Agency for Scandal (eBook)
432 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0631-2 (ISBN)
Laura Wood wurde in den englischen Midlands geboren und ist preisgekrönte Schriftstellerin. Sie promovierte über die Literatur des neunzehnten Jahrhunderts und schreibt Bücher für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Laura Wood lebt mit ihrem Mann und ihrem Hund in Warwickshire und hat eine Schwäche für Liebesromane, Tee, schönes Briefpapier, salziges Karamell und Feminismus.
Laura Wood wurde in den englischen Midlands geboren und ist preisgekrönte Schriftstellerin. Sie promovierte über die Literatur des neunzehnten Jahrhunderts und schreibt Bücher für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Laura Wood lebt mit ihrem Mann und ihrem Hund in Warwickshire und hat eine Schwäche für Liebesromane, Tee, schönes Briefpapier, salziges Karamell und Feminismus. Petra Koob-Pawisstudierte in Würzburg und Manchester Anglistik und Germanistik und ist seit vielen Jahren als Übersetzerin tätig. Sie lebt in der Nähe von München.
TEIL EINS
London
Juni 1897
KAPITEL 1
Wenn man während der Londoner Saison auf der Jagd nach Geheimnissen und Skandalen ist, dann gibt es keinen besseren Ort dafür als die Oper. Auf engstem Raum findet man dort fein gekleidete Menschen, die alle so tun, als würden sie das Drama auf der Bühne verfolgen, während sie sich in Wirklichkeit gegenseitig beobachten. Ein Ort wie gemacht für Intrigen. Genau aus diesem Grund war ich dort.
Ich fand schon immer, dass das Royal Opera House wie das Schaufenster einer Konditorei aussieht: ganz in Weiß und Gold und mit verschlungenen Akanthusblättern, die aussehen wie aus Zucker und nur darauf warten, dass man hineinbeißt. Und dann sind da noch die Logen mit den Sitzen aus karmesinrotem Samt, einhunderteinundzwanzig an der Zahl. Ringsherum säumen sie den Saal und reichen in ihrer goldenden Pracht über mehrere Etagen bis zur Kuppeldecke hinauf. Wenn der Theatersaal voll ist, fasst er beinahe zweitausend Menschen – zweitausend Augenpaare, zweitausend Stimmen, die den neuesten Klatsch und Tratsch austauschen. Wo gibt es das sonst noch?
»Izzy«, ertönte eine Stimme dicht an meinem Ohr. »Ist das da drüben nicht der Earl of Rathmore? Wenn ja, ist er eindeutig nicht in Begleitung seiner Frau.«
Teresa Wynter ist schon seit achtzehn Jahren meine beste Freundin, und sie ist vieles, aber ganz sicher nicht diskret. Als würden ihre unüberhörbare Stimme oder ihr strahlendes Lächeln allein nicht bereits ausreichen, um alle Aufmerksamkeit auf sie zu lenken – spätestens das blendende Zitronengelb ihres Kleides erzielte den gewünschten Effekt (»Bei der Schneiderin hatte es noch die Farbe einer blassen Primel, Iz, ganz sicher …«). Mehrere Köpfe wandten sich der Loge zu, in der wir saßen, und alle Augen blickten in unsere Richtung. Oder vielmehr: in ihre Richtung. Denn über mich glitten die Blicke hinweg. Wie gewohnt war ich kaum mehr als ein Schatten, ein Flackern im Augenwinkel der Damen und Herren der besseren Gesellschaft. Was meinen Zwecken höchst dienlich war.
Wenn man als Detektivin für eine Geheimagentur arbeitet, ist es von Vorteil, unsichtbar zu sein.
»Hm?« Das Geräusch kam von Teresas Großtante Louisa, die für einen kurzen Moment zum Leben zu erwachen schien und sich im Samtsessel aufrichtete. »Wie bitte?« Sie beäugte uns misstrauisch. Wann immer sie etwas zu uns sagte, war es in der Regel, um ihre Missbilligung zu äußern.
Teresa lächelte engelsgleich. »Nichts, Tante.«
Louisa schniefte, döste dann aber ohne weiteren Kommentar wieder ein. Teresas Großtante war eine Dame fortgeschrittenen Alters, stocktaub und mit dem besonderen Talent gesegnet, praktisch überall einschlafen zu können. Mit anderen Worten: Sie war die perfekte Anstandsdame, und besonders bei Teresa war das vonnöten. Meine Freundin behauptete immer, dass, wäre sie etwa achtzig Jahre früher geboren, sie eine garantiert höchst skandalöse Affäre mit Lord Byron gehabt hätte – vorausgesetzt natürlich, es hätte sich die Gelegenheit dazu ergeben. Ich hatte nie daran gezweifelt, wobei ich mich allerdings fragte, ob Byron auch nur ansatzweise gewusst hätte, worauf er sich da einlässt.
»Mach dir nicht zu viele Sorgen um Lady Rathmore«, flüsterte ich Teresa zu, als Louisa wieder weggedämmert war. »Ich habe gehört, dass sie die Untreue ihres Mannes satthat und mit einem gutaussehenden jungen Diener durch Europa reist.«
Ich konnte die Genugtuung in meiner Stimme kaum verbergen. Lady Rathmore zählte zu den Klientinnen der Agentur, und es war ein erfreulicher Ausgang für einen unserer schwierigeren Fälle gewesen. Wir hatten ihr das nötige Erpressungsmaterial geliefert, mit dem sie dann ihren untreuen Ehemann gezwungen hatte, für ihre finanzielle Unabhängigkeit zu sorgen. Es war eine äußerst befriedigende Aufgabe gewesen. Schließlich hatte sie das Geld überhaupt erst in die Ehe gebracht.
Teresas Augen weiteten sich. »Woher um alles in der Welt weißt du solche Dinge?«
»Ich habe da meine Quellen.« Ich strich den Rock meines blassgrauen Kleides glatt, das – gelinde gesagt – langweilig und gewöhnlich war und von der Garderobe jeder anderen Frau in der Oper in den Schatten gestellt wurde. Vor dem roten Samt der Logen funkelten die Kleider der feinen Damen wie Edelsteine in einem Schmuckkästchen.
Es war inzwischen zwei Jahre her, dass Vater gestorben war, aber trotz allen guten Zuredens von meiner Freundin fiel es mir immer noch schwer, auf meine Trauerkleidung zu verzichten.
In der Loge, die fast direkt gegenüber von unserer war, erschien jetzt Sylla Banaji am Arm ihres Vaters, Sir Dinshaw Banaji. Sie warf nicht einmal einen Blick in unsere Richtung. Viele Köpfe drehten sich jedoch in ihre Richtung. Mehr als nur ein Opernglas wurde gezückt, und so manche Hälse wurden gereckt, um zu sehen, wie die schöne Tochter des Baronets gekleidet war und ob sie eine interessante Begleitung mitgebracht hatte.
Mit ihren neunzehn Jahren, ihrer natürlichen Anmut und spöttischen Haltung gegenüber der Gesellschaft stand Sylla oft im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Auch jetzt konnte ich beobachten, wie die Operngäste ihr Aussehen begutachteten und anerkennendes Murmeln durch die Reihen ging. Sie trug ein blassblau-silbernes Kleid, das ihr rabenschwarzes Haar und ihren gelbgoldenen Teint betonte, dazu silberne Armreifen, die von ihren Handgelenken bis zu den hohen Manschetten hinaufreichten.
»Wie … originell«, hörte ich eine Frau raunen, in einem Ton, der an den säuerlichen Geschmack von vergorenem Wein denken ließ.
Sylla war die Tochter von Lady Anne Stanton und deren in Bombay geborenen und in Oxford erzogenen Ehemann – weswegen Sylla einen komplizierten Platz in der Gesellschaft einnahm. Ihr Vater war ein pensionierter Dragoneroffizier, der dank seines Vermögens und seiner philanthropischen Bemühungen (sowie seiner Freundschaft mit dem Prinzen von Wales) vor fast einem Jahrzehnt zum Baronet ernannt worden war – was jedoch nichts daran änderte, dass viele nicht über seine Hautfarbe hinwegsehen konnten. Oder die seiner Tochter Sylla.
Nach einer Weile wanderte Syllas Blick zu mir, hielt kurz inne, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde, und glitt dann weiter. Aber ich begriff die Botschaft in aller Deutlichkeit: Wehe, du vermasselst das hier.
Ich seufzte. Ich pflegte zwar keine Fehler zu machen, aber Sylla behandelte mich immer noch wie die unerfahrene Anfängerin, die sie vor anderthalb Jahren angesprochen hatte. Ich zog Vaters Taschenuhr aus meinem Retikül, in dem sich noch ein Parfümfläschchen, ein zusammengeklappter Fächer und ein Taschentuch befanden. Es waren noch mehr als dreißig Minuten bis zum Beginn der Aufführung, also genug Zeit.
Ich blätterte im Programmheft und versuchte, mir die Ungeduld nicht anmerken zu lassen. Ich hatte Manon Lescaut gesehen, als die Oper vor fast drei Jahren hier in Covent Garden ihre Premiere gefeiert hatte. Damals war ich sechzehn und Vater noch am Leben gewesen. Wir hatten eine eigene Familienloge, die wir inzwischen aufgegeben haben. Offiziell aus dem Grund, dass Vater derjenige gewesen sei, der die Oper geliebt habe, und wir die Loge daher kaum noch brauchen würden. In Wahrheit konnte ich es mir keinen Tag länger leisten, sie zu behalten.
Damals hatte mein Leben aus Ballkleidern bestanden und darin, nach einem Ehemann Ausschau zu halten. Das schien eine halbe Ewigkeit her zu sein, und manchmal dachte ich sogar, es sei das einer anderen Person gewesen. Aber, um ehrlich zu sein, vermisste ich nicht viel aus jener Vergangenheit. Natürlich würde ich alles dafür geben, Vater wiederzuhaben … aber der Rest? Mein Leben war jetzt so viel interessanter.
»Oh, ich liebe dieses Rosa!« Teresas Stimme lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf die Szene, die sich vor uns abspielte. »Meinst du, es würde mir stehen?«
Mein Blick folgte ihrem ausgestreckten Finger und landete auf einem Kleid, das sich durch einen alptraumhaften Farbton hervortat: irgendwo zwischen Puterrot und Lachsfarben. »Du würdest in jeder Farbe reizend aussehen«, erwiderte ich – zum einen, weil es die diplomatischste Antwort war, und zum anderen, weil ich es genau so meinte.
Teresa schnaubte, aber ich merkte ihr an, dass sie sich freute. »Auf dem Ball in Devonshire House werde ich Rosa tragen, aber es ist ein viel hellerer Farbton, und jetzt frage ich mich, ob es die richtige Entscheidung war …« Sie neigte den Kopf zur Seite. »Vielleicht sollte ich noch einmal mit meiner Schneiderin sprechen.«
»Lass die arme Frau in Ruhe!«, sagte ich. »Ich weiß schon gar nicht mehr, wie oft du deine Meinung über dieses Kleid geändert hast.«
»Es ist immerhin das gesellschaftliche Ereignis des Jahres!«, schmollte Teresa. »Wahrscheinlich des Jahrzehnts. Ich finde, du nimmst die Sache nicht ernst genug, vor allem da es sich um ein Kostümfest handelt. Ich habe gehört, der Duke of Marlborough habe fünftausend Francs für ein Kostüm aus dem Hause Worth ausgegeben. Da kannst du nicht in irgendeinem alten Fetzen auftauchen.«
Ich zuckte mit den Schultern. Niemand würde darauf achten, was ich anhatte, also schien es kaum der Mühe wert, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Teresa gab ein irritiertes »Ts« von sich und sah sich weiter...
Erscheint lt. Verlag | 1.8.2024 |
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Übersetzer | Petra Koob-Pawis |
Zusatzinfo | 1 s/w-Abbildung |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | ab 12 Jahren • Adel • Adlig • Alle Age Roman • Bücher für Romantiker • Bücher wie Bridgerton • Bücher wie Robin Stevens • Bücher wie Rubinrot • Cozy Crime Bücher • Detektivgeschichten • Duke • enemies to lovers • enemies to lovers romance • Enola Holmes Bücher • fake dating • Fantastisches Jugendbuch • Feminismus • für Jugendliche • Geschlechtergerechtigkeit • High Society • Historical Romance • historischer krimi england • historisches London • Junge Liebe • kämpferische Frauen • Komödie romantisch historisch • Krimifälle • Krimi Jugendliche • Lockwood & Co. • Lord • Love Triangle • Olivia Atwater • Romance ab 12 Jahren • romantische Komödie Bücher • secret identity • Selection Fans • Starke Frauen • Victorianisches England • viktorianisches England |
ISBN-10 | 3-7336-0631-0 / 3733606310 |
ISBN-13 | 978-3-7336-0631-2 / 9783733606312 |
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