr zeigten als verhüllten, und wenn die Frauen ihre Titten wackeln ließen, konnte man nicht leugnen, dass Robert Simmons mit seinen sechsundachtzig Jahren noch quicklebendig war.

»Sieh sie dir an, Junge«, seufzte der alte Rob. Er hob seine Henkeltasse, als wollte er dem Fernseher zuprosten. »Schon mal so hübsche Möpse gesehen? Wenn ich zehn Jahre jünger wär, würde ich den Mädels zeigen, was man mit solchen Möpsen macht!«

Gaz musste unwillkürlich lachen, aber eigentlich wurden Frauen da, wo er herkam, verehrt, sie wurden auf ein Podest gehoben und alles. Sicher, sie besaßen eine Sexualität. Aber nur weil das zu Gottes Plan gehörte, und dieser Plan sah nicht vor, dass sie Männern zu Diensten standen...

Erscheint lt. Verlag 8.10.2018
Reihe/Serie Ein Inspector-Lynley-Roman
Ein Inspector-Lynley-Roman
Übersetzer Charlotte Breuer, Norbert Möllemann
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Punishment she Deserves
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Barbara Havers • eBooks • englische Provinz • falscher Verdacht • Isabelle Ardery • Krimi • Kriminalromane • Krimis • London • Ludlow • New Scotland Yard • Selbstmord • Spiegel-Besteller-Autorin • Spiegel-Bestseller-Autorin • Thomas Lynley
ISBN-10 3-641-22532-9 / 3641225329
ISBN-13 978-3-641-22532-2 / 9783641225322
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