Grausame Nacht (eBook)
400 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403363-1 (ISBN)
Linda Castillo wuchs in Dayton im US-Bundesstaat Ohio auf, schrieb bereits in ihrer Jugend ihren ersten Roman und arbeitete viele Jahre als Finanzmanagerin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Der internationale Durchbruch gelang ihr mit »Die Zahlen der Toten« (2010), dem ersten Kriminalroman mit Polizeichefin Kate Burkholder. Linda Castillo kennt die Welt der Amischen seit ihrer Kindheit und ist regelmäßig zu Gast bei amischen Gemeinden. Die Autorin lebt heute mit ihrem Mann und zwei Pferden auf einer Ranch in Texas.
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 36/2016) — Platz 19
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- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 34/2016) — Platz 12
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 33/2016) — Platz 10
- Spiegel Bestseller: Belletristik / Taschenbuch (Nr. 32/2016) — Platz 13
Linda Castillo wuchs in Dayton im US-Bundesstaat Ohio auf, schrieb bereits in ihrer Jugend ihren ersten Roman und arbeitete viele Jahre als Finanzmanagerin, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Der internationale Durchbruch gelang ihr mit »Die Zahlen der Toten« (2010), dem ersten Kriminalroman mit Polizeichefin Kate Burkholder. Linda Castillo kennt die Welt der Amischen seit ihrer Kindheit und ist regelmäßig zu Gast bei amischen Gemeinden. Die Autorin lebt heute mit ihrem Mann und zwei Pferden auf einer Ranch in Texas. Helga Augustin hat in Frankfurt am Main Neue Philologie studiert. Von 1986 - 1991 studierte sie an der City University of New York und schloss ihr Studium mit einem Magister in Liberal Studies mit dem Schwerpunkt ›Translations‹ ab. Die Übersetzerin lebt in Frankfurt am Main.
Gewohnt spannend vermischt Linda Castillo wieder geschickt das Beruf- und Privatleben der Protagonisten.
Gute Krimikost, sicherlich der beste Roman in der Reihe
›Grausame Nacht‹ ist einer der mitreißendsten Thriller, die ich seit langem gelesen habe
Prolog
Über die alte Scheune kursierten viele Geschichten. Die neunjährige Sally Ferman kannte sie alle, und jede einzelne machte ihr Angst. Ihr Dad hatte erzählt, dass das Stück Land ursprünglich Hans Schneider gehört hatte, einem jungen deutschen Einwanderer. Hans baute eine Blockhütte darauf und heiratete Rebecca, eine Französin. Sie bekamen drei Söhne, und über die Jahre errichteten er und seine Söhne die Scheune, züchteten Rinder und Schafe und pflanzten Tabak und Mais an.
Dann, in einer verschneiten Nacht des Jahres 1763, überfiel eine Bande Delaware-Indianer die Farm. Hans, der mit seinem Vorderlader am Fenster stand, wurde erschossen, seine Frau aus dem Haus gezerrt und skalpiert. Die drei Jungen – alle bewaffnet und bereit für den Kampf auf Leben und Tod – verbrannten bei lebendigem Leib, als die Delawaren das Blockhaus in Brand setzten. Es hieß, dass man nachts noch immer die Schreie Rebeccas hören könne, wie damals, als man ihr die Kopfhaut vom Schädel zog.
Sally wusste nicht, ob die Geschichte stimmte; sie hatte hier immer nur das Gurren der Tauben und gelegentlich das Quieken der Schweine gehört. Doch eines wusste sie sicher, nämlich dass sie keinen unheimlicheren Ort kannte als die alte Scheune mit dem steinernen Fundament und den dunklen Fenstern.
Sie wohnte auf dem Nachbargrundstück, von wo aus die Scheune mit dem verblichenen roten Anstrich und dem rostigen Blechdach ganz normal wirkte. Doch wenn man näher heranging, war sie ziemlich verrottet und sah unheimlich aus, nicht zuletzt wegen des schulterhohen Grases und Unkrauts um das brüchige Fundament herum. Letzten Sommer waren sie und ihre beste Freundin, Lola, dort hingeschlichen. Doch gerade als sie allen Mut zusammengenommen hatten und in die Scheune reingehen wollten, kam ein amischer Mann heraus. Sie bekamen einen Riesenschreck und versteckten sich im hohen Gras, was aber auch ziemlich aufregend war. Der Mann hatte dann aber nur vor die Tür gepinkelt, und obwohl sie sich vor Angst fast in die Hose gemacht hatten, mussten sie auf dem ganzen Nachhauseweg lachen. Sally hatte einige Mühe gehabt, ihrer Mutter die Kletten in ihren Haaren zu erklären.
Bei der Erinnerung seufzte Sally. Lola und sie hatten immer viel Spaß zusammen gehabt, doch Lola war letzte Weihnachten wegen des blöden Jobs ihres Vaters weggezogen, und sie fehlte ihr sehr. In letzter Zeit traf sich Sally öfter mit Fayrene Ehrlich, die vor kurzem aus Columbus nach Painters Mill gezogen war. Fayrene war hübsch und beliebt (ihre Mom erlaubte ihr sogar, Lippenstift zu tragen und die Beine zu rasieren) und hatte auch schon einen Platz im Softball-Team und im Mädchenchor ergattert, was Sally bisher nicht gelungen war. Und das lag sicher nicht daran, dass sie es nicht eifrig genug versucht hätte. Alle hielten Fayrene für das Beste, was Painters Mill seit dem neuen Baseballfeld bei der Mittelschule passiert war. Sally hielt Fayrene für eine großmäulige Besserwisserin. Und sie wusste genau, dass Fayrene gar nicht so klug war, denn sie hatte schon zweimal die Hausaufgaben bei Sally abgeschrieben.
Aber durch Lolas Wegzug blieb ihr nur Fayrene als Freundin. Und Tatsache war, dass Sally sich anstrengen musste, um zu beweisen, dass sie mutig und reif genug für die fünfte Klasse war. Ihre Mom hatte gesagt, sie solle sich von den Amischen nebenan fernhalten, weil die nicht wollten, dass englische Kinder in ihrer Scheune rumschnüffelten. Aber genau das musste Sally jetzt tun, um allen zu zeigen, dass sie kühner und doppelt so interessant war wie Fayrene Ehrlich. Deshalb wollte sie in der Schulcafeteria eine coole Story zu bieten haben und am besten noch irgendeinen sichtbaren Beweis, dass sie sich das wirklich getraut hatte.
»Kinderleicht«, flüsterte sie, als sie die Böschung am Bach hochstieg. Was Fayrene wohl machen würde, wenn Sally mit Rebecca Schneiders Skalp zurückkäme? Das würde sie bestimmt für alle Zeiten zum Schweigen bringen.
Sally blickte sich um, ob die Luft rein war, und flitzte dann über den Fußpfad hinauf zur Scheune, die an einen Hang gebaut war. Die Vorderseite zeigte hangaufwärts, und die Rückseite, unter der sich niedrige Ställe und im Freien davor Schweinekoben befanden, ging zur Weide. Vorne war ein großes Schiebetor, wo die Amischen mit ihrem Fuhrwerk rückwärts reinfuhren, um Heu abzuladen. Aber durch das Tor konnte Sally nicht rein, da man sie von ihrem Haus aus sehen würde. Und da es keine Seitentür gab, musste sie durch die hinteren Ställe gehen.
Mit gespitzten Ohren und den Blick auf die Vorderseite gerichtet, schlich sie nach rechts. Hier konnte sie bereits die Schweine riechen, den beißenden Ammoniak-Gestank, über den sich ihre Eltern jedes Mal aufregten, wenn der Wind ihn zu ihrem Haus herübertrug. Sie presste den Rücken an die Wand und spähte um die Ecke. Die Ställe hatten einen Lehmboden, am hinteren Ende war ein etwa dreißig Zentimeter hoher Misthaufen, und überall hatten Murmeltiere Löcher für ihre Höhlen gegraben. Murmeltiere fand sie auch total gruselig, besonders die großen. Ihre Mom sagte, sie sähen aus wie riesige Ratten.
Sally wollte gar nicht erst groß darüber nachdenken, schlüpfte um die Ecke und schaute nach oben. Die Scheune hatte zwei Stockwerke, oder drei, wenn man die Ställe darunter mitzählte. Es gab nur eine Möglichkeit, nach oben zu gelangen, und zwar durch eine der Heuluken in der Decke über den Ställen. Sie musste nur die Klappe wegschieben und durchklettern.
Sie blickte ein letztes Mal um sich, dann lief sie geduckt in den Stall und weiter bis ans hintere Ende, wobei sie immer Ausschau nach Murmeltieren hielt. Die tiefhängende Decke war voller Spinnweben, die wie schmutzige Zuckerwatte herunterbaumelten. Sie hörte die Schweine draußen in den Koben grunzen und mit ihren gespaltenen Hufen über den Betonboden scharren. Sie kam zu einer Heuluke, checkte sie kurz nach Spinnen und drückte dann die schwere Holzabdeckung mit beiden Händen nach oben. Staub, Dreck und Heureste rieselten ihr auf Gesicht und Schultern. Mit einiger Anstrengung schob sie die Platte beiseite, stellte sich auf die Zehenspitzen und steckte den Kopf durch die Luke.
Ein übler Geruch schlug ihr aus dem Inneren der Scheune entgegen. Es war so dunkel, dass sie weiter vorn nur mit Mühe einen Heuhaufen erkennen konnte, einen einzelnen Ballen Alfalfagras und an der Wand ein paar Leinensäcke mit Maiskörnern. Sally zog sich durch die Luke nach oben, rappelte sich auf die Füße, schlug den Staub von ihrer Hose und sah sich um. Die Tür mit Blick auf die Schweinekoben lag zu ihrer Rechten, links waren das riesige Scheunentor, ein Fuhrwerk und ein Fenster zum Farmhaus. Sie konnte kaum glauben, dass sie es ganz allein bis hierher geschafft hatte. Jetzt musste sie nur noch etwas finden, als Beweis, dass sie hier gewesen war, und dann nix wie weg.
Lautlos schlich sie über den Holzboden nach rechts, kam an einem Stützbalken vorbei, an dem Zaumzeug an einem Nagel hing, das nach Pferdeschweiß und Leder roch, ging um eine Schubkarre mit Pferdeäpfeln und Stroh herum, erreichte die Tür und sah hinaus auf einen moosgrünen Teich und den Fluss weiter hinten. Etwa drei Meter fünfzig unter ihr liefen Dutzende Borstentiere – Hampshire-Schweine und große rosa Schweine mit schwarzen Flecken – in einem Koben herum, der mit einem Stahlrohrgeländer umzäunt war. Ein paar Tiere sahen mit Knopfaugen flehentlich zu ihr hoch, und sie schaute sich nach Heu oder Mais um, das sie ihnen runterwerfen könnte.
»Ihr habt bestimmt Hunger«, flüsterte sie.
Sally zog gerade ein Büschel Alfalfa aus dem Ballen, als sie Stimmen hörte. Sie wirbelte herum und sah, dass das große Scheunentor aufgeschoben wurde. Vor Schreck hielt sie die Luft an, dann schoss sie zurück zur Luke, setzte sich auf den Rand, schob die Füße durch und sprang runter, gerade als mehrere Männer die Scheune betraten. Sie landete auf den Füßen, stellte sich sofort auf die Zehenspitzen, steckte den Kopf durch die Öffnung, packte die Holzplatte und zog sie zurück an ihren Platz. Doch sie schloss die Luke nicht ganz, sondern hielt sie mit dem Kopf ein Stück auf und spähte durch den etwa fünf Zentimeter großen Spalt. Viel konnte sie nicht sehen, nur drei Paar Beine in Hosen und Männerarbeitsschuhe.
»Sis alles eigericht«, sagte einer der Männer.
Ihr Herz hämmerte vor Aufregung und Angst, doch sie rührte sich nicht, hielt die Luke so weit offen, wie sie sich traute. Wenn sie in Sallys Richtung sahen, konnten sie sie entdecken, doch die Gefahr war gering, denn sie unterhielten sich angeregt. Oder stritten sie sich sogar?
Sie wollte die Luke gerade ganz schließen und nach Hause laufen, als die drei Männer zu schreien anfingen. Sie verstand weder Pennsylvaniadeutsch, noch konnte sie ihre Gesichter sehen, doch das war auch gar nicht nötig, um zu wissen, dass sie wütend waren. Ihre Mom hatte immer gesagt, die Amischen seien religiöse, sanftmütige Menschen, die nie gewalttätig würden. Doch diese Unterhaltung hatte nichts Sanftmütiges. Sie traute ihren Augen kaum, als einer der Männer den anderen heftig stieß.
Um ein Haar hätte sie aufgeschrien, denn sie kamen ihrem Versteck immer näher, scharrten mit den Schuhen über den Boden und wirbelten Staub auf, waren kaum noch einen Meter von ihr entfernt. Eine Faust traf klatschend auf nacktes Fleisch, gefolgt von einem wütenden Schrei, wildem Stoßen und Schlagen, jetzt wieder in Richtung der offenen Tür. Einer der Männer stürzte sich auf den Mann nahe der Tür, knurrte dabei wie ein Tier. Sally sah Füße vom Boden...
Erscheint lt. Verlag | 28.7.2016 |
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Reihe/Serie | Kate Burkholder ermittelt | Kate Burkholder ermittelt |
Übersetzer | Helga Augustin |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Amisch • Anklage • Ohio • Painters Mill • Skelett • Tornado • Trailer-Park • Verbrechen |
ISBN-10 | 3-10-403363-3 / 3104033633 |
ISBN-13 | 978-3-10-403363-1 / 9783104033631 |
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