Dark Memories - Nichts ist je vergessen (eBook)
384 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403844-5 (ISBN)
Wendy Walkers Spannungsdebüt »Dark Memories - Nichts ist je vergessen« wurde auf Anhieb zum Bestseller, erschien weltweit in 20 Ländern und wird in Hollywood verfilmt. Wendy Walker lebt mit ihrer Familie in Connecticut und arbeitet neben dem Schreiben als Anwältin für Familienrecht.
Wendy Walkers Spannungsdebüt »Dark Memories – Nichts ist je vergessen« wurde auf Anhieb zum Bestseller, erschien weltweit in 20 Ländern und wird in Hollywood verfilmt. Wendy Walker lebt mit ihrer Familie in Connecticut und arbeitet neben dem Schreiben als Anwältin für Familienrecht.
Packend, raffiniert und schlau!
Abgesehen von der packenden Handlung und den vielschichtigen Charakteren, die Walker gekonnt beschreibt, ist das Thema »Filmriss per Pille« keineswegs so abwegig, wie es zunächst scheint.
eine mitreißende Geschichte mit diversen Ebenen der Unzuverlässigkeit. Und eine Entwicklung, die unerwartet kommt, aber rückblickend in meisterhafter Konsequenz ausgeführt wurde.
Megaspannend!
Eine Klasse für sich: Wendy Walkers ›Dark Memories – Nichts ist je vergessen‹ ist hoch manipulative Psycho-Spannung auf internationalem Bestseller-Niveau.
ein spannender Roman, der nach und nach die Geheimnisse seiner Protagonisten enthüllt und zum Ende noch eine echte Überraschung parat hat.
Der Roman ist ein Psychothriller allererster Güte.
Eine hochmanipulative Reise, genau wie dieser ganze Psychothriller, der uns beim Lesen herrlich narrt und viele kluge Fragen mit auf den Weg gibt
1
Er folgte ihr durch den Wald hinter dem Haus. Der Boden war übersät mit Überresten des Winters – toten Blättern und Zweigen, die während der letzten sechs Monate von den Bäumen gefallen und unter der Schneedecke vermodert waren. Vielleicht hörte sie ihn kommen. Vielleicht drehte sie sich um und erblickte ihn mit seiner schwarzen Sturmhaube, deren Wollfasern man unter ihren Fingernägeln fand. Als sie auf die Knie fiel, zerbrachen die Überbleibsel morscher Ästchen wie alte Knochen und zerkratzten ihr die nackte Haut. Ihr Gesicht und ihre Brust wurden unsanft gegen den Boden gepresst, wahrscheinlich mit der Außenseite seines Unterarms, und sie muss den Sprühnebel des Rasensprengers gespürt haben, der vom nur wenige Meter entfernten Garten herüberwehte. Ihre Haare waren nass, als man sie fand.
Als kleines Mädchen war sie gern dem Wasserstrahl des Sprengers im eigenen Garten nachgejagt, hatte sich an heißen Sommernachmittagen von ihm erwischen lassen oder war ihm an kühlen Frühlingsabenden ausgewichen, immer dabei ihr kleiner Bruder, der nackt und mit vorgestrecktem Bäuchlein und fuchtelnden Ärmchen, die er noch nicht mit seinen kleinen Beinen koordinieren konnte, hinter ihr hergetappt war. Manchmal hatte sich noch der Familienhund dazugesellt und so laut gebellt, dass er ihr Gelächter übertönt hatte. Viertausend Quadratmeter Rasen, rutschig und nass. Ein weiter, offener Himmel mit weißen Wattewolken. Ihre Mutter, die ihnen durchs Fenster zusah, und ihr Vater auf der Heimfahrt von Orten, deren Geruch sich in seinem Anzug festgesetzt hatte – schaler Kaffee aus dem Büro des Autohauses, neues Leder, Reifengummi. Diese Erinnerungen schmerzten sie heute, und dennoch waren ihre Gedanken sofort zu ihnen geeilt, als man sie nach dem Rasensprenger gefragt hatte, danach, ob er an gewesen sei, als sie durch den Garten zum Wald gerannt war.
Die Vergewaltigung hatte fast eine ganze Stunde gedauert. Erstaunlich, dass die Ermittler dies so genau feststellen konnten. Offenbar war es auf irgendeine Weise an der Blutgerinnung rund um die Körperöffnungen erkennbar, die der Täter penetriert hatte, an den unterschiedlich fortgeschrittenen Stadien der Hämatome an Rücken, Armen und Nacken, die durch seine jeweiligen Klammergriffe entstanden waren. Innerhalb jener Stunde war die Party genauso weitergelaufen, wie sie sie zurückgelassen hatte. Vermutlich hatte sie von der Stelle aus, an der sie auf dem Waldboden lag, die Lichter gesehen, die grell aus den Fenstern schienen, die flackerten, wenn sich jemand durch den Raum bewegte. Es war eine große Party, zu der fast alle Zehnt- und auch ein paar Neunt- und Elftklässler erschienen waren. Die Fairview High School war selbst für das ländliche Connecticut eine kleine Schule, und die Jahrgangsgrenzen, die andernorts existierten, waren hier deutlich durchlässiger. Sportmannschaften waren genauso gemischt wie Theatergruppen, Bands und Orchester. Mathematisch oder fremdsprachlich besonders begabte Schüler hatten die Möglichkeit, in diesen Fächern eine Jahrgangsstufe aufzurücken. Jenny Kramer hatte es zwar in keine derartige Förderklasse geschafft, betrachtete sich aber dennoch als intelligent und humorvoll. Außerdem war sie eine gute Sportlerin – Schwimmen, Hockey, Tennis. Keine dieser positiven Eigenschaften schien jedoch von besonderer Bedeutung gewesen zu sein, bis ihr Körper endlich herangereift und aufgeblüht war.
Am Partyabend hatte sie sich zunächst besser gefühlt als jemals zuvor. Ich glaube, sie hätte sogar gesagt: Das wird die Nacht meines Lebens. Nach jahrelanger Isolation in ihrem »Pubertätskokon«, wie ich es gern bezeichne, hatte sie endlich das Gefühl, voll zu ihrem Recht zu kommen. Widrigkeiten wie Zahnspange, hartnäckiger Babyspeck, Brüste, die zu klein für einen BH waren und sich dennoch durch ihr T-Shirt abzeichneten, Akne und widerspenstige Haare waren verschwunden. Sie war immer eher der knabenhafte Typ gewesen, Kumpel und Vertrauensperson von Jungen, die sich grundsätzlich für andere Mädchen interessierten, nie für sie. Das waren ihre Worte, nicht meine, aber ich finde, sie beschrieb ihre Entwicklung sehr treffend für eine Sechzehnjährige. Überhaupt war sie sich ihrer selbst auf ungewöhnliche Weise bewusst. Trotz allem, was ihre Eltern und Lehrer ihr eingebläut hatten, nicht nur ihr, sondern allen Mädchen der Stadt, glaubte sie – und damit stand sie innerhalb ihrer Altersgruppe nicht allein da –, dass Schönheit für ein Mädchen das wertvollste Gut sei. Diese Schönheit endlich zu besitzen war für sie wie ein Lottogewinn.
Und dann war da dieser Junge gewesen. Doug Hastings. Er hatte sie an einem Montag zwischen Chemie und europäischer Geschichte auf dem Schulflur gefragt, ob sie mit ihm zu der Party gehen wolle. Diesbezüglich hatte sie sehr konkrete Angaben machen können, auch darüber, was er an jenem Tag angehabt hatte, wie sein Gesichtsausdruck gewesen war, dass er ein wenig nervös gewirkt, seine Nervosität jedoch lässig überspielt habe. Sie hatte die ganze Woche an kaum etwas anderes denken können als ihr Party-Outfit, ihre Frisur, die Farbe ihres Nagellacks, wenn sie am Samstagvormittag mit ihrer Mutter zur Maniküre ging. Ich war ein wenig überrascht gewesen. Was ich über Doug Hastings weiß, hat dazu geführt, dass ich nicht viel von ihm halte. Da ich selbst eine Tochter habe, maße ich mir ein Recht auf derlei Meinungen an. Ich habe durchaus Verständnis für seine Situation – ein Tyrann als Vater, eine schwache Mutter, die ihren erzieherischen Aufgaben nur ungenügend gerecht wurde. Dennoch war ich irgendwie enttäuscht, dass Jenny ihn nicht durchschaut hatte.
Die Party war genauso gewesen, wie sie es sich vorgestellt hatte: Gastgeber, die sturmfrei hatten, weil ihre Eltern verreist waren, Jugendliche, die so taten, als wären sie erwachsen, in Martinigläsern gemixte Cocktails, Bier aus großen Kristallkrügen. Doug hatte sich direkt auf der Party mit ihr verabredet. Aber er war nicht allein gekommen.
Die Musik hatte in voller Lautstärke aus den Boxen gedröhnt, sie musste sie am Ort ihres Martyriums gehört haben. Es wurden ausschließlich beliebte Popsongs gespielt, Hits, die sie gut kannte, wie sie sagte, mit Texten und Melodien, die hängenblieben. Trotz der lauten Musik und des gedämpften Gelächters, das aus den offenen Fenstern herüberwehte, wird sie auch jene anderen, näheren Geräusche gehört haben, das perverse Stöhnen ihres Angreifers, ihre eigenen panischen Schreie.
Nachdem er mit ihr fertig und in die Dunkelheit verschwunden war, stützte sie sich auf einem Arm ab und hob das Gesicht aus dem Gestrüpp. Womöglich spürte sie in diesem Moment einen Luftzug auf der Wange und merkte, dass ihre Haut feucht war. Die Blätter und Äste, auf denen sie gelegen hatte, blieben an ihr hängen, als hätte jemand ihr Gesicht zuvor mit Klebstoff bestrichen.
Wie sie so auf den Unterarm gestützt dalag, muss sie das Geräusch gehört haben.
Irgendwann setzte sie sich aufrecht hin, versuchte, die Unordnung zu beseitigen. Mit dem Handrücken wischte sie sich über die Wange, woraufhin die Überreste trockener Blätter zu Boden rieselten. In diesem Moment hat sie vermutlich gesehen, dass sich ihr Rock um ihre Taille bauschte und ihre Genitalien freilagen. Offenbar kroch sie daraufhin auf allen vieren ein kurzes Stück über die Erde, vielleicht, um ihre Unterhose zu suchen. Sie hielt sie in der Hand, als sie gefunden wurde.
Das Geräusch muss lauter geworden sein, denn irgendwann hörten es ein Mädchen und ihr Freund, die sich auf der Suche nach einem ungestörten Plätzchen in den Garten zurückgezogen hatten und ganz in ihrer Nähe waren. Vermutlich knackte und knisterte der Waldboden unter dem Gewicht ihrer Hände und Knie, als sie begann, auf den Rasen zuzukrabbeln. Als ich davon hörte, stellte ich mir vor, wie sie langsam vorankroch, wie ihr angetrunkener Zustand ihre Koordination einschränkte, wie der Schock die Zeit zum Stillstand brachte. Ich stellte mir vor, wie sie die Situation einzuschätzen versuchte, als sie schließlich aufhörte zu kriechen und sich hinsetzte; ihre zerrissene Unterhose ansah, die Erde an ihrem nackten Hintern spürte.
Eine Unterhose, die zu zerfetzt war, um sie wieder anzuziehen, an der überall Blut und Erde klebten. Das Geräusch, das immer lauter wurde. Die Frage, wie lange sie schon im Wald war.
Auf Händen und Knien setzte sie sich erneut in Bewegung, doch wie weit sie auch krabbelte, das Geräusch ließ sich nicht abschütteln, wurde lauter und lauter. Wie verzweifelt sie versucht haben muss, ihm zu entfliehen, den weichen Rasen zu erreichen, das saubere Wasser, das ihn benetzte, den Ort, an dem sie gewesen war, bevor sie ihre Verzweiflung in den Wald getrieben hatte.
Sie kroch noch einen Meter und hielt dann inne. Vielleicht ging ihr in diesem Moment auf, dass das Geräusch, das sie nicht loswurde, jenes verstörende Wehklagen, ihrem eigenen Mund entsprang. Erschöpfung überkam sie, zwang erst ihre Knie und dann ihre Arme, unter ihr einzuknicken.
Sie sagte mir, sie habe sich selbst immer als starke Person betrachtet, als Sportlerin mit eisernem Willen. Ein starker Geist in einem starken Körper. Das trichterte ihr Vater ihr schon ein, seit sie ein kleines Mädchen war: Wenn Körper und Geist stark sind, wirst du ein gutes Leben führen. Vielleicht befahl sie sich aufzustehen. Vielleicht befahl sie ihren Beinen, sich zu bewegen, und anschließend ihren Armen. Aber ihr Wille konnte nichts ausrichten. Statt sie dahin zurückzubringen, wo sie zu Beginn des Abends gewesen war, schmiegten ihre Glieder sich schlaff um ihren misshandelten Körper, der...
Erscheint lt. Verlag | 23.6.2016 |
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Übersetzer | Verena Kilchling |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Albtraum • auslöschen • Behandlung • Connecticut • Erinnern • Erinnerung • Jenny • Körper • Medikament • Mutter • Psychiater • psychologisch • Ritzen • Spannung • Täter • Therapie • Thriller • Tochter • Trauma • Vater • Verdächtiger • Vergessen • Wendy Walker |
ISBN-10 | 3-10-403844-9 / 3104038449 |
ISBN-13 | 978-3-10-403844-5 / 9783104038445 |
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