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Buddenbrooks (eBook)

Verfall einer Familie

(Autor)

Eckhard Heftrich (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2009 | 1. Auflage
844 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-400309-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Buddenbrooks -  Thomas Mann
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Thomas Manns frühes Meisterwerk erschien 1901 im S. Fischer Verlag und wurde 1929 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Diesem Band der ?Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe? liegt der Erstdruck von 1901 zugrunde. Nur dieser früheste Druck beruht auf dem im Zweiten Weltkrieg verloren gegangenen Manuskript, und es ist die einzige Ausgabe, für die der Autor nachweislich Korrekturen las. Textänderungen in späteren Drucken wurden von Thomas Mann allenfalls stillschweigend toleriert. Für diese Neuausgabe wurden zahlreiche Fehlschreibungen und Modernisierungen rückgängig gemacht. Zum ersten Mal erscheint der Roman wieder in seiner originalen Gestalt und ursprünglichen Orthographie. In der Textfassung der Großen kommentierten Frankfurter Ausgabe (GKFA), mit Daten zu Leben und Werk.

Thomas Mann, 1875-1955, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. Manns vielschichtiges Werk hat eine weltweit kaum zu übertreffende positive Resonanz gefunden. Ab 1933 lebte er im Exil, zuerst in der Schweiz, dann in den USA. Erst 1952 kehrte Mann nach Europa zurück, wo er 1955 in Zürich verstarb.

Thomas Mann, 1875–1955, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. Manns vielschichtiges Werk hat eine weltweit kaum zu übertreffende positive Resonanz gefunden. Ab 1933 lebte er im Exil, zuerst in der Schweiz, dann in den USA. Erst 1952 kehrte Mann nach Europa zurück, wo er 1955 in Zürich verstarb.

4.


»Wie gesagt, alle Achtung, Buddenbrook!« übertönte die wuchtige Stimme des Herrn Köppen das allgemeine Gespräch, als das Folgmädchen mit den nackten, roten Armen, dem dicken, gestreiften Rock und der kleinen weißen Mütze auf dem Hinterkopf, unter Beihilfe Mamsell Jungmanns und des Mädchens der Konsulin von oben, die heiße Kräutersuppe nebst geröstetem Brot serviert hatte und man anfing, behutsam zu löffeln.

»Alle Achtung! Diese Weitläufigkeit, diese Noblesse … ich muß sagen, hier läßt sich leben, muß ich sagen …« Herr Köppen hatte bei den früheren Besitzern des Hauses nicht verkehrt; er war noch nicht lange reich, stammte nicht gerade aus einer Patrizierfamilie und konnte sich einiger Dialektschwächen, wie die Wiederholung von »muß ich sagen«, leider noch nicht entwöhnen. Außerdem sagte er »Achung« statt »Achtung«.

»Hat auch gar kein Geld gekostet«, bemerkte trocken Herr Grätjens, der es wissen mußte, und betrachtete durch die hohle Hand eingehend den Golf.

Man hatte so weit wie möglich bunte Reihe gemacht und die Kette der Verwandten durch Hausfreunde unterbrochen. Streng aber war dies nicht durchzuführen gewesen, und die alten Oeverdiecks saßen einander wie gewöhnlich fast auf dem Schoße, sich innig zunickend. Der alte Kröger aber thronte hoch und gerade zwischen der Senatorin Langhals und Madame Antoinette und verteilte seine Handbewegungen und seine reservierten Scherze an die beiden Damen.

»Wann ist das Haus noch gebaut worden?« fragte Herr Hoffstede schräg über den Tisch hinüber den alten Buddenbrook, der sich in jovialem und etwas spöttischem Tone mit Madame Köppen unterhielt.

»Anno … warte mal … Um 1680, wenn ich nicht irre. Mein Sohn weiß übrigens besser mit solchen Daten Bescheid …«

»Zweiundachtzig«, bestätigte, sich vorbeugend, der Konsul, der weiter unten, ohne eine Tischdame, neben Senator Langhals seinen Platz hatte. »1682, im Winter, ist es fertig geworden. Mit Ratenkamp & Komp. fing es damals an, aufs Glänzendste bergauf zu gehen … Traurig, dieses Sinken der Firma in den letzten zwanzig Jahren …«

Ein allgemeiner Stillstand des Gespräches trat ein und dauerte eine halbe Minute. Man blickte in seinen Teller und gedachte dieser ehemals so glänzenden Familie, die das Haus erbaut und bewohnt hatte und die verarmt, heruntergekommen, davongezogen war …

»Tja, traurig«, sagte der Makler Grätjens; »wenn man bedenkt, welcher Wahnsinn den Ruin herbeiführte … Wenn Dietrich Ratenkamp damals nicht diesen Geelmaack zum Kompagnon genommen hätte! Ich habe, weiß Gott, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als der anfing, zu wirtschaften. Ich weiß es aus bester Quelle, meine Herrschaften, wie greulich der hinter Ratenkamps Rücken spekuliert und Wechsel hier und Accepte dort auf Namen der Firma gegeben hat … Schließlich war es aus … Da waren die Banken mißtrauisch, da fehlte die Deckung … Sie haben keine Vorstellung … Wer hat auch nur das Lager kontrolliert? Geelmaack vielleicht? Sie haben da wie die Ratten gehaust, Jahr aus, Jahr ein! Aber Ratenkamp kümmerte sich um nichts …«

»Er war wie gelähmt«, sagte der Konsul. Sein Gesicht hatte einen düsteren und verschlossenen Ausdruck angenommen. Er bewegte, vornüber gebeugt, den Löffel in seiner Suppe und ließ dann und wann einen kurzen Blick seiner kleinen, runden, tiefliegenden Augen zum oberen Tischende hinaufschweifen.

»Er ging wie unter einem Drucke einher, und ich glaube, man kann diesen Druck begreifen. Was veranlaßte ihn, sich mit Geelmaack zu verbinden, der bitterwenig Kapital hinzubrachte, und dem niemand den besten Leumund machte? Er muß das Bedürfnis empfunden haben, einen Teil der furchtbaren Verantwortlichkeit auf irgend jemanden abzuwälzen, weil er fühlte, daß es unaufhaltsam zu Ende ging … Diese Firma hatte abgewirtschaftet, diese alte Familie war passée. Wilhelm Geelmaack hat sicherlich nur den letzten Anstoß zum Ruin gegeben …«

»Sie sind also der Ansicht, werter Herr Konsul«, sagte Pastor Wunderlich mit bedächtigem Lächeln und schenkte seiner Dame und sich selbst Rotwein ins Glas, »daß auch ohne den Hinzutritt des Geelmaack und seines wilden Gebarens alles gekommen wäre, wie es gekommen ist?«

»Das wohl nicht«, sagte der Konsul gedankenvoll und ohne sich an eine bestimmte Person zu wenden. »Aber ich glaube, daß Dietrich Ratenkamp sich notwendig und unvermeidlich mit Geelmaack verbinden mußte, damit das Schicksal erfüllt würde … Er muß unter dem Druck einer unerbittlichen Notwendigkeit gehandelt haben … Ach, ich bin überzeugt, daß er das Treiben seines Associés halb und halb gekannt hat, daß er auch über die Zustände in seinem Lager nicht so vollständig unwissend war. Aber er war erstarrt …«

»Na, assez, Jean«, sagte der alte Buddenbrook und legte seinen Löffel aus der Hand. »Das ist so eine von deinen idées …«

Der Konsul hob mit einem zerstreuten Lächeln sein Glas seinem Vater entgegen. Lebrecht Kröger aber sprach:

»Nein, halten wir es nun mit der fröhlichen Gegenwart!«

Er faßte dabei vorsichtig und elegant den Hals seiner Weißwein-Bouteille, auf deren Pfropfen ein kleiner silberner Hirsch stand, legte sie ein wenig auf die Seite und prüfte aufmerksam die Etikette. »C. F. Köppen«, las er und nickte dem Weinhändler zu; »ach ja, was wären wir ohne Sie!«

Die Meißener Teller mit Goldrand wurden gewechselt, wobei Madame Antoinette die Bewegungen der Mädchen scharf beobachtete, und Mamsell Jungmann rief Anordnungen in den Schalltrichter des Sprachrohres hinein, das den Eßsaal mit der Küche verband. Es wurde der Fisch herumgereicht, und während Pastor Wunderlich sich mit Vorsicht bediente, sagte er:

»Diese fröhliche Gegenwart ist immerhin nicht so ganz selbstverständlich. Die jungen Leute, die sich hier jetzt mit uns Alten freuen, denken wohl nicht daran, daß es jemals anders gewesen sein könnte … Ich darf sagen, daß ich an den Schicksalen unserer Buddenbrooks nicht selten persönlichen Anteil genommen habe … Immer wenn ich diese Dinge vor Augen habe« – und er wandte sich an Madame Antoinette, indem er einen der schweren silbernen Löffel vom Tische nahm – »muß ich denken, ob sie nicht zu den Stücken gehören, die anno sechs unser Freund, der Philosoph Lenoir, Sergeant Seiner Majestät des Kaisers Napoleon, in Händen hatte … und erinnere mich unserer Begegnung in der Alfstraße, Madame …«

Madame Buddenbrook blickte mit einem halb verlegenen, halb erinnerungsschweren Lächeln vor sich nieder. Tom und Tony, dort unten, die keinen Fisch essen mochten und dem Gespräch der großen Leute aufmerksam gefolgt waren, riefen beinahe einstimmig herauf: »Ach ja, erzählen Sie, Großmama!« Aber der Pastor, der wußte, daß sie es nicht liebte, von diesem für sie ein wenig peinlichen Vorfall selbst zu berichten, begann statt ihrer noch einmal mit der alten kleinen Geschichte, auf welche die Kinder gern zum hundertsten Male gehorcht hätten, und die vielleicht einem oder dem anderen noch unbekannt war …

»Kurz und gut, man figuriere sich: Es ist ein Novembernachmittag, kalt und regnicht, daß Gott erbarm', ich komme von einem Amtsgeschäft die Alfstraße hinauf und denke der schlimmen Zeiten. Fürst Blücher war fort, die Franzosen waren in der Stadt, aber von der herrschenden Erregung merkte man wenig. Die Straßen lagen still, die Leute saßen in ihren Häusern und hüteten sich. Schlachtermeister Prahl, der mit den Händen in den Hosentaschen vor seiner Thür gestanden und mit seiner dröhnendsten Stimme gesagt hatte: ›Dat is je denn doch woll zu arg, is dat je denn doch woll –!‹ war einfach, bautz, vor den Kopf geknallt worden … Nun, ich denke: Du willst einmal zu Buddenbrooks hineinsehen, ein Zuspruch könnte willkommen sein; der Mann liegt mit der Kopfrose, und Madame wird mit der Einquartierung zu schaffen haben.

Da, im nämlichen Moment, wen sehe ich mir entgegenkommen? Unsere allverehrte Madame Buddenbrook. Allein in welcher Verfassung? Sie eilt ohne Hut durch den Regen, sie hat kaum einen Shawl um die Schultern geworfen, sie stürzt mehr als sie geht, und ihre coiffure ist eine komplette Wirrnis … Nein, das ist wahr, Madame! es war kaum noch die Rede von einer coiffure.

›Welch angenehme surprise!‹ sage ich und erlaube mir, sie, die mich gar nicht sieht, am Ärmel zu halten, denn mir schwant nichts Gutes … ›Wohin doch so schnell, meine Liebe?‹ Sie bemerkt mich, sie blickt mich an, sie stößt hervor: ›Sind Sie's … leben Sie wohl! Alles ist zu Ende! Ich gehe hinunter in die Trave!‹

›Behüte!‹ sage ich und fühle, wie ich weiß werde. ›Das ist der Ort nicht für Sie, meine Liebe! Was ist aber passiert?‹ Und ich halte sie so fest, als der Respekt es zuläßt. ›Was passiert ist?‹ ruft sie und zittert. ›Sie sind über dem Silberzeug, Wunderlich! Das ist passiert! Und Jean liegt mit der Kopfrose und kann mir nicht helfen! Und er könnte auch nicht helfen, wäre er auf den Beinen! Sie stehlen meine Löffel, meine silbernen Löffel, das ist passiert, Wunderlich, und ich gehe in die Trave!‹

Nun, ich halte unsere Freundin, ich sage was man sagt in solchen Fällen, ›Courage‹, sage ich, ›Liebste!‹ und ›Alles wird gut werden!‹ und ›Wir wollen reden mit den Leuten, fassen Sie sich, ich beschwöre Sie, und gehen wir!‹ Und ich führe sie die Straße hinauf in ihr Haus. Im Eßzimmer droben finden wir die Miliz, wie Madame sie...

Erscheint lt. Verlag 1.12.2009
Reihe/Serie Thomas Mann, Große kommentierte Frankfurter Ausgabe. Werke, Briefe, Tagebücher
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Alois Permaneder • Amsterdam • Anspruchsvolle Literatur • Arme Teufel • Deutschland • Edition • Familie • Familienroman • Gesellschaft • Hamburg • Hermann Hagenström • Ida Jungmann • Johann Buddenbrook • Justus Kröger • Lübeck • Morten Schwarzkopf • München • Nobelpreis • Nobelpreisträger • Tradition • Travemünde • Wertewandel
ISBN-10 3-10-400309-2 / 3104003092
ISBN-13 978-3-10-400309-2 / 9783104003092
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