Wolfsschlucht (eBook)
400 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-42824-5 (ISBN)
Andreas Föhr, Jahrgang 1958, gelernter Jurist, arbeitete einige Jahre bei der Rundfunkaufsicht und als Anwalt. Seit 1991 verfasst er zusammen mit Thomas Letocha erfolgreich Drehbücher für das Fernsehen, u. a. für SOKO 5113, Ein Fall für zwei und Der Bulle von Tölz. Seine preisgekrönten Kriminalromane um das Ermittlerduo Wallner & Kreuthner stehen regelmäßig monatelang unter den Top 10 der Bestsellerlisten. Zuletzt war 'Herzschuss' Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Andreas Föhr lebt zusammen mit seiner Frau und einem Kater in einem alten Bauernhaus in der Nähe von Wasserburg. Wenn er nicht gerade schreibt, geht er am liebsten zum Wandern und Skifahren in die Berge, kocht Lasagne oder genießt das Leben in Italien und dem Burgund.
Andreas Föhr, Jahrgang 1958, gelernter Jurist, arbeitete einige Jahre bei der Rundfunkaufsicht und als Anwalt. Seit 1991 verfasst er zusammen mit Thomas Letocha erfolgreich Drehbücher für das Fernsehen, u. a. für SOKO 5113, Ein Fall für zwei und Der Bulle von Tölz. Seine preisgekrönten Kriminalromane um das Ermittlerduo Wallner & Kreuthner stehen regelmäßig monatelang unter den Top 10 der Bestsellerlisten. Zuletzt war "Herzschuss" Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Andreas Föhr lebt zusammen mit seiner Frau und einem Kater in einem alten Bauernhaus in der Nähe von Wasserburg. Wenn er nicht gerade schreibt, geht er am liebsten zum Wandern und Skifahren in die Berge, kocht Lasagne oder genießt das Leben in Italien und dem Burgund.
2
Mangfalltal
Die Christl meint immer, an Zinksarg bräucht’s net. Ja klar is der teuer, und dann steht er vielleicht jahrelang im Laden umeinand. Aber jetz stell dir vor, da kummt einer und sagt, er möcht seine Oma, also die sollt praktisch in die Familiengruft. Und ob er mal an Sarg anschauen kannt.« Florian Scheffler trank, durstig von seinem Vortrag, einen ordentlichen Schluck Bier und wischte sich den Schaum vom Mund. Seine Zunge ging schwer, es war die neunte Halbe. »Und dann hast du keinen Zinksarg. Den braucht’s halt für a Gruftbesch… schattung. So was musst du anbieten können. Sonst bist du nicht … konkurrenzfähig.« Für den Schluss des Satzes brauchte Scheffler mehrere Anläufe. »Ja gut, ob des jetzt einer mit Fenster sein muss, da kann man drüber reden, net? Aber ha… haben musst du einen!«
Der in Zivil anwesende Polizeiobermeister Leonhardt Kreuthner gähnte heftig, und als er damit fertig war, sagte er: »Jetzt hör endlich mit dem Scheißzinksarg auf. Was is ’n mit dera G’schicht, wo du vorhin so halb ang’fangen hast? Wo mir uns wundern täten, was es alles gibt beim Beerdigen?«
»Die? Ja des is ja, des fällt ja praktisch unter meine Verschwiegenheitspflicht.« Auch für dieses Wort musste Scheffler mehrfach ansetzen. »Da kann ich gar nix erzählen. Aber um noch amal auf den Zinksarg zurückzumkommen: Des is nämlich so …«
»Na, Flori«, unterbrach ihn Kreuthner. »Es reicht. Und weißt was? Heut bist fällig!«
Was dann folgte, war die erste Gerichtsverhandlung, die je in den Mauern des Wirtshauses Zur Mangfallmühle abgehalten wurde. Und dass man überhaupt dort zu Gericht saß, hatte etwas ganz Eigenes.
Die Mangfallmühle galt zu Zeiten, als Peter Zimbeck die Geschäfte führte, als das am übelsten beleumundete Lokal im ganzen Landkreis. Das heruntergekommene Wirtshaus im Flusstal zog Gesindel an wie ein Kuhfladen die Fliegen. Nach Zimbecks unerwartetem Tod vor fünf Jahren war das Haus eine Zeitlang leer gestanden, bis Harry Lintinger, Schrottplatzbesitzerssohn und Kleinkrimineller, die Wirtschaft vor drei Jahren pachtete und es fertigbrachte, innerhalb kürzester Zeit den alten Ruf wiederherzustellen. Kreuthner war schon in der Zimbeckschen Mangfallmühle Stammgast gewesen und war es jetzt wieder.
Mit Harry Lintinger verbanden Kreuthner unter anderem gemeinsame Geschäftsinteressen. Ebenfalls vor drei Jahren war nämlich Kreuthners Onkel Simon gestorben und hatte seinem Neffen eine alteingesessene Schwarzbrennerei hinterlassen. Da hatte es sich zwanglos ergeben, dass Kreuthner die Mangfallmühle mit den Erzeugnissen seines Nebengewerbes versorgte, erdigen Destillaten, die ihre Geschmacksnote einem gediegenen Anteil an Fettsäureestern, Terpenen, Aldehyden und einigen anderen Substanzen verdankten, die gewöhnlich unter dem Begriff Fuselöl zusammengefasst wurden. Man könnte nun mit einigem Recht sagen, dass es Kreuthners Bränden an Finesse mangelte. Andererseits hatte das auch sein Gutes. Kreuthner füllte nämlich seinen aus diversen Obstsorten verschnittenen Einheitsbrand in die leeren Schnapsflaschen, die ihm Harry Lintinger aus der Mangfallmühle mitgab. Vor dem Abfüllen spülte Kreuthner die Schnapsreste sehr behutsam aus, so dass die alten Etiketten (ebenso wie die den Flaschen anhaftenden Keime) unversehrt blieben. Infolgedessen lag es ganz im Walten des Zufalls, ob aus Kreuthners Brand eine Williams Birne, ein Zwetschgenwasser oder ein Schlehengeist wurde. Dank des rauhen Geschmacks war es unmöglich, festzustellen, dass etwas anderes in der Flasche war, als das Etikett vorgab, und in drei Jahren hatte es nicht eine Beschwerde von Lintingers Gästen gegeben.
Florian Scheffler übte den Beruf des Bestattungsunternehmers aus. Seine Zechkumpane in der Mangfallmühle waren sicher, dass die Branche so manche pikante oder deftige Geschichte hergab. Florian Scheffler jedoch machte allenfalls Andeutungen, berief sich im Weiteren aber auf seine berufliche Schweigepflicht. Stattdessen erzählte er öde Dinge über unterschiedliche Sargformen und dass die Stadt Tegernsee den Ausweis eines zusätzlichen Parkplatzes vor seinem Geschäft verlangte. Den Streit mit seiner Frau über das Thema Zinksarg etwa hatte er schon mehrfach zum Besten gegeben, und die Geschichte war nach allgemeiner Ansicht nicht nur langweilig, sondern das Langweiligste, was Florian Scheffler je erzählt hatte. Hinzu kam, dass man ihn schon mehrfach ermahnt hatte, keine langweiligen Geschichten zu erzählen. Objektiv betrachtet, mochte die Zinksargepisode nicht die allerlangweiligste seiner Geschichten gewesen sein. Aber an diesem Abend hatte Florian Scheffler den Bogen einfach überspannt.
Daher forderte Kreuthner eine harte Bestrafung, damit die Mangfallmühle künftig von Schefflers langweiligen Geschichten verschont bleibe. Der Vorschlag wurde per Akklamation johlend angenommen. Allerdings meldete sich ein gewisser Schinkinger-Joe zu Wort und gab zu bedenken, dass man einen Mann, wie abscheulich seine Taten auch sein mochten, nicht ohne ordentliches Gerichtsverfahren bestrafen dürfe. Mit Strafprozessen hatten viele der Wirtshausgäste Erfahrung, wenn auch meist keine guten. Dennoch wurde dem Vorschlag zugestimmt, versprach er doch ein grandioses Spektakel. Schinkinger-Joe (seinen wahren Namen kannte allenfalls die Polizei) hatte in jungen Jahren ein paar Semester Jura studiert und sich damals etwas voreilig eine schwarze Anwaltsrobe gekauft, die er jetzt aus dem Wagen holte und anlegte. Er nahm am Ende eines langen Tisches Platz und erklärte sich zum Richter in der Causa Scheffler. Den Ankläger gab Kreuthner, dem es auch oblag, den Straftatbestand zu formulieren. Die Anklage lautete, Freunde, andere Anwesende und überhaupt jeden mit faden Geschichten zu Tode gelangweilt zu haben – ein schwerwiegender Vorwurf in einem Wirtshaus. Kreuthner war sich sicher, eine lückenlose Beweiskette präsentieren zu können. Sein Kollege und Freund Sennleitner wurde zum Verteidiger bestimmt und nahm das Amt gegen jede innere Überzeugung an. Zu viert schleiften sie den Angeklagten an den Richtertisch – nicht weil er widersetzlich war, sondern so betrunken, dass er die fünf Meter nicht mehr aus eigener Kraft zurücklegen konnte.
Im Laufe der Verhandlung bot Kreuthner mehrere Zeugen auf, die versicherten, kein Mensch auf Erden habe sie jemals so gelangweilt wie der Angeklagte. Auch Harry Lintinger, der Wirt, wurde in den Zeugenstand berufen und erinnerte an die Geschichte, wie Scheffler einmal einen Strafzettel bekommen hatte. Ein leidvolles Stöhnen ging durch die Zuschauer, und selbst der Vorsitzende Richter vergaß für einen Moment die Würde seines Amtes und verbarg sein schmerzverzerrtes Gesicht in den Händen. Die Bemühungen der Verteidigung erschienen nach dieser für den Angeklagten desaströsen Beweiserhebung als nachgerade sinnlos. Doch Sennleitner packte der Ehrgeiz, und er holte aus ferner Vergangenheit einen Abend hervor, an dem der Angeklagte eine Geschichte erzählt und tatsächlich jemand gelacht hatte. Zwar konnten sich einige der Anwesenden an dieses denkwürdige Vorkommnis erinnern, doch stellte sich heraus, dass der Lacher ein norddeutscher, des Bairischen unkundiger Gast war, der aus nicht nachvollziehbaren Gründen gedacht hatte, Scheffler habe einen Witz erzählt. Somit blieb Sennleitner nur, anzuführen, dass der Angeklagte so gut wie jeden Abend in der Mangfallmühle verkehre und nie unter zehn Halben die Heimfahrt antrete, sich folglich um den Erhalt des als Gerichtsstätte dienenden Gasthauses enorme Verdienste erworben habe, was bei der Strafzumessung nicht unberücksichtigt bleiben dürfe.
Der Zwischenruf »Das Maul soll er halten!« veranlasste den Vorsitzenden Schinkinger-Joe mit einem Hammer auf den Wirtshaustisch zu hauen. Dann fragte er den Angeklagten, der dem Prozess bislang mit stoischer Miene beigewohnt hatte, ob er noch etwas zu sagen wünsche. Der nickte mit glasigem Blick, und der Vorsitzende forderte ihn auf, sich kurz zu fassen. Hier handelte es sich freilich um ein Missverständnis. Florian Scheffler hatte nicht genickt, sondern der Kopf war ihm auf die Brust gefallen, wie jetzt, da er seitlich vom Stuhl sackte, offenbar wurde. Und so kam es, dass der Angeklagte die Urteilsverkündung nicht bei Bewusstsein erlebte.
Das Strafmaß wurde ausgiebig diskutiert. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte sich seiner Bestrafung im Augenblick durch Ohnmacht entzogen hatte. Kreuthner plädierte dafür, die Strafe bei Wiedererwachen zu vollstrecken. Aber da keiner Lust hatte, so lange zu warten, beschloss man, Scheffler mitsamt seinem Leichenwagen in die Mangfall zu stellen. Kreuthner kannte ganz in der Nähe eine Stelle vor einer Wasserstufe, an der der Fluss nur knöcheltief war. Wenn man den Wagen mit der Fahrertür ganz nah an den Rand der Wasserstufe stellte, standen die Chancen gut, dass der verkaterte Scheffler morgens beim Aussteigen zwei Meter nach unten flog und im tiefen Wasser landete. Anschließend müsste er seinen Wagenschlüssel auslösen; über den Preis könnten sie in der Zwischenzeit beraten. Schefflers schlaffer Körper wurde unter Beteiligung fast aller Gäste hinausgetragen und in seinen Wagen gesetzt. Ein junger Mann, der stets mit Laptop in der Wirtschaft saß und allgemein als der Dude bekannt war, erbot sich, das Ganze ins Internet zu stellen. Die anderen Gäste erboten sich, dem Dude sämtliche Knochen zu brechen, falls er das tun sollte.
Die Nacht war dunkel. Nur eine dünne Mondsichel warf Licht auf den Leichenwagen, der schwarz und würdevoll im Fluss stand, am Rande eines kleinen Wasserfalls. Im Dunkel der Ufervegetation leuchteten rote Punkte. Das waren keine Glühwürmchen, das waren die Zigaretten der...
Erscheint lt. Verlag | 28.1.2015 |
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Reihe/Serie | Ein Wallner & Kreuthner Krimi | Ein Wallner & Kreuthner Krimi |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Andreas Föhr • Andreas Föhr Wallner und Kreuthner Reihenfolge • Bayern • Bayernkrimi • Bestattungsunternehmer • Drehbuch • Drehbuchautor • Föhr • Föhr Andreas Bücher • Föhr Krimi • Föhr Wallner • Friedrich-Glauser-Preis • Halserspitze • Hexe • humorvolle Krimis • Kommissar Wallner • Kreuthner • Krimi Bayern • Krimi deutsche Autoren • Krimi Deutschland • Krimi Humor • Krimi humorvoll • Kriminalromane Serien • Krimi regional • krimi reihen • Krimis mit Humor • Krimis und Thriller • Leichen-Leo • Leichenwagen • Maibaum • Mangfallgebirge • Polizeiobermeister Kreuthner • Regio • Regiokrimi • Tegernsee • Vermisst • Wallner • Wallner & Kreuthner Krimi • Wallner Kreuthner • Wallner Kreuthner Krimi Reihenfolge • Wallner und Kreuthner • Wolfsschlucht |
ISBN-10 | 3-426-42824-5 / 3426428245 |
ISBN-13 | 978-3-426-42824-5 / 9783426428245 |
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