Kiss of Nightmares (eBook)
448 Seiten
Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
978-3-522-65579-8 (ISBN)
Laura Nick wurde März 1995 inmitten des Ruhrpotts geboren. Jedem, der sie hören wollte - oder auch nicht -, erzählte sie Geschichten über fantasievolle Abenteuer und Liebe. Die allerersten eigenen Zeilen brachte sie nach ihrer Ausbildung zur Schilder- und Lichtreklameherstellerin, im Laufe des Fachabiturs für Gestaltung zu Papier. Sie ist aktives Mitglied im PAN e.V. und setzt sich gemeinsam mit dem Verein für die deutsche Phantastik in der Buchbranche ein. Mittlerweile lebt, liest und arbeitet Laura Nick mit ihrem Ehemann in Niedersachsen, nahe des Meeres und der niederländischen Grenze.
Kapitel 1
Mina
»Ey!« Mit geballten Fäusten schlug ich gegen die Metalltür. Dahinter wummerten melancholische und hypnotisierende Bässe, die selbst den Boden unter meinen Füßen beben ließen. Diese Musik klang nach jeglichem Klischee, das je in schmalzigen Vampirfilmen bedient wurde. Aber genau dieser Club sollte laut dubiosen Websites der Treffpunkt für Nachtwesen sein. Erneut hämmerte ich dagegen. »Macht die verdammte Tür auf!«, schrie ich und klopfte weiter, in der Hoffnung, den Türsteher dazu zu bringen, sie wieder für mich zu öffnen. Nachdem er sie mir rüde vor der Nase zugeschlagen hatte, weil ich das blöde Passwort nicht kannte.
Abgesehen von den Bässen, blieb es hinter der Tür still. Erschöpft verharrte ich in meiner Position. Presste die Fäuste gegen das eiskalte Metall. Regen prasselte auf das kurze Vordach, unter dem ich stand.
Dieser Club war meine letzte Chance. Der letzte Hinweis, den meine Recherche zutage gefördert hatte. Ich ließ den Kopf hängen. »Verdammt«, zischte ich und rammte die linke Faust noch einmal heftig gegen die Tür, sodass ich die Vibration bis ins Schultergelenk spürte. Meine Finger schmerzten.
Resigniert glitten meine Fäuste am Metall hinab. Feine Splitter gruben sich in die Handballen. Unter der durchweichten Jacke waren meine Schultern zentnerschwer. Das Wetter in London war zum Kotzen und zeigte mir grinsend den Mittelfinger. Die nasse Kälte biss unter der Regenjacke in meine Haut und ließ mich frösteln.
Ich sah an der Fassade des Hauses hinauf. Begutachtete jedes der diffus beleuchteten Fenster. Rötliche Lichter flackerten hinter den dünnen Vorhängen, auf denen Schatten tanzten.
Die Verzweiflung vermischte sich mit der Wut, die ich seit Jahren schon in mir trug, und die mit jedem Tag greifbarer geworden war. Ich presste die Zähne aufeinander. Diese Schatten besaßen mit großer Wahrscheinlichkeit die Antworten, die ich brauchte. Sie wussten, was ich war — zu was ich werden würde. Statt die Verzweiflung zuzulassen, die seit dem Vorfall jeden Tag weitere Wurzeln schlug, befeuerte ich die Wut. Sie war leichter zu ertragen als die Panik, die mich allmählich verzehrte.
So lange Zeit war ich wegen ihnen im Dunkeln getappt. Sie hatten mir auf meine Fragen nur ein vermeintlich liebevolles »später« ins Haar geraunt. Als ob uns zu viel Zeit zur Verfügung stünde. Und jetzt stand ich hier. Komplett durchweicht vom Regen, in einer Jacke, die in den Müll gehörte, und vollkommen ahnungslos.
Ich lehnte mit der Stirn an der Metalltür. »Verflucht, verflucht, verflucht!«, brach es aus mir heraus. In einer geschmeidigen Bewegung holte ich aus und trat gegen die Tür. Schmerz rollte von meinen Zehen bis zur Hüfte. »Fuck!«, schrie ich und hüpfte auf der Stelle. Zischend sog ich Luft zwischen die Lippen.
Die Tür wurde aufgerissen. »Mädchen! Sieh zu, dass du endlich von hier verschwindest«, grollte der Türsteher. Mit seiner tiefen Stimme klang er wie ein anrollendes Gewitter. Seine riesigen Proportionen füllten den gesamten Türrahmen. Er trug eine altmodische Melone, die seine kleinen, tiefgelegenen Augen in Finsternis hüllten. Das weiße Hemd spannte über dicken Armen.
Wie eine Ertrinkende jagte ich auf die Öffnung zu, umklammerte mit eisigkalten Fingern seine Weste. »Ich weiß, dass darin Wesen der Nacht sind!«, sprudelte es aus mir heraus. »Mir bleibt nicht mehr viel Zeit. Bitte, bringen Sie mich zu jemandem, mit dem ich reden kann!«
Ich wusste nicht, inwieweit die Wesen der Albträume von Menschen zu unterscheiden waren. Falls dieser Kerl ein Mensch war, hielt er mich sicherlich für eine Irre – vollkommen zu Recht. Ich erkannte mich selbst nicht einmal mehr wieder. Sein Blick war im Schatten des Hutes und dem diffusen Licht des Eingangsbereiches nicht zu deuten. Doch wenn er ein Nachtwesen war, würde er es verstehen.
Seine Lippen verzogen sich zu einer Mischung aus Skepsis und Mitleid. Eine Mimik, die ich in den letzten Wochen zu häufig erntete. »Egal, was du genommen hast, Mädchen, geh nach Hause«, riet er mir.
Ernüchterung breitete sich in mir aus. »Ich bin keine …« Der Rest des Satzes blieb mir im Hals stecken. Ein heftiger Stoß gegen die Brust und ich verlor das Gleichgewicht. Hilflos ruderte ich mit den Armen, ehe ich nach hinten stolperte und schmerzhaft auf die Stufen stürzte, die zurück auf den Gehweg führten. Trotz meines Gewichts hatte der Kerl die Tür zugeschlagen.
»Fuck! … Arschloch«, zischte ich und presste die Hand gegen die pochende Stelle am Steißbein.
Der Kloß in meiner Kehle wurde gefährlich schwer. Ich zwang mich, die aufkochenden Tränen herunterzuschlucken. Sie für mich zu behalten. Der Club war meine letzte Hoffnung gewesen. Davor hatte ich acht weitere in und um London abgegrast. Hatte mein weniges Erspartes aufgebraucht, um mir die Zug- und Taxifahrten zu leisten. Und jetzt hockte ich dennoch ohne Antworten auf der Straße.
Regen prasselte auf mich herab. Meine Haare klebten platt und feucht an der Haut. Wenn ich hier ausharrte, würde der Besitzer früher oder später die Polizei rufen, um mich zu entfernen. Seufzend rieb ich mir über die Stirn. Die letzten Male hatte ich Glück, dass ich mit einer Verwarnung davongekommen war. Doch bei dem katastrophalen Tag heute wollte ich diese Glückssträhne herausfordern.
Mit einem sehnsuchtsvollen Ziehen betrachtete ich die Schatten, die sich hinter den Fenstern bewegten. Nur ein Wesen – ein einziges –, das mir Gehör schenkte. Mehr wollte ich doch gar nicht.
Blinzelnd starrte ich in den dunklen, verhangenen Himmel. Wie Splitter fielen die Regentropfen auf meine Wangen, vermischten sich mit Tränen, die ich nicht länger zurückhalten konnte. Ich schloss die Augen. Wie sollte ich nur weitermachen? Wie sollte ich die nächsten Tage planen – die kommenden Monate – wenn ich nicht einmal mehr wusste, wie viel Zeit mir noch blieb? Diese dunkle Bedrohung war wie ein schwarzes Loch, dem ich mich unweigerlich näherte und vor dem es kein Entrinnen gab.
»Ich könnte etwas Hilfe gebrauchen«, murmelte ich und sah in Richtung des pechschwarzen Himmels. Regungslos wartete ich. Auf irgendein Zeichen. Spürte jeden verfluchten Regentropfen auf meiner Haut. Doch nichts passierte. »Wirklich? Nicht einmal ein bisschen?«, fragte ich, obwohl mir klar war, dass der schwarze Nachthimmel keine Antworten bereit hielt.
Seufzend richtete ich mich auf, stapfte die Treppe hoch zur Straße. Alles in mir sträubte sich, den Rückzug anzutreten. Mir blieb nur leider nichts anderes übrig. Ich war am Ende. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. In wenigen Monaten würde ich mit großer Wahrscheinlichkeit sterben. Weil ich nichts von dem wusste, was auf mich zukommen würde.
Stumm verfluchte ich die Personen, die mein Universum gewesen waren. Die mich verlassen hatten, ehe sie mir Antworten gaben, um die ich tausendmal gebeten hatte. Nichts als Erinnerungen waren von ihnen übrig. Trauer schwelte unter dem Kummer und schien eins mit ihm zu werden. Mir war es nicht möglich, nur eins der beiden zu fühlen. Sie waren wie Pech und Schwefel. Einmal miteinander vereint, waren sie untrennbar.
Ich vergrub die Hände tiefer in die Taschen meiner nassen Jacke und stapfte über die feuchte, leere Straße. Keine Betrunkenen staksten durch die Gassen. Bei dem Wetter trauten sich nicht einmal die streunenden Katzen hinaus.
Obwohl der Club einen eher fragwürdigen Ruf besaß, lag er in einer der vornehmeren Gegenden Londons. Niemand erwartete hinter den eisernen Zäunen und den hübschen Einfamilienhäusern Wesen, die sonst nur in Schauermärchen vorzufinden waren. Neben mir flackerte eine der altmodischen Laternen, die für das Viertel typisch waren. Eiskalter Wind zog durch die schmalen Gassen zwischen den Häusern, die in die Hintergärten führten. Gänsehaut rieselte über meinen Körper. Ich hob den Kragen der Jacke in der Hoffnung, dass mich das etwas vor dem Wind schützte, nur um mir einen Schwall Regenwasser in den Nacken zu schütten. »Danke«, maulte ich.
Neben mir erklangen die Geräusche eines herannahenden Elektromotors, die ich ignorierte. Zwar hatte ich keine Lust, durch diesen monsunartigen Regen nach Hause zu laufen, aber per Anhalter zu fahren, kam für mich nicht infrage und ein Taxi konnte ich mir nicht leisten.
Das Fahrzeug drosselte das Tempo. Ich warf einen Blick über die Schulter. Es war ein deutscher SUV, der gepflegt und teuer aussah. Und der hartnäckig an meinen Fersen klebte. Ein Knäuel breitete sich in meinen Magen aus, das mir Unwohlsein verursachte. Hastig sah ich wieder nach vorn und beschleunigte die Schritte. Ich zog die Schultern hoch, als könnte mich das vor dem Blick des Fahrers verbergen.
Gedanklich überprüfte ich den vor mir liegenden Weg. Hier gab es nirgendwo eine Fußgängerzone, sodass ich den Wagen nicht abschütteln konnte. Bemüht unauffällig sah ich mich nach einem Versteck oder einer Fluchtmöglichkeit um, doch nichts. In dieser Gegend Londons gab es...
Erscheint lt. Verlag | 27.9.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | All Age Fantasy • All Age Romantasy • Bücher wie The Serpent and the Wings of Night • Bücher wie Vampire Academy • crave • dark academia • New Adult Fanatsy • Romantasy ab 16 • Romantasy Bücher • royal vampires • spicy fantasy • Vampir Romance |
ISBN-10 | 3-522-65579-6 / 3522655796 |
ISBN-13 | 978-3-522-65579-8 / 9783522655798 |
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