Ryan und Avery (eBook)
320 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0626-8 (ISBN)
David Levithan, geboren 1972, ist Verleger eines der größten Kinder- und Jugendbuchverlage in den USA und Autor vieler erfolgreicher Jugendbücher, unter anderem ?Will & Will? (gemeinsam mit John Green) und ?Dash & Lily? (mit Rachel Cohn). Sein Roman ?Letztendlich sind wir dem Universum egal? wurde erfolgreich fürs Kino verfilmt und erhielt den Deutschen Jugendliteraturpreis 2015 in der Kategorie Jugendjury. David Levithan lebt in Hoboken, New Jersey, USA. Literaturpreise: ?Letztendlich sind wir dem Universum egal?: - LUCHS März 2014 - Aufnahme in Kollektion des Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreises 2015 - Nominiert für die 2015 DILIP Kate Greenaway Medal - Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2015 - Leipziger Lesekompass 2015 - Nominiert für die Buxtehuder Bulle 2015 - In den USA: Naiba (The New Atlantic Independent Booksellers Association) Book Of The Year 2013, Kategorie Young Adult ?Two Boy Kissing?: - Favorit der Leipziger Jugend Jury 2016 - In den USA: Naiba (The New Atlantic Independent Booksellers Association) Book Of The Year 2014, Kategorie Young Adult Lebenswerk: Margaret A. Edwards Award
David Levithan, geboren 1972, ist Verleger eines der größten Kinder- und Jugendbuchverlage in den USA und Autor vieler erfolgreicher Jugendbücher, unter anderem ›Will & Will‹ (gemeinsam mit John Green) und ›Dash & Lily‹ (mit Rachel Cohn). Sein Roman ›Letztendlich sind wir dem Universum egal‹ wurde erfolgreich fürs Kino verfilmt und erhielt den Deutschen Jugendliteraturpreis 2015 in der Kategorie Jugendjury. David Levithan lebt in Hoboken, New Jersey, USA. Literaturpreise: ›Letztendlich sind wir dem Universum egal‹: - LUCHS März 2014 - Aufnahme in Kollektion des Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreises 2015 - Nominiert für die 2015 DILIP Kate Greenaway Medal - Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2015 - Leipziger Lesekompass 2015 - Nominiert für die Buxtehuder Bulle 2015 - In den USA: Naiba (The New Atlantic Independent Booksellers Association) Book Of The Year 2013, Kategorie Young Adult ›Two Boy Kissing‹: - Favorit der Leipziger Jugend Jury 2016 - In den USA: Naiba (The New Atlantic Independent Booksellers Association) Book Of The Year 2014, Kategorie Young Adult Lebenswerk: Margaret A. Edwards Award Felix Mayer, geboren 1970, hat in München, Paris und Pisa Komparatistik und Philosophie sowie in Düsseldorf Literaturübersetzen studiert. Er übersetzt Belletristik und Sachbücher aus dem Französischen, Englischen, Italienischen und Slowenischen, unter anderem John Marrs, Pascal Garnier und Gašper Kralj. Martina Tichy übersetzt seit vielen Jahren Belletristik, Kinder- und Jugendbücher sowie Texte zu Kunst und Fotografie aus dem Englischen, von Autor*innen wie Amitav Ghosh, F. Scott Fitzgerald, Paul Murray, Philip Pullman, Margaret Atwood und David Levithan.
Schneetag
(Das fünfte Date)
Am Tag von Averys und Ryans fünftem Date schneit es.
Daran ist nichts Besonderes – in den Orten, wo sie leben, schneit es viel. Aber das hier ist der erste Schnee, und der versetzt einen immer ein bisschen ins Staunen. Der Winter steht vor der Tür, kein Zweifel, auch wenn ein paar Blätter sich noch hartnäckig an den Bäumen halten. Die Tage sind schon kürzer geworden, jeder Abend schluckt ein, zwei Minuten Sonnenlicht, doch das fällt nicht so auf wie der plötzliche Übergang zum Schnee.
Würden Avery und Ryan in demselben Ort wohnen, hätte der Schnee keine großen Auswirkungen auf ihr Date. Sie würden sich ein Quäntchen langsamer und achtsamer aufeinander zubewegen, doch sonst liefe alles wie geplant. Nun aber fährt Ryan zu Avery. Theoretisch könnten sie sich auf halbem Weg treffen, aber da ist nichts, und auch in gut achtzig Meilen Umkreis nicht. Ein paar Kinos. Ein paar Diners. Eine Mall, die ihre besten Zeiten hinter sich hat. Ein Supermarkt, in dem man mit Sicherheit mindestens drei Leuten über den Weg läuft, die man bei einem Date nicht sehen will. Da und dort könnte man abhängen, aber ob man das unbedingt will, bei so einem speziellen Anlass? Und um die Zeit ist jedes Date für Avery und Ryan ein spezieller Anlass.
Kennengelernt haben sie sich bei einer queeren Party – der blauhaarige Junge (Ryan) und der pinkhaarige Junge (Avery) entdeckten einander, hatten auf einmal nur noch Musik und Farben im Kopf sowie den unerklärlichen, aber machtvollen Drang, ihre Scheuheit zu überwinden. Weiter ging es in einem Tempo, das weder Ryan noch Avery einschätzen können. Schnell? Langsam? Auf Höchstgeschwindigkeit? Ryan kennt mittlerweile Averys Eltern; umgekehrt ist das nicht der Fall, doch Avery weiß, dass es nichts mit ihm zu tun hat, sondern einzig und allein damit, dass Ryans Eltern es noch nicht so gut verkraften würden, wenn ihr blauhaariger Sohn einen pinkhaarigen Freund (oder überhaupt einen Freund, Haarfarbe egal) mit nach Hause bringt.
Averys Eltern hatten immer Verständnis – schon bevor ihm selbst klarwurde, dass er ein Junge war und die Welt das gefälligst zur Kenntnis nehmen sollte. Als er ihnen dies mitteilte, taten sie es nicht einfach ab oder versuchten, es ihm auszureden. Und als Ryan in Averys Leben auftauchte und Avery ihn seinen Eltern vorstellte, hießen sie ihn mit offenen Armen willkommen. Das überrascht Avery nicht sonderlich, auch wenn es sich immer noch anfühlt, als hätten sie gemeinsam ein neues Kapitel aufgeschlagen, an dem weitergeschrieben wird, und so ganz sicher ist er sich nicht, was sie herauslesen werden. Ryan hingegen ist so viel Akzeptanz fremd. Er weiß nicht, wie er sich gegenüber anderen Eltern verhalten soll, weil seine eigenen vor allem so sehr die Augen verschließen.
Ohne die Wettervorhersage zu checken, schnappt sich Ryan seine Schlüssel und geht aus dem Haus. In der Schule wurde wohl hier und dort etwas von Schnee gemurmelt, aber Ryan hat gelernt, alles Gemurmel in seiner Anwesenheit auszublenden; das meiste davon ist gehässiger und unwichtiger als der Wetterbericht. Als die ersten Flocken auf die Windschutzscheibe treffen, sieht es aus, als fielen kleine, durchsichtige Spinnen mit Glühfäden im Schlepptau vom Himmel. Erst als ihn nur noch zehn Minuten von Averys Haus trennen, muss er die Scheibenwischer anschalten und vom Gas gehen. Die Schneeflocken bevölkern den Himmel, und Ryan muss lächeln bei dem Gedanken, dass die Luft mit einem Mal etwas Festes hervorbringt, wie auf einen sanften Zauberspruch hin.
Vom Gefühl her kennt er die Strecke schon in- und auswendig … doch manchmal leitet das Gefühl einen auch in die Irre. Er könnte Avery anrufen und nach dem Weg fragen, beschließt dann aber, sich lieber auf die Navi-App seines Handys zu verlassen: Avery soll glauben, dass er alles im Gedächtnis hat. (Beim fünften Date muss man sich immer noch beweisen – für das sechste, siebte und achte.)
Avery wartet am Fenster und sieht den Schnee natürlich auch. Er fällt nicht so dicht, dass Averys Vorfreude ins Schlingern gerät und Richtung Sorge abdriftet. Nein, beim Anblick der Flocken kommt ihm kein Gedanke daran, dass Ryan irgendwie in der Klemme stecken könnte oder vielleicht sogar umkehren müsste. Er spürt nur dieses unbändige Staunen angesichts der Welt, die sich langsam wandelt, ist in Bann geschlagen von dem, was da so vielgestaltig vom Himmel herabkommt.
Als Ryans Pick-up auftaucht, wird Averys Herz zum Gegenteil von Schneefall – zu jenem irren, windverwehten Moment, wenn man sieht, dass der Schnee tatsächlich in die Höhe treibt. Schneestieg, das ist Averys Herz, als Ryan in die Zufahrt einbiegt.
Er versucht, sein Herz zu bewachen, aber die Wächter sind nicht bei der Sache. Er will seine Aufregung im Zaum halten, lässt aber immer wieder die Zügel locker. Es ist gefährlich, jemanden so sehr zu mögen, das weiß er.
Außerdem ist er nervös. Er ist Herr über sein Zimmer, aber nicht über das ganze Haus. Seine Mutter hängt gern Familienfotos auf, und deshalb gibt es jede Menge Bilder von Avery als Kind, bevor alles erkannt und verstanden war. Zu dem Punkt hatte seine Mutter sich glasklar geäußert: Es würde schmerzhafter sein, die Vergangenheit auszulöschen. Besser sei es, Frieden mit ihr zu schließen. Es gebe keinen Grund, sie zu verbergen und das Kind zu verleugnen, das Avery gewesen war. Avery fand das Ganze sehr viel komplizierter, aber da seine Eltern bei allem anderen so cool reagiert hatten, war es wohl nicht fair, von ihnen zu verlangen, alle Bilder von früher abzuhängen. Auf manchen von ihnen sieht Avery sehr glücklich aus. An manchen jener Tage war er es auch gewesen. An anderen eher weniger. Nur Avery hat Zugang zu den Gefühlen, die darunter existierten. Auch als er noch bloß ein Kind war.
Auf keinen Fall kann er seine Eltern jetzt bitten, die Bilder abzuhängen, nur weil Ryan zu Besuch kommt. Es hat keinen Wert, seine Vergangenheit verstecken zu wollen, oder sie Ryan in einem falschen Licht zu präsentieren. Dass Avery ihm die Wahrheit sagen will, gehört zu den Dingen an Ryan, die ihn am meisten erregen und zugleich erschrecken. Das haben sie wechselseitig anerkannt. Kein So-tun-als-Ob. Kein Sich-Verstellen, wenn sie miteinander reden.
Das macht Ryan ebenfalls nervös, aber er ist bereit, es damit aufzunehmen, so wie er bereit ist, hinaus in den Schnee zu treten und durch den Wind zum Haus zu gehen. Auf der Zufahrt sieht er Avery am Fenster, sieht sein pinkes Haar und die Lampe neben ihm, die wie ein Leuchtturm in den Dämmertag hinausstrahlt. Ryan hat einmal die Zeile Leave a light on for me gehört und konnte sich kaum einen romantischeren Wunsch vorstellen. Ihm gefiel die Idee, dass der Mensch, in den du dich verliebst, dein Leuchtturmwärter wird, auch wenn das bedeutet, die ganze Nacht aufzubleiben und ins Dunkel hinauszustarren, bis es die Form des geliebten Menschen annimmt und zu dir zurückkehrt.
Ryan schaltet den Motor aus, und im Nu ist die Windschutzscheibe schneebedeckt. Er schaltet die Scheinwerfer aus, und einen Moment lang umgibt ihn das feierliche Schweigen einer ganz und gar natürlichen Welt. Obwohl sein Leuchtturmwärter wartet, bleibt er noch ein paar Sekunden sitzen und lauscht der Schneemusik, dem sachten Geklimper von Schneeflocken auf Glas. Er öffnet die Fahrertür und lässt seinen Turnschuh in die dünne Schneedecke auf der Zufahrt einsinken. Die Kälte setzt sich auf der Stelle an seinen Ohren und Fingern fest. Er rennt über die Stufen hinauf, hinterlässt die ersten Spuren im Schnee. Die Haustür steht schon offen, in ihr steht Avery in einem blauen Pullover und lächelt, als wäre Ryans Eintreffen das größte Geschenk, das sich ein Junge nur wünschen kann.
Sie sehen einander an. Ein wenig Schnee fällt auf Ryans Schulter und bestäubt sein Haar. Er merkt es erst, als er drinnen ist und Avery ihn von dem Schnee befreit – ein Vorwand, um ihn sogleich berühren zu können, ein Willkommen, das sich von Ryans Scheitel über seine Wange bis zum Hals erstreckt.
»Ich bin so was von froh, dass du da bist«, sagt Avery.
»Geht mir genauso«, erwidert Ryan.
Avery ist die letzten Stunden drinnen gewesen und hat keine Ahnung, wie warm das Haus ist. Für Ryan fühlt es sich an, als würden ein paar Schritte weiter Kekse gebacken. Eine Wärme, in die man sich hineinkuscheln möchte.
Aus einem angrenzenden Zimmer sind Schritte zu hören, und Averys Mutter ruft: »Ist er da?« Ryan stampft mit den Schuhen auf die Fußmatte, zieht seine Jacke aus und gibt sie Avery, der sie über einen Türknauf hängt. Da soll sie bleiben, bis sie trocken genug für den Garderobenschrank ist. Averys Mutter kommt aus ihrem Arbeitszimmer, begrüßt Ryan und fragt, wie die Fahrt war. Solches Geplauder vonseiten eines Elternteils ist Ryan nicht gewohnt – sein Vater hätte vielleicht Fährt der Wagen ordentlich? gesagt, aber nichts darüber hinaus wissen wollen. Bei Averys Mutter wirkt das Geplauder wie ein Auftakt zu weiteren Unterhaltungen, weiteren Themen.
Sie sagt, Ryan solle seine Sneakers doch bei der Tür stehen lassen, aber aus ihrem Mund klingt es weniger nach einem Befehl als nach der Bitte um einen Gefallen. Ryan tut wie geheißen und macht sich dann Sorgen wegen des Lochs an der Ferse seiner linken Socke. Falls Averys Mutter es bemerkt, sagt sie jedenfalls nicht dazu.
(Ryans Mutter hätte etwas dazu gesagt, und zwar nichts besonders Nettes.)
»Na, ich will euch nicht weiter aufhalten«, sagt Averys Mutter und hält sie im Folgenden noch ein Weilchen auf. »Falls ihr irgendwas braucht, wisst ihr...
Erscheint lt. Verlag | 1.7.2024 |
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Übersetzer | Felix Mayer, Martina Tichy |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Beziehung Eltern Kinder • Bisexualität • Bücher wie Heartstopper • Coming of Age • Dating • Diversity • Erste Liebe • erwachsen werden roman • First Love • Für Fans von Alice Oseman • gay romance • John Green Bücher • Junge Erwachsene • LGBTQ+ • LGBTQIA+ Jugendbücher • Liebesgeschichte • Lovestory • Partnersuche • Queere Romance • Queerness • romantische Liebesgeschichte • Schwul • Sex • Toleranz • Transgender • Transsexualität • verliebtsein • Vielfalt • YA Bücher • YA-Bücher |
ISBN-10 | 3-7336-0626-4 / 3733606264 |
ISBN-13 | 978-3-7336-0626-8 / 9783733606268 |
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