Prinz William, Maximilian Minsky und ich (eBook)
224 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0854-5 (ISBN)
Holly-Jane Rahlens kam Anfang der 70er-Jahre aus ihrer Heimatstadt New York nach Berlin. Mit Funkerzählungen, Hörspielen und Solo-Bühnenshows machte sie sich dort in den 80ern und 90ern einen Namen. Außerdem arbeitete sie als Journalistin, Radiomoderatorin und Fernsehautorin, bis sie sich ganz dem Schreiben widmete.
Holly-Jane Rahlens kam Anfang der 70er-Jahre aus ihrer Heimatstadt New York nach Berlin. Mit Funkerzählungen, Hörspielen und Solo-Bühnenshows machte sie sich dort in den 80ern und 90ern einen Namen. Außerdem arbeitete sie als Journalistin, Radiomoderatorin und Fernsehautorin, bis sie sich ganz dem Schreiben widmete. Ulrike Thiesmeyer, geb. 1967, studierte Literatur-Übersetzen in Düsseldorf, wo sie auch bis heute lebt. Sie ist als freiberufliche Übersetzerin tätig und hat zahlreiche Romane ebenso wie Sachbücher aus dem Englischen und Französischen ins Deutsche übertragen. Zu den von ihr übersetzten Autoren gehören u.a. Kamila Shamsie, Patrick Lee und William Boyd.
Erstes Kapitel
Es war einmal vor langer, langer Zeit, weit fort in einem fernen Land – na ja, es war erst vor ein paar Jahren und genau hier in Berlin –, da entdeckte ich den zukünftigen König von Großbritannien, William Arthur Philip Louis Windsor, auch bekannt unter dem Namen Wills, noch bekannter als Seine Majestät Prinz William, Sohn Seiner Königlichen Hoheit, des Prinzen von Wales, Charles Philip Arthur George Mountbatten Windsor, und seiner von uns gegangenen ehemaligen Gemahlin Prinzessin Di, geborene Lady Diana Frances Spencer. Es war Liebe auf den ersten Blick. Und es änderte mein Leben vollkommen.
Doch bevor ich jetzt ins Detail gehe, möchte ich ein wenig von mir erzählen. Prinz William kennt schließlich jeder. Aber wer, bitte schön, ist Nelly Sue Edelmeister?
Als Prinz William in mein Leben trat, war ich eine ungeheuer ernsthafte Dreizehnjährige, ein spindeldürres Berliner Schulmädchen mit einem schweren Zopf im Nacken, dicken Brillengläsern auf der Nase und einem Hirn von der Größe der Encyclopædia Britannica. Ich war eine Katastrophe. In Amerika, wo meine Mutter aufgewachsen ist, nennt man Kids wie mich nerds – kein sehr charmanter Ausdruck für Leute mit Superhirn und null Appeal. Und genau so war ich. Ständig hatte ich ein Buch vor der Nase, sogar unterwegs auf der Straße. So was kennt man sonst nur aus Filmen, im wirklichen Leben gibt es das kaum – schließlich muss man ziemlich geschickt sein, um ohne nach rechts und links zu schauen sicher durch die Straßen zu kommen. Besonders in einer Stadt wie Berlin, wo man jeden Moment von einem wütenden Rottweiler angefallen werden kann oder, schlimmer noch, versehentlich in seine Kacke tritt. Ich aber lief und las. Und wenn ich nach Hause kam, trat ich einfach die Schuhe ab – also, wenn ich dran dachte.
«Es ist wie im Mittelalter!», sagte meine Mutter gern, wenn sie sah, wie ich den Dreck aus ihrem guten Perserteppich herausrieb. «Bei so organisationswütigen Leuten wie den Deutschen, in einer derart analfixierten Stadt wie Berlin, wo noch im popeligsten Hinterhof mindestens ein Dutzend verschiedener Tonnen stehen – für Altpapier, Blech, Biomüll, Plastikmüll, grünes Glas, braunes Glas, weißes Glas, bestimmt bald noch magentarotes! –, mein Gott, da sollte man meinen, die Beseitigung von Hundehaufen wäre kein Problem. In New York würde man so eine Schweinerei nicht dulden!»
Meine Mutter Lucy Bloom-Edelmeister verglich Berlin ständig mit ihrer Heimatstadt, und das Ausrufezeichen am Ende ihrer Sätze konnte man immer förmlich hören. «Ich habe New York verlassen», sagte sie gern, «aber New York nicht mich!» Nach einem Berlin-Besuch Anfang der Achtziger fand sie so viel an der Stadt auszusetzen, dass sie beschloss, hier zu bleiben und aus ihrer Nörgelei eine Kunst zu machen.
Meinen Vater traf sie dann ein Jahr und ungefähr zehn Liebhaber später. Papa ist Musiker, ein Klarinettist. Er tritt unter dem Namen Bazooka Benny auf, heißt in Wahrheit aber Bernhard Nikolaus Edelmeister. Meine Mutter und er lernten sich beim Umsteigen im U-Bahnhof Möckernbrücke an der Imbissbude kennen. Sie verliebten sich beim Currywurstessen, zogen zusammen – und fertig war die Laube. Sie wohnten mit ein paar Freunden in Schöneberg, in der Wohnung, in der einst der Rockstar David Bowie lebte – zumindest sagten das alle –, und als meine Mutter mit mir schwanger war, fanden sie die Wohnung hier in Wilmersdorf, wo wir seither wohnen.
Wilmersdorf liegt im westlichen Teil der Stadt. Manche Ecken sind piekfein. Aber größtenteils ist es spießig, stellenweise sogar ziemlich heruntergekommen. Unser Haus ist die reinste Bruchbude. Der Putz an der Fassade bröckelt überall, man kann die Backsteine und den Mörtel darunter sehen. Meine Eltern sind sich einig, dass unser Haus genauso schlimm aussieht wie die übelsten Häuser im Osten. Das ist so ungefähr das Einzige, worüber sie sich einig sind, aber dazu später mehr. Solange ich zurückdenken kann, müffelt es im Keller nach Schimmel und Moder, und jedes Mal, wenn ich unten bin, sehe ich Mäuse, die eilig davonhuschen. Meine Mutter besteht darauf, es seien Ratten, keine Mäuse, aber dann sagt mein Vater zu ihr: «Woher willst du das wissen? Wann warst du denn das letzte Mal da unten? Vor zehn Jahren?»
Unser Vermieter, Herr Pomplun, der mit drei Schäferhunden und einer Urne mit der Asche seiner verstorbenen Ehefrau neben uns wohnt, weigert sich, das Haus renovieren zu lassen. Hin und wieder droht meine Mutter Pomplun damit, sich bei den Behörden über ihn zu beschweren. Und vielleicht tut sie das auch. «Sie ist tough», sagt mein Vater gern. «Made in USA. Hundert Prozent Chuzpe.» Bei dem Haus hat sie aber doch noch nichts gemacht. «Schließlich», sagte sie, «müssen die Leute von der anderen Straßenseite draufgucken – nicht ich.»
Auf der anderen Straßenseite wohnt die ehemals beste Freundin meiner Mutter, Beate. In der Soap Die Universitätsklinik spielt sie die Schwester Bettina. Meine Mutter lernte sie vor Jahren kennen, als sie ein Zeitungsinterview mit ihr machte. Beate hat eine Maisonettewohnung mit mindestens fünfzehn Zimmern, nochmal so vielen Badezimmern und einem Dachgarten. «Genau solche Häuser machen den Charme des Viertels aus», sagte meine Mutter früher. Heute dagegen heißt es: «Genau solche Protzkästen sind schuld, dass die Mieten hier so in die Höhe schießen.»
Jedenfalls, wie gesagt, war ich mit dreizehn ein Nerd, der Bücher geradezu verschlang. Ich las einfach alles. Für Naturwissenschaften aber interessierte ich mich am meisten. Ich bereitete mich auf eine Karriere in Kosmologie vor und sammelte laufend Informationen über Superstrings, Baby-Universen, Schwarze Löcher, Zeitverzerrungen, all solche Sachen.
Meine Leidenschaft für die Astronomie begann in dem Sommer, als ich neun war. Meine Eltern schickten mich nach New York, auf Besuch zum Bruder meiner Mutter, meinem Uncle Bruce, und seiner Frau, Aunt Debbie. Als eines Tages die Klimaanlage ihren Geist aufgab und ich kurz vorm Ersticken war, brachten sie mich bei diesem Astronomie-Projekt für Jugendliche im Hayden-Planetarium unter, das von ihnen aus bequem zu Fuß zu erreichen war. Dort war es herrlich kühl – und ich war sofort Feuer und Flamme! Ich fand es toll, an unerträglich schwül-heißen Nachmittagen der gleißenden Sonne zu entgehen, unter dem klimatisierten Nachthimmel des Planetariums zu sitzen und über das Weltall zu philosophieren. Mein Lebensziel stand hiernach fest: Ich würde die Geheimnisse des Universums ergründen.
In dem Sommer, als ich dreizehn wurde, war ich aber erst mal noch ein Bücherwurm und Sterngucker. Und ein Computerfreak. Tatsächlich lernte ich auch genau dort, am Computer, Prinz William erst so richtig kennen: im Internet, wo ich die Homepage der Queen in mich reinfraß und all die Websites, die der Königsfamilie gewidmet sind. Als meine Mutter diesem Geheimnis auf die Spur kam, sagte sie sofort: «Ach, wie romantisch, Liebe auf den ersten Klick! Hahaha.»
Uah – meine Mutter! Sie hält sich für sooo komisch. Manchmal ist sie das auch. Aber meistens ist sie es nicht. Und als ich dreizehn war, war sie definitiv nicht komisch! Im Gegenteil: Sie war sauer wie ein Fass voller Gurken. Wahrscheinlich, weil sie und mein Vater ständig zankten. Sie stritten sich über alles. Über mich. Über die Hunde von Herrn Pomplun. Über die Mutter meines Vaters, meine Oma Anneliese. Oma und meine Mutter verstehen sich nicht besonders. «Fräulein Anneliese», sagt meine Mutter immer zu meinem Vater, wenn Oma anruft, und reicht ihm den Hörer so angewidert, als wäre er giftig.
Meine Eltern stritten sich sogar über meine Bat-Mizwa. Die Bat- oder bei Jungen Bar-Mizwa ist dieses große Ereignis, das jüdische Kinder begehen, wenn sie etwa dreizehn sind und als erwachsen gelten. Traditionell ist das ein lebensbejahender, freudiger Anlass, richtig? Nicht so bei meiner Mutter. Sie stürzte sich mit einer Vehemenz in die Vorbereitungen, als würde jeden Moment mitten in unserer Küche der dritte Weltkrieg ausbrechen. Also, man muss sich vorstellen, in was für eine wahnsinnige Hektik sie schon verfällt, wenn sie ein einfaches Pessach-Seder für zehn Gäste gibt. Und zu der Bat-Mizwa wollte sie einhundertfünfzig Gäste einladen!
«Hundertfünfzig!», sagte mein Vater, als er das hörte. «Das kann doch nicht dein Ernst sein!»
«Mommy!», sagte ich. «Ich heirate doch nicht!»
«Eben!», sagte meine Mutter. «Heiraten kannst du, sooft du willst – die Bat-Mizwa feierst du nur einmal. Du sagst der Welt, dass du jetzt erwachsen und Teil der jüdischen Gemeinde bist.»
«Ich glaub nicht mal an Gott. Warum sollte ich Teil der jüdischen Gemeinde werden?»
Auf dieses Stichwort hin verdrehte meine Mutter immer die Augen und warf mir einen ihrer vernichtenden Blicke zu. «Weil du Jüdin bist. Deswegen.»
Jüdischem Gesetz gemäß wird die Religionszugehörigkeit eines Kindes durch die Mutter weitergegeben, sodass ich, obwohl mein Vater Nichtjude war, wegen meiner Mutter als Jüdin galt. Sie war nicht religiös oder so, hielt aber viel auf jüdische Tradition und wollte mich so viel wie möglich mit der Kultur in Berührung bringen. Was mir ziemlich egal war, da es um uns herum ohnehin nicht viel jüdische Kultur gab. Ich meine, schließlich lebten wir in Deutschland! Jedenfalls, was die Bat-Mizwa betraf, fand ich, dass meine Mutter es etwas übertrieb. Ich musste Hebräisch lernen, einen...
Erscheint lt. Verlag | 1.6.2024 |
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Übersetzer | Ulrike Thiesmeyer |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Basketball • Freundschaft • Juden • Jugendbuch ab 12 • lustiges JugendBuch • Prinz William • Verlieben |
ISBN-10 | 3-7336-0854-2 / 3733608542 |
ISBN-13 | 978-3-7336-0854-5 / 9783733608545 |
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