Hamlet (eBook)
148 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-75760-3 (ISBN)
<p>William Shakespeare wurde vermutlich am 23. April 1564 in Stratford-upon-Avon geboren. Seine schöpferische Sprachkraft und die meisterhafte psychologische Gestaltung seiner Charaktere begründen seine Bedeutung und seinen Ruhm als Dramatiker und Dichter. Werke wie <em>König Johann, Ein Sommernachtstraum, Der Kaufmann von Venedig</em>, oder seine Tragödien <em>Hamlet, Romeo und Julia, Othello </em>oder <em>König Lear </em>markieren Höhepunkte der Weltliteratur und sind von den großen internationalen Bühnen nicht mehr wegzudenken. William Shakespeare verstarb am 23. April 1616 in Stratford-upon-Avon.</p>
ZWEITER AUFZUG
ERSTE SZENE
Ein Zimmer im Hause des Polonius
Polonius und Reinhold treten auf
POLONIUS Gib ihm dies Geld und die Papiere, Reinhold!
REINHOLD Ja, gnäd'ger Herr.
POLONIUS Ihr werdet mächtig klug tun, guter Reinhold,
Euch zu erkund'gen, eh' Ihr ihn besucht,
Wie sein Betragen ist.
REINHOLD Das dacht' ich auch zu tun.
POLONIUS Ei, gut gesagt! recht gut gesagt! Seht Ihr,
Erst fragt mir, was für Dänen in Paris sind,
Und wie, wer, auf was Art und wo sie leben,
Mit wem, was sie verzehren; wenn Ihr dann
Durch diesen Umschweif Eurer Fragen merkt,
Sie kennen meinen Sohn, so kommt Ihr näher,
Als man mit Fragen geradezu es trifft.
Tut gleichsam wie von fern bekannt; zum Beispiel:
»Ich kenne seinen Vater, seine Freunde
Und auch zum Teil ihn selbst.« – Versteht Ihr, Reinhold?
REINHOLD Vollkommen, gnäd'ger Herr.
POLONIUS »Zum Teil auch ihn; doch«, mögt Ihr sagen, »wenig
Und wenn's der rechte ist, der ist gar wild,
Treibt dies und das« – dann gebt ihm nach Belieben
Erlogne Dinge schuld; nur nichts so Arges,
Das Schand' ihm brächte; davor hütet Euch.
Nein, solche wilde, ausgelaßne Streiche,
Als hergebrachtermaßen die Gefährten
Der Jugend und der Freiheit sind.
REINHOLD Als Spielen.
POLONIUS Ja, oder Trinken, Raufen, Fluchen, Zanken,
Huren – so weit könnt Ihr gehn.
REINHOLD Das würd' ihm Schande bringen, gnäd'ger Herr.
POLONIUS Mein' Treu nicht, wenn Ihr's nur zu wenden wißt.
Ihr müßt ihn nicht in andern Leumund bringen,
Als übermannt' ihn Unenthaltsamkeit.
Das ist die Meinung nicht; bringt seine Fehler zierlich
Ans Licht, daß sie der Freiheit Flecken scheinen,
Der Ausbruch eines feurigen Gemüts
Und eine Wildheit ungezähmten Bluts,
Die jeden anficht.
REINHOLD Aber, bester Herr –
POLONIUS Weswegen Ihr dies tun sollt?
REINHOLD Ja, das wünscht' ich
Zu wissen, Herr.
POLONIUS Ei nun, mein Plan ist der,
Und, wie ich denke, ist's ein Pfiff, der anschlägt:
Werft Ihr auf meinen Sohn so kleine Makeln,
Als wär' er in der Arbeit was beschmutzt –
Merkt wohl!
Wenn der Mitunterredner, den Ihr aushorcht,
In vorbenannten Lastern jemals schuldig
Den jungen Mann gesehen, so seid gewiß,
Daß selb'ger folgendergestalt Euch beitritt:
»Lieber Herr«, oder so; oder »Freund«, oder »mein
Wertester«,
Wie nun die Redensart und die Betitlung
Bei Land und Leuten üblich ist.
REINHOLD Sehr wohl!
POLONIUS Und hierauf tut er dies: – Er tut – ja was wollte ich doch sagen? Beim Sakrament, ich habe was sagen wollen.
Wo brach ich ab?
REINHOLD Bei: »folgendergestalt Euch beitritt.«
POLONIUS Bei: »folgendergestalt Euch beitritt.« – Ja,
Er tritt Euch also bei: »Ich kenn' ihn wohl, den Herrn,
Ich sah ihn gestern oder neulich 'mal,
Oder wann es war; mit dem und dem; und, wie Ihr sagt,
Da spielt' er hoch, da traf man ihn im Rausch;
Da rauft' er sich beim Ballspiel«; oder auch:
»Ich sah ihn gehn in solch ein saubres Haus«
(Will sagen: ein Bordell), und mehr dergleichen. – Seht nun,
Eu'r Lügenköder fängt den Wahrheitskarpfen;
So wissen wir, gewitzig, helles Volk,
Mit Krümmungen und mit verstecktem Angriff
Durch einen Umweg auf den Weg zu kommen;
Und so könnt Ihr, wie Euch Anweisung
Und Rat erteilet, meinen Sohn erforschen.
Ihr habt's gefaßt, nicht wahr?
REINHOLD Ja, gnäd'ger Herr.
POLONIUS Nun, Gott mit Euch! lebt wohl!
REINHOLD Mein bester Herr –
POLONIUS Bemerkt mit eignen Augen seinen Wandel.
REINHOLD Das will ich tun.
POLONIUS Und daß er die Musik mir fleißig treibt.
REINHOLD Gut, gnäd'ger Herr.
Ab. Ophelia kommt
POLONIUS Lebt wohl! – Wie nun, Ophelia, was gibt's?
OPHELIA O lieber Herr, ich bin so sehr erschreckt!
POLONIUS Wodurch, ins Himmels Namen?
OPHELIA Als ich in meinem Zimmer näht', auf einmal
Prinz Hamlet – mit ganz aufgerißnem Wams,
Kein Hut auf seinem Kopf, die Strümpfe schmutzig
Und losgebunden auf den Knöcheln hängend;
Bleich wie sein Hemde; schlotternd mit den Knien;
Mit einem Blick, von Jammer so erfüllt,
Als wär' er aus der Hölle losgelassen,
Um Greuel kundzutun – so tritt er vor mich.
POLONIUS Verrückt aus Liebe?
OPHELIA Herr, ich weiß es nicht;
Allein ich fürcht' es wahrlich.
POLONIUS Und was sagt' er?
OPHELIA Er griff mich bei der Hand und hielt mich fest,
Dann lehnt' er sich zurück, so lang sein Arm;
Und mit der andern Hand so überm Auge,
Betrachtet' er so prüfend mein Gesicht,
Als wollt' er's zeichnen. Lange stand er so;
Zuletzt ein wenig schüttelnd meine Hand
Und dreimal hin und her den Kopf so wägend,
Holt' er solch einen bangen tiefen Seufzer,
Als sollt' er seinen ganzen Bau zertrümmern
Und endigen sein Dasein. Dies getan,
Läßt er mich gehn, und über seine Schultern
Den Kopf zurückgedreht, schien er den Weg
Zu finden ohne seine Augen; denn
Er ging zur Tür hinaus ohn' ihre Hilfe
Und wandte bis zuletzt ihr Licht auf mich.
POLONIUS Geht mit mir, kommt; ich will den König suchen.
Dies ist die wahre Schwärmerei der Liebe,
Die, ungestüm von Art, sich selbst zerstört
Und leitet zu verzweifelten Entschlüssen,
So oft als irgendeine Leidenschaft,
Die unterm Mond uns quält. Es tut mir leid –
Sagt, gabt Ihr ihm seit kurzem harte Worte?
OPHELIA Nein, bester Herr, nur wie Ihr mir befahlt,
Wies ich die Briefe ab und weigert' ihm
Den Zutritt.
POLONIUS Das hat ihn verrückt gemacht.
Es tut mir leid, daß ich mit besserm Urteil
Ihn nicht beachtet. Ich sorgt', er tändle nur
Und wolle dich verderben; doch verdammt mein Argwohn!
Uns Alten ist's so eigen, wie es scheint,
Mit unsrer Meinung übers Ziel zu gehn,
Als häufig bei dem jungen Volk der Mangel
An Vorsicht ist. Gehn wir zum König, komm.
Er muß dies wissen, denn es zu verstecken,
Brächt' uns mehr Gram, als Haß, die Lieb' entdecken.
Komm.
Ab
ZWEITE SZENE
Ein Zimmer im Schlosse
Der König, die Königin, Rosenkranz, Güldenstern und Gefolge
KÖNIG Willkommen, Rosenkranz und Güldenstern!
Wir wünschten nicht nur sehnlich, euch zu sehn,
Auch das Bedürfnis eurer Dienste trieb
Uns zu der eil'gen Sendung an. Ihr hörtet
Von der Verwandlung Hamlets schon: so nenn' ich's,
Weil noch der äußre, noch der innre Mensch
Dem gleichet, was er war. Was es nur ist,
Als seines Vaters Tod, das ihn so weit
Von dem Verständnis seiner selbst gebracht,
Kann ich nicht raten. Ich ersuch' euch beide –
Da ihr von Kindheit auf mit ihm erzogen
Und seiner Laun' und Jugend nahe bliebt –
Ihr wollet hier an unserm Hof verweilen
Auf...
Erscheint lt. Verlag | 10.11.2014 |
---|---|
Co-Autor | Norbert Kohl |
Mitarbeit |
Sonstige Mitarbeit: Levin Ludwig Schücking |
Übersetzer | August Wilhelm Schlegel |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Dramatik / Theater |
Schlagworte | 50plus • Best Ager • England • Generation Gold • Golden Ager • insel taschenbuch 4514 • IT 4514 • IT4514 • Klassiker • Rentner • Rentnerdasein • Ruhestand • Schauspiel • Senioren • Tragödie |
ISBN-10 | 3-458-75760-0 / 3458757600 |
ISBN-13 | 978-3-458-75760-3 / 9783458757603 |
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