Eine Gondelfahrt durch Venedig (eBook)
101 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-1527-0 (ISBN)
Dr. Donatella Chiancone-Schneider ist promovierte Kunsthistorikerin, freie Kuratorin und populärwissenschaftliche Kunstvermittlerin. In multimedialen, oft interdisziplinären Kursen, Vorträgen, Publikationen, Ausstellungen und selbst organisierten Festivals erklärt sie breitgefächerte, auch anspruchsvollere kunsthistorische Themen zeitgemäß und unterhaltsam. Ihre Vortragstourneen der letzten Jahre haben sie bereits in unzählige Städte bundesweit sowie nach Italien, Österreich, Polen, Dänemark und in die Schweiz geführt. Seit 2020 ist sie zusätzlich mit ortsübergreifenden Webinaren u.a. Online-Formaten unterwegs. Website www.donatella.chiancone.eu Projektportal www.kunstco.de
Venedig in der Renaissance
Das 15. Jahrhundert
Nachdem Venedig im Mittelalter über die Kontrolle von Adria-Küsten und -Inseln die Vorherrschaft über das östliche Mittelmeer erlangt hatte, dehnte es sich auf dem Festland aus: 1405 eroberte es Padua, danach Verona und bis Ende des 15. Jahrhunderts bezwang es neben ganz Venetien auch Friaul, das südliche Trentin, die östliche Lombardei sowie die Romagna – kurz, es verleibte sich fast das gesamte Oberitalien mit Ausnahme eines nordwestlichen Teils ein. Die sonst für den Krieg auf den Meeren vorbestimmte Wasserstadt vertraute sich für diese ambitionierten territorialen Pläne auswärtigen Söldnerführern an (deren heute bekannteste Erasmo da Narni gen. Gattamelata und Bartolomeo Colleoni sind), deren schwankende Loyalität gelegentlich ernsthafte Probleme darstellte.
Das Goldene Zeitalter der Republik war eingeläutet: Die Serenissima war nicht nur militärisch und politisch, sondern auch wirtschaftlich und kulturell einer der wichtigsten europäischen Staaten: Sie bestimmte die Handelswege vom Orient bis Nordeuropa, war führend in der Weberei, der Glasindustrie und im Druckwesen; neben dem Kunsthandwerk konnte sie nun auch durch die bildende Kunst den Ton angeben. Besonders in der Malerei entwickelten in Venedig aktive Meister neben einer unbestrittenen Qualität auch eine viel beachtete Originalität, aus der sich Künstler aus ganz Italien und darüber hinaus speisten.
Mit dem Fortschreiten des 15. Jahrhunderts stieg jedoch die beeindruckende Parabel der Serenissima schließlich ab: Die Besetzung von Konstantinopel durch die Osmanen (1452-53) und der darauffolgende Verlust von Schlüsselpositionen in der Ägäis markierten einen Punkt der Niewiederkehr, an dessen Substanz weder zeitnahe strategische Eheschließungen, noch spätere militärische Siege etwas ändern konnten. Mit der Eröffnung neuer Seewege über den Atlantik ab den 1490ern war das Schicksal Venedigs als Seemacht besiegelt, eine weitere maßgebliche Rolle im Kulturbereich blieb ihr dennoch für weitere Jahrhunderte erhalten.
Das 16. Jahrhundert
Nachdem sich mit der Entdeckung der Neuen Welt neue Horizonte aufgetan hatten, von denen andere Länder profitierten, wuchs nicht nur die Konkurrenz auf hoher See, sondern auch der direkte Druck auf den Lagunenstaat durch die Nachbarn: 1508 bildete sich die internationale Liga von Cambrai, die zum Ziel hatte, Venedigs Territorien auf dem Festland zu übernehmen, was ihr schließlich gelang. Parallel ging der bereits im 15. Jahrhundert begonnene Verlust der Kontrolle der Handelswege nach Asien durch den zunehmenden Einfluss der Türken im Mittelmeerraum weiter, woran selbst ein legendärer Sieg wie 1571 im Zuge der Schlacht von Lepanto nichts ändern konnte.
Gleichzeitig erwies sich Venedig als attraktiver Zufluchtsort für viele Künstler und Schriftsteller, die Rom anläßlich der verheerenden Plünderung vom Jahr 1527 verließen: Dazu zählten u.a. Pietro Aretino (Dichter und Höfling), der mit Tizian befreundet war, und Sansovino (Bildhauer und Architekt), von dem in den nächsten Kapiteln noch ausführlich die Rede sein wird.
Der besonderen Blüte im kulturellen Bereich gesellten sich allerdings auch beunruhigende Zersetzungsprozesse zu, deren auffälligste die wiederkehrenden Stadtbrände und Pest-Epidemien waren, aber wozu auch der Verfall des wirtschaftlichen und politischen Systems gezählt werden können: Solche Katastrophen leiteten eine Untergangsstimmung ein, die u.a. in dem Wegzug vieler begüterter Familie aus der Lagune und in einer apokalyptisch wirkenden Malerei gipfelte.
Es war die Zeit, in der einige markante Elemente des Stadtbilds, wie die schwarzen Gondeln, in der heute noch bekannten Form entstanden: Die damaligen Luxusgesetze verboten nämlich Mitte des 16. Jahrhunderts diese Boote farbig zu bemalen oder mit Pelzen auszuschlagen; nichtsdestoweniger verstanden die Wasserrepublik und ihre Bewohner sehr wohl, bei besonderen Anlässen und dem eigenen – auch architektonischen – Auftritt ihrem Repräsentanzbedürfnis mit angemessenem Prunk zu genügen.
Venezianische Kunst in der Renaissance
So wie Venedig sich mit dem Anbruch der Neuzeit geopolitisch und wirtschaftlich neu orientieren musste, so war es ab der Mitte des 15. Jahrhunderts auf kultureller Ebene gezwungen, sich mit der auf dem Festland seit Generationen blühenden Renaissance endlich zu konfrontieren. Der damit verbundene Kulturschock wurde nach langem Aufschieben durch typisch venezianische Maßnahmen abgedämpft: Kritik, Vermittlung, Anpassung, Verwandlung, bis das Unvermeidliche inzwischen so verstoffwechselt war, dass es doch integriert werden konnte, ohne mit einer kompletten Assimilierung kapitulieren zu müssen. Das gilt ganz besonders im architektonischen Bereich, kann aber auch für die Malerei wiederholt werden.
Die Aufgabe vom Spitz- für den Rundbogen, von kreisförmigen für geradlinige und eckige, klassizistische Bauelemente wie Giebel und Säulen war keine reine, oberflächliche Frage der Geometrie oder der Mode, sondern eine tiefer gehende, geistige Angelegenheit und betraf die gefühlte Identität der Wasserstadt – und diese stand damals noch mit beiden Füssen im Mittelalter, in der Zeit ihres unaufhaltsamen Aufstiegs. Was die Lagunenmetropole im 14. Jahrhundert mit der Gotik – zugegeben mit einer gewissen Verspätung im internationalen Vergleich – aufgebaut hatte, war mehr als eine Verbeugung vor einem fremden, vorläufigen Kunstgeschmack: nämlich die bewusste Visualisierung des eigenen, unabhängigen Selbstverständnisses.
Die Klarheit, der Idealismus und der Ernst der Renaissance passten zu ihrem Wesen aber weniger als die Kompromissbereitschaft, die Selbstdarstellung und der Witz, die als Eigenschaften der Venezianer einen besseren Ausdruck in den fantasievollen und extrem individuellen Bauten des Spätmittelalters fanden. Es wundert daher nicht, dass der Schritt der Stadt in die frühe Neuzeit anfangs zögerlich war und kreative Übergangslösungen hervorbrachte, letztlich wurde aber der Eintritt Venedigs in die neue Kunstepoche im Gegensatz zu den gleichzeitigen Entwicklungen in anderen Gebieten ein großer Erfolg; dies zeigte sich übrigens deutlicher in der Malerei als in anderen Disziplinen wie der Architektur.
Die Republik profitierte zum Einen von „Botschaftern” des neuen Stils, die vom Festland kamen und zwischen den Welten vermittelten: Die Neuigkeiten aus der Toskana wurden in Veneto von den Malern Giotto, Paolo Uccello und Andrea del Castagno importiert; Donatello, Verrocchio und weitere Bildhauer wie Sansovino und Pietro Solaro gen. Lombardo (aktiv in der 2. Hälfte 15. Jh., s. Kapitel über die Kirchen), die in und um Venedig arbeiteten, kamen ebenfalls aus weit entfernten Gegenden.
Zum Anderen etablierten sich im Bereich der Malerei vor allem Künstler, die in Venedig selbst oder in der unmittelbaren Umgebung geboren wurden: inbesondere Tizian, Veronese und Tintoretto. Da die vorliegende Publikation keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat, werden im Folgenden aus der Fülle der überregional bis international berühmten Künstler nur ausgewählte, weltweit bekannte Namen anhand von repräsentativen Bildern vorgestellt und weitere wichtige Maler nur kurz erwähnt – zumal Letztere ihre Karriere wegen der Sättigung der venezianischen Kunstszene durch die größeren Meister außerhalb der Stadt verfolgten.
Zwei lokal bedeutende Faktoren beeinflussten die Kunstproduktion der Renaissance und die herausragende Qualität vieler...
Erscheint lt. Verlag | 29.9.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kunst / Musik / Theater ► Malerei / Plastik |
Technik ► Architektur | |
ISBN-10 | 3-7562-1527-X / 375621527X |
ISBN-13 | 978-3-7562-1527-0 / 9783756215270 |
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