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Der Ring -  Laurids Bruun

Der Ring (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

Jürgen Schulze (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2024 | 2. Auflage
240 Seiten
Null Papier Verlag
978-3-96281-398-7 (ISBN)
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Viktor Heller will eine junge Frau vor dem Leben in der Kriminalität bewahren, doch ihr 'Onkel' hat etwas dagegen. Heller, bisher ein mustergültiger Bürger nutzt die gefundene Plakette eines Polizisten, um die Welt ein kleines Stück gerechter zu machen. Und immer wieder stellt sich die Frage: »Was ist ein Menschenleben?« Null Papier Verlag

Laurids Bruun (25.06.1864-6.11.1935) war ein dänischer Schriftsteller. Er schrieb auch unter dem Pseudonym Pieter Adrian van Zanten. Laurids Bruun arbeitete als Einkäufer in Batavia (Jakarta) für das Handelshaus seines Onkels. Bekanntheit erlangte er in Europa durch seine Robinsonaden-, Liebes- und Südseegeschichten, die aus eigener Erfahrung entstanden sind. In den 1890er Jahren unternahm er mehrere Studienreisen durch Europa, Kleinasien, Südostasien und die Südsee.

Laurids Bruun (25.06.1864–6.11.1935) war ein dänischer Schriftsteller. Er schrieb auch unter dem Pseudonym Pieter Adrian van Zanten. Laurids Bruun arbeitete als Einkäufer in Batavia (Jakarta) für das Handelshaus seines Onkels. Bekanntheit erlangte er in Europa durch seine Robinsonaden-, Liebes- und Südseegeschichten, die aus eigener Erfahrung entstanden sind. In den 1890er Jahren unternahm er mehrere Studienreisen durch Europa, Kleinasien, Südostasien und die Südsee.

I
II
III
IV
V
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
XIII
XIV
XV
XVI
XVII

I


Drü­ben auf der Fens­ter­rei­he ver­löscht die Glut. Die Son­ne ist un­ter­ge­gan­gen.

Die Pap­peln längs des Hü­gel­kam­mes, wo die Chaus­see läuft, du­cken sich vor dem kal­ten Luft­zug aus Os­ten. In der dün­nen Luft blitzt ein Stern auf.

Der Spie­gel des Flus­ses ver­blasst, die Ufer wer­den fahl. Der letz­te Ta­ges­schim­mer ver­liert sich auf der Mit­te des Stro­mes.

Der Mann, der auf dem Brücken­kopf steht und ins Was­ser hin­un­ter­starrt, knöpft sei­nen Rock fes­ter, denn von dem Was­ser­spie­gel be­gin­nen jetzt die Ne­bel auf­zu­stei­gen. Die Wir­bel tief un­ten an den Brücken­pfei­lern sind be­reits von Dun­kel­heit er­füllt, doch schei­nen sie lau­ter zu rau­schen, seit man sie nicht mehr se­hen kann.

Der Mann geht längs des Kais auf die Stadt zu.

Die La­ter­nen blit­zen auf, zu­erst die großen, fer­nen im Zen­trum, dann die klei­nen aus den Gas­sen und längs des Ha­fens.

Dort wei­ter hin­ten, wo der Kai in eine Stra­ße über­geht, leuch­tet über ei­ner Tür ein ro­tes Schild. Ein Sei­del, des­sen Kon­tu­ren von ro­ten elek­tri­schen Flam­men ge­bil­det wer­den, wirft sei­nen Schim­mer auf einen ver­gol­de­ten En­gel über der Tür.

Er er­kennt den Ort wie­der. Hier war er ges­tern Abend, hier, wo die Häu­ser­rei­hen auf­hö­ren und Bier­gär­ten, klei­nen Vil­len und Schup­pen Platz ma­chen. Ge­gen elf Uhr war es ge­we­sen. – –

Es war ein merk­wür­di­ger Abend, den er dort hin­ter dem Sei­del und ver­gol­de­ten En­gel ver­brach­te – der ers­te ein­drucks­vol­le seit sei­ner Abrei­se aus Ko­pen­ha­gen.

An dem al­ten ver­stimm­ten Kla­vier hat­te ein blut­jun­ges Mäd­chen ge­ses­sen – frei­mü­tig und auf­recht – mit ei­ner spit­zen ro­ten Müt­ze auf dem Kopf.

Was hat­te das Zi­geu­ner­mäd­chen, wie sie ge­nannt wur­de, ge­spielt? Kei­ne be­kann­te Me­lo­die, kei­ne No­ten – von Früh­jahr – Blät­ter­rau­schen – Vo­gel­ge­zwit­scher zwi­schen auf­bre­chen­den Knos­pen – Ge­klin­gel von Stra­ßen­bah­nen hat­te sie ge­spielt, und mit­ten durch den Lärm ein dün­ner Dis­kant, eine her­vor­bre­chen­de Trä­ne – Erin­ne­run­gen ei­nes Kin­der­ge­mü­tes.

Hier blick­te ei­ner von sei­nem Bier­krug auf, als habe je­mand hin­ter der Tür ihm zu­ge­ru­fen – dort dreh­te ei­ner sich breit um und starr­te mit of­fe­nem Mun­de –

Es war bre­chend voll ge­we­sen. Rauch und Spei­se­dunst hin­gen in Sä­cken un­ter den Kron­leuch­tern.

Im Ne­bel hin­ter dem Schenk­tisch eine di­cke Bü­fett­da­me, Hals und Kra­gen ent­blö­ßt. Sei­del und Fla­schen – Dunst aus der Kü­chen­lu­ke – der fet­te, wei­ße Hals und der Bier­schaum die ein­zi­gen Licht­fle­cke im Ne­bel. Die Glä­ser war­fen den Schein des Kron­leuch­ters zu­rück.

Ein Ober­kell­ner, ma­ger, schmal­schult­rig, mit stram­mem Rücken und schlen­kern­den Glie­dern, lief von Loge zu Loge, mit ei­nem ka­rier­ten Tuch über der Schul­ter. Leb­haf­te Rat­ten­au­gen in ei­nem lan­gen, gelb­li­chen Ge­sicht, ein Nuss­knacker­lä­cheln, dre­ckig lie­bens­wür­dig, ehr­er­bie­tig gri­mas­sie­rend –

»Sehr wohl, Herr! – Herrr – Herrrr

Er sah al­les, hör­te al­les, tät­schel­te im Vor­bei­ei­len das Rot­käpp­chen, das beim An­schla­gen auf ih­rem Ta­bu­rett hüpf­te.

Je­mand rief »Va­len­cia«.

Das Mäd­chen dreh­te den Kopf um – das dich­te, kur­ze Haar flog bei der schnel­len Be­we­gung – und was sah der Frem­de?

Der Atem stock­te ihm vor Ver­wun­de­rung – er sah große er­staun­te Kin­derau­gen, so leuch­tend blau, wie er sie noch nie ge­se­hen hat­te, Wan­gen von wei­cher, un­schul­di­ger Run­dung – einen wei­ßen Hals und ein ro­tes Sei­den­band, das ir­gend et­was Ver­bor­ge­nes un­ter dem Aus­schnitt der sa­lat­grü­nen Blu­se trug. Die Brust noch kaum ge­run­det, auch der Arm un­ter dem Hal­b­är­mel noch ein Kin­der­arm, ohne Ge­schich­te –

Und die­ses Kind nick­te mit un­schuld­sof­fe­nem Blick all den Au­gen zu, die sie be­gehr­lich an­starr­ten, Au­gen, die sich er­fah­ren in die Tie­fe des Kin­der­ge­mü­tes ein­zu­schlei­chen ver­such­ten.

Ein Kriegs­in­va­li­de mit ei­nem grü­nen Au­gen­schirm leg­te den Kopf in den Na­cken, schob den Schirm zu­rück, um ihr Au­gen zu ma­chen, hob sein Sei­del und be­weg­te die plum­pen Lip­pen, feucht und rot, zu ei­ner lüs­ter­nen Bit­te.

Sie lach­te, mach­te ihm auch Au­gen, ohne zu ah­nen, um was er bat, noch was er be­gehr­te.

In der Pau­se lud der Frem­de sie zu ei­nem Gla­se Bier in sei­ner Loge ein.

»Mein On­kel er­laubt es nicht!«

Ernst, mit treu­her­zi­gen Au­gen – ein ar­ti­ges Mäd­chen – Kon­fir­man­din mit ei­ner Zi­geu­ner­müt­ze auf dem dunklen, wei­chen Kin­der­haar.

Ju­bel – Faust­schlä­ge auf den Ti­schen –

»Der On­kel er­laubt es nicht!«

Das Mäd­chen lach­te mit. Sie warf den Kopf in den Na­cken, dass das Haar ihr um die Ohren flog. Ein klin­gen­des La­chen, das dem er­staun­ten Beo­b­ach­ter ans Herz griff.

Ein Kind mit der Hal­tung ei­ner Er­wach­se­nen. Das Le­ben klopf­te stark und mun­ter in ihr – das war das Ge­heim­nis.

Der Mann mit dem Au­gen­schirm kam aus sei­ner Loge, das Sei­del in der Hand. Er woll­te auf sie zu­ge­hen –

Im sel­ben Au­gen­blick aber war der Ober da. Ein Ta­blett in je­der Hand, das ver­zerr­te Ge­sicht in ko­misch keu­sche Fal­ten ge­legt, einen Schelm in sei­nen Rat­ten­au­gen –

»Die aus­ge­stell­ten Wa­ren dür­fen nicht be­rührt wer­den! Kei­ne Fle­cke auf den wei­ßen De­cken, wenn ich bit­ten darf! Woll­ten Sie einen Fox­trott be­stel­len, mein Herr? – Fräu­lein Te­resa, einen Fox­trott für den Herrn mit dem Au­gen­schirm!«

Die Fin­ger hüp­fen über die Tas­ten, das Haar um die Ohren. Ihr Mund lä­chel­te, wäh­rend sie spiel­te, als ob die Luft rein, der Mensch gut und die De­cke vol­ler Ler­chen­ge­zwit­scher sei.

Lan­ge saß der frem­de Herr in sei­ner Loge. Man sah, dass er hier nicht her­ge­hör­te.

Ei­ner blick­te sei­ne Schlips­na­del ver­stoh­len an, ein and­rer ta­xier­te sei­nen Co­ver­coat­man­tel –

Rhein­län­der war er je­den­falls nicht. Ber­li­ner? – Aus­ge­schlos­sen. Zi­vi­list – Po­li­zist in neu­er Ein­klei­dung? Wäh­rend der Be­sat­zung konn­te man sei­ner Sa­che nie si­cher sein. Die Eng­län­der hat­ten ihre ei­ge­nen Lo­ka­le, ihre ei­ge­nen Metho­den – hier durf­ten ihre Sol­da­ten nicht ver­keh­ren – und dort durf­ten die Bür­ger der Stadt nicht ver­keh­ren. Doch kam es vor, dass in Zi­vil – hm, ja, viel­leicht ein Eng­län­der. Was ging’s einen an, man trank und schwatz­te wei­ter.

Auch dem Mäd­chen auf dem Ta­bu­rett war der Frem­de auf­ge­fal­len, neu­gie­rig be­trach­te­te sie ihn von der Sei­te – den fei­nen, wei­chen Hut – die Schlips­na­del –

Als die Uhr an der Wand elf schlug, er­schi­en der dick­nacki­ge, kahl­köp­fi­ge On­kel hin­ter dem Schenk­tisch.

Im Vor­bei­ge­hen strich er dem Zi­geu­ner­mäd­chen mit sei­ner klei­nen fet­ten Hand über die Müt­ze – wur­de des Frem­den an­sich­tig und mach­te dem Co­ver­coat­man­tel und der Schlips­na­del eine Ver­beu­gung, mit zu­sam­men­ge­klapp­ten Ha­cken; be­en­de­te...

Erscheint lt. Verlag 12.12.2024
Reihe/Serie Krimis bei Null Papier
Krimis bei Null Papier
Übersetzer n .n.
Verlagsort Neuss
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Die wilden Zwanziger • Drama • Italien • Mord • Rom • Verrat
ISBN-10 3-96281-398-5 / 3962813985
ISBN-13 978-3-96281-398-7 / 9783962813987
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