Echo einer Winternacht (eBook)
576 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-55572-9 (ISBN)
Val McDermid ist eine internationale Nr. 1-Bestsellerautorin, deren Bücher in mehr als 40 Sprachen übersetzt wurden. Ihre mehrfach preisgekrönten Thrillerserien und Einzelromane wurden für Fernsehen und Rundfunk adaptiert - etwa die Serie Hautnah - Die Methode Hill mit dem Profiler Dr. Tony Hill und DCI Carol Jordan. Die TV-Serie um die schottische Cold Case-Ermittlerin Karen Pirie ist international mit großem Erfolg gestartet. Val McDermid war 2017 Vorsitzende des Wellcome Book Prize und Jurorin für den Women's Prize for Fiction und den Man Booker Prize 2018. Sie ist Trägerin von sechs Ehrendoktorwürden, außerdem Honorary Fellow des St Hilda's College in Oxford. Zu ihren zahlreichen Auszeichnungen gehören der CWA Diamond Dagger für ihr Lebenswerk und der Theakstons Old Peculier Award für 'Outstanding Contribution to Crime Writing'. Val ist außerdem eine erfahrene Rundfunksprecherin und gefragte Kolumnistin und Kommentatorin in Printmedien. Mehr über die Autorin unter www.val-mcdermid.de
Val McDermid ist eine internationale Nr. 1-Bestsellerautorin, deren Bücher in mehr als 40 Sprachen übersetzt wurden. Ihre mehrfach preisgekrönten Thrillerserien und Einzelromane wurden für Fernsehen und Rundfunk adaptiert - etwa die Serie Hautnah - Die Methode Hill mit dem Profiler Dr. Tony Hill und DCI Carol Jordan. Die TV-Serie um die schottische Cold Case-Ermittlerin Karen Pirie ist international mit großem Erfolg gestartet. Val McDermid war 2017 Vorsitzende des Wellcome Book Prize und Jurorin für den Women's Prize for Fiction und den Man Booker Prize 2018. Sie ist Trägerin von sechs Ehrendoktorwürden, außerdem Honorary Fellow des St Hilda's College in Oxford. Zu ihren zahlreichen Auszeichnungen gehören der CWA Diamond Dagger für ihr Lebenswerk und der Theakstons Old Peculier Award für "Outstanding Contribution to Crime Writing". Val ist außerdem eine erfahrene Rundfunksprecherin und gefragte Kolumnistin und Kommentatorin in Printmedien. Mehr über die Autorin unter www.val-mcdermid.de
1
1978, St. Andrews, Schottland
Es war vier Uhr morgens, mitten im Dezember. Vier verschwommene Schatten schwankten im Schneesturm, den der Nordostwind nach Lust und Laune vom Ural her über die Nordsee trieb. Stolpernd folgten die acht Füße der jungen Männer, die sich selbst die »Laddies fi’ Kirkcaldy« nannten, dem ihnen vertrauten Pfad. Sie hatten die Abkürzung über Hallow Hill gewählt, um zum Fife Park zu kommen, dem modernsten der zur Universität St. Andrews gehörenden Wohnheime, wo ihre permanent ungemachten Betten mit zerwühlten Laken und auf den Boden hängenden Decken auf sie warteten.
Das Gespräch ging um Dinge, die ihnen genauso vertraut waren wie der Weg. »Ich sag dir, Bowie ist der King«, nuschelte Sigmund Malkiewicz laut, und sein sonst meist unbewegtes Gesicht war nach den vielen Drinks entspannter. Ein paar Schritte hinter ihm zerrte Alex Gilbey die Kapuze seines Parkas enger ums Gesicht und kicherte in sich hinein, denn im Stillen kannte er die Antwort schon genau.
»Quatsch«, sagte David Kerr. »Bowie ist doch eine Flasche. Pink Floyd, die können Bowie jederzeit zeigen, wo’s langgeht. Dark Side of the Moon, das ist Spitzenklasse. Bowie hat nichts fertig gekriegt, was da rankommt.« Seine langen dunklen, von den schmelzenden Schneeflocken feuchten Locken hingen schwer herunter, und er strich sie sich ungeduldig aus dem Gesicht, das so traurig wie das eines verlassenen Kindes aussah.
Und wieder legten sie los. Wie Hexenmeister, die sich mit Zaubersprüchen bekriegen, warfen Sigmund und Davey einander Songtitel, Textzeilen und Fetzen von Melodien in einem Streitritual zu, das sich schon über die letzten sechs oder sieben Jahre erstreckte. Es war ihnen egal, dass die Musik, bei der heute die Fenster ihrer Studentenbuden klirrten, eher von The Clash, The Jam oder The Skids kam. Selbst ihre Spitznamen zeugten noch von ihrer früheren Leidenschaft. Vom ersten Nachmittag an, an dem sie sich nach der Schule in Alex’ Zimmer versammelt hatten, um sich sein frisch erworbenes Album Ziggy Stardust and the Spiders from Mars anzuhören, war es unvermeidlich gewesen, dass der charismatische Sigmund, der ausgestoßene Messias, für alle Zeiten Ziggy heißen würde. Und die anderen würden sich mit den Spiders zufrieden geben müssen. Alex nannte man Gilly, obwohl er sich gegen diesen läppischen Namen wehrte, der für jemanden mit dem stämmigen Körperbau eines Rugbyspielers nicht passte. Aber über seinen Familiennamen, den er nun mal zufällig hatte, ließ sich kaum streiten. Und keiner zweifelte auch nur einen Moment daran, dass für das vierte Mitglied ihrer Gruppe nur Weird – der komische Kauz – in Frage kam. Denn seltsam war dieser Tom Mackie, daran ließ sich nicht deuteln. Als der Größte seines Jahrgangs sah er mit seinen langen, schlaksigen Gliedern absonderlich aus, was zu seiner Persönlichkeit passte, denn er hatte eine Vorliebe fürs Ausgefallene.
Dann blieb nur noch Davey übrig, ein treuer Pink-Floyd-Anhänger, der sich hartnäckig weigerte, einen Spitznamen aus dem Bowie-Spektrum anzunehmen. Eine Weile hatte er sich widerstrebend Pink nennen lassen, aber als sie zum ersten Mal »Shine on, You Crazy Diamond« hörten, gab es keine weitere Diskussion mehr. Davey war eben einfach der Crazy Diamond, er sprühte unerwartet Feuer in alle Richtungen, war aber außerhalb seiner gewohnten Umgebung gereizt und empfindlich. Aus Diamond wurde bald Mondo, und der Name Mondo Davey Kerr blieb ihm für den Rest des Schuljahres und bis zur Universität erhalten.
Alex schüttelte verwundert den Kopf. Obwohl er nach viel zu viel Bier benebelt war, fragte er sich, was ihre Viererbande all diese Jahre zusammengehalten hatte. Schon beim Gedanken daran stieg eine Wärme in ihm auf, die der heftigen Kälte entgegenwirkte, als er plötzlich über eine hoch stehende Wurzel stolperte, die unter der weichen Schneedecke verborgen lag. »Scheiße«, murmelte er und rempelte Weird an, der ihm einen gutmütigen Schubs gab, so dass Alex strauchelnd nach vorn schoss. Er versuchte mit den Armen fuchtelnd das Gleichgewicht zu halten, ließ sich dann vom Schwung weiter torkelnd den Hang hinauftragen, wobei der kalte Schnee auf seinen geröteten Wangen ihn wach machte. Als er die Kuppe erreichte, sanken seine Beine plötzlich in eine unerwartete Mulde, und er fiel kopfüber hinein.
Aber sein Sturz wurde von etwas Weichem gebremst. Alex versuchte verzweifelt sich aufzusetzen und drückte gegen das, worauf er gefallen war. Er spuckte den Schnee aus, rieb sich mit kribbelnden Fingern die Augen und schnaufte durch die Nase, um die eiskalten schmelzenden Flocken loszuwerden. Als er sich umsah, was ihn so weich hatte fallen lassen, erschienen gerade die Köpfe seiner Kameraden am Abhang, die über seine absurde Lage grinsten.
Selbst in dem unheimlichen, schwachen Licht auf dem Schnee konnte er erkennen, dass das Hindernis, das seinen Sturz gebremst hatte, nichts Pflanzliches war. Der Umriss eines menschlichen Körpers war unverkennbar. Die schweren weißen Flocken begannen zu schmelzen, sobald sie auftrafen, und so konnte Alexander sehen, dass es eine Frau war, deren nasse dunkle Haarsträhnen sich auf dem Schnee wie die Locken der Medusa ausbreiteten. Ihr Rock war bis zur Taille hochgeschoben, ihre schwarzen, bis zu den Knien reichenden Stiefel sahen deshalb an den weißen Beinen umso unpassender aus. Er sah merkwürdige dunkle Flecken auf ihrer Haut, und die helle Bluse klebte eng an ihrer Brust. Alex starrte eine Weile darauf, ohne etwas zu begreifen, dann betrachtete er seine Hände und sah dieselben dunklen Flecken auf seiner eigenen Haut.
Blut. In dem Augenblick, als der Schnee in seinen Ohren schmolz und er ihr schwaches röchelndes Atmen hörte, kam ihm die Erkenntnis.
»Guter Gott«, stotterte Alex und versuchte vor dem entsetzlichen Fund zurückzuweichen. Aber er stieß immer wieder an etwas, das sich wie eine niedrige Steinmauer anfühlte, als er rückwärts kriechen wollte. »Mein Gott.« Er sah verzweifelt hoch, als könne der Anblick seiner Freunde den Bann brechen und all dies verschwinden lassen. Dann schaute er auf das entsetzliche Bild im Schnee zurück. Es war nicht die Halluzination eines Betrunkenen. Es war Realität. Er wandte sich an seine Freunde. »Hier oben liegt ein Mädchen«, rief er.
Weird Mackies Stimme kam gespenstisch zurück. »Du Glückspilz.«
»Nein, mach keinen Quatsch, sie blutet.«
Weirds Gelächter klang laut durch die Nacht. »Also doch kein Glück, Gilly.«
Alex spürte eine plötzliche Wut in sich aufsteigen. »Ich mach keinen Spaß, verdammt noch mal. Kommt hier rauf. Ziggy, komm her, Mensch.«
Jetzt hörten sie, wie ernst Alex’ Stimme klang. Ziggy wie immer voran, stapften sie durch den Schnee zur Kuppe des Hügels. Ziggy lief mit Schwung den Hang hoch, Weird stürzte der Länge nach in Alex’ Richtung hin, und Mondo kam als Letzter und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen.
Nach seinem Sturz landete Weird Hals über Kopf auf Alex, wodurch sie beide auf die Frau fielen. Dann warfen sie sich herum und versuchten freizukommen, wobei Weird albern kicherte. »Hey, Gilly, so nah bist du ja noch nie an ’ne Frau rangekommen.«
»Du hast zu viel Stoff intus«, sagte Ziggy zornig, zog ihn zurück, kauerte neben der Frau und fühlte am Hals ihren Puls. Es war noch ein Klopfen zu spüren, aber erschreckend schwach. Die Angst machte ihn augenblicklich nüchtern, als ihm klar wurde, was er da in dem trüben Licht sah. Er war nur Medizinstudent und hatte noch kein Examen, aber er konnte eine lebensbedrohliche Verletzung einschätzen, wenn er sie vor sich hatte.
Weird hockte sich auf die Fersen zurück und runzelte die Stirn. »He, Mann, weißt du, wo wir hier sind?« Niemand beachtete ihn, aber er sprach trotzdem weiter. »Das hier ist der piktische Friedhof. Diese Buckel im Schnee, wie kleine Mauern, sind Steine, die sie als Grabeinfassungen benutzten. Mensch, Alex hat eine Leiche auf dem Friedhof gefunden.« Und er begann zu kichern, was hier, wo alle Geräusche vom Schnee gedämpft wurden, unheimlich klang.
»Weird, halt verdammt noch mal die Klappe.« Ziggy fuhr mit den Händen weiter über den Leib der Frau, und seine tastenden Finger spürten dabei eine beängstigend tiefe Wunde. Er legte den Kopf zur Seite, um sie besser sehen zu können. »Mondo, hast du dein Feuerzeug?«
Mondo trat zögernd heran und zog sein Zippo heraus, ließ das Rädchen schnippen und kam mit dem schwachen Lichtschein auf Armeslänge an den Körper der Frau und ihr Gesicht heran. Er hielt sich die freie Hand vor den Mund, konnte aber sein Stöhnen nicht unterdrücken. Seine blauen Augen waren vor Entsetzen aufgerissen, und die Flamme zitterte in seiner Hand.
Ziggy zog scharf die Luft ein, seine Gesichtszüge wirkten in dem flackernden Licht unheimlich. »Scheiße«, stöhnte er. »Es ist Rosie von der Lammas Bar.«
Alex konnte sich nicht vorstellen, dass er sich jemals schlimmer fühlen könnte. Ziggys Worte waren wie ein Stich in sein Herz. Mit einem leisen Ächzen wandte er sich ab und erbrach Bier, Pommes und Knoblauchtoast in den Schnee.
»Wir müssen Hilfe holen«, sagte Ziggy entschieden. »Sie lebt noch, aber sie wird nicht lange in diesem Zustand bleiben. Weird, Mondo – zieht eure Mäntel aus.« Während er sprach, streifte er seine eigene Schaffelljacke ab und legte sie vorsichtig um Rosies Schultern. »Gilly, du bist der Schnellste. Geh und hol Hilfe. Geh zu einem Telefon. Weck jemanden auf, wenn’s sein muss. Aber hol jemand her, ja? Alex?«
Völlig benommen kam Alex auf die Beine, rannte den Hügel wieder hinunter, dass seine Stiefel den Schnee aufwirbelten, und versuchte zugleich, den Halt nicht zu verlieren. Er trat aus...
Erscheint lt. Verlag | 2.10.2009 |
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Reihe/Serie | Karen Pirie | Karen Pirie |
Übersetzer | Doris Styron |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Alex Gilbey • Band 1 • Barney Maclennan • britische Krimis • Cold Case Krimi • David Kerr • englische Krimis • Fife • Freunde • Friedhof • Gerechtigkeit • Glasgow • Graham Macfadyen • James Lawson • Karen Pirie • Karen Pirie, Band 1 • Kirkcaldy • Krimi Großbritannien • Krimi Kommissarin • Kriminalromane Serien • krimi reihen • Krimis aus England • Krimis mit Kommissarin • Krimis von Frauen • Lynn • Polizei Krimis/Thriller • Rosie Duff • Spannung • St. Andrew • Studenten • Thriller Autorinnen • Thriller Rache • thriller reihe • Thriller Schottland • ungelöster Mordfall • Val McDermid deutsch • Val McDermid Karen Pirie • Val McDermid Karen Pirie deutsch • Weird • Winternacht |
ISBN-10 | 3-426-55572-7 / 3426555727 |
ISBN-13 | 978-3-426-55572-9 / 9783426555729 |
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