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Rote Grütze mit Schuss (eBook)

Ein Küstenkrimi
eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
272 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-41814-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rote Grütze mit Schuss -  Krischan Koch
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Fredenbüll in Nordfriesland hat drei Deiche, 176 Einwohner (inklusive Adelsfamilie), 600 Schafe (Bio!), Bäcker Hansen, Frisörsalon Alexandra, die Kneipe »De Hidde Kist«, eine Feuerwehr und eine Polizeistation mit Polizeiobermeister Thies Detlefsen. Noch. Denn die kleine Wache ist vom Rotstift des Kieler Innenministeriums bedroht, und Thies setzt alles daran, die Kriminalitätsrate im Kreis hochzuhalten. Hinter jedem toten Schaf wittert er das Werk militanter Ökoaktivisten und bei Falschparkern geht er schon mal von Selbstmordattentätern aus. Doch dann liegt Biobauer Brodersen höchst unappetitlich zugerichtet im eigenen Mähdrescher. Gleichzeitig verschwindet die Gattin von Versicherungsvertreter Ketels spurlos. Ist das friedliche Fredenbüll ein Hort brutalster Kriminalität?

Krischan Koch wurde 1953 in Hamburg geboren. Die für einen Autor üblichen Karrierestationen als Seefahrer, Rockmusiker und Kneipenwirt hat er sich geschenkt. Stattdessen macht er Kabarett und Kurzfilme und schreibt seit vielen Jahren Filmkritiken u.a. für die >DIE ZEIT< und den NDR. Koch lebt mit seiner Frau in Hamburg und auf der Nordseeinsel Amrum, wo er mit Blick aufs Watt seine Kriminalromane schreibt.

Krischan Koch wurde 1953 in Hamburg geboren. Die für einen Autor üblichen Karrierestationen als Seefahrer, Rockmusiker und Kneipenwirt hat er sich geschenkt. Stattdessen macht er Kabarett und Kurzfilme und schreibt seit vielen Jahren Filmkritiken u.a. für die ›DIE ZEIT‹ und den NDR. Koch lebt mit seiner Frau in Hamburg und auf der Nordseeinsel Amrum, wo er mit Blick aufs Watt seine Kriminalromane schreibt.

1


»Wenn du ’ne Linie ziehst zwischen Amsterdam und Kopenhagen, dann liegt Fredenbüll genau auf der Mitte«, sagt Klaas, der in Fredenbüll die Post austrägt. »Jo, is so.«

Er demonstriert das immer wieder gern anhand eines Bierglases zwischen zwei Jägermeisterfläschchen an einem der beiden Stehtische in dem Fredenbüller Imbiss »De Hidde Kist«.

»Genau genommen zwischen Reusenbüll und Neutönninger Siel«, wendet Piet Paulsen ein, Landmaschinenvertreter im Ruhestand.

Aber das spielt eigentlich keine Rolle, denn für die Fredenbüller ist es der Mittelpunkt der Welt. Der Ort hat drei Deiche, hundertsechsundsiebzig Einwohner, einschließlich einer echten Adelsfamilie, aber ohne die drei Wochenendhäuser, und sechshundert Schafe, hauptsächlich Bio. Es ist alles da, was man braucht: Edeka mit Lotto/Toto, Filiale vom Bäcker Hansen aus Husum, »Salon Alexandra« und natürlich »De Hidde Kist«, wo Wirtin Antje »Internationale Spezialitäten« serviert, vom »Halben Brötchen mit herzhaftem Landmett« über Sauerfleisch in Gelee bis zum »Putenschaschlik Hawaii«. Neuerdings gibt es auch Croque.

»Wird aber noch nich so angenommen«, klagt Antje. »Alle woll’n immer nur meine Rote Grütze mit Schuss.«

Für einen Kammermusikabend auf dem Gut der von Rissens musste Antje kürzlich sogar siebzig Portionen ihrer Roten Grütze anliefern.

»Könnt ich mich reinsetzen, in Antje ihre Rode Grütt«, sagt Klaas.

»Jo, is mal wat anderes«, findet auch Piet Paulsen.

Fredenbüll hat auch eine Polizeistation. Noch. Und Polizeiobermeister Thies Detlefsen will, dass das so bleibt. Die kleine Wache neben der Freiwilligen Feuerwehr in dem Backsteinbau ist nämlich vom Kieler Rotstift bedroht.

»Ich hab dat Schreiben mal dabei. Hier, Briefkopf, direkt vom Innenminister in Kiel.«

»Na, wat will er denn?«, fragt Klaas. »Antje, machst für Thies erst mal ’n Bier.«

»Hier«, Thies Detlefsen liest langsam vor, »im Zuge einer Weiterentwicklung der Sicherheitsstrukturen im ländlichen Bereich ist eine Zentralisierung regionaler Polizeiposten geplant.«

»Dat hört sich irgendwie nich gut an«, findet auch Antje und zieht energisch den Frittierkorb mit einer Portion Pommes aus dem heißen Fett.

»Dabei hatten sie mir letztes Jahr sogar ’n neues Dienstfahrzeug in Aussicht gestellt.«

»Erst ham sie Klaas sein Postamt plattgemacht und jetzt ... Dat is ’ne Sauerei.« Landmaschinenvertreter a. D. Piet Paulsen zieht die Lederweste, die er das ganze Jahr trägt, stramm, nimmt zwei leere Flachmänner von Stehtisch zwei und stellt sie zu Antje auf den Glastresen.

»Dabei is die Wache mit einem Mann kaum zu schaffen.« Thies setzt seinen Kuhblick auf.

Thies Detlefsen sieht eigentlich gut aus in seiner knapp sitzenden Polizeiuniform. Er ist ein Kerl von einem Mann. Kantiger Kopf, kantiges Kinn, kurzgeschnittenes blondes Haar mit hochgegeltem kleinem Struppelspoiler vorne. Die Frisur mit dem Frontigel stammt aus dem »Salon Alexandra«. Aber wenn Thies nach ein paar Bieren nachdenklich wird, bekommt er diesen leichten Kuhblick.

»Na ja, Thies, bist bei der Arbeit auch manchmal ’n büschen übergenau«, sagt Klaas.

»Wat denn, ich hab mein Schreibtisch so hoch mit Akten liegen.« Detlefsen hebt die Hand in Höhe des Bügelverschlusses seiner Bierflasche. »Alles ungelöst.«

»Ja, ja, Thies, neulich dat tote Schaf. Wie war das? Anschlag militanter Ökoaktivisten? Hör auf!«

»Moment, nee, nee, dat war die internationale Futtermittelmafia. Aber ohne Soko hast du dagegen keine Chance.«

»Komm, Thies, nu chill erst mal ’n büschen runter.«

Chillen, das ist das Neuste, was Antje draufhat. Bei Antje ist sowieso alles gerade im Umbruch. Seit der letzten WM hängt gegenüber der Dunstabzugshaube ein 46-Zoll-Flachbildschirm, sehr zur Freude der drei bis vier männlichen Stammkunden, die die meiste Zeit des Jahres bei Antje verbringen. Champions League, Euro League, Pokal, Bundesliga sowieso und zwischendurch immer mal ein kühles Getränk. Aber dann gibt es auch noch eine neue Speisekarte und neue Beleuchtung. Antje hat auf Energiesparröhren umgerüstet. »Machen irgendwie ungemütliches Licht«, findet Klaas. Und jetzt will Antje die »Hidde Kist« umbenennen – in »Croque Lagune«. Neue Leuchtschilder sollen angeblich schon bestellt sein. Damit will sie an die Durchreisenden nach Sylt, Föhr und Amrum ran. »Nur mit Schaschlik kann ich denen nich mehr kommen.«

Nicht nur Antje, auch ihr Hund, Schäfermischling Susi, hat die Ernährung umgestellt.

»Ja, wo ist die Susi?! Susi komm, hier, kriegst ’n Stück Schaschlik!« Piet Paulsen pult ein Fleischstück von seinem Spieß und hält es dem Hund hin. Susi schnuppert interessiert und wendet sich dann ab.

»Da is nix zu machen!« Die vollschlanke Antje zuckt resigniert mit den Schultern. »Sauerfleisch, Frikadellen, hat sie doch früher so gern gefressen, rührt sie alles nicht mehr an, seit sie neulich diese Fleischvergiftung hatte.«

»Fleischvergiftung?« Klaas wird leicht mulmig.

»Dabei waren die Schinkenknacker mit Paprika erst zwei Wochen über das Verfallsdatum raus ... Aber drei Pakete auf einmal, das war einfach zu viel.«

»Und seitdem ist der Hund Vegetarier, oder was?«, fragt Paulsen mit heiserer Raucherstimme.

»Ja, kann man so sagen ... Pommes, mal die Reste vom Kartoffelsalat. Darf aber kein Speck drin sein.« Die Mischlingshündin stellt die Ohren auf. »Ja, Susi, Kartoffelsalat, fein!«

»Antje, sieh lieber zu, dass du dein Frittierfett mal wieder gewechselt kriegst«, brummt Detlefsen.

»Komm, lass ma, war wieder eins a dat Putenschaschlik, richtig schön scharf«, krächzt Paulsen. »Und Thies, du trinkst erst mal ganz sutsche dein Bier.«

Paulsen war auch vor der Rente schon die Ruhe selbst. Und eigentlich hat er auch schon immer so ausgesehen: Lederweste, schweres Brillengestell mit Gleitsicht und deutlich erhöhtes Cholesterin. Und auch die neuen Zähne hat der Bredstedter Zahnarzt irgendwie eine Nummer zu groß bestellt.

Thies schüttelt den Kopf. »Ja, ihr habt gut reden. Ihr sitzt hier schön gemütlich an Tisch zwei. Ich sach euch, ich hab vielleicht wieder so’n Tag hinter mir. Der Hamburger Medizinprofessor in sein’ Reetdachschloss hat schon wieder fünfmal angerufen. Füüünfmal! Zweimal wegen den Jauchemief von Dossmann seine Geflügelhalle und dreimal wegen Treckerlärm vom Biohof.« Thies redet sich richtig in Rage. »Musste ich zu Brodersen hin, Brodersen war nich da, nur seine verrückte Frau. War grad wieder am Meditieren oder so und mit ihre Duftöle zugange. Mann, Mann, Mann. Und dann sieben Falschparker am Deich. Siiieben! Bis auf den Jeep von dem alten von Rissen alles ortsfremde Kennzeichen. Merkt ihr wat?«

»Jetzt erzählt er gleich wieder wat von Selbstmordattentäter.« Piet Paulsen pult sich die Reste seines Putenschaschlicks »Hawaii« aus den gewaltigen Zähnen. »Thies, dat sind Touristen.«

»Ja, wat denn, dieser Mohammed Atta hatte auch Hamburger Nummernschild.«

»Mensch, Thies«, sagt Postbote Klaas, »überlech doch ma, Selbstmordattentäter bei uns in Nordfriesland, dat bringt doch nix!«

»Aber ham wir hier Touristen? Dat Schild ›Zimmer frei‹ bei Renate. Hast du gesehen, dass Renate dat mal reingenommen hat?«

So recht ist es Thies Detlefsen noch nicht gelungen, die Kriminalitätsstatistik von Fredenbüll in Schwung zu bringen. Auch das neue Traffipax-Gerät, der Radarblitzer für Geschwindigkeitskontrollen, hat noch nicht den entscheidenden Durchbruch gebracht. In der platten weiten Marsch springt der Blitzkasten jedem sofort ins Auge. Und wer soll in Fredenbüll schon in die Radarfalle tappen? Der Trecker von Biobauer Brodersen und die antiquarische Zündapp-Zweigang von Bounty, dem übrig gebliebenen Althippie aus der Landkommune, sind vom Erreichen der erlaubten fünfzig km/h innerhalb der geschlossenen Ortschaft von Fredenbüll weit entfernt, das verrostete Hollandrad des Eppendorfer HNO-Professors Müller-Siemsen erst recht.

»Thies, dat is schon rein rechnerisch gar nich möglich«, analysiert Klaas nach vier Jägermeistern und einer doppelten Portion Roter Grütze mit Schuss messerscharf.

Einmal allerdings ist Thies doch ein Hamburger Porsche auf dem Rückweg von Sylt im Ort mit hundertzweiundsiebzig, die Toleranz schon abgerechnet, in die Radarfalle gegangen. Das Traffipax hatte ein gestochen scharfes Bild des Schnösels auf der Gegenfahrbahn beim Überholen von Brodersens Bioschafen geliefert. »Klarer Fall von Paragraph 315 c«, hatte Thies überhaupt keine Zweifel aufkommen lassen und den Führerschein gleich vor Ort einkassiert. Dann hat er einen holländischen Spediteur mit frischer Ware von Hühnerbaron Dossmann geblitzt, allerdings nur mit zweiundsiebzig, und in den ersten Wochen, als sich die Anschaffung des Blitzgerätes noch nicht herumgesprochen hatte, immer wieder den Schimmelreiter.

Der Schimmelreiter heißt auch Hauke, wie der bei Theodor Storm, allerdings Hauke Schröder, aber er ist auch viel nachts unterwegs und fegt in seinem tiefergelegten Corolla den Deich am Koog entlang. Wie das Pferd im Buch ist auch Hauke Schröders Auto weiß, das heißt, genau genommen, perlmuttmetallic. Die Rückbank hat er rausgenommen und stattdessen zwei stattliche Tausend-Watt-Boxen eingebaut, aus denen ausschließlich AC/DC zu hören ist. So geht es mit dumpfem »Dumb-dumb-dumb-dumb«, dass die grün...

Erscheint lt. Verlag 1.5.2013
Reihe/Serie Thies Detlefsen & Nicole Stappenbek
Thies Detlefsen & Nicole Stappenbek
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 1. Fall • Bücher für den Urlaub • Cosy Crime • Cosy Mystery • eBook • Erster Fall • Fredenbüll • Humor • Inselroman • Krimi • Krimi Deutschland • Krimikomödie • Küstenkrimi • Mystery Roman • Norddeutschland • Nordfriesland • Nordsee • Nordsee-Krimi • Provinzkrimi • Regiokrimi • Regiokrimi Norddeutschland • regiokrimi nordsee • Regionalkrimi • Schleswig-Holstein • Spannender Kriminalroman • Strandlektüre • Thies Detlefsen • Unterhaltung • Urlaubslektüre
ISBN-10 3-423-41814-1 / 3423418141
ISBN-13 978-3-423-41814-0 / 9783423418140
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