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Stiefkind (eBook)

Spiegel-Bestseller
Psychothriller
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
400 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-42708-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Stiefkind -  S. K. Tremayne
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Psychothrill an der atemberaubenden Küste Cornwalls - der neue Roman von Bestseller-Autor S.K. Tremayne ('Eisige Schwestern') Rachel hat es endlich gut getroffen. Nach langen Single-Jahren hat sie den Anwalt David Kerthen kennengelernt und zieht mit ihm in sein Herrenhaus auf den Klippen von Cornwall. Mit den besten Absichten, auch für Davids Sohn aus erster Ehe, den 9-jährigen Jamie, eine gute Mutter zu sein. Denn Davids erste Frau kam auf tragische Weise in einer der überfluteten Zinngruben an Cornwalls Küste uns Leben. Doch Jamie verändert sich, scheint von düsteren Visionen geplagt - und platzt schließlich mit einem Satz heraus, den Rachel nicht mehr vergessen kann: ' An Weihnachten wirst du sterben ... und meine Mummy kommt zurück.'

S.K. Tremayne wurde in Devon geboren und lebt heute in London. Sein ursprünglicher Beruf als Reisejournalist bringt es mit sich, dass er die Schauplätze seiner Romane bestens kennt. Ihm gefällt es dort, wo normale Orte plötzlich bedrohlich werden - und wo das Unheimliche ins Leben normaler Menschen tritt. Sein erster Thriller Eisige Schwestern wurde sofort zum Bestseller. Heute werden seine Bücher in dreißig Sprachen übersetzt.

S.K. Tremayne wurde in Devon geboren und lebt heute in London. Sein ursprünglicher Beruf als Reisejournalist bringt es mit sich, dass er die Schauplätze seiner Romane bestens kennt. Ihm gefällt es dort, wo normale Orte plötzlich bedrohlich werden - und wo das Unheimliche ins Leben normaler Menschen tritt. Sein erster Thriller Eisige Schwestern wurde sofort zum Bestseller. Heute werden seine Bücher in dreißig Sprachen übersetzt.

178 Tage vor Weihnachten


Morgens

Die Stollen reichen bis unters Meer. Diesen Gedanken werde ich nicht los. Die Stollen reichen bis unters Meer. Anderthalb Kilometer, vielleicht auch noch weiter.

Ich stehe in meinem riesigen neuen Zuhause am Fenster des Alten Esszimmers und schaue nach Norden: zum Atlantik, den Klippen von Penwith und einer düsteren Silhouette. Das ist die Morvellan-Mine: eine schwarze Zwillingsgestalt aus Schacht- und Maschinenhaus.

Selbst an einem wolkenlosen Junitag wie heute wirken die Überreste von Morvellan seltsam traurig, vage vorwurfsvoll. Als wollten sie mir etwas erzählen, scheiterten aber an dem Versuch. Sie bleiben auf beredte Weise stumm. Geräusche macht nur der Atlantik; tosende Wellen, die mit den Gezeiten über die Stollen dahinjagen.

»Rachel?«

Ich drehe mich um.

In der Tür steht mein Mann. Strahlend weißes Hemd, makelloser dunkler Anzug, fast so dunkel wie sein Haar; der Wochenendbart ist verschwunden.

»Ich habe dich überall gesucht.«

»Entschuldige. Ich bin herumgegangen. Hab mich umgesehen. In deinem schönen Haus.«

»Es ist unser Haus, Liebes. Unseres.«

Lächelnd kommt er näher, und wir küssen uns. Es ist ein Morgenkuss, ein Ich-muss-zur-Arbeit-Kuss, der zu nichts weiter führt – und trotzdem macht er mich an, löst dieses verstörende, köstliche Gefühl in mir aus: Es kann jemand solche Macht über mich haben, und genau danach sehne ich mich.

David nimmt meine Hand. »Also. Dein erstes Wochenende in Carnhallow …«

»Mhm.«

»Erzähl – ich will wissen, wie’s dir geht! Ich weiß, es ist eine Herausforderung – so abgelegen und so viel zu tun. Ich könnte verstehen, wenn du Bedenken hättest.«

Ich ziehe seine Hand an meine Lippen und küsse sie. »Bedenken? Blödsinn! Ich finde es wunderbar! Ich liebe dich, und ich liebe dieses Haus. Alles liebe ich, die Herausforderung, Jamie, die Abgeschiedenheit; ich finde es wunderbar, wunderbar, wunderbar.« Ohne ein Zwinkern schaue ich ihm in die grüngrauen Augen. »Ich war noch nie so glücklich, David. In meinem ganzen Leben nicht. Es fühlt sich an, als wäre ich da angekommen, wo ich immer sein sollte. Und bei dem Mann, für den ich bestimmt bin.«

Wie überschwenglich! Was ist aus der resoluten, feministisch denkenden Rachel Daly geworden, die ich mal war? Wo steckt sie? Meine Freundinnen würden die Nase rümpfen über mich. Noch vor einem halben Jahr hätte ich selbst die Nase gerümpft: eine Frau, die ihre Freiheit und ihren Job und ihr vermeintlich aufregendes Londoner Leben aufgibt, um mit einem älteren, reicheren, größeren Witwer vor den Traualtar zu treten. Jessica, eine meiner besten Freundinnen, hat gelacht, als ich sie in meine Pläne einweihte. Mein Gott, Süße, du heiratest ein Klischee!

Für einen kurzen Moment hat das weh getan. Aber mir ist schnell klargeworden, dass es keine Rolle spielt, was meine Freundinnen denken, denn sie sind nach wie vor dort, in London, quetschen sich in überfüllte U-Bahnen und hocken in trostlosen Büros, wo sie kaum genug verdienen, um die monatlichen Raten für ihr Haus zu bezahlen. Sie krallen sich an London fest wie Bergsteiger auf halbem Weg nach oben an den Felsen.

Und ich klammere nicht mehr. Ich bin weit weg mit meinem Mann und seinem Sohn und seiner Mutter, hier unten am äußersten Ende von England, ganz im Westen von Cornwall, wo England, wie ich feststelle, anders ist, felsiger, eine Gegend aus verträumtem Granit, der glitzert, wenn es geregnet hat; eine Gegend, in der Flüsse sich verborgen durch Wälder winden, schroffe Klippen verschwiegene Buchten abschirmen, abgelegene Heidemoor-Täler herrliche Häuser beherbergen. Häuser wie Carnhallow.

Sogar den Namen finde ich wunderbar. Carnhallow.

Tagträumend lehne ich den Kopf an Davids Schulter. Als wollten wir tanzen.

Doch das Klingeln seines Handys bricht den Bann. Er holt es hervor, schaut aufs Display, hebt mit zwei Fingern mein Kinn, um mir noch einen Kuss zu geben, und entfernt sich dann, das Telefon schon am Ohr.

Wahrscheinlich hätte ich diese Geste früher machohaft gefunden. Jetzt bewirkt sie, dass ich Sex will. Aber das will ich ständig: Sex mit David. Schon in dem Augenblick, als mein Freund Oliver in der Galerie sagte: Komm, ich stell dir jemanden vor, ihr werdet euch gut verstehen, ich mich umdrehte und ihn sah – zehn Jahre älter und zwanzig Zentimeter größer als ich –, wollte ich Sex.

Ich wollte David bei unserem ersten Date drei Tage später; ich wollte ihn, als er mir den ersten Drink ausgab; ich wollte ihn, als er flirtend einen gut plazierten Witz machte; ich wollte ihn, als wir über den verregneten März sprachen und er einen Schluck Champagner trank und sagte: »Ach, wo Sergeant März im Gefecht steht, bezieht Captain April das Hauptquartier, und General Juni kommt mit seinen Damen hinterher«; und als er mir von seinem Haus mit der langen Geschichte erzählte und ein Foto von seinem schönen Sohn zeigte, wollte ich ein bisschen mehr als Sex.

Das war einer der Momente, in denen ich mich verliebt habe: als mir dämmerte, dass David sich von sämtlichen Männern unterscheidet, mit denen ich bislang zu tun hatte, und dass er vollkommen anders ist als ich. Eine Frau, die in einer Sozialwohnung im Südosten von London aufgewachsen ist. Die als junges Mädchen viele Bücher verschlungen hat, um der Realität zu entkommen. Die Kühlregale in Supermärkten nicht mag, weil sie sie an die Zeiten erinnern, als ihre Mutter das Geld für die Heizung nicht aufbringen konnte.

Und dann David.

Wir waren in einer Bar in Soho. Wir waren angetrunken. Kurz davor, uns zu küssen. Er zeigte mir noch einmal das Foto von diesem bezaubernden Jungen. Ich weiß nicht, wieso, aber im selben Augenblick stand es fest. Ich wollte auch so ein Kind haben. Mit solchen einmalig blauen Augen und dem dunklen Haar seines gutaussehenden Vaters.

Ich wollte, dass David mehr erzählte: von seinem Haus, dem kleinen Jamie, der Geschichte seiner Familie.

Er lächelte.

»Rund um Carnhallow House ist Wald. Der Ladies Wood. Er zieht sich durch das ganze Carnhallow-Tal, bis hinauf zum Moor.«

»Okay. Wald. Ich mag Wald.«

»Es sind vor allem Vogelbeerbäume, dazwischen ein paar Eschen, Haselnusssträucher und Eichen. Die Vogelbeerbäume werden in alten angelsächsischen Urkunden erwähnt und seitdem immer wieder, daher wissen wir, dass es sie seit der Zeit der normannischen Eroberung gibt. Das bedeutet, dass diese Bäume seit tausend Jahren dort stehen. Im Carnhallow-Tal.«

»Ich verstehe nicht …«

»Weißt du, was mein Nachname bedeutet? ›Kerthen‹ ist kornisch. Weißt du, was es heißt?«

Ich schüttelte den Kopf und versuchte, mich zu konzentrieren, mich nicht ablenken zu lassen vom Champagner und von den Fotos von dem Jungen, von dem Gedanken an das Haus und alldem.

»Du findest das vielleicht seltsam, David, aber Kornisch habe ich in der Schule nicht gelernt.«

Er lachte. »›Kerthen‹ heißt Vogelbeerbaum. Und das bedeutet, dass wir Kerthens seit tausend Jahren im Carnhallow-Tal leben, unter den Vogelbeerbäumen, von denen wir unseren Namen haben. Trinken wir noch einen?«

Er beugte sich zu mir herüber, um einzuschenken, und küsste mich auf den Mund. Zum ersten Mal. Zehn Minuten später stiegen wir in ein Taxi. Länger brauchte es nicht.

Die Erinnerungen treten in den Hintergrund; ich bin zurück im Jetzt, als David das Telefonat beendet und mit gerunzelter Stirn auf mich zukommt.

»So, tut mir leid, aber ich muss jetzt wirklich los. Ich darf den Dreizehn-Uhr-Flieger nicht verpassen – sie schieben schon Panik.«

»Es hat doch was, unentbehrlich zu sein.«

»Ich glaube nicht, dass irgendein Anwalt für Unternehmensrecht unentbehrlich ist. Selbst Bratschisten sind wichtiger.« Er lächelt. »Nur dass die Leute im Unternehmensrecht absurd überbezahlt sind. Und was machst du heute?«

»Mich weiter umsehen, denke ich. Bevor ich irgendetwas anrühre, will ich mich wenigstens ein bisschen auskennen. Ich meine, ich weiß ja noch nicht mal, wie viele Zimmer das Haus hat.«

»Achtzehn«, sagt er. Runzelt die Stirn und schickt hinterher: »Glaube ich.«

»David! Hör dir mal zu! Puh. Wieso weißt du nicht, wie viele Zimmer dein Haus hat?«

»Wir werden sie alle durchprobieren. Versprochen.« Er streift die Manschette zurück und schaut auf seine silberne Uhr. »Wenn du wirklich nachforschen willst – Ninas Bücher sind im Gelben Salon. Die, in denen sie für die Restaurierung gestöbert hat.«

Den Namen zu hören versetzt mir einen kleinen Stich, aber ich lasse mir nichts anmerken.

Nina Kerthen, geborene Valéry. Davids erste Frau. Viel weiß ich nicht über sie: Ich habe ein paar Fotos gesehen, ich weiß, dass sie schön war, Pariserin, jung, vornehm, blond. Ich weiß, dass sie vor anderthalb Jahren durch einen Unfall in der Morvellan Mine ums Leben gekommen ist. Ich weiß, dass ihr Mann und vor allem ihr Sohn – mein brandneuer, achtjähriger Stiefsohn Jamie – noch immer trauern, auch wenn sie es zu verbergen suchen.

Und ich weiß, sehr genau, dass es zu meinen Aufgaben hier in Carnhallow gehört, etwas zu retten: diesem traurigen, liebenswerten kleinen Jungen die beste Stiefmutter der Welt zu sein.

»Ich schau mal rein«, sage ich leichthin. »In die Bücher. Vielleicht bekomme ich ein paar Anregungen. Und du solltest jetzt losfahren; sieh zu, dass du den Flieger kriegst!«

Er dreht sich noch einmal um, will mir einen Kuss geben, doch ich weiche aus.

»Nein – nicht. Wenn du mich küsst, endet das im vierzehnten Zimmer, und...

Erscheint lt. Verlag 25.11.2016
Übersetzer Susanne Wallbaum
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Affäre • Bestseller-Autor • Boskenna House • Carnhallow • Cornwall • David Kerthen • Domestic Noir • DuMaurier • Gothic • Hellsehen • Herrenhaus • Jamie Kerthen • Mystery Thriller • Nina Kerthen • Premium Crime • Prophezeiung • Psycho-Spannung • Psycho-Thriller • Psychothriller bücher • Psychothriller England • Psychothriller Familie • Psychothriller Romane • Rachel Daly • Rachel Kerthen • Selbstmord • Stiefkind • Stiefsohn • Taschenbuch-Neuerscheinungen 2017 • Thriller England • Thriller Kinder • Thriller und Psychothriller • Untreue • Weihnachten • Zinnminen • zweites Gesicht
ISBN-10 3-426-42708-7 / 3426427087
ISBN-13 978-3-426-42708-8 / 9783426427088
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