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Herrn Swart brummt der Schädel oder wie das Denken im Kopf die Richtung wechseln kann (eBook)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
240 Seiten
Gabriel Verlag
978-3-522-63052-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Herrn Swart brummt der Schädel oder wie das Denken im Kopf die Richtung wechseln kann -  Janny van der Molen
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Herr Swart, der neue Philosophielehrer, ist etwas speziell. Angefangen bei seinem merkwürdigen braunen Anzug bis hin zu seinen unkonventionellen Methoden. Er klettert mit den Schülern in den Keller, um das Höhlengleichnis von Platon mal so richtig am eigenen Leib zu erfahren, und lässt auch sonst nichts aus, damit aus ihnen echte Philosophen werden, die sich die Köpfe heiß reden, immer tiefer nachdenken und wieder diskutieren. Ausgang ungewiss, auch für Herrn Swart. Ein Roman, der Philosophen anhand von griffigen Gegensätzen vorstellt und zeigt, dass diese Gedanken jede Menge mit uns zu tun haben: Aristoteles, Kant, Aquin, Augustinus, Mill, Kristeva, Locke, Arendt, Descartes, Spinoza, Socrates, Platon, Marx und Nietzsche

Janny van der Molen, geboren 1968, ist Journalistin, Theologin und Mutter einer Tochter und eines Sohnes. Sie hat lange im Bereich Kommunikation und Journalismus gearbeitet. Jetzt widmet sie ihre Zeit und Energie vor allem Kinderbüchern. Sie hofft, dass ihre Bücher Kinder dazu ermutigen, sich gesellschaftlich zu beteiligen und sie anregen das Beste aus sich und anderen herauszuholen.

Kapitel 1

IDEE & MATERIE

Ich weiß, dass ich nichts weiß

Als Sven an diesem Morgen die Treppe hinaufgeht, sieht seine Welt nicht mehr ganz so rosig aus. Es ist Anfang September. Die Sommerferien sind vorbei. Abgesehen von einer kurzen Reise nach Rom, vom Zeitungsaustragen und dem bisschen Mithelfen zu Hause hat er es all die Wochen langsam angehen lassen. Im Grunde genommen hat er die meiste Zeit mit Bram abgehangen. Der perfekte Sommer also.

Doch das war’s dann erst mal mit der Freiheit. Ab jetzt heißt es wieder früh aufstehen, Schule, Hausaufgaben, Fußballtraining. Andererseits ist es auch schön, endlich wieder alle in der Schule zu sehen. Wie ihre Ferien wohl waren? Jelle wird wieder sowohl mit seinem Vater als auch mit der Mutter unterwegs gewesen sein. Loubna hat sicher wieder die ganze Zeit zusammen mit ihrer Familie in Marokko verbracht. Und Wouter war bestimmt wieder mit seiner Mutter zelten an der Nordsee.

Sven packt seine Tasche, wirft einen prüfenden Blick in den Spiegel und geht die Treppe hinunter.

„Hi“, sagt er zu seinem Vater, der am Frühstückstisch sitzt und in die Zeitung versunken ist. Der hebt abwesend den Kopf.

„Guten Morgen, Sven“, sagt er und liest direkt weiter. Sven nimmt seine Pausenbrote und greift nach der Erdnussbutter. „Hm“, sagt sein Vater und schüttelt den Kopf. Sven gießt sich ein Glas Tee ein. Der Vater murmelt irgendwas, faltet nachdenklich die Zeitung zusammen und steht auf.

„Ist was?“, fragt Sven.

Sein Vater schüttelt nur den Kopf. „Ich muss los. Dein erster Tag heute, oder?“

Sven nickt.

„Pack’s gut, Großer.“

„Danke.“

Als sein Vater die Tür hinter sich zuschlägt, nimmt Sven die Zeitung und sucht nach dem Artikel, der den Vater so beschäftigt hat. Ein Foto von einem Haus war auch dabei, hat Sven gesehen. Er blättert so lange, bis er die Seite gefunden hat. Wohltäter kommt Jugend zu Hilfe, lautet die Überschrift. Sven überfliegt den Artikel: Ein reicher Bürger der Gemeinde will, dass in einem seiner Häuser eine Anlaufstelle für obdachlose Jugendliche eingerichtet wird. Er möchte mit der Gemeinde über die nötigen Genehmigungen sprechen. Das Foto zeigt ein schönes Haus. Hoch, mit einer schweren, hölzernen Tür, in der es so eine altmodische Klappe gibt. Offensichtlich steht es leer.

Sven faltet die Zeitung zusammen und legt sie beiseite. Wenn das alles ist! Sein Vater sitzt im Stadtrat, seine Reaktion vorhin wird wohl irgendwie damit zusammenhängen. Schon zehn vor acht, Zeit, loszuradeln.

„He, Bram!“ Sven schiebt ein paar Sechstklässler beiseite und winkt seinem Freund.

Bram lacht. „Nicht so gemein zu den Kleinen, Mann!“

„Hast du den Stundenplan schon? Wo müssen wir überhaupt hin?“

„Raum 113. Philosophie. Swart heißt der Typ.“

„Ach ja, der Neue“, seufzt Sven. „Ich habe am Wochenende sogar kurz in das Buch geschaut. Voll öde. Und irgendwie hab ich nichts kapiert.“

„Und genau damit geht’s los in der ersten Woche. Bingo!“

Vor dem Raum 113 herrscht lautes Chaos. Tijmen quasselt auf Sanne ein, Loubna kommt dazu, Wouter ebenfalls. Alle reden durcheinander. Nach sieben Wochen Ferien steht einiges an. Bram knufft Sven in die Seite und zeigt vor zum Ende des Flurs. Ein großer, hagerer Mann kommt in ihre Richtung. Er bewegt sich schlaksig in seinem altmodischen braunen Anzug. Sein Gesicht ist klein, der Hals auffallend lang, schütteres, braunes Haar. Der würde ohne Weiteres als Comicfigur durchgehen. Als er näher kommt, fallen Sven die stechenden, braunen Augen dieses seltsamen Mannes auf. Offensichtlich ist er der Philosophielehrer. Sven sieht, wie auch Loubna und Sanne vielsagende Blicke tauschen. Was für ein schräger Vogel!

„Guten Morgen, Leute“, sagt dieser Herr Swart freundlich. „Genug geschlafen, um ein Stündchen nachzudenken?“

Gemurmel.

„Kommt herein!“

Sie suchen sich einen Platz. Sven setzt sich natürlich neben Bram.

„Godfried Swart“, sagt Swart. „Godfried mit d. So heiße ich. Aber für euch bin ich Herr Swart. Nicht weil ich solchen Wert darauf lege, sondern weil das in der Schule nun mal die Regel ist. Habt ihr schon einen Blick in euer Buch riskiert?“

Hier und da nickt jemand.

„Wie heißt du?“, fragt er Ilse.

Sie hebt verlegen den Kopf. „Ilse, Herr Swart.“

„Und? Was sagst du dazu?“

„Äh … Tja … Äh … Vielleicht ganz interessant.“

„Also, ich halte überhaupt nichts davon. Packt es doch gleich wieder ein.“

Sven schaut Bram verwundert an. Als er sieht, dass einer nach dem anderen das Buch verschwinden lässt, folgt er ihrem Beispiel.

Herr Swart sitzt inzwischen auf einem der leeren Tische.

„Und du, wie heißt du?“, fragt er das einzige Mädchen mit Kopftuch.

„Loubna.“

„Pack auch deine Schreibsachen weg, Loubna. Ihr braucht das vorläufig alles nicht. In dieser Stunde braucht ihr nur eins: euren Kopf.

Was ich für dieses Jahr vorhabe, ist, zusammen mit euch nachzudenken. Ich will euch von Menschen erzählen, die nachgedacht haben. Ich will euch berichten, was sie dachten. Und ich freue mich darauf, zu erfahren, was ihr darüber denkt. Mehr nicht. Irgendwann werde ich euch Noten geben müssen. Aber das ist jetzt noch kein Thema.“

„Das kann ja heiter werden“, flüstert Bram grinsend zu Sven. Der nickt.

„Was ist Philosophie?“, fragt Herr Swart.

„Das sagten Sie doch schon“, sagt Sanne vorlaut. „Nachdenken.“

„Stimmt“, sagt Swart. „Aber es ist mehr. Die Bedeutung des ursprünglich griechischen Wortes ist ungefähr ‚die Wahrheit lieben‘. Das Nachdenken hat also immer ein Ziel: die Wahrheit zu finden. Die ‚Wahrheit‘ ganz groß geschrieben.“

„Ist die Frage, ob es die überhaupt gibt“, sagt Jelle nachdenklich.

„Genau. Darum geht’s. Philosophie heißt nachdenken, suchen und fragen. Immerfort fragen. Und weiterfragen. Die Sache nochmals von einer anderen Seite betrachten. Und noch mal und noch mal.“

„Gelaber“, mault Sanne. „Könnte schon jetzt einschlafen“, sagt sie leise zu ihrer Nachbarin Loubna.

„Wieso Gelaber?“, fragt Herr Swart.

„Weil man nach Antworten sucht, die es vielleicht gar nicht gibt.“

„Und das heißt?“

„Na, dass es schade um die Zeit ist.“

Herr Swart sagt nichts, sondern steht auf und geht durch die Reihen.

„Ich will euch die Geschichte von einem Mann erzählen, der nicht einfach nur nachdenken, sondern laut und gemeinsam mit anderen nachdenken wollte. Er stellte seine Fragen genau so lange, bis es unangenehm wurde. In seiner Zeit war das sehr ungewöhnlich. Die Machthaber empfanden das als so bedrohlich, dass es ihn schließlich das Leben kostete.“

Swart geht wieder zu seinem Tisch, klappt seinen Laptop auf, schaltet die digitale Tafel ein und tippt etwas. Dann erscheint ein steinerner Kopf auf der Tafel. Fleischiges Gesicht, starke Nase, hohe Stirn, ein Bart mit vielen Locken.

„Wir reisen nach Griechenland“, sagt Herr Swart. „Und gleichzeitig auch nach draußen. Nehmt eure Jacken. Bisschen Ruhe auf dem Flur. In drei Minuten sehe ich euch auf dem Schulhof.“

„Hä?“, sagt Sven. Doch die anderen sind genauso verwirrt. Aber Herr Swart hat bereits seine Jacke angezogen und verlässt die Klasse.

„Und unsere Taschen?“, ruft Jelle noch. Aber das hört der Lehrer schon nicht mehr.

„Was soll denn das jetzt?“, sagt Sanne und seufzt, während sie mit Loubna die breiten Treppen hinabgeht.

„Ich finde ihn ganz witzig“, antwortet Loubna.

Herr Swart sitzt im Schneidersitz mitten auf dem Schulhof. „Der spinnt“, sagt Bram zu Sven.

„Kommt“, winkt Herr Swart. „Kommt und setzt euch zu mir.“

Zögernd nehmen sie Platz. Ilse stößt Bram in die Seite, weil der einfach nicht aufhören kann zu kichern. „Aber das hier ist doch auch bescheuert!“, sagt er noch. Jelle setzt sich auf seine Jacke, weil er keine Flecken auf seiner neuen Hose haben will.

„Wir sind in Athen“, sagt Herr Swart. „Es ist um 400 vor Christus. Wir alle haben eine schwierige Zeit hinter uns, in der ein Krieg auf den anderen folgte. Vielleicht haben wir kämpfen müssen. Vielleicht einen geliebten Menschen verloren. Aber jetzt herrscht Friede, und wir befinden uns auf der Agora, im Zentrum der Stadt.“

„Da war ich schon!“, ruft Tijmen begeistert. „Es ist nur nicht mehr viel davon übrig. Na ja, ein paar Haufen Steine.“

„Stimmt“, sagt Herr Swart. „Aber wir stellen uns vor, dass um uns herum große Gebäude stehen. Lange Säulengalerien und Tempel. Wir wissen, dass hier Recht gesprochen wird, dass Menschen hierherkommen und die Götter verehren, dass Stadtoberhäupter und Volksvertreter hier über die Angelegenheiten der Stadt sprechen. Leute mit ihren täglichen Einkäufen gehen vorbei, denn auch der Markt findet hier statt. In dem ganzen Gewimmel lauscht ihr mir, Sokrates, dem großen Philosophen, dem weisen Mann.“

„Der demnächst sterben wird“, spöttelt Wouter.

„Sicher!“, sagt Swart. „Aber so bald noch nicht. Erst hängt ihr alle an meinen Lippen. Ihr habt kein Auge für das, was um euch herum geschieht. Ihr lauscht mir, Sokrates. Ich bin nicht mehr der Jüngste, ich habe einen Bart und trage ein...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2015
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Aquin • Arendt • Aristoteles • Augustinus • Descartes • Kant • Kristeva • Locke • Marx • Nietzsche • Philosophen • Philosophie • Philosophieren • Platon • Socrates • Sophies Welt • Spinoza
ISBN-10 3-522-63052-1 / 3522630521
ISBN-13 978-3-522-63052-8 / 9783522630528
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