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Die Stadt Paris und die Entwicklung zur modernen Kunst -  Markus Spiegelhalder

Die Stadt Paris und die Entwicklung zur modernen Kunst (eBook)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
266 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-5803-2 (ISBN)
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Mit 'Erzählung', wie der Autor die vorliegende Darstellung nennt, ist weder freie Erfindung, noch Oberflächlichkeit gemeint, sondern der narrative und für jedermann verständliche Ansatz. Das Buch schildert den Übergang der Kunst in die Moderne, der sich aus den traditionellen Wurzeln versteht und mit den demokratisierenden Bewegungen im 18., 19. und 20. Jahrhundert einhergeht. Neben den gesellschaftlich-politischen Bezügen spielen geistesgeschichtliche und technische Erscheinungen eine Rolle, manifestiert in diesem einzigartigen urbanen Gebilde, Paris. Unwillkürlich stößt man auf mannigfache Wechselbeziehungen, Stadt und Kunst wirken in ihrem Mit- und Gegeneinander und bringen eine unwiederbringliche Epoche lebendigen Geistes hervor. Viele Künstler und Kunstströmungen, Kunststätten und Institutionen, die diese Entwicklung begleiteten, kommen zur Sprache. An sie zu erinnern ist Anliegen dieses Buches.

KUNST IM ZEICHEN TIEFGREIFENDER VERÄNDERUNGEN


Unsere Erzählung über die Entstehung der modernen Malerei beginnt nicht in der französischen Hauptstadt, sondern rund 20 Kilometer südwestlich ihres Zentrums: in Versailles, dem Ort der Monarchie. Während der Absolutismus sich dort etabliert, erscheinen auf geistiger Ebene Gedankenspiele, die das alte monarchische Prinzip hinterfragen und sich schließlich in tiefgreifenden Veränderungen realisieren. Entsprechendes lässt sich von der Kunst sagen, auch sie baut sich auf, um bald in ihrer bisherigen Form angezweifelt zu werden. Wir schicken uns an, einen Zeitabschnitt von etwa 200 Jahren ins Auge zu fassen. Er beginnt mit der Herrschaft Ludwig XIV., führt uns durch die Krise der Monarchie im 18. Jahrhundert zur Revolution, dann zu Napoleon und über seine Zeit hinaus bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Aber weder auf der politischen noch auf der künstlerischen Seite wird im genannten Zeitraum die Entwicklung an ihrem Endziel angelangt sein.

KUNST IM ABSOLUTISMUS


Der Absolutismus hatte für die französische Kulturentwicklung eine mehrfache Funktion: zum einen projizierte er in die Zukunft, auch nach dem Niedergang zehrte man von dem Erbe, das er hinterlassen hatte. Unter veränderten Verhältnissen war sein Einfluss auf die Folgezeit von verschiedenen Seiten heftig umstritten und allein schon von daher von großer Bedeutung. Zum andern war für seine nachmalige Wirkung eine wichtige Voraussetzung, sich auf ›Bewährtes‹, oder sagen wir es besser: auf ›Bewahrungswürdiges‹ stützen zu können. Im Bündeln und Bewahren, im Sammeln und Methodisieren von Erfahrung mit dem Ziel, zu immer größerer Vollkommenheit und Geltung zu gelangen, lag eine der großen Verdienste der Monarchie – das nahm sie ernst und verdient vorläufig unsere Anerkennung.

Es waren zwei Überlieferungen unterschiedlichen Ursprungs, die sich im Absolutismus vereinigten. Der örtlich unmittelbare war der von Ulrich Christoffel angeführte Baustil der Gotik, dessen frühe Erscheinung sich auf die Île-de- France und die Stadt Paris konzentrierte. Erste Versuche mit aufgebrochenen Wänden und lichtdurchfluteten Räumen machte man vor den Toren der Stadt – im Allgemeinen wird für den Beginn der Gotik die Entstehung des Chores in Saint-Denis im Jahre 1144 angeführt. Eine weitere Experimentier- und Bauphase, die sich auf Abteien im Umland bezog, führte mit der Kathedrale Notre-Dame auf der Île de la Cité ins Stadtzentrum. Paris im ausgehenden Mittelalter war schließlich vom gotischen Baustil geprägt. Der zweite Ursprung ist derjenige des abendländischen Kunstschaffens insgesamt, dessen Geschichte vom antiken Griechenland ausgehend über das imperiale Rom in die florentinische Renaissance mündete. Als sich Paris mit der Renaissance auseinanderzusetzen begann, stieß sie auf den Widerstand der Gotik und blieb nicht die italienische, sondern wandelte sich unter dem einheimischen Einfluss in eine regionaltypische französische Renaissance.

Mit Ludwig XIV. erreichte das französische Königtum seine Vollendung. Sieht man von England und den Niederlanden ab, so verbreitete sich das kulturell-politische Exempel Frankreichs weit über die Landesgrenzen hinaus. Seine Leistungen wurden allenthalben bestimmend: Architektur, Gartenbaukunst, Malerei, Theater, Musik, Oper und Tanz, höfisches Zeremoniell fanden auf dem Kontinent ihre Nachahmer. Kurz, wo Fürsten auf sich hielten, kopierten sie Versailles nach den eigenen Möglichkeiten. In Deutschland entfalteten sich Hannover, Kassel, Düsseldorf, Bonn, Würzburg, Mannheim, München und Karlsruhe zu prachtvollen Residenzstädten, Dresden zu einer der bedeutendsten Städte des Barocks überhaupt. Besonders Südwestdeutschland profitierte von dem unmittelbaren Einfluss. So führte der englische Philosoph und Mathematiker Bertrand Russell den Entwicklungsvorsprung dort gegenüber ferner liegenden deutschen Regionen auf die Nähe zum Land westlich des Rheins zurück. Auch politisch dominierte Frankreich. Seine expansiven Bestrebungen unterstrichen seinen herausragenden Anspruch und bestimmten die europäische Außenpolitik. Die internationale Stellung des Landes wirkte nach innen auf das nationale Empfinden zurück, man war sich des hegemonialen Anspruchs bewusst: nicht erst nachfolgende Zeiten, sondern die Epoche selbst empfand sich als klassisch, was nichts anderes besagt, als dass sie sich bereits als Urform einer Zukunft entwarf, die es noch abzuwarten galt und die man sich bestenfalls als Nachklang vorstellen konnte. Der absolutistische Wille Frankreichs war aber auch historisch zu bewerten. Man darf die französischen Wurzeln nicht vergessen, Frankreich war zu einem großen Teil aus dem Römerreich hervorgegangen, nicht nur kulturell, sondern auch politisch. Das antike Imperium mit seinen Provinzen und in ihrer Mitte der einen Stadt war Vorbild für den französischen Zentralismus gewesen. Die zunehmende Selbstachtung während des ›Grand Siècle‹, erlaubte den vergleichenden Blick, Rom war der Maßstab, aber nicht für alle Ewigkeit: das Ziel war ihn nicht nur zu erreichen, sondern ihn zu übertreffen.

Wir sollten den Hintergrund, aus dem sich der französische Absolutismus entwickelte, berücksichtigen. Schon die Gotik war aus der Sicht des Schweizer Kunsthistorikers Ulrich Christoffel das Ergebnis »des rechnenden Verstandes«, ebenso war die Renaissance verstandesmäßig orientiert, endgültig wird der Rationalismus mit der Philosophie Descartes in Frankreich heimisch. René Descartes (1596 – 1650) war 16 Jahre alt, als in Paris die erste Platzanlage im Renaissancestil, die Place Royale, fertiggestellt wurde und die italienischen Einflüsse allmählich die Gotik zu verdrängen begannen, er starb elf Jahre vor Mazarin und der beginnenden Alleinherrschaft Ludwig XIV. (1638 – 1715). Seine Vorstellungen entwickelte er aus der ursprünglichen Beschäftigung mit den Naturwissenschaften und der Mathematik. ›Cogito, ergo sum‹, die Gleichsetzung von Ich, Sein und Bewusstsein war die Basis seines Systems. Descartes’ Primat war das Denken, das reine, klare Denken ohne psychische Einwirkung. Er isolierte bewusst Geist und Psyche. Von hier aus gelangte er zu der Vorstellung eines mechanischen Lebens- und Weltgeschehens, sämtliche Bewegungs- und Triebkräfte sah er als ineinander wirkende Automatismen. Selbst Tiere und Pflanzen waren unbeseelte Maschinen. Die Idee dahinter war typisch neuzeitlich, die Welt sollte sich dem Menschen fügen – sie sollte analysierbar, erklärbar und quasi mathematisch handhabbar sein. Hier begegneten sich die Interessen des Philosophen mit denjenigen des Monarchen und seinen Ideen vom Staat in all seinen Erscheinungsformen, auch den Staat trachtete man dem Zufall zu entziehen. Des Königs Tagesablauf etwa, das höfische Protokoll, das sich zu einem raffinierten Instrumentarium der Repräsentation entwickelte, war ein Mechanismus nach dem Muster eines Uhrwerks, in seiner Art lückenlos und unfehlbar. Die staatlichen Verläufe insgesamt, etwa das Wirtschaftssystem des Merkantilismus mit seinen Bestimmungen zu Ein- und Ausfuhr und den Manufakturen, war ein geregeltes Ganzes. Rationalität sprach ebenso aus den repräsentativen Einrichtungen, überall schien man gemessen und Zirkel und Lineal zur Hand gehabt zu haben. Die einfachsten und auffallendsten Mittel der Geometrisierung sind der Kreis als Form und die Spiegelung als Abbild, zwei Prinzipien, die sich im Symbol der Sonne vereinigten: Licht, Bewusstsein, Existenz und diese bezogen auf eine Mitte als ihr Anfang und Ende, das war der französische Zentralstaat in kürzester Form. Beide geometrischen Prinzipien, sowohl das zentrische als auch das symmetrische, finden wir in Versailles allenthalben: im Park, in der Architektur, in den zahlreichen Spiegeln der Inneneinrichtung, das höfische Protokoll folgte ihnen, wo überzählige Höflinge gelegentlich kaum eine andere Funktion hatten als die Erwiderung und Steigerung königlicher Herrlichkeit. Der französische Formwille in der Architektur zeigt sich darüber hinaus noch auf andere Weise. Im Gegensatz zum üppigen Barock römischer oder süddeutscher Prägung verzichtet die aus der Renaissance hervorgegangene französische Spielart auf Ausdruckswille und behält seine nüchterne, beherrschte Abgeklärtheit bei.

Das Gebot der monarchischen Selbstdarstellung unter Ludwig XIV. kannte keine Grenzen, es vereinigte eine künstlerische Überfülle mit höchster Qualität. Die Akademien, die ins Leben gerufen wurden, garantierten die Orientierung an der staatlichen Autorität, sie waren zunächst einmal Ausdruck eines Missverhältnisses. Man konnte ganz offenbar nicht mehr darauf vertrauen, dass das Kunstschaffen dem entsprach, was der Staat erwartete, anders sind die Regulierungen, die damals ins Leben gerufen wurden, nicht zu verstehen. Die Einrichtung der Académie royale de peinture et du sculpture, war das erste Bollwerk, das man einer freien Entfaltung des Kunstbetriebs in Frankreich entgegenstellte.

Näher besehen zeigt sich dann doch auch eine andere Seite, die zu oft...

Erscheint lt. Verlag 11.7.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
ISBN-10 3-7578-5803-4 / 3757858034
ISBN-13 978-3-7578-5803-2 / 9783757858032
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