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Die Kindermörderin. Ein Trauerspiel (eBook)

Wagner, Heinrich Leopold - Deutsch-Lektüre, Deutsche Klassiker der Literatur - 14330 - Neuausgabe
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
175 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-960965-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kindermörderin. Ein Trauerspiel -  Heinrich Leopold Wagner
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Heinrich Leopold Wagner gehörte zum Kreis der Sturm-und-Drang-Dichter und schuf mit der 'Kindermörderin' ein Beispiel der neuen Gattung des bürgerlichen Trauerspiels, das nicht nur seine tragischen Helden aus dem Bürgertum bezieht. Darüber hinaus werden soziale Differenzen durch die Darstellung der Milieus und durch die Sprache der Personen abgebildet. Schließlich entstehen die Konflikte selber aus Standesunterschieden heraus und werden auch als Standeskontroversen bewertet. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

Heinrich Leopold Wagner (19.2.1747 Straßburg - 4.3.1779 Frankfurt a. M.) legte nach einem anfänglichen Theologiestudium in Halle sein Juraexamen in Straßburg ab und arbeitete als Advokat in Frankfurt. Sein schriftstellerisches Schaffen reichte von Romanen, Verserzählungen und Übersetzungen bis hin zu Dramen, zu deren bekanntesten 'Die Reue nach der Tat' und 'Die Kindermörderin' gehören.

Heinrich Leopold Wagner (19.2.1747 Straßburg – 4.3.1779 Frankfurt a. M.) legte nach einem anfänglichen Theologiestudium in Halle sein Juraexamen in Straßburg ab und arbeitete als Advokat in Frankfurt. Sein schriftstellerisches Schaffen reichte von Romanen, Verserzählungen und Übersetzungen bis hin zu Dramen, zu deren bekanntesten "Die Reue nach der Tat" und "Die Kindermörderin" gehören.

Die Kindermörderin
Auszüge aus Heinrich Leopold Wagners
Umarbeitung (1779)

Anhang
Zu dieser Ausgabe
Dokumente
Anmerkungen
Literaturhinweise
Nachwort

[5]Erster Akt.


(Ein schlechtes Zimmer im Wirthshaus zum gelben Kreutz: die Art, wie es meubliret seyn muß, ist aus dem Akt selbst zu ersehn: auf der Seite eine Thüre, die in eine Nebenkammer führt. Lieutenant von Gröningseck führt Frau Humbrecht an der Hand herein. Evchen ihre Tochter geht hinter drein: die Frauenzimmer haben Domino, Er eine Wildschur an; alle noch ihre Masken vor.)

MARIANEL.

(setzt ein Licht auf den Tisch, im Abgehn.) Sie haben schon befohlen? (Lieutenant winkt ja, Magd ab.)

FR. HUMBRECHT.

(die Maske vom Gesicht ziehend.) Herr Hauptmann! sie stehn mir doch –

V. GRÖNINGSECK

(wirft Wildschur, Maske und Hut hin.) Für alles, liebe Frau Humbrecht! für alles! – Ein Mäulchen, Kleine! das ist Ballrecht: (zieht Evchen die Maske auch ab) sey doch nicht so kleinstädtisch; ein Mäulchen! sag ich: (küßt sie; zur Mutter) Noch aber bin ich nicht Hauptmann, und ich laß mich nicht gern mehr schelten, als ich bin.

FR. HUMBRECHT

(verneigt sich) Wie sie befehlen: sie stehn mir doch, Herr Major –

V. GRÖNINGSECK.

Bravo! bravo! immer besser! ha ha ha!

EVCHEN.

Ey, Mutter, stell sie sich doch nicht so artig; Major ist ja noch mehr als Hauptmann, sie weiß ja gar nichts. – Der Herr Lieutenant wohnt schon einen ganzen Monat bey uns –

V. GRÖNINGSECK.

Einen Monat und drey Tage, mein Kind! ich hab jede Minute gezählt.

[6]EVCHEN.

Denk doch! ist ihnen die Zeit so lang geworden.

V. GRÖNINGSECK.

Noch nicht! aber bald möchte sie mirs werden, wenn du nicht –

EVCHEN.

Du! seit wann so vertraut?

V. GRÖNINGSECK.

Zank nicht Evchen! zank nicht! müßt mir heut nichts übel nehmen Leutchen, ich hab ein Gläschen Liqueur zuviel.

FR. HUMBRECHT.

Was ich fragen wollt, Herr Leutenant, sie stehn mir doch davor, daß wir in einem honetten Haus sind?

V. GRÖNINGSECK.

So soll mich der Teufel lebendig zerreißen, Frau Humbrecht! wenn hier nicht täglich alles, was beau monde heißt, zusammenkommt: – sehn sie nur an, wie schlecht das Zimmer meublirt ist. –

FR. HUMBRECHT.

Eben drum!

V. GRÖNINGSECK.

Eben drum! freilich, eben drum! Das macht die guten Zimmer sind alle schon besetzt. Meynt sie denn pardieu! der Lieutenant von Gröningseck würde sich sonst in einen solchen Stall weisen lassen. Drey Stühl, und ein Tisch, den man nicht anrühren darf! (er stößt daran, der Tisch fällt um, das Licht mit, geht aus.)

FR. HUMBRECHT.

Herr Jemine das Licht! Herr Leutenant, das Licht!

V. GRÖNINGSECK

(ihr nachäffend.) Das Licht! das Licht! hat der Henker das geholt, so gibts noch andre. – Wo ist der Leuchter? – (sucht.)

EVCHEN.

Hier hab ich ihn schon.

V. GRÖNINGSECK.

Wo? wo?

EVCHEN.

Ey hier! sie greifen ja dran vorbey – pfuy! –

FR. HUMBRECHT.

Was ist? was giebts?

V. GRÖNINGSECK.

Gar nichts! (nimmt den Leuchter ab, und geht nach der Thüre) Hola, des flambeaux! (Ein altes Weib hält ihm ohne sich recht sehn zu lassen ein Licht hin, er steckt seines an.)

EVCHEN

(sich die Hände am Schnupftuch abwischend) Ey da hab ich mir die Hände am Inschlitt beschmiert. [7](Wirft dem Lieutenant heimlich einen drohenden Blick zu: er lächelt)

FR. HUMBRECHT.

Wenns sonst nichts ist –

V. GRÖNINGSECK.

(stellt den Tisch wieder auf, das Licht drauf.) Das war ma foi ein Hauptspaß! eben red ich von dem krüpplichten Hund, da stürzt die Kanaille zu Boden – Bald hätten wir das Beste übersehn, le diable m’emporte, c’est charmant! c’est divin! seht doch das Stellagie da an, halb Bett, halb Kanape; ich glaub gar es ist ein Feldschragen, den sie aus dem Spital gestohlen haben; ha ha ha! – Was wett ich, sie haben kein so schönes Brautbett gehabt, Frau Humbrecht? – Zwar nur ein Strohsack – (drückt mit der Hand drauf) aber doch gut gefüllt, – elastisch! –

FR. HUMBRECHT

(halb böse.) Ey was, Herr Leutenant! in Gegenwart meiner Tochter –

V. GRÖNINGSECK.

Muß ich sie küssen – guckst scheel Evchen? – noch einmal, dem Evchen zum Possen! – so! aller guter Ding sind drey. – (geht auf Evchen los, bietet ihr die Hand, sieht ihr starr in die Augen, sachte zur Tochter) Das war Strafe für dein unzeitiges Pfui! (Evchen lacht, schlägt ein.)

FR. HUMBRECHT

(während obiger Pantomime) Er ist zum Fressen der kleine Narr! man muß ihm gut seyn, nicht ob man will: wie Quecksilber, bald da, bald dort.

MARIANEL

(kommt) Befehlen sie, daß man aufträgt?

V. GRÖNINGSECK.

Das versteht sich pardieu! je eher je besser, und je mehr je lieber!

FR. HUMBRECHT.

Komm Eve! ich muß den Domino ein wenig ausziehn, es wird mir so warm ums Herz.

EVCHEN.

Mir auch Mutter! (nimmt der Magd die Lampe ab, und geht mit ihrer Mutter ins Nebenzimmer.)

V. GRÖNINGSECK.

Desto besser! (sachte) für mich. (ruft ihnen nach) Soll ich die Kammermagd vorstellen? ich kann perfekt mit umgehn. –

[8]FR. HUMBRECHT.

Ey ja! das wär mir schön. Nein so eine Kammermagd wär uns viel zu vornehm.

EVCHEN.

Wir könnens ohne sie, Herr Blaurock! (schabt ihm hinterrücks der Mutter ein Rübchen, und schlägt die Thür zu.)

V. GRÖNINGSECK.

Wo führt denn dich das Donnerwetter hierher, Marianel? bist nicht mehr im Kaffehaus dort an der Eck? – das kleine Stübchen war sehr bequem –

MARIANEL.

Gar recht, daß du selbst davon anfängst, du Teufelskind – gar recht! bist mir auch noch’s Christkindel schuldig, gleich gib mirs, oder ich verrath dich. –

V. GRÖNINGSECK.

Ich – dir schuldig? hab ich dir nicht jedesmal deinen kleinen Thaler gegeben, wenn –

MARIANEL.

Ja schön allemal bezahlt! wie oft hab ich dir borgen müssen? gelt du weist es nit du Saufigel, wie er den Sonntag vor Weihnachten noch des Nachts um zwölf einen Lerm machte, als wollt er das Haus stürmen, und wie ich ihn heimlich zur Hinterthür herein ließ, und wie ich ihm Thee kochte, und wie er mich über und über bespie, und –

V. GRÖNINGSECK.

Und – und – halts Maul zum – hier sind sechs Livres du Schindaas – Aber eins must du mir zu Gefallen thun –

MARIANEL.

Alles, alles mein Kostbarle! sag! red! (will ihn liebkosen.)

V. GRÖNINGSECK

(stößt sie von sich.) Das ist heut überflüßig: wenn der Soldat Eyerweck hat, frißt er kein Kommißbrod.

MARIANEL.

Denk doch, Kostbarle bist sehr verschleckt; wirst froh seyn und von selbst wiederkommen.

V. GRÖNINGSECK.

Das denk ich auch, Narr! so bös ists nicht gemeynt! – sieh, da ist ein Päckchen das nimm, und wenn ich um Punsch ruf, so thu das Pulver, das drinn ist, ins erste Glas voll, das du auf den Tisch stellst. –

[9]MARIANEL.

Geh du zum lüftigen Teufel mit samt deinem Pulver, du tausendsakerment! willst mich die Leut vergiften machen? – meynst ich hab kein Gewissen, du Höllenhund? –

V. GRÖNINGSECK.

So hör mich doch an Marianchen! sakerment hör mich, oder – Es ist kein Gift, ein kleiner Schlaftrunk ists, wenns doch wissen willst – und hier ist noch ein großer Thaler –

MARIANEL.

Ja so! das ist was anders – so gib nur her. (Sie greift nach dem Geld, er steckts wieder ein.)

V. GRÖNINGSECK.

Hier ist das Pulver – mach deine Sachen ja klug! wenn ich fortgeh, kriegst du den großen Thaler.

MARIANEL.

Warum nicht gleich?

V. GRÖNINGSECK.

Einer Hur ist niemals zu trauen –

MARIANEL

(im Fortgehn.) Keinem Schelmen auch nicht, und wenn keine Hurenbuben wären; so gäbs lauter brave Mädels. – Darfts wohl noch schimpfen ihr – erst schnitzt ihr euch euren Herrgott, dann kreuzigt ihr ihn. –

V. GRÖNINGSECK.

Halts Maul! und thu was ich dir sagte.

MARIANEL.

’S wird einen Dreck nutzen. (ab)

V. GRÖNINGSECK.

Das ist meine Sorge! Es müßte toll hergehn, wenn ich die Alte nicht über den Gänsmist führen sollt. – (zu Evchen, die zurück kommt, die Mutter hinter drein.) So, ma chere, das ist recht, das ist schön, sehr schön! – le diable m’emporte – siehst so recht appetitlich aus! so dünn und leicht angezogen! – bist auf mein Ehr recht hübsch gewachsen, so schlank! alles so...

Erscheint lt. Verlag 21.4.2016
Reihe/Serie Reclams Universal-Bibliothek
Reclams Universal-Bibliothek
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte 18. Jahrhundert • Alexander Kosenina • Bürgerliches Trauerspiel • Deutsch • Deutsch-Unterricht • Deutschunterricht Heinrich Leopold Wagner Die Kindermörderin • Drama • Druckgeschichte • gelb • gelbe bücher • Genese • Gesellschaftskritik • Klassenlektüre • klassisches Drama • Lektüre • Literatur Epoche Sturm und Drang • Literaturhinweise • Literatur Klassiker • Reclam Hefte • Reclams Universal Bibliothek • Schullektüre • Schullektüre Heinrich Leopold Wagner Die Kindermörderin • Sekundarstufe Heinrich Leopold Wagner Die Kindermörderin • Ständegesellschaft • Standeskontroversen • Standesunterschiede • Textgenese • Textgestalt • Theater • Tragödie • Umarbeitung Kindermörderin • Weltliteratur • Wirkungsgeschichte
ISBN-10 3-15-960965-0 / 3159609650
ISBN-13 978-3-15-960965-2 / 9783159609652
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