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Anstand (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
272 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-95967-739-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Anstand -  Matthew Quick
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Er liebt sein Land, das er nicht mehr versteht. Er hasst die Liberalen. Er schläft nicht ohne seine Waffen. Er ist das Gegenteil von politisch korrekt. Er ist unbequem. Er liebt seine Enkelin Ella über alles. Er hat einen Gehirntumor, für den er das Agent Orange aus dem Vietnamkrieg verantwortlich macht. Er überlebt die Operation. Er nimmt die letzte Chance wahr, sich mit seiner Vergangenheit, seinem Sohn und seinem Erzfeind aus dem Krieg, Clayton Fire Bear auszusöhnen. Er heißt David Granger, 68 Jahre, Vietnamveteran. Er ist: Ein Mann mit Anstand.
'Hinter der ruppigen Prosa verbirgt sich viel Feingefühl und ein klarer Blick für gesellschaftliche Tendenzen. Es geht um die Frage, was Anstand bedeutet, um Doppelmoral und die vielen Gesichter des Rassismus, um alte Sünden und aufrechte Reue und nicht zuletzt um Familienbande und den Wert echter Freundschaft. Es ist ein Roman, der zum genauen Hinschauen auffordert und die 'political correctness' hinterfragt, der feststellt, dass es wichtiger ist, was jemand tut, als was er sagt (...).'
(Deutschlandfunk Kultur)
'Ganz großes Kino' (Christine Westermann zu 'Silver Linings')
'Originell, fesselnd, erhebend.' (Graeme Simsion zu 'Die Sache mit dem Glück')
'Es ist unmöglich, diese tief zerrissenen Figuren nicht zu mögen.' (USA Today)
'Derb, politisch unkorrekt - und wunderbar: Matthew Quicks Roman über einen erzkonservativen Vietnam-Veteranen und seinen linksliberalen Sohn zeigt, was wichtiger ist als die 'richtige' Ausdrucksweise: Herzenswärme und Anstand.' Deutschlandfunk Kultur
'Matthew Quick hat einen hinterlistigen Roman über Correctness verfasst. (...) Die Story ist nicht die x-te Zeigefingerversion zur 'Lage der US-Nation', sondern vielmehr ein Lehrstück darüber, dass man Anstand, Solidarität und Toleranz oft in der seltsamsten Verkleidung (und sei es im Tarnanzug) begegnet.' Kleine Zeitung



<p>Matthew Quick wurde in Oaklyn, New Jersey geboren. Er studierte Anglistik, arbeitete als Englischlehrer und reiste anschließend lange durch Südamerika und Afrika. Die Verfilmung seines Debüts "Silver Linings" gewann einen Golden Globe und den Oscar für die beste weibliche Hauptdarstellerin. Der New York Times Bestseller-Autor hat neben anderen Auszeichnungen den PEN/Hemingway Award Honorable Mention erhalten und ist in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Er lebt mit seiner Ehefrau in North Carolina. Für mehr Informationen siehe auch: www.matthewquickwriter.com</p>

2.

Mein weitestgehend ahnungsloser Sohn Hank tauchte in meinem Krankenhauszimmer auf, bloß um mich anzuschreien.

Ärzte hatten meinen Schädel aufgesägt. Sie hatten mir ein Stück Hirn rausgeschnitten. Ich trug noch immer ein grüngelbes Hängerchen ohne was darunter. Ich lag in einem Scheißkrankenhausbett, Herrgott noch mal, und Hank beballerte mich mit ganzen Patronengürteln von Wörtern, bloß weil ich ihm erst hinterher gesagt hatte, dass ich operiert worden war. Na gut, ich hatte mir gedacht, warum ihn damit belasten? Wir hatten sowieso seit dem Sommer nicht mehr miteinander geredet.

Seit unserem dicken Krach bei dem Spiel der Philadelphia Phillies.

Hank, meine Enkeltochter Ella und ich warteten in der Schlange vor einem Hotdog-Stand. Wir hatten nicht zu Hause gegessen, weil mein Sohn mal wieder länger gearbeitet hatte und uns erst abholte, als das zweite Inning schon längst angefangen hatte. Wir kamen erst am Ende des vierten Innings ins Stadion, und Ella und ich waren dermaßen ausgehungert, dass wir unsere eigenen Finger hätten essen können. Die Schlange war lang. Hank war wegen irgendwas genervt, und selbst Ella spürte, dass er Leckt-mich-doch ausdünstete wie Schweiß. Ich wusste das, weil sie immer wieder meine Hand nahm und fest drückte. Jeder Idiot konnte ihr anmerken, dass sie nervös war.

Als wir endlich an die Reihe kamen, trug die Imbiss-Frau so eine gruselige schwarze Kopfbedeckung, die alles verbirgt außer den Augen und die total sexistisch ist – aber würde mein linksliberaler Sohn das je zugeben? Um Himmels willen, nein! Noch dazu bei über dreißig Grad im Schatten. Ihr Schweiß durchtränkte den Stoff.

Diese Kopfbedeckung sah aus wie ein Folterwerkzeug. Wenn ein konservativer republikanischer Politiker sagen würde, Frauen sollten in der Öffentlichkeit ihr Gesicht verhüllen, würde er noch vor Sonnenuntergang von irgendwelchen Feministinnen gelyncht. Aber dieselben Linksliberalen, die das konservative Christentum verachten, setzen sich dauernd für muslimische Rechte ein.

Was versteckten sie unter diesen schwarzen Zelten, die ihre Frauen tragen mussten?

Ich wollte es gar nicht wissen.

Also machte ich das Beste, was mir als amerikanischem Patrioten einfiel: Ich schüttelte den Kopf, legte meinen noch eingepackten Hotdog auf die Theke und marschierte entrüstet davon. Keine Frau sollte gezwungen werden, ihr Gesicht in der Öffentlichkeit zu bedecken. Das ist Schwachsinn. Unamerikanisch.

Die arme, gehirngewaschene Muslimin fing an, mich durch den schwarzen Stoff hindurch anzubrüllen. „Noch nie was von verfassungsmäßigen Rechten gehört? Religionsfreiheit und so?“

Für solche Dinge hatte ich gekämpft. Hatte meine Freunde sterben sehen, damit sie die Freiheit hat, dieses bekloppte muslimische Folterwerkzeug in meinem Land zu tragen. Deshalb hatte ich verdammt noch mal das Recht auf meine Meinung. Sie konnte das Teil tragen, aber das hieß nicht, dass ich bei ihr was zu essen kaufen musste. Freiheit ist keine Einbahnstraße.

Während ich wegging, hörte ich, wie Hank sich übertrieben für mein Benehmen entschuldigte und dann die Hotdogs bezahlte – bestimmt mit einem dicken schuldbewussten Trinkgeld, „weil er sich seiner privilegierten Stellung bewusst war“, was auch immer das heißen soll. Dann kam er hinter mir her, zog Ella am Arm mit. Sein Gesicht hatte die Farbe einer reifen Tomate. Ihres war weiß wie frische Milch.

Vor einer größer werdenden Ansammlung von Fremden, die genau wie wir rote Phillies-Caps trugen, fing er an, mich anzuschreien, nach dem Motto, ich wäre peinlich, und wenn ich meinen „Rassismus“ nicht „für mich behalten“ könne, würde er mir verbieten, Ella zu sehen, die inzwischen angestrengt auf ihre schicken Turnschuhe starrte, die beim Gehen tatsächlich aufleuchteten.

Lämpchen in Turnschuhen. Ein richtiger Verwöhnte-reiche-Göre-Scheiß, oder?

Aber ich mag Ella, und sie mag mich. Ihre Eltern haben sie nicht allzu sehr vermurkst, was ein kleines Wunder ist.

Ich fragte Hank, wieso es mich zum Rassisten mache, weil ich weggegangen sei, wo ich doch gar nicht hatte erkennen können, welcher Rasse die Frau angehörte, da sie ja diesen muslimischen Schleier trug. Das sah er wohl auch ein, weil er daraufhin dazu überging, mich intolerant zu nennen.

Ich sagte ihm, er solle lieber lernen, seine Feinde zu erkennen, weil der große Dschihad im Gange war, und dass es einen Grund dafür gibt, warum Juden „friedlichen, gewaltfreien“ Deutschen nicht erlauben, in Israel Hakenkreuze zu tragen – und an dem Punkt bugsierte Hank mich und Ella aus dem Stadion und fuhr uns nach Hause, ohne noch ein Wort zu sagen.

Wir waren gar nicht bis zu unseren Plätzen gekommen, die direkt hinter der Home Plate waren. Kendrick warf gerade. Einer von Hanks wichtigsten Kunden hatte die Tickets spendiert. Und wir bekamen keinen einzigen Wurf zu sehen. Was für eine Scheißverschwendung! Und das alles bloß, weil die Muslime sich in unseren Nationalsport eingeschlichen hatten.

Als Hank mich absetzte, sagte er: „Wir reden kein Wort mehr mit dir, bis du dich für dein abscheuliches, widerwärtiges Verhalten entschuldigt hast. Wir haben 2013!“

„Von mir aus“, sagte ich und stieg aus.

Er fuhr davon. Ich sah Ella traurig durch die Heckscheibe blicken und dachte: Ohne mich ist sie verloren.

Hanks Frau Femke – ja, das ist ihr richtiger Name, gesprochen wie geschrieben – gab ihm ganz bestimmt recht und schürte das Scheiß-auf-deinen-affenartigen-Vater-Feuer. Femke nennt mich Aap, gesprochen wie geschrieben, weil das in ihrer Muttersprache Holländisch „Affe“ bedeutet. Scheiß auf sie.

Jedenfalls, Monate vergingen, ohne dass ich irgendetwas von ihm hörte, was mir nicht viel ausmachte. Aber Ella fehlte mir schrecklich. Ich spielte mit dem Gedanken, sie unter dem Vorwand, sie müsste zum Zahnarzt, für ein paar Stunden aus der Schule zu entführen, aber ich wusste, meine teuflische Schwiegertochter würde mich festnehmen lassen. Und ich wollte Ella nicht in die Lage bringen, ihre Eltern anlügen zu müssen.

Ella ist ein tolles Kind. Ehrlich. Das Ebenbild ihrer amerikanischen Großmutter, meiner toten Frau Jessica.

Ich bin ein gefährlich erzkonservativer Großvater. Und ich besitze noch dazu Schusswaffen. Jede Menge. Manche sind registriert, über andere reden wir lieber nicht. Meine Bildung fußt auf Wahrheit und Erfahrung und widerspricht dem endlosen Schwachsinn, den Professor Femke Turk jungen Leuten an ihrer „Partneruniversität“ beibringt.

Die Eltern meiner Schwiegertochter sind aus den Niederlanden emigriert, als Femke ein Teenager war, daher hat sie europäische Empfindsamkeiten, was nichts anderes heißt, als dass sie noch blöder ist als der herkömmliche amerikanische Linksliberale. Sie hat unseren Familiennamen nicht angenommen, so sehr verabscheut sie mich. Und zu allem Überfluss trägt meine Enkeltochter einen Bindestrich-Nachnamen: Ella Turk-Granger. Ich dachte immer, nur die Mexikaner haben Bindestrich-Namen, aber anscheinend sind die auch bei den Holländern üblich. Zumindest die Holländerin, die ich kenne, findet so was offenbar normal. Mein Sohn hatte nicht die Eier, es zu verhindern, was meinem Vater das Herz gebrochen hat.

Deshalb glaube ich nicht, dass es bei Hanks und meinem Streit bei dem Phillies-Spiel wirklich um Dschihad-Jenny ging, die Schweine-Hotdogs und amerikanisches Bier verkaufte – was sie ohnehin zur Heuchlerin macht, denn der Verzehr von beidem ist gläubigen Muslimen verboten. Die Taliban würden sie steinigen und ihren Kopf als Trophäe abschneiden, weswegen sie Amerika vorzieht, lasst euch das gesagt sein.

Als mein Gehirn total querfunkte, ich meinen BMW zu Schrott fuhr und die Ärzte mir sagten, ich müsse unters Messer, behielt ich die Diagnose für mich. Ich wusste, dass ich nicht sterben würde. Nur die Guten sterben jung, und ich hatte böse gelebt. Ich habe Dinge getan, die Sie sich nicht mal vorstellen können.

Nach der OP ergab sich folgendes Problem: Die Ärzte bestanden darauf, mich nur in Begleitung aus dem Krankenhaus zu entlassen, und ich wollte keinen meiner Freunde damit belasten, folglich rief ich bei meinem einzigen Sohn an. Um ganz ehrlich zu sein, brachte mich letzten Endes eine sehr gute Freundin von mir dazu, als sie nämlich herausfand, dass ich meinem Sohn nichts von der Operation erzählt hatte. Aber über Sue, die übrigens von den Genen her Vietnamesin ist, werde ich später noch reden.

„Du kannst nicht mehr alleine leben“, sagte Hank in meinem Krankenhauszimmer.

„Und ob ich das kann!“, sagte ich und griff an meine Hundemarken, die ich mit einem Gummiband an die meines Vaters gebunden hatte und als Glücksbringer um den Hals trug. Ich erklärte meinem Sohn, ich hätte noch nicht vor, den Löffel abzugeben. Ich würde die Kugel nicht jetzt schon kaufen, deshalb müsse er sich noch ein Weilchen mit mir herumschlagen. „Tut mir leid, wenn ich dich enttäusche.“

Er murmelte immer wieder: „Was sollen wir nur mit dir machen?“, als wäre ich gar nicht da.

Ich sagte ihm, er könne mich einfach zu Hause absetzen. Und falls er besonders nett sein wollte, könne er mir bei Donkey’s Place in Camden ein Cheesesteak holen, was er niemals tun würde, weil der Laden in einem ziemlich üblen Schwarzenviertel liegt. Obwohl sie sich linksliberal nennen, haben mein Sohn und seine Frau nicht viel mit Schwarzen am Hut, schon gar nicht mit Schwarzen ohne mindestens zwei hochtrabende Titel.

Ich dagegen hab mich immer gut mit den...

Erscheint lt. Verlag 9.10.2017
Übersetzer Klaus Timmermann, Ulrike Wasel
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Amerika • amerika buch • Belletristik • Belletristik 2017 • Belletristik Bestseller • belletristik bestseller 2017 • belletristik bücher • Donald Trump • Familie • Familienroman • Gegenwartsliteratur • Gehirntumor • Great American Novel • Humor • Humor Bücher • Lebensbeichte • literarisch • Literatur • Patriotismus • politische Bücher • politische bücher bestseller • politische bücher neuerscheinungen • politischer Roman • Republikaner • Schwarzer Humor • Trump • Trump Buch • Trump Obama • USA • usa buch • Vater-Sohn-Geschichte • Versöhnung • Vietnam • Vietnam-Veteran
ISBN-10 3-95967-739-1 / 3959677391
ISBN-13 978-3-95967-739-4 / 9783959677394
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