Föhnlage / Hochsaison / Niedertracht - Drei Jennerwein-Romane in einem Band (eBook)
1120 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-490425-2 (ISBN)
Jörg Maurer liebt es, seine Leserinnen und Leser zu überraschen. Er führt sie auf anspielungsreiche Entdeckungsreisen und verstößt dabei genussvoll gegen die üblichen erzählerischen Regeln. In seinen Romanen machen hintergründiger Witz und unerwartete Wendungen die Musik zur Spannungshandlung. All dies hat Jörg Maurer auch schon auf der Bühne unter Beweis gestellt. Als Kabarettist feierte er mit seinen musikalisch-parodistischen Programmen große Erfolge und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Seine inzwischen fünfzehn Jennerwein-Romane sind allesamt Bestseller. Sein Roman »Shorty« war ebenfalls erfolgreich. Jörg Maurer lebt zwischen Buchdeckeln, auf Kinositzen und in Theaterrängen, überwiegend in Süddeutschland.
Jörg Maurer liebt es, seine Leserinnen und Leser zu überraschen. Er führt sie auf anspielungsreiche Entdeckungsreisen und verstößt dabei genussvoll gegen die üblichen erzählerischen Regeln. In seinen Romanen machen hintergründiger Witz und unerwartete Wendungen die Musik zur Spannungshandlung. All dies hat Jörg Maurer auch schon auf der Bühne unter Beweis gestellt. Als Kabarettist feierte er mit seinen musikalisch-parodistischen Programmen große Erfolge und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Seine inzwischen fünfzehn Jennerwein-Romane sind allesamt Bestseller. Sein Roman »Shorty« war ebenfalls erfolgreich. Jörg Maurer lebt zwischen Buchdeckeln, auf Kinositzen und in Theaterrängen, überwiegend in Süddeutschland.
1
Am darauffolgenden Sonntag, abends, zur Zeit der Totenmesse für František Hovorčovická, zog Ingo Stoffregen die Haustür hinter sich ins Schloss und machte sich auf den Weg ins Konzert. Er war ein breitschultriger, muskulöser junger Mann mit einem gutmütigen Gesichtsausdruck – wahre Freunde hätten ihm jedoch ruhig dazu raten können, den dünnen Oberlippenbart abzurasieren. Seine Haare trug er windschlüpfrig kurz, seine Gesichtsbräune hatte er sich redlich bei internationalen Triathlons und anderen Grausamkeiten erworben. Er war ein Ironman, wenn auch ein kleiner, gedrungener. Er nahm nun Anlauf durch den Vorgarten und straddelte freihändig über das Gartentor. Er warf einen Blick auf die Uhr, in einer Viertelstunde begann das Konzert. Auf dem Gehweg vor seinem Haus verfiel er schon nach ein paar Schritten in einen leichten, aber athletischen Trab, er pflügte durch die krummen Straßen, lief Slalom zwischen kopfschüttelnden Sonntagsspaziergängern und spurtete dann einen kleinen Spazierweg am Fluss entlang – das alles freilich nicht in seiner blaugestreiften alten Sporthose, in der er oberbayrischer Meister im Querfeldeinrennen und südbayrischer im Free-Solo-Climbing geworden war, sondern in der steifen Abendgarderobe, die man sich bei einem Konzertbesuch antut. Er hob den Kopf und suchte im Wolkenvorhang über dem Karwendelgebirge nach einem Streifchen blauen Himmels, nach irgendeinem Anzeichen dafür, dass sich die Schlechtwetterfront Richtung Österreich verzog und dass es in diesem Tal doch noch ein schöner Augustabend werden könnte. Fehlanzeige: Es braute sich ein Gewitter zusammen, und erste blecherne Donnerschläge erklangen. Ingo Stoffregen hatte jetzt noch eine knappe Stunde zu leben.
Das Konzert begann in wenigen Minuten, er war viel zu spät aufgebrochen und erhöhte jetzt sein Tempo von Langstrecke auf Mittelstrecke. Für ihn war das ein Klacks, doch kaum einer der Bauch-weg-Jogger, die ihm da entgegenkamen, hätte mehr als fünfzig Meter mithalten können bei seinem Parforcelauf. Am hinderlichsten waren ihm dabei die unbequemen Lackschuhe, er hätte sie gern ausgezogen und wäre barfuß weitergelaufen. Er flog jetzt nur so dahin, sodass ein mitrennender junger Golden Retriever nach zweihundert Metern entnervt aufgab und keuchend am Straßenrand sitzen blieb. Ingo Stoffregen wollte, wenn er schon nicht pünktlich kam, wenigstens nicht allzu spät kommen, er schaltete noch einen Gang höher, blickte, als er am Sportplatz vorbeilief, sehnsüchtig auf die Fußballzwerge der F-Jugend, die gerade den Fallrückzieher üben durften. Sie fielen mit dem Rücken ins feuchte weiche Gras und jodelten vor Glück. Er näherte sich dem Ortskern.
Seine Eile hatte weniger den Grund, das Konzert möglichst vollständig zu hören, er war beileibe kein regelmäßiger Konzertgänger, es war sogar sein erster Besuch solch einer Veranstaltung. Er hatte sich vielmehr mit einer gewissen Gaby verabredet, einer Gaby mit »y«, wie sie hervorgehoben hatte. Er hatte sie am Tag zuvor beim Squash kennengelernt (wo auch sonst), und er hatte ihr von den zwei Konzertkarten erzählt, die er geschenkt bekommen hatte. Er wäre mit ihr lieber nochmals Squashspielen gegangen oder um den Eibsee gelaufen, sie jedoch hatte Lust gehabt, ins Konzert zu gehen, in ein Klavierkonzert der Pianistin Pe Feyninger, die eine rechte Skandalnudel wäre, bei deren Konzerten man immer mit einer Überraschung, meist einer Attacke auf den guten Geschmack, rechnen müsse. Ingo Stoffregen war beeindruckt, man verabredete, sich in feinen Zwirn zu hüllen und einen Klavierabend zu durchhören, für danach hatte er einen Tisch im italienischen Restaurant Pinocchio bestellt. Diese Gaby gefiel ihm, er rechnete sich Chancen bei ihr aus, sie war ähnlich sportbegeistert wie er. Viel mehr wusste er nicht von ihr, nicht einmal ihren Nachnamen. Sie hatten keine Telefonnummern ausgetauscht, er konnte sie deswegen auch nicht anrufen, und sie wartete jetzt vermutlich ärgerlich vor dem Konzertsaal.
Es war schon nach sieben, er umlief die Barockkirche des Ortes, aus der gerade eine Herde von lodenumhüllten Schäfchen quoll, als hätte sie der Leibhaftige von innen durch die Kirchentür gestopft. Jeden Augenblick musste der Regen losbrechen, die Schäfchen blickten mürrisch nach oben, sie schienen nicht begeistert über die ungemütliche Witterung, die der Herr und Hirte im August schickte. Nur ein etwas bieder wirkendes Ehepaar, das sich vor dem Zeitungskiosk am Rande des Kirchenvorplatzes fotografieren ließ, lächelte freundlich in die Kamera. Ingo Stoffregen bog nun in die Fußgängerzone ein, er musste langsamer werden, um nicht schlendernde Rentner und müßig gaffende Sommerfrischler über den Haufen zu rennen.
Er griff in beide Gesäßtaschen, in einer steckten die Konzertkarten, in der anderen ein Hunderter, der musste fürs Pinocchio genügen, dachte er. Die ersten Regentropfen klatschten ihm in die Augen, das Kulturzentrum kam in Sicht, und davor stand sie schon, Gaby mit »y«, in einer grellgelben Windjacke, unter der das halblange schwarze Abendkleid hervorlugte.
»Reihe 4. So weit vorn?«, sagte sie erfreut, als er ihr wortlos die Konzertkarte reichte, wortlos nicht aus Unhöflichkeit, sondern aus Atemnot. Gaby verstand und lachte.
»Gehen wir rein? Das Konzert hat schon angefangen. Da kannst du ein wenig verschnaufen.«
»Entschuldige … Krawattenknoten … schon lange nicht mehr … zu spät los … «
Sein Puls war auf zweitausend, jetzt erst merkte er, dass er es mit dem Dauerlauf etwas übertrieben hatte.
»Ist nicht so tragisch. Jetzt bist du ja da. Also komm.«
Sein Hemd klebte am Rücken, er hatte das dringende Bedürfnis, zu duschen. Sie gingen zum Eingang des Konzertsaals. Gaby schien nicht sonderlich verärgert wegen der Verspätung. Sie war blond, stupsnasig und ähnlich klein und kompakt gebaut wie Ingo. Als sie beide ins menschenleere Foyer traten, kam ein livrierter Wichtigtuer auf sie zugewackelt, wedelte aufgeregt mit der Hand, schlug den Zeigefinger an die Lippen und mahnte sie mit allerlei Gesten zur Ruhe, so, als wären nicht sie, sondern eine Horde lärmender Kinder hereingekommen. Der Portier winkte sie zu einer kreuzworträtsellösenden Garderobiere, die Gabys Windjacke schnell verschwinden ließ. Als Gaby den Garderobenzettel entgegennahm, sah Ingo den Ehering an ihrer Hand. Den hatte sie gestern noch nicht getragen. Sei’s drum. Sein Blick senkte sich auf ihre festen Waden, die einen guten Antritt am Berg garantierten: Diese Frau gefiel ihm. Ingo Stoffregen atmete scharf ein und aus und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Er hätte es danach auswringen können.
»Ihre Karten bitte.«
Der Portier las beide Konzertkarten, und er las sie so sorgfältig, als hätte er im Kleingedruckten noch etwas entdeckt, was gegen den Konzertbesuch der beiden Nachkömmlinge spräche. Er kostete seine kleine Macht aus und betrachtete, jetzt reichlich sinnfrei, auch noch die leeren Rückseiten. Ingo Stoffregen wiederum war ganz froh über die Verzögerung, er konnte noch ein paar Mal kräftig ein- und ausschnaufen und so seine BlutpH-Werte wieder normalisieren.
»Langsam … gehts wieder … «, keuchte er, worauf ihn der großgewachsene Portier von oben herab strafend ansah, in seinen Augen stand Banause! geschrieben. Er gab ihnen die Karten zurück und winkte sie zu einer Tür, die mit rotem Samt drapiert war. An der Tür vertrat er ihnen den Weg und nahm eine grimmige Wächterpose ein, als wäre er für den Schatz der Nibelungen verantwortlich.
»Wir schleichen uns ganz leise rein«, versicherte ihm Gaby flüsternd und streckte die Hand zum Türknauf aus. Der Portier packte ihr Handgelenk unsanft und entfernte es wieder von der Klinke.
»Sie trauen sich ja was«, sagte Gaby.
»Das sollte man als Konzertbesucher doch wissen«, fauchte er, »dass man nicht in eine so leise Stelle platzt. Das da drinnen ist ein Pianissimo. Wahrscheinlich sogar ein Piano Pianissimo.« Sein sächsischer Dialekt war nicht zu überhören, er sagte Bianö Bianüssimö. »Wir warten, bis eine laute Stelle kommt, dann gehen wir rein.« Alle drei, der schwabbelige sächsische Riese und die kompakten bayrischen Zwerge, standen nun vornübergebeugt da, warteten und lauschten. Dann schwoll das Klavierspiel drinnen tatsächlich an. Der Wachhabende, auf dessen Namensschild Eugen Liebscher zu lesen war, legte nun das Ohr an die Tür und nickte bedeutungsvoll. Er öffnete die Tür einen Spaltbreit und führte sie hinein. Sie mussten ein paar Meter nach unten gehen, dann standen sie vor der Reihe 4.
»Warten Sie auf eine Pause«, flüsterte Liebscher. »Dann gehen Sie auf Ihre Plätze. Sie haben 12 und 13.«
»Das ist ja ganz in der Mitte!«
»Das Stück wird gleich zu Ende sein«, sagte Liebscher so bedeutungsvoll, als ob er das b-Moll-Scherzo, das von der Bühne erklang, selbst komponiert hätte und nicht Frédéric Chopin. Ein paar Zuschauer in der Nähe waren jetzt durch das Geflüster aufmerksam geworden und warfen genervte Blicke auf das Trio. Auf der Bühne war ein mattglänzender Flügel aufgebaut, und Pe Feyninger, die Pianistin, saß an ihrem Arbeitsplatz. Sie trug einen ausladenden, quietschgrünen Hut, das war ihr Markenzeichen. Sie bückte sich gerade über die Tasten,...
Erscheint lt. Verlag | 27.4.2017 |
---|---|
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Alpenkrimi • Bestseller-Autor • Bundle • E-Book-Bundle • Ermittlerkrimi • Föhn • Gipfelwand • Jennerwein • Kommissar Jennerwein • Kurort • Mord • Skispringer • Werdenfelser Land |
ISBN-10 | 3-10-490425-1 / 3104904251 |
ISBN-13 | 978-3-10-490425-2 / 9783104904252 |
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR) | |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |

Größe: 7,2 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich