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Pankoland (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
256 Seiten
Atlantis Kinderbuch (Verlag)
978-3-7152-7024-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Pankoland -  Eva Roth
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Im Pankoland gelten strenge Regeln. Die Gesellschaft ist auf Selbstversorgung ausgerichtet, jeder Mensch, vom Baby bis zur alten Frau, muss Gemu?se anpflanzen. Herr Panko und Frau Brenzi legen die Regeln fu?r das Zusammenleben fest. Alles wird kontrolliert, auf den ersten Blick sinnvoll.Nachts tauchen »Unterirdische« auf. Sie plu?ndern die Beete und entfu?hren sogar Jugendliche. Hier lebt Clemens mit seinem a?lteren Bruder Fredo und seiner Tante. An seine Eltern kann sich Clemens fast nicht erinnern, sie sind verschwunden, als er noch sehr klein war und wer nicht mehr da ist, wird im Pankoland schnell vergessen. Fredo scheint die »Regeln der Nacht« zu durchschauen. Aber ob jenseits der bewachten Grenzen alles besser ist? Als Clemens ein geheimes Paket hinu?berschmuggeln soll, o?ffnet er es gegen alle Anweisungen von Fredo. Zudem nehmen ihn die Unterirdischen fest. In Gefangenschaft trifft er auf Helena, die la?nger schon aus Pankoland entfu?hrt worden war. Außerhalb der vertrauten Umgebung realisiert Clemens, dass bei den verfeindeten Nachbarn eine a?hnlich enge Ordnung herrscht wie in Pankoland. Er beginnt seine Erfahrungen zu u?berdenken: Er muss sich wehren, er muss fliehen - wenn mo?glich mit Helena und den anderen Gefangen.

Eva Roth, geboren 1974, schreibt Prosa und Theaterstu?cke fu?r Kinder und Erwachsene. Sie war im ersten Beruf Lehrerin und danach Lektorin und U?bersetzerin von Bilderbu?chern. Heute widmet sie sich hauptsa?chlich dem Schreiben. Fu?r ihre Bu?cher wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Sie lebt mit ihrer Familie in Zu?rich. www.evaroth.ch

Eva Roth, geboren 1974, schreibt Prosa und Theaterstücke für Kinder und Erwachsene. Sie war im ersten Beruf Lehrerin und danach Lektorin und Übersetzerin von Bilderbüchern. Heute widmet sie sich hauptsächlich dem Schreiben. Für ihre Bücher wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Sie lebt mit ihrer Familie in Zürich. www.evaroth.ch

3. Das Verräterrezept


Am nächsten Tag kam ich direkt nach der Schule nach Hause, um einen Moment für mich allein zu sein. Irene war draußen bei den Schafen, sie musste beim Klauenschneiden helfen. Sie mochte das nicht, und nachdem ich einmal dabei zugeschaut hatte, verstand ich auch, warum: Die Schafe hielten den Menschen ihre Füße nicht freiwillig hin, sie wichen aus und schienen nicht zu verstehen, dass das Klauenschneiden gut für sie war. Und wenn jemand ungeschickt oder grob war, zuckte das Schaf zusammen. Irene machte diese Arbeit jedoch schon seit Jahren. Alle drei Monate meldete sie sich freiwillig, weil die Schafe ihre Klauen ja nicht selbst schneiden konnten.

 

Kein Geräusch war zu hören, nicht aus unserer Wohnung und auch nicht von den Nachbarn. Ich horchte kurz im Treppenhaus und schaute die fünf Stockwerke hinunter und die vier nach oben. Überall war es still. Vorsichtig schloss ich zuerst die Wohnungstür hinter mir, danach unsere Zimmertür. Das Paket lag in meiner Kommode hinter den alten Schulbüchern von Fredo, verdeckt von meinen Socken und Unterhosen. Ich nahm es in die Hand. Es hatte Platz auf meiner Handfläche und war weder schwer noch leicht. Vielleicht so wie eine mittelgroße Tomate? Mittlerweile war ich fast sicher, dass es sich um das Paket handelte, das aus Herrn Pankos Keller verschwunden war. Was mochte daran so wertvoll sein?

Irene hatte mal erzählt, dass es Länder gegeben habe, in denen alles in Gold gemessen wurde. Aber das sei schon lange vorbei. Sie beschrieb Gold als etwas überirdisch Schönes, das ein eigenes Licht ausstrahlte und viel schwerer war, als es aussah. So schwer kam mir das Paket nicht vor. Und was sollte Herr Panko mit Gold anfangen? Wenn es in diesem Paket eingeschlossen war, konnte er es ja nicht einmal anschauen und sich daran erfreuen. War im Paket vielleicht etwas Persönliches von ihm? Wir wussten nicht so viel über seine Vergangenheit, aber Irene hatte einmal angedeutet, dass er und Frau Brenzi vor langer Zeit ein Liebespaar gewesen waren. Fredo und ich fanden diese Vorstellung sehr lustig und kicherten beim Gedanken, dass Frau Brenzi Herrn Panko küssen und ihm zuseufzen würde:

»Ach, William«. Aber Irene ermahnte uns, darüber nur in unserer Küche zu lachen, wenn niemand zuhörte. Sie meinte, Herr Panko sei möglicherweise immer noch verletzt, dass Frau Brenzi ihn wegen eines Wanderarbeiters verlassen habe. Und Frau Brenzi habe sich bei der Geschichte mit dem Wanderarbeiter ebenfalls verletzt, sie habe sich nämlich auf einem Ausflug mit ihm in die zerklüfteten Gebiete im Süden den Fuß gebrochen, und der sei schlecht verheilt. Seither hinke sie. Und der Wanderarbeiter sei wenig später weitergezogen.

Diese Geschichten gingen mir durch den Kopf, während ich das Paket drehte und schüttelte. Ich hörte nichts. Das Paket war mehrfach mit einer Hanfschnur umwickelt, die schon etwas speckig glänzte. Ich vermutete, dass das Paket noch nie geöffnet, aber oft angefasst worden war.

Noch nie geöffnet … konnte man eine Schnur öffnen und wieder verknoten, ohne eine Spur zu hinterlassen?

Ich erschrak über meinen eigenen Gedanken. Hatte ich mir gerade vorgestellt, das Paket zu öffnen? Obwohl Fredo mir eingeschärft hatte, ich sollte es einfach nur zur Grenze bringen? Wahrscheinlich hatte er recht, und es konnte mir gefährlich werden, zu viel zu wissen.

Ich legte es zurück in meine Kommode, diesmal eine Schublade tiefer, zwischen meine Winterjacke und zwei Paar lange Hosen. Dass ich für etwas Geheimes jedes Mal ein neues Versteck wählte, war klar: So verwischte ich die Wege hinter mir, auch wenn mir noch niemand auf der Spur war. Und ich tat es auch, um Fredo zu schützen. Falls ihn jemand verdächtigte, konnte er ohne zu lügen behaupten, er wisse nicht, wo das Paket sei.

Ich legte mich aufs Bett und versuchte, meine Hausaufgaben zu machen. Meine Gedanken schweiten jedoch immer wieder ab, und noch bevor ich mich dafür entschieden hatte, fand ich mich wieder vor der Kommode mit dem Paket in der Hand. Mein Herz klopfte. Ich wusste, dass ich das, was ich jetzt tun würde, mit niemandem teilen konnte. Nicht einmal mit Fredo, der mir das Paket anvertraut hatte und sich darauf verließ, dass ich es so, wie er es mir übergeben hatte, zur Grenze am Auenbach brachte.

Vorsichtig löste ich den Knoten. Ich ließ die Schnur genau so liegen, wie sie vom Paket abgefallen war. Nur dort, wo ich sie mit meinen Fingernägeln aufgeklaubt hatte, strich ich sie vorsichtig wieder glatt.

Das Packpapier war zum Glück nur gefaltet und nicht geklebt. Ich versuchte, mit möglichst leichter Hand ganz langsam das Papier zu lösen. Zum Vorschein kam eine kleine Schachtel aus dickem Graukarton. Ich hob den Deckel ab und sah zuerst nur Wollvlies. Unter dieser Schicht fand ich ein gefaltetes Stück Papier, das von Hand beschrieben war.

Ich griff mir an den Kopf: ein Liebesbrief? Sollte ich ihn wirklich lesen, oder würde ich Frau Brenzi und Herrn Panko danach nie mehr begegnen können, ohne zu erröten? Ich nahm das Blatt zwischen Daumen und Zeigefinger und schüttelte es leicht. Es öffnete sich ein wenig, und ich konnte die Anrede des Briefes erkennen:

Lieber William,

Darüber in der Ecke sah ich ein Datum, das fast dreißig Jahre zurücklag. Meine Finger zitterten vor Aufregung, als ich das Blatt auseinanderfaltete.

Lieber William,

ich bin immer noch verwirrt nach unserem Gespräch gestern am Feuer. Ich hätte mir gewünscht, mit dir weiterreden zu können und dabei deine vertraute Stimme durch deinen Brustkasten vibrieren und deinen Herzschlag wummern zu hören.

Was? Ich musste den Satz zweimal lesen. Wer hätte gedacht, dass Frau Brenzi und Herr Panko eine so romantische Vergangenheit hatten, dass sie mit einem Ohr auf seiner Brust seiner Stimme gelauscht hatte?!

Aber du bist gegangen, William. Warum? Weil wir diese kleine Meinungsverschiedenheit hatten? Oder gibt es noch einen anderen Grund? Ich vermisse dich! Und ich bin so wütend, dass ich dich schütteln könnte, doch dafür liebe ich dich zu sehr. Mir ist wichtig, dass du auch meine Sicht verstehst: Wenn wir eine Gemeinschaft mit den Menschen aufbauen, die wir lieben und die gleich denken wie wir, braucht es Regeln. Du meintest, es genügt, wenn alle in der gemeinschaftlichen Landwirtschaft mithelfen. Dann könnten alle daneben das tun, was sie sonst noch interessiert. Mehr Einschränkung brauche es nicht, sagtest du.

Ich liebe dich dafür, dass du so gut über die Menschen denkst, William. Aber das genügt nicht. Es gibt etwas, was unsere Idee von der selbstversorgenden Gemeinschaft bedrohen könnte: Geschäfte. Wenn die Menschen die Arbeit, die sie auch selbst leisten könnten, zu verkaufen und daraus sogar einen Vorteil zu ziehen versuchen, wird es in kurzer Zeit Reiche und Arme geben, Mächtige und Schwache. Das wollen wir doch hinter uns lassen! Wir haben gesehen, wohin das führt. Und jetzt haben wir mit diesem riesigen Gebiet am Auenbach die Möglichkeit, ein Land zu schaffen, in dem man sich hilft, weil es sinnvoll ist, und nicht, weil man einen persönlichen Vorteil gegenüber den anderen hat. Wir machen eine bessere Welt, William!

Also keine Geschäfte. Geschäfte sind schlecht für die Gesellschaft.

Aha, dachte ich, Frau Brenzi ist sich und ihren Grundsätzen treu geblieben. Ich las weiter:

Die Menschen sollen sich holen, was sie brauchen, als Gegenleistung für ihren Einsatz in der Landwirtschaft. Aber sie sollen sich wirklich nur holen, was sie brauchen!

Wiederhole ich mich? Vielleicht verstehst du meine Gedanken besser, wenn du sie hier auf Papier lesen kannst. Ich will, dass du sie verstehst! Wir müssen zusammenhalten!

William. Ich habe eine böse Ahnung. Verrate nicht unsere Idee. Und verrate nicht mich, William, das würde ich dir nie verzeihen. Liebst du mich noch?

Wenn du mich liebst, kommst du zurück zu mir. Komm heute wieder ans Feuer. Ich verstehe nicht, warum du gestern nicht geblieben bist. Komm zu mir ans Feuer und verbrenne vor meinen Augen diesen Brief, damit wir ein Land in Frieden und Einheit erschaffen können.

Jetzt kam ein neuer Absatz, der in Spiegelschrift geschrieben war:

Jetzt stand wieder in normaler Schrift:

Ich hoffe immer noch, dich heute wiederzusehen.

Deine Brenda

Brenda? Aber Frau Brenzi hieß doch Esperanza, wie unser Dorf? Ich war verwirrt. Ich kannte keine Brenda. Und offenbar war Herr Panko nicht zu dieser geheimnisvollen Person zurückgekehrt, denn der Brief war ja nicht verbrannt worden. Herr Panko hatte ihn aufbewahrt. Warum? Weil er ihn an eine Liebesgeschichte noch vor jener mit Frau Brenzi erinnerte? Oder weil das Verräterrezept eine große Macht hatte? Hatte er Angst vor dieser Brenda und wagte deshalb nicht, den Brief zu verbrennen? Ich überlegte fieberhaft. Das Geschäftemachen war bei uns verboten, also war Herr Panko Brendas Idee doch gefolgt. War dieser Brief für ihn der Grundstein für Pankoland, ohne dass er zu Brenda zurückgekehrt war? Hatte er ihn aufbewahrt, damit er sich immer wieder an die Anfänge von Pankoland erinnern konnte?

Ich überflog noch einmal das Rezept. Kompliziert war es nicht, ich musste es mir nicht einmal merken, ich konnte es ganz einfach nicht mehr vergessen. Doch wozu sollte es gut sein? Und was bedeutete es, dass ich jetzt Mitwisser des Verräterrezeptes war? Brendas Ton war wirklich bedrohlich. Eins wusste ich sicher:...

Erscheint lt. Verlag 22.8.2024
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Abenteuer • Brüder • Dystopie • Freundschaft • Liebe • Selbstversorgung • totalitäres Denken • Widerstand
ISBN-10 3-7152-7024-1 / 3715270241
ISBN-13 978-3-7152-7024-1 / 9783715270241
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