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Ich finde dich (eBook)

Spiegel-Bestseller
Thriller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2014
448 Seiten
Page & Turner (Verlag)
978-3-641-13387-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ich finde dich - Harlan Coben
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Natalie war die Liebe seines Lebens. Doch sie hat ihn verlassen, hat wie aus dem Nichts einen anderen Mann geheiratet, und Jake Fischer war am Boden zerstört. Bei ihrem Abschied musste er Natalie zudem schwören, sie zu vergessen, sie nie mehr zu kontaktieren. Doch als sechs Jahre später etwas Unglaubliches geschieht, bricht Jake sein Versprechen - und macht sich auf die Suche nach Natalie. Eine Suche, die seine eigene gutbürgerliche Existenz für immer zerstört. Und die ihm offenbart, dass die Frau, die er zu lieben glaubte, nie wirklich existiert hat ...

Harlan Coben wurde 1962 in New Jersey geboren. Nachdem er zunächst Politikwissenschaft studiert hatte, arbeitete er später in der Tourismusbranche, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Seine Thriller wurden bisher in 45 Sprachen übersetzt, erobern regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten und wurden zu großen Teilen verfilmt. Harlan Coben, der als erster Autor mit den drei bedeutendsten amerikanischen Krimipreisen ausgezeichnet wurde - dem Edgar Award, dem Shamus Award und dem Anthony Award -, gilt als einer der wichtigsten und erfolgreichsten Thrillerautoren seiner Generation. Er lebt mit seiner Familie in New Jersey.

EINS

Ich saß in der hintersten Kirchenbank und sah zu, wie die einzige Frau, die ich je lieben würde, einen anderen Mann heiratete.

Natalie kam ganz in Weiß – wie auch sonst – und sah so hinreißend aus, dass ich es nie wieder vergessen würde. In ihrer Schönheit hatten sich schon immer Grazilität und eine ruhige Kraft vereint, aber da oben, auf der Empore vor dem Altar, sah sie so ätherisch aus, als wäre sie nicht von dieser Welt.

Sie biss sich auf die Unterlippe. Mir gingen die ruhigen Vormittage durch den Kopf, an denen sie, nachdem wir uns geliebt hatten, in mein hellblaues Hemd geschlüpft und mit mir nach unten gegangen war. Wir hatten uns in die Essecke gesetzt und die Zeitung gelesen, bis sie schließlich zu ihrem Skizzenblock gegriffen und angefangen hatte, mich zu zeichnen. Auch dabei hatte sie sich so auf die Unterlippe gebissen.

Zwei Hände griffen in meine Brust, packten mein ausgemergeltes Herz und brachen es entzwei.

Warum war ich hier?

Glauben Sie an Liebe auf den ersten Blick? Ich auch nicht. Ich glaube allerdings an die große, mehr als rein körperliche Anziehung auf den ersten Blick. Ich glaube, dass man sich gelegentlich – ein, vielleicht zwei Mal im Leben – ungestüm, ursprünglich und unmittelbar zu einem Menschen hingezogen fühlt – stärker als durch Magnetismus. So war es mir mit Natalie ergangen. Manchmal ist das schon alles. Dann kommt nichts mehr. Doch gelegentlich steigert sich diese Anziehung noch, die Energie nimmt zu, bis sich alles in ein heiß loderndes Flammenmeer verwandelt, dessen Wahrhaftigkeit unverkennbar ist.

Und manchmal vertut man sich und hält Ersteres für Letzteres.

Ich war so naiv gewesen zu glauben, wir würden ewig zusammenbleiben. Ich, der ich nie wirklich an langfristige Bindungen geglaubt und alles dafür getan hatte, mir diese Fesseln niemals anlegen zu lassen, hatte vom ersten Moment an – na ja, jedenfalls nach nicht einmal einer Woche – gewusst, dass dies die Frau war, neben der ich Tag für Tag aufwachen wollte, dass ich mein Leben ihrem Wohlergehen widmen wollte. Sie war die Frau – ja, mir ist klar, wie kitschig das klingt –, ohne die ich keinen Schritt mehr gehen konnte, die Frau, deren Gegenwart jede noch so prosaische Handlung mit Magie erfüllte.

Zum Kotzen dieser Kitsch, oder?

Vorne sprach ein Pfarrer mit kahlrasiertem Kopf, das Rauschen in meinen Ohren war jedoch so laut, dass ich kein Wort verstand. Ich starrte Natalie an. Ja, ich wollte, dass sie glücklich wird. Und das war kein reines Lippenbekenntnis, nicht die Lüge, mit der wir uns selbst gern besänftigen, wenn wir in Wahrheit der Geliebten, die uns verschmäht, alles Unglück dieser Welt wünschen. Ich meinte es ernst. Hätte ich wirklich angenommen, dass Natalie ohne mich ein glücklicheres Leben führen könnte, hätte ich sie gehen lassen, auch wenn es mich zerstört hätte. Aber genau das glaubte ich nicht, ganz egal, was sie sagte oder tat. Ja, vielleicht war auch das nur ein Rechtfertigungsmechanismus, mit dem wir versuchen, uns zu besänftigen, eine weitere Lüge, die dazu diente, uns zu beruhigen.

Natalie sah mich nicht ein einziges Mal an, aber ich meinte einen angestrengten Zug um ihren Mund entdecken zu können. Sie wusste, dass ich in der Kirche war. Sie wandte den Blick keinen Moment von ihrem zukünftigen Ehemann ab, dessen Name Todd lautete, wie ich kürzlich erfahren hatte. Ich kann den Namen Todd nicht ausstehen. Todd. Wahrscheinlich nannten seine Freunde ihn Toddy, Todd-Man oder den Toddster.

Todds Haare waren zu lang, und er trug einen Drei- bis Viertagebart, den einige Menschen als hip und andere, zu denen ich mich zählte, zum Reinschlagen fanden. Sein Blick glitt geschmeidig und selbstgefällig über die Gäste hinweg, bevor er, tja, an mir hängen blieb, wo er einen Moment taxierend verharrte, bis er zu dem Schluss kam, dass ich nicht der Mühe wert war.

Warum war Natalie zu ihm zurückgekehrt?

Natalies Schwester Julie war die Brautjungfer. Sie hielt einen Blumenstrauß in beiden Händen und stand mit einem leblosen, roboterhaften Lächeln auf dem Podium. Wir waren uns nie begegnet, ich kannte sie jedoch von Fotos und hatte ein paar Mal mitgehört, als Natalie mit ihr telefonierte. Auch Julie wirkte etwas überrascht und verblüfft von der Entwicklung. Ich versuchte, ihr in die Augen zu sehen, doch sie starrte mit leerem Blick ins Nichts.

Ich konzentrierte mich wieder auf Natalies Gesicht, und sofort detonierten in meiner Brust kleine Sprengsätze. Bum, bum, bum. Mann, was für eine bescheuerte Idee, hierherzukommen. Als der Trauzeuge die Ringe präsentierte, wurde der Druck auf meiner Brust so stark, dass ich kaum noch Luft bekam.

Genug davon.

Wahrscheinlich war ich hier, um es mit eigenen Augen zu sehen. Dass das nötig war, hatte ich vor Kurzem auf die harte Tour gelernt. Mein Vater war vor fünf Monaten an einem schweren Herzinfarkt gestorben. Bis dahin hatte er keinerlei Probleme mit dem Herzen gehabt und war auch sonst in guter Verfassung gewesen. Ich weiß noch, wie ich aus dem Wartezimmer in den Behandlungsraum des Arztes gebeten worden war, der mir die niederschmetternde Nachricht übermittelt und mich gefragt hatte, ob ich meinen toten Vater noch einmal sehen wollte. Dasselbe hatte man mich später auch im Beerdigungsinstitut gefragt. Ich hatte Nein gesagt. Wahrscheinlich wollte ich mich nicht an seinen Anblick auf der Bahre oder im Sarg erinnern. Ich wollte ihn so in Erinnerung behalten, wie ich ihn gekannt hatte.

Im Nachhinein musste ich dann allerdings feststellen, dass ich Schwierigkeiten hatte, seinen Tod zu akzeptieren. Er war so voller Energie, so voller Leben gewesen. Nur zwei Tage vor seinem Tod waren wir gemeinsam bei einem Eishockeyspiel der New York Rangers gewesen – Dad hatte eine Dauerkarte –, das Spiel war in die Verlängerung gegangen, wir hatten gekreischt und geschrien, und – wie konnte dieser Mann plötzlich tot sein? Manchmal fragte ich mich, ob da nicht jemandem ein Fehler unterlaufen war oder ob es sich um einen riesengroßen Schwindel handelte und mein Dad noch irgendwo lebte. Ich weiß, dass das ein unsinniger Gedanke ist, aber die Verzweiflung treibt manchmal seltsame Blüten, und wenn man ihr auch nur den kleinsten Spielraum lässt, fängt die Fantasie an, Alternativszenarien zu entwerfen.

In gewisser Weise belastete mich also die Tatsache, dass ich die Leiche meines Vaters nicht gesehen hatte. Diesen Fehler wollte ich keinesfalls wiederholen. Aber – um in dem etwas überstrapazierten Bild zu bleiben – diesmal hatte ich die Leiche gesehen. Und es gab keinen Grund, bei ihr noch den Puls zu fühlen oder irgendwie anderweitig daran herumzudoktern.

Ich versuchte, so unauffällig wie möglich zu verschwinden. Das ist nicht einfach, wenn man ein Meter siebenundneunzig groß und, um es mit Natalies Worten zu sagen, »wie ein Holzfäller gebaut« ist. Ich habe große Hände. Natalie hatte sie geliebt. Sie hatte sie genommen und war die Linien in meiner Handfläche nachgefahren. Sie sagte, es wären echte Hände, Männerhände. Sie hatte sie auch gezeichnet, weil sie, wie sie sagte, viel über mein Leben erzählten, darüber, dass ich in einem Arbeiterhaushalt aufgewachsen war, über den Job als Türsteher eines lokalen Clubs, mit dem ich mein Studium am Lanford College finanziert hatte, und irgendwie auch über die Tatsache, dass ich jetzt dort der jüngste Professor im Fachbereich Politikwissenschaft war.

Ich taumelte aus der kleinen, weißen Kapelle in die warme Sommerluft. Sommer. War das am Ende vielleicht alles gewesen? Eine sommerliche Affäre? Aber wir waren keine sexhungrigen Jugendlichen in einem Ferienlager, sondern zwei erwachsene Menschen auf der Suche nach Ruhe und Einsamkeit – sie, um sich ihrer Kunst zu widmen, ich, um meine politikwissenschaftliche Dissertation zu schreiben –, die sich kennengelernt und heftig ineinander verliebt hatten, und jetzt, wo es auf September zuging, tja, auch die besten Dinge im Leben gehen irgendwann zu Ende. Unsere ganze Beziehung hatte etwas Unwirkliches gehabt, schließlich waren wir beide aus unseren normalen Leben herausgetreten und hatten damit auch den Alltag weit hinter uns gelassen. Vielleicht waren die Gefühle deshalb so überwältigend gewesen. Vielleicht hatte die Tatsache, dass unser Aufenthalt in dieser Seifenblase abseits der Realität zeitlich begrenzt war, unsere Beziehung besser und intensiver gemacht. Vielleicht erzähle ich hier aber auch nur völligen Unsinn.

In der Kirche brandete Jubel und Applaus auf. Das riss mich aus meiner Erstarrung. Der Gottesdienst war zu Ende. Todd und Natalie waren jetzt Herr und Frau Stoppelbart. Gleich würden sie den Mittelgang entlangschreiten. Ich fragte mich, ob Reis geworfen werden würde. Nichts für Todd wahrscheinlich. Der Reis könnte seine Frisur durcheinanderbringen oder sich in den Bartstoppeln verfangen.

Noch einmal: Hier hatte ich genug gesehen.

Ich ging zur Rückseite der weißen Kapelle und verschwand genau in dem Moment aus dem Blickfeld, als die Flügeltür geöffnet wurde. Ich starrte auf die Lichtung. Es gab dort nichts zu sehen, außer, tja, eine Lichtung. Mit Bäumen dahinter. Die Hütten lagen hinter dem Hügel. Die Kapelle gehörte zu dem Künstler-Refugium, in dem Natalie wohnte. Meine Hütte lag im Schriftsteller-Refugium ein Stück die Straße hinab. Beide Refugien waren ehemalige Vermonter Farmen, auf denen nebenbei auch jetzt noch etwas ökologischer Landbau betrieben wurde.

»Hallo, Jake.«

Ich drehte mich zu der wohlbekannten Stimme um. Natalie stand keine drei Meter von mir entfernt. Schnell warf ich einen Blick auf ihre linke Hand. Als hätte...

Erscheint lt. Verlag 10.3.2014
Übersetzer Gunnar Kwisinski
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Six Years
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte eBooks • falsche Identität • Kultur-Spiegel-Bestseller • New England • New-York-Times-Besteller • New-York-Times-Bestseller • Psychothriller • Schatten der Vergangenheit • Schatten der Vergangenheit, Spiegel-Bestseller-Autor, New-York-Times-Besteller, Kultur-Spiegel-Bestseller, Vermisstenfälle, Verschwundene Geliebte, Falsche Identität, New England • Spiegel-Bestseller-Autor • Thriller • Vermisstenfälle • Verschwundene Geliebte
ISBN-10 3-641-13387-4 / 3641133874
ISBN-13 978-3-641-13387-0 / 9783641133870
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