Die Olympischen Kunstwettbewerbe 1912-1948 (eBook)
178 Seiten
BoD - Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-5572-8 (ISBN)
Wolf Reinhardt (Jahrgang 1959) wohnt in Bonn, ist Diplom-Informatiker und Betriebswirt, IT-Projektmanager, Trainer für Projektmanagement und freiberuflicher Autor; interessiert sich seit frühester Jugend für die Historie der Olympischen Spiele, seit 2008 Mitglied der International Society of Olympic Historians und Mitglied der OlyMADMen, einer privaten Gruppe internationaler Sporthistoriker. Diese sind auch die Datenlieferanten der Website www.olympedia.org, auf der umfangreiche Daten über alle Olympischen Spiele und Kurzbiografien der mittlerweile über 130.000 beteiligten Teilnehmer veröffentlicht werden. Seit einigen Jahren beteiligt er sich an diversen Buchveröffentlichungen zur Thematik Olympische Spiele.
Die Bildhauerei zwischen 1912 und
1948
Am Ende des 19. Jahrhunderts war die Bildhauerkunst vom strengen Regelwerk des Historismus der Akademien geprägt und zunehmend erstarrt. Zwei französische Bildhauer standen für die sich parallel entwickelnden Linien der Kunst: Auguste RODIN13 war der bedeutendste Vertreter eines barocken und expressiven Naturalismus. Seine „Bürger von Calais“ stellten mit ihrer Lebensnähe und ihrem Körperausdruck eine völlig neue Art eines Denkmals dar. RODINs Gegenpol war Aristide MAILLOL14, ursprünglich ein Maler des Symbolismus. Das Erlebnis des klassischen Griechenlands ließ ihn nach harmonischer Ausgewogenheit und ruhigem Ausdruck streben. Dabei verzichtete er weitgehend auf individuellen Ausdruck.
Auguste RODIN und Aristide MAILLOL
Viele der Teilnehmer an den Kunstwettbewerben wurden von diesen beiden beeinflusst. Da Paris zu dieser Zeit das unbestrittene Zentrum der weltweiten Kunstszene war und viele Künstler zumindest zeitweise dort studierten, verbreiteten sich die neuen Strömungen sehr schnell in ganz Europa aber auch bis in die Vereinigten Staaten. Künstler in Belgien wurden in dieser Zeit naturgemäß besonders stark von der französischen Kunst beeinflusst, aber auch von dem Italiener Rembrandt BUGATTI15, der in Paris und Antwerpen lebte. Damit löste sich die Bildhauerkunst auch von der Architektur, mit der sie durch Bauskulpturen, Denkmäler, Brunnen etc. verknüpft war.
Aufgrund der Anforderungen an die eingereichten Kunstwerke, die einen Bezug zum Sport zeigen mussten, blieben diese überwiegend im figürlichen Bereich, während die zur Zeit des 1. Weltkriegs einsetzenden Entwicklungen zu einer starken Abstraktion bis zur Ungegenständlichkeit kaum Niederschlag fanden.
Pablo PICASSO, Umberto BOCCIONI,
Naum GABO und Constantin BRÂNCUȘI
Pablo PICASSO16 gilt als der erste, der eine kubistische Plastik schuf. In Italien verfasste Umberto BOCCIONI17 eine Theorie der futuristischen Plastik.
In der UdSSR gingen Naum GABO18 und andere mit ihren konstruktivistischen Werken noch einen Schritt weiter und integrierten technoide Bestandteile in Raumkonstruktionen. Als einer der bedeutendsten Bildhauer der Zwischenkriegszeit gilt der Rumäne Constantin BRÂNCUȘI19, den es zunächst auch noch in die Nähe Rodins zog. Bei ihm stand der Dialog mit den verschiedenen Materialien im Vordergrund. Dabei griff er oft auf Volkskunst zurück, vor allem auf afrikanische. Dies führte zu einer starken Reduktion und Abstraktion der Formen.
Besonderes Aufsehen erregten in den 1920er die Surrealisten sowohl wegen ihrer Themen, die häufig um Gewalt und Sexualität kreisten, als auch wegen der Nutzung von fertigen, alltäglichen Objekten für Collagen. Damit wurden auch die Grenzen der Gattung Bildhauerei aufgebrochen, was sich nach dem 2. Weltkrieg in der Konzept- und Aktionskunst ins Extrem fortsetzte.
Wilhelm LEHMBRUCK
Doch nicht alle Bildhauer folgten den experimentellen Richtungen. Vor allem in Deutschland blieben viele Bildhauer bei der figürlichen Darstellung.
Wilhelm LEHMBRUCK20 vereinte Einflüsse von MAILLOL und RODIN. Er war der einzige deutsche Künstler, der 1913 an der Armory Show teilnahm, bei der sich die europäische Moderne in den USA vorstellte.
In den 1920er Jahren wurde der Sport als Ausdruck einer neuen Zeit, in der jeder unabhängig von der sozialen Klasse zum Sieger aufsteigen kann, ein großes Thema in der Bildenden Kunst. Während anfangs vor allem das Großbürgertum beim Tennis oder Polo dargestellt wurde, zeigten die Maler, Grafiker und Bildhauer der Neuen Sachlichkeit typische Arbeitersportarten, mit Vorliebe das Boxen.
So nahmen auch bedeutende Bildhauer wie Edwin SCHARFF, Georg KOLBE, Richard SCHEIBE, Renée SINTENIS, Richard MARCKS und William WAUER vor allem 1928 in Amsterdam mit Skulpturen oder Medaillen teil. SINTENIS und SCHARFF wurden mit Olympia-Medaillen ausgezeichnet. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich daraus unter dem Einfluss des Faschismus die monumentale Darstellung vollkommener Körper als künstlerischer Rückgriff auf den Historismus mit ihren Epigonen Arno BREKER und Josef THORAK.
In Italien stand der Futurismus im Gegensatz zur Bewegung Novecento, zu der u.a. Ercole DREI und Francesco MESSINA gehörten. Die Künstler des Novecento lehnten die Bestrebungen der Avant-Garde ab und machten sich die künstlerischen Traditionen des Landes zu eigen. Daraus entstanden teilweise ähnlich monumentale Werke wie in Deutschland. Typisch sind die überlebensgroßen Athleten, u.a. von Aroldo BELLINI, des Stadio dei Marmi auf dem Foro Italico in Rom.
Die Olympischen Spiele in Berlin boten dann den idealen Anlass für die Zurschaustellung überlebensgroßer hypertropher Akte. Es ist kein Wunder, dass dort die Auszeichnungen vor allem an Italiener und Deutsche gingen. Andere Künstler, wie der dem Expressionismus und Kubismus nahestehende Rudolf BELLING oder Ernesto DE FIORI, wurden in dieser Zeit in die Emigration getrieben, oder erhielten, wie MARCKS, Arbeitsverbot.
In Österreich waren Franz BARWIG, Adolf WAGNER VON DER MÜHL und Josef BOCK mit der Wiener Sezession verbunden, die sich vom traditionellen Historismus abwandte. Otto HOFNER, Wilhelm FRASS und Josef MÜLLNER hatten ähnliche künstlerische Wurzeln, näherten sich in den 1930er Jahren aber der nationalsozialistischen Kunstauffassung an.
In Frankreich entwickelte sich aus dem späten Jugendstil unter dem Einfluss von Kubismus und Futurismus die Stilrichtung des Art Déco mit dem Schwerpunkt auf Ornamentik und Design, benannt nach der „Exposition internationale des arts décoratifs et industriels modernes“ 1925 in Paris. Sie umfasste alle Kunst- und Gestaltungsbereiche wie Malerei, Architektur, Möbel, Mode, Schmuck oder Gebrauchsgegenstände. Es gab verschiedene Ausrichtungen: historisierend, exotisch-romantisierend, konstruktivistisch. Art Déco gilt als der vielleicht erste weltweit verbreitete Stil. Einer der wichtigsten Ideengeber war das spätere Jurymitglied (1924) Émile-Antoine BOURDELLE21. Von den französischen Teilnehmern stehen dafür u.a. Maurice GUIRAUD RIVIÈRE, Paul MOREAU-VAUTHIER, Raoul LAMOURDEDIEU, die MARTEL-Zwillinge und Raymond RIVOIRE. Das vielleicht bekannteste Werk ist Paul LANDOWSKIs „Christus“ in Rio de Janeiro.
Émile-Antoine BOURDELLE und Carl MILLES
In Skandinavien wurde die Skulptur von einem nationalromantischen Realismus geprägt. Die bekanntesten schwedischen Bildhauer der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren Carl MILLES22 und Carl ELDH, die beide von RODIN beeinflusst waren.
Ebenfalls stark national bestimmt waren Werke der polnischen Bildhauer, angefangen mit Antoni WIWULSKI, der vor dem 1. Weltkrieg das Grunwalddenkmal schuf. Die nächste Generation stand vor allem der französischen Moderne und dem Art Déco nahe. Olga NIEWSKA war eine Schülerin von BOURDELLE, Antoni KENAR und der bei den Olympischen Spielen besonders erfolgreiche Józef KLUKOWSKI bevorzugten einen Stil im Grenzbereich zum Kubismus.
Im österreichischen Vielvölkerstaat konnte Otakar ŠPANIEL bereits 1912 als Böhme teilnehmen, später als Vertreter der Tschechoslowakei. Künstlerisch wandte er sich vom Jugendstil ab und dem Neoklassizismus zu. Einziger tschechischer Medaillengewinner war Jakub OBROVSKÝ, der 1924 bis 1948 dreimal an Olympischen Spielen teilnahm, sich aber den Spielen der Nationalsozialisten 1936 verweigerte. Dabei hatte er sich erst 1923, inspiriert von MAILLOL und BOURDELLE, der Bildhauerei mit antiken und sportlichen Motiven zugewandt hatte. Bei Josef MAŘATKA sieht man dagegen den starken Einfluss RODINs.
In Großbritannien dominierte der akademische Konservatismus bis zum 1. Weltkrieg. In der Zwischenkriegszeit war auch hier Art Déco weit verbreitet, vertreten u.a. durch den Schotten William Reid DICK. Schottland hatte an der Wende 19./20. Jahrhundert einen großen Einfluss in der britischen Kunst.
In den USA beherrschten lange die akademischen Traditionen von Augustus SAINT-GAUDENS23 und Frederick William MACMONNIES die konservative Kunstszene bis nach 1910 zahlreiche europäische Künstler mit neuen Auffassungen nach Amerika kamen. Die Armory Show, auch bekannt als Internationale Ausstellung für moderne Kunst, wurde 1913 als erste große Ausstellung für moderne Kunst in Amerika von der Association of American Painters and Sculptors organisiert. Sie führte die Amerikaner in die experimentellen Stile der europäischen Avant-Garde ein.
Zu den ersten Künstlern, die den Modernismus in den USA aufnahmen, gehörte der von Kubismus und Fauvismus beeinflusste gebürtige Litauer William ZORACH. Dazu gehörten auch Hunt DIEDERICH aus Ungarn und Carl MILLES aus Schweden. Gleichzeitig vollendeten zahlreiche amerikanische Künstler traditionell ihre Studien mit einem Aufenthalt in Europa und brachten neue Ideen zurück. Paul MANSHIP, Edward MCCARTAN und andere gestalteten ikonische Werke des Art...
Erscheint lt. Verlag | 30.7.2024 |
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Reihe/Serie | Olympische Kunstwettbewerbe 1912-1948 |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kunst / Musik / Theater ► Malerei / Plastik |
Schlagworte | Bildhauerei • Kunstwettbewerbe • Medaillen • Olympische Spiele • Plastiken |
ISBN-10 | 3-7597-5572-0 / 3759755720 |
ISBN-13 | 978-3-7597-5572-8 / 9783759755728 |
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