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Liebe (eBook)

(Autor)

Raoul Walisch (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2015 | 1., Originalausgabe
120 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-73814-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Liebe - Rainer Maria Rilke
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»Ich habe nie begriffen, wie eine wirkliche, elementare, durch und durch wahre Liebe unerwidert sein kann; da sie doch nichts anderes ist, als der dringende selige Anspruch an einen Andern, schön, reich, groß, innig, unvergeßlich zu sein; die an ihn heranflutende Verpflichtung, etwas zu werden.« Einfach ist die Liebe nicht, davon wusste auch Rilke zu berichten. Doch wird sie ernst genommen, sorgsam gehegt und durch schwierige Zeiten hindurch bewahrt, offenbart sie uns ihr schönstes Geheimnis, denn: »Einmal liebend, einmal entflammt, darf man sich nicht mehr für unglücklich halten.«

<p>Rainer Maria Rilke wurde am 4. Dezember 1875 in Prag geboren. Nach dem Abbruch der Militärschule studierte er Literatur, Kunstgeschichte und Philosophie in Prag, München und Berlin und schrieb Gedichte. Nach einer Liaison mit der verheirateten Lou Andreas-Salomé und heiratete er 1901 Clara Westhoff, die Scheidung folgte schon im folgenden Jahr. Aus Geldnot nahm Rilke Auftragsarbeiten an und reiste 1902 nach Paris, wo das Gedicht<em> Der Panther</em> entstand. Rilke unternahm Reisen nach Nordafrika, Ägypten und Spanien. Rilkes Tagebuchroman <em>Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge</em> wurde 1910 veröffentlicht. 1919 siedelte er in die Schweiz über. In den 1920er Jahren erkrankte er an Leukämie und verstarb schließlich am 29. Dezember 1926 im Sanatorium Valmont bei Montreux in der Schweiz. </p> <p>Rainer Maria Rilke ist einer der bedeutendsten Lyriker deutscher Sprache. Seit dem Jahr 1900 ist er Autor des Insel Verlages, sein Werk wird hier geschlossen betreut.</p>

Liebe


 

Aus meinem Tag soll ich Dir noch erzählen: er ist arm, denn Du bist fern; er ist reich, denn Deine Güte liegt leuchtend über seinen Dingen. Ich spreche viel zu Dir und mit allem von Dir. Lebe leider mitten unter Menschen die mit ihrem Lautsein meine Träume stören, natürlich kenne ich keinen. Es sind Menschen, die von Ausflügen, Regentagen und Kindererziehung sprechen, sich tiefe Verbeugungen machen, wobei sie grinsen und sich die Hände reiben, und sich täglich zehnmal übermäßig laut »Guten Morgen« sagen. […] Es ist nicht allein wertvoll, daß zwei Menschen einander erkennen, es ist von großer Wichtigkeit, daß sie einander zur rechten Zeit finden und mit einander tiefe und stille Feste feiern in denen sie zusammenwachsen in ihren Wünschen, um gegen Stürme geeint zu sein. Wieviele Menschen mögen schon an einander vorübergegangen sein, weil sie nicht Zeit fanden sich an einander zu gewöhnen; ehe zwei Menschen gemeinsam unglücklich sein dürfen, müssen sie zusammen selig gewesen sein und eine gemeinsame heilige Erinnerung haben, die verwandtes Lächeln auf ihre Lippen und verwandte Sehnsucht in ihren Seelen bewahrt. […] Solche Menschen gehn durch alle Stürme gemeinsam.

Ich fühls!

Rainer.

Rilke an Lou Andreas-Salomé, 5. ‌9. ‌1897, RMR/LAS, 25-26

 

 

 

 

Lösch mir die Augen aus: ich kann Dich sehn

Wirf mir die Ohren zu: ich kann Dich hören

Und ohne Fuß noch kann ich zu Dir gehn

Und ohne Mund noch kann ich Dich beschwören.

Brich mir die Arme ab: ich fasse Dich

Mit meinem Herzen wie mit einer Hand

Reiß mir das Herz aus und mein Hirn wird schlagen

Und wirfst Du mir auch in mein Hirn den Brand

so will ich Dich auf meinem Blute tragen

Rilke an Lou Andreas-Salomé, RMR/LAS, 26

 

 

 

 

Du nur, einzig du bist.

Wir aber gehn hin, bis einmal

unsres Vergehens so viel ist,

daß du entstehst: Augenblick,

schöner, plötzlicher,

in der Liebe entsteht oder,

entzückt, in des Werkes Verkürzung.

 

Dein bin ich, dein; wieviel mir die Zeit auch

anhat. Von dir zu dir

bin ich befohlen. Dazwischen

hängt die Guirlande im Zufall, daß aber du sie

auf- und auf- und aufnimmst:

siehe: die Feste!

KA 2, 130

 

 

 

 

Siehe, ich wußte es sind

solche, die nie den gemeinsamen Gang

lernten zwischen den Menschen;

sondern der Aufgang in plötzlich

entatmete Himmel

war ihr Erstes. Der Flug

durch der Liebe Jahrtausende

ihr Nächstes, Unendliches.

 

Eh sie noch lächelten

weinten sie schon vor Freude;

eh sie noch weinten

war die Freude schon ewig.

 

Frage mich nicht

wie lange sie fühlten; wie lange

sah man sie noch? Denn unsichtbare sind

unsägliche Himmel

über der inneren Landschaft.

 

Eines ist Schicksal. Da werden die Menschen

sichtbarer. Stehn wie Türme. Verfalln.

Aber die Liebenden gehn

über der eignen Zerstörung

ewig hervor; denn aus dem Ewigen

ist kein Ausweg. Wer widerruft

Jubel?

KA 2, 117-118

LIEBESANFANG


 

O Lächeln, erstes Lächeln, unser Lächeln.

Wie war das Eines: Duft der Linden atmen,

Parkstille hören –, plötzlich in einander

aufschaun und staunen bis heran ans Lächeln.

 

In diesem Lächeln war Erinnerung

an einen Hasen, der da eben drüben

im Rasen spielte; dieses war die Kindheit

des Lächelns. Ernster schon war ihm des Schwanes

Bewegung eingegeben, den wir später

den Weiher teilen sahen in zwei Hälften

lautlosen Abends. – Und der Wipfel Ränder

gegen den reinen, freien, ganz schon künftig

nächtigen Himmel hatten diesem Lächeln

Ränder gezogen gegen die entzückte

Zukunft im Antlitz.

KA 2, 131-132

 

 

 

 

Schöne Aglaja, Freundin meiner Gefühle,

unser Frohsein erreichte den Lerchenschlag

oben im Morgen. Laß uns nicht fürchten die Kühle

abends nach unserm Sommertag.

 

Kurve der Liebe, laß sie uns zeichnen. Ihr Steigen

soll uns unendlich rühmlich sein.

Aber auch später, wenn sie sich neigt –: wie eigen.

Wie deine feine Braue so rein.

KA 2, 182

 

 

 

 

Comment fais-tu, beau melon, d'être si frais à l'intérieur, après avoir eu tout ce soleil pour mûrir? Cela me rappelle l'amante délicieuse qui avait des lèvres de source, même au plus fort de l'été de l'amour.

 

(Wie machst du es, schöne Melone, so frisch zu sein im Innern, nachdem du all diese Sonne gehabt hast, um zu reifen? Das erinnert mich an die liebliche Liebende, die Lippen hatte wie eine Quelle, sogar im Höchstsommer der Liebe.)

KA 5, 234 und 235

 

 

 

 

Laß uns Legenden der Liebe hören.

Zeig uns ihr kühnes köstliches Leid.

Wo sie im Recht war, war alles Beschwören,

hier ist das meiste verleugneter Eid.

KA 2, 284

 

 

 

 

Du im Voraus

verlorne Geliebte, Nimmergekommene,

nicht weiß ich, welche Töne dir lieb sind.

Nicht mehr versuch ich, dich, wenn das Kommende wogt,

zu erkennen. Alle die großen

Bilder in mir, im Fernen erfahrene Landschaft,

Städte und Türme und Brücken und un-

vermutete Wendung der Wege

und das Gewaltige jener von Göttern

einst durchwachsenen Länder:

steigt zur Bedeutung in mir

deiner, Entgehende, an.

 

Ach, die Gärten bist du,

ach, ich sah sie mit solcher

Hoffnung. Ein offenes Fenster

im Landhaus –, und tratest beinahe

mir nachdenklich heran. Gassen fand ich, –

du warst sie gerade gegangen,

und die Spiegel manchmal der Läden der Händler

waren noch schwindlich von dir und gaben erschrocken

mein zu plötzliches Bild. – Wer weiß, ob derselbe

Vogel nicht hinklang durch uns

gestern, einzeln, im Abend?

KA 2, 89-90

 

 

 

 

Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Siehe, wie klein dort,

siehe: die letzte Ortschaft der Worte, und höher,

aber wie klein auch, noch ein letztes

Gehöft von Gefühl. Erkennst du's?

Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Steingrund

unter den Händen. Hier blüht wohl

einiges auf; aus stummen Absturz

blüht ein unwissendes Kraut singend hervor.

Aber der Wissende? Ach, der zu wissen begann

und schweigt nun, ausgesetzt auf den Bergen des Herzens.

Da geht wohl, heilen Bewusstseins,

manches umher, Manches gesicherte Bergtier,

wechselt und weilt. Und der große geborgene Vogel

kreist um der Gipfel reiner Verweigerung. – Aber

ungeborgen, hier auf den Bergen des Herzens ….

KA 2, 115-116

 

 

 

 

Einmal noch kam zu dem Ausgesetzten,

der auf seines Herzens Bergen ringt,

Duft der Täler. Und der trank den letzten

Atem wie die Nacht die Winde trinkt.

Stand und trank den Duft, und trank und kniete

noch ein Mal

Über seinem steinigen Gebiete

war des Himmels atemloses Tal

ausgestürzt. Die Sternen pflücken nicht

Fülle, die die Menschenhände tragen,

schreiten schweigend, wie durch Hörensagen

durch ein weinendes Gesicht.

KA 2, 117

ZUEIGNUNG AN M ….


geschrieben am 6. und 8. November 1923
(als Arbeits-Anfang eines neuen Winters auf Muzot)

 

Schaukel des Herzens. O sichere, an welchem unsichtbaren

Aste befestigt. Wer, wer gab dir den Stoß,

daß du mit mir bis ins Laub schwangst.

Wie nahe war ich den Früchten, köstlichen. Aber nicht Bleiben

ist im Schwunge der Sinn. Nur das Nahesein, nur

am immer zu Hohen plötzlich das mögliche

Nahsein. Nachbarschaften und dann

von unaufhaltsam erschwungener Stelle

– wieder verlorener schon – der neue, der Ausblick.

Und jetzt: die befohlene Umkehr

zurück und hinüber hinaus in des Gleichgewichts Arme.

Unten, dazwischen, das Zögern, der irdische Zwang, der Durchgang

durch die Wende der Schwere –, vorbei: und es spannt sich die Schleuder,

von der Neugier des Herzens beschwert,

in das andere Gegenteil aufwärts.

Wieder wie anders, wie neu! Wie sich beide beneiden

an den Enden des Seils, diese Hälften der Lust.

 

Oder, wag ich es: Viertel? – Und rechne, weil er sich weigert,

jenen, den Halbkreis hinzu, der die Schaukel verstößt?

Nicht ertäusch ich ihn mir, als meiner hiesigen Schwünge

Spiegel. Errat nichts. Er sei

einmal neuer. Aber von Endpunkt zu Endpunkt

meines gewagten Schwungs nehm ich ihn...

Erscheint lt. Verlag 10.1.2015
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 50plus • Best Ager • Generation Gold • Golden Ager • insel taschenbuch 4352 • IT 4352 • IT4352 • Liebe • Rainer Maria • Rentner • Rentnerdasein • Rilke • Rilke Rainer Maria • Rilke, Rainer Maria • Ruhestand • Senioren • unglückliche Liebe
ISBN-10 3-458-73814-2 / 3458738142
ISBN-13 978-3-458-73814-5 / 9783458738145
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