Der Prinzessinnenmörder (eBook)
384 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-40952-7 (ISBN)
Andreas Föhr, Jahrgang 1958, gelernter Jurist, arbeitete einige Jahre bei der Rundfunkaufsicht und als Anwalt. Seit 1991 verfasst er zusammen mit Thomas Letocha erfolgreich Drehbücher für das Fernsehen, u. a. für SOKO 5113, Ein Fall für zwei und Der Bulle von Tölz. Seine preisgekrönten Kriminalromane um das Ermittlerduo Wallner & Kreuthner stehen regelmäßig monatelang unter den Top 10 der Bestsellerlisten. Zuletzt war 'Herzschuss' Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Andreas Föhr lebt zusammen mit seiner Frau und einem Kater in einem alten Bauernhaus in der Nähe von Wasserburg. Wenn er nicht gerade schreibt, geht er am liebsten zum Wandern und Skifahren in die Berge, kocht Lasagne oder genießt das Leben in Italien und dem Burgund.
Andreas Föhr, Jahrgang 1958, gelernter Jurist, arbeitete einige Jahre bei der Rundfunkaufsicht und als Anwalt. Seit 1991 verfasst er zusammen mit Thomas Letocha erfolgreich Drehbücher für das Fernsehen, u. a. für SOKO 5113, Ein Fall für zwei und Der Bulle von Tölz. Seine preisgekrönten Kriminalromane um das Ermittlerduo Wallner & Kreuthner stehen regelmäßig monatelang unter den Top 10 der Bestsellerlisten. Zuletzt war "Herzschuss" Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Andreas Föhr lebt zusammen mit seiner Frau und einem Kater in einem alten Bauernhaus in der Nähe von Wasserburg. Wenn er nicht gerade schreibt, geht er am liebsten zum Wandern und Skifahren in die Berge, kocht Lasagne oder genießt das Leben in Italien und dem Burgund.
4. Kapitel
Die Sonne stand schon tief. Es war gegen halb fünf. Peter sah im Westen Wolken aufziehen. Aber der Westen ist weit, wenn man auf einem Zweitausender sitzt. Den ganzen Tag über hatte der Föhn den Alpenhauptkamm in Sonne und laue Winde gehüllt. Selbst jetzt war es noch warm. Peter blickte auf seine Skischuhe, an denen der Schnee sich zum größten Teil in Wasser verwandelt hatte, das in kleinen Bächen zwischen den Schnallen abfloss. Er nahm einen Schluck aus der Thermoskanne und reichte sie an das Mädchen weiter. Lisa saß zwei Meter weiter auf einem Stein. Sie war blond und hatte die Haare zu zwei Zöpfen geflochten und die Zöpfe um den Kopf gewunden. Die Strahlen der Nachmittagssonne verzauberten ihr Gesicht, brachten ihre blauen Augen mit dem dunkelblauen Ring um die Iris zum Leuchten und machten jede einzelne Sommersprosse auf ihrer Nase sichtbar. Sie war fünfzehn und lächelte. Sie lächelte erschöpft und jung, und das Herz wurde ihm schwer vor Glück.
»Schade, dass Mama nicht Ski fährt«, sagte Lisa und nahm einen Schluck aus der Thermoskanne.
»Ja, schade«, sagte Peter.
»Wir erzählen’s ihr besser nicht, wie?« In Lisas Blick lag Sorge.
»Na, wir erzählen’s ihr schon. Also im Wesentlichen.« Lisa sah ihn an, und ein schelmisches Lächeln spielte um ihre Lippen. Ein paar Sommersprossen auf der Nase verschwanden in kleinen Falten.
»Wir waren Skifahren. Das reicht ja.«
»Warum will Mama eigentlich nicht, dass ich Touren gehe?«
»Sie fährt nicht Ski. Deswegen weiß sie nicht, wie das ist, wenn man Touren geht. Und weil sie’s nicht kennt, macht es ihr Angst. In den Nachrichten bringen sie ja nur, wenn Tourengeher von Lawinen verschüttet werden. Sie denkt, das passiert ständig, verstehst du?«
»Klar. Wenn ich das nur aus den Nachrichten wüsste …« Lisa schraubte die Thermosflasche zu. Sie war ganz konzentriert auf diesen Vorgang, wie auf alles, was sie tat. Er sog die kleinste Bewegung von ihr ein. Sie gab ihm die Flasche zurück, und die abendlichen Sonnenstrahlen brachen sich in ihren Augen.
Gestern Nacht waren sie in das irische Pub gegangen. Lisa hatte auf der Schule davon gehört. Unter Leuten ihres Alters war es legendär. Die Gäste waren meist Engländer, Australier, Holländer und Schweden, kaum einer über zwanzig. Das Personal kam aus England und seinen ehemaligen Kolonien. Nur Claudia, die dunkelhaarige, leicht verlebte Schönheit hinter der Bar, war eine Einheimische aus dem Spertental. Ab 22 Uhr war der Boden des Lokals mit Glasscherben und Zigarettenkippen übersät und die Kellner betrunkener als die Gäste. Aus den Lautsprechern kam ein Musikmix aus Nirvana, Guns ’n’ Roses, Green Day und wieder Nirvana. Lisa hatte fünf Minuten, nachdem sie gekommen waren, einen holländischen Verehrer von siebzehn Jahren, der aber auf dem Weg zur Tanzfläche gegen einen schwedischen Tisch torkelte und anschließend in längere Verhandlungen über die Bezahlung der zu Boden gerissenen Getränke verwickelt wurde. Zwei junge Männer aus Wolverhampton sprangen für den Holländer ein. Peter behielt Lisa im Auge. Er setzte sich an die Bar und begann ein bisschen mit Claudia zu flirten. Claudia hatte gesehen, dass Peter mit Lisa gekommen war. Sie fragte, wer denn die Kleine sei. Peter sagte, das sei seine Tochter. Claudia schien einen Augenblick irritiert. Dann sagte sie: »Die hosch guat hinkriagt.«
Lisa stand mit den zwei Jungs auf der Tanzfläche. Blond, schlank, hochgewachsen. Sie trug die Haare offen und Jeans mit Löchern und Tennisschuhe aus Segeltuch. Peter bemerkte, wie die Männer im Raum seine Tochter anstarrten. Die zwei Engländer spielten Luftgitarre und versuchten, Lisa mit allerlei Albernheiten zu unterhalten. Lisa benahm sich höflich distanziert, lächelte, lachte auch. So wie eine Prinzessin, die halb amüsiert, halb in geübter Gewohnheit Huldigungen entgegennahm. Schließlich ließ sie ihre Verehrer stehen und ging zu Peter an die Theke.
»Was ist? Sind die Jungs nicht nett?«
»Ja, ganz süß.« Sie zuckte mit den Schultern. Er schob ihr einen Maracujasaft hin, den er bei Claudia bestellt hatte. Sie nahm den Strohhalm zwischen die Lippen und sog die Flüssigkeit ein. Für einen Augenblick verschmolz sie ganz mit dem Maracujasaft. Es schien nichts anderes zu geben als das Glas, den Saft, den Strohhalm und sie. In solchen Momenten hatte sie die Augen fast geschlossen. Er fragte sich, was sie zwischen ihren langen Wimpern sehen mochte. Vielleicht nichts. Vielleicht war ihr Blick auch nach innen gerichtet, und sie träumte von irgendetwas, das sie für sich behielt. Sie setzte das Glas mit Grazie auf dem Tresen ab.
»Tanzt du mit mir?«
»Bist du sicher? Ich meine, ich bin froh, dass mir hier noch niemand seinen Platz angeboten hat.«
Lisa lächelte ihn an. »So ein Quatsch«, sagte sie, als wäre sie fünfunddreißig. Dann zog sie ihn am Hemd und deutete mit dem Kopf zur Tanzfläche. In dieser Nacht hatten sie getanzt, Spaß gehabt, Lisa hatte zwei Gläser Sekt getrunken und eine Zigarette geraucht. Sie waren um halb drei in die Pension zurückgekehrt.
»Komm, Prinzessin, es wird Zeit, dass wir abfahren.« Lisa nickte und gab ihm die Thermoskanne zurück. Dann begann sie andächtig, die Schnallen ihrer Skischuhe zu schließen.
Die Idee mit der Skitour war Peter heute Morgen gekommen. Sie hatten spät gefrühstückt nach der anstrengenden Nacht. Es war ein schöner Tag. Die Luft war mild und der Frühling schon zu erahnen. Die Pisten würden brechend voll sein. Die meisten Leute hatten heute frei.
»Komm«, hatte Peter gesagt, »wir machen eine Skitour. Da sind wir allein auf der Piste.«
»Einfach so?«, hatte Lisa gefragt. »Wir haben doch gar nichts dabei.«
»Wir leihen uns Skier und Felle. Was meinst du?«
Sie waren zum nächsten Skiverleih gefahren, hatten sich die Ausrüstung ausgeliehen und gefragt, wo man in der Gegend am besten eine einsame Skitour machen könne. Peter war früher oft Skitouren gegangen. Er kannte sich einigermaßen aus. Drei Stunden später standen sie auf dem Gipfel in zweieinhalbtausend Metern Höhe. Die Sonne schien. Das Zillertal lag zu ihren Füßen.
Peter betrachtete Lisa, wie sie in sich versunken den Reißverschluss ihres Anoraks hochzog. Er fragte sich, wie oft sie noch eine Skiwoche miteinander verbringen würden. In ein oder zwei Jahren würde Lisa einen festen Freund haben oder lieber mit ihrer Clique verreisen. Noch ein paar Jahre später würde sie heiraten. Peter hoffte, dass Lisa einen Mann fände, den er mochte. Einer, mit dem man Ski fahren und ein paar vernünftige Sätze wechseln könnte. Auf ihrer Hochzeit würde Peter den Brautwalzer mit Lisa tanzen. Ganz altmodisch. Aber sie würde das so wollen.
»Was ist los? Du siehst mich so komisch an.« Lisa lächelte unsicher.
»Nichts. Ich war in Gedanken.«
Peter genoss noch einmal den Panoramablick. Im Südwesten konnten sie bis zum Ortler sehen, der schon in Südtirol war. Im Osten leuchteten rosa Großglockner und Großvenediger, im Norden begrenzten die schroffen Felsformationen des Karwendel den Horizont. Sie hatten eineinhalb Stunden Zeit, bevor es dunkel wurde. Das war mehr als genug, um ins Tal abzufahren. Lawinen waren nicht zu befürchten. Es hatte seit über einer Woche nicht geschneit. Was Peter etwas Sorge bereitete, war der feste Schnee. Lisa war keine erfahrene Tiefschneefahrerin. Aber sie war sportlich und hatte Kraft.
Peter packte die Felle in den Tourenrucksack und verstaute die Thermosflasche. Schließlich stieg er in seine Bindung und kontrollierte noch einmal, ob auch Lisa richtig in der Bindung stand.
»Und? Bist du fit?«
»Klar«, sagte Lisa und fuhr ein paar Meter ab, bis sie den Einstieg in den ersten Hang erreichte. Er war relativ steil, wurde aber nach unten zu flacher.
»Du brauchst ein bisschen Geschwindigkeit, sonst kriegst du die Skier nicht rum. Der Schnee ist ziemlich schwer.«
Lisa betrachtete mit ernstem Gesicht den unter ihr liegenden Hang und nickte.
»Also fahr schräg rein. Aber nicht zu schräg. Ich fahr vor. Versuch, ungefähr meiner Spur zu folgen.«
»Okay.«
Peter merkte, dass Lisa Respekt hatte vor dem Hang. Vielleicht auch Angst. Sie waren bislang erst zweimal auf einer Skitour gewesen. Aber das war in flacherem Gelände gewesen, in leichtem Pulver. Das hier war anspruchsvoller.
»Wenn’s nicht geht, dann einfach traversieren, anhalten, umdrehen und weiterfahren. Unten wird’s dann leichter.«
»Das geht schon«, sagte Lisa und biss sich auf die Oberlippe. Peter überlegte, ob er noch etwas zu ihrer Beruhigung sagen sollte, entschied sich dann aber loszufahren. Wenn Lisa tatsächlich Probleme haben würde beim Abfahren, dann könnte die Zeit, entgegen seiner ursprünglichen Berechnung, knapp werden.
Peter fuhr vorsichtig in den Hang, wobei er gründlich überlegte, welchen Einfahrtswinkel er Lisa zumuten konnte. Schon auf den ersten Metern spürte Peter, dass der Schnee fester war, als er angenommen hatte. Er zog ein paar weite Bögen. Doch das fiel selbst ihm nicht leicht. Auf halber Höhe des Hangs blieb er stehen.
»Sei vorsichtig! Der Schnee ist ziemlich fest!«, rief er zu Lisa hoch. Lisa zögerte, studierte den Hang, rutschte ein paar Meter ab, bevor sie sich entschloss loszufahren. Sie begann sehr flach, doch nach einer kleinen Kuppe wurde ihre Bahn steiler. Sie legte das Gewicht nach hinten. Dadurch gewann sie an Fahrt. Das erlaubte es ihr, einen großen Bogen zu fahren. Aber Peter sah, dass sie die Skier kaum noch unter Kontrolle hatte.
»Nicht so schnell, Lisa! Gewicht nach...
Erscheint lt. Verlag | 15.12.2010 |
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Reihe/Serie | Ein Wallner & Kreuthner Krimi | Ein Wallner & Kreuthner Krimi |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | Berg • Kommissar Wallner • Marterl • Polizeiobermeister Kreuthner • Prinzessin • Prinzessinnenmörder • Regionalkrimi • Schafkopf • Schliersee • Serienmörder • Skifahren |
ISBN-10 | 3-426-40952-6 / 3426409526 |
ISBN-13 | 978-3-426-40952-7 / 9783426409527 |
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