Everything We Never Said - Liebe lässt uns böse Dinge tun (eBook)
400 Seiten
Fischer Sauerländer Verlag
978-3-7336-0642-8 (ISBN)
Sloan Harlow träumt bereits seit ihrer Kindheit davon, Schriftstellerin zu werden. Zusammen mit ihrer Katze Pabu lebt sie im US-Bundesstaat Georgia, wo sie versucht, so viel violette Yams-Eiscreme wie möglich zu essen. »Everything We Never Said« ist ihr YA-Debüt.
Sloan Harlow träumt bereits seit ihrer Kindheit davon, Schriftstellerin zu werden. Zusammen mit ihrer Katze Pabu lebt sie im US-Bundesstaat Georgia, wo sie versucht, so viel violette Yams-Eiscreme wie möglich zu essen. »Everything We Never Said« ist ihr YA-Debüt.
1 Ella
Es regnet in Strömen. Draußen vor dem Fenster tobt eines dieser heftigen Gewitter, die wir hier in Georgia öfter haben, und der Montagmorgen beginnt mit Blitzen und Donner. Ich liege seit Stunden wach, höre dem Heulen des Winds zu und stelle mir vor, wie eine Sturmbö die Hauswand zerlegt und mich mit sich fortreißt.
Der Holzboden vor meinem Zimmer knarrt. Durch den Spalt unter der Tür sehe ich, wie sich der Schatten meiner Mutter bewegt. Die Dielen ächzen unter ihren Füßen. Sie zögert. Soll sie klopfen oder nicht?
Mom geht wieder. Ihre Schritte bewegen sich auf das Schlafzimmer meiner Eltern zu.
Anscheinend hat sie sich für nicht klopfen entschieden.
Vor einem Jahr wäre sie hereingeplatzt und hätte mir eine Standpauke gehalten, weil ich noch im Bett liege. Vor einem Jahr wäre ihr Schweigen undenkbar gewesen. Doch vor einem Jahr war alles anders. Ich habe dieses Schweigen verdient, das mir wie ein Stein am Hals hängt. Und mit dieser Buße schlage ich die Decke zurück und tue das Unmögliche:
Ich mache mich für den ersten Tag meines letzten Schuljahrs an der North Davis High fertig.
Es fühlt sich zwar an wie ein anderes Leben, aber ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, wie nervös ich am ersten Tag in der elften Klasse war. Meine schwarzen Haare hatten vor der hohen Luftfeuchtigkeit in Georgia kapituliert und ließen sich nicht mal mehr mit Arganöl bändigen. Und der Katzenaugen-Look, der am Abend vorher noch eine Femme fatale aus mir gemacht hatte, sah plötzlich so aus, als wäre ich der Joker und würde Gotham City mit Lachgas erpressen wollen.
Ich war in Panik geraten, hatte meiner absolut besten Freundin ein Selfie geschickt und Hilfe!!! dazugeschrieben.
Hayley hatte sofort geantwortet. Soll das ein Witz sein? Du siehst megacool aus. Komm schnell rüber, dann helfe ich dir mit den Haaren. Gegen mein Glätteisen kann selbst unser Sommer nichts ausrichten.
Aber heute?
Heute ziehe ich das an, was auf dem Boden vor meinem Bett liegt: die Jeans, die ich gestern schon anhatte (und vorgestern und vorvorgestern), und ein graues Sweatshirt, auf dem noch der Salsa-Fleck von letzter Woche prangt. Ich weiß nicht mehr, wann ich das letzte Mal in den Spiegel geschaut habe.
Die Trauer hat eine tiefe Schlucht zwischen mir und dem dummen Mädchen von vor einem Jahr entstehen lassen, dessen größtes Problem ein misslungener Lidstrich und widerspenstige Haare waren. Ich hasse sie.
Ich wäre gern wieder so wie sie.
Als ich die Highschool betrete, habe ich das Gefühl, als würde ich nicht als Ella zurückkehren, sondern als ihr Schatten, als lebendes Geistermädchen. Der Gedanke daran tut so weh, als hätte sich mein Herz an Papier geschnitten. Ich wünschte, ich wäre ein Geist. Vielleicht könnte ich dann die Grenze zum Jenseits überwinden und immer noch mit Hayley reden. Ihr sagen, was wichtig ist.
Zum Beispiel, dass Albert Wonsky ihren Spind bekommen hat. Sie würde laut aufstöhnen und so etwas sagen wie: Bitte, bitte rette meine Fotos von Pedro Pascal, bevor mein Beinahe-Ehemann unter Alberts Porno-Animes verschwindet. Und ich würde lachen und antworten: Tut mir leid, zu spät.
Ich würde ihr sagen, dass die Delle immer noch da ist. Die Delle, die ich in einen der Spinde getreten habe, nachdem ich nur elf Punkte in Latein bekommen hatte. Und die Delle, die sie direkt daneben in das Metall getreten hat. »Wegen der glaubhaften Abstreitbarkeit«, hat sie damals gesagt. »Das bedeutet etwas anderes«, habe ich geantwortet.
Ich würde ihr sagen, dass in der Nische neben dem Musikraum immer noch das Wachs einer rosa Geburtstagskerze klebt. Die Nische, in der Sawyer Hawkins und ich uns versteckt haben, bevor wir grinsend mit Ballons und einem brennenden Cupcake in der Hand herausgesprungen sind und »Alles Gute zum Geburtstag!« gebrüllt haben.
Sawyer.
Sein Name fühlt sich an wie eine Faust, die mir jemand in den Magen schlägt. Ich kann heute nicht an ihn denken. Das ist zu viel für mich. Wenn ich es trotzdem tue, werde ich mir wieder die Rippen brechen.
Und genau deshalb läuft mir Sawyer auch ausgerechnet jetzt über den Weg. Da ist er, am Ende des Flurs. Er redet mit Mike Lim, den er um einen Kopf überragt, und verzieht sein Gesicht zu einem schiefen Grinsen, als würde es um etwas Lustiges gehen.
Es macht mir so zu schaffen, dass ich stehen bleibe. Ich lehne mich gegen die Wand und drücke meine Bücher so fest an mein Brustbein, dass der Abdruck von Differenzial- und Integralrechnung I vermutlich erst in ein paar Tagen wieder von meiner Haut verschwinden wird.
Plötzlich starrt Sawyer mich an, als würde er meine Gegenwart spüren. Mir bleibt die Luft weg. Zum ersten Mal seit der Beerdigung sehe ich seine sanften braunen Augen.
Doch der Blick, den er mir zuwirft, ist alles andere als sanft.
Sawyer, der einzige Junge aus meinem Bekanntenkreis, der Monatstage einer Beziehung mit kleinen, perfekten Geschenken feiert, der uns während eines ganzen Twilight-Marathons mit Popcorn und Sprite versorgt hat, als Hayley mal krank war, der meine beste Freundin so sehr geliebt hat wie ich …
Dieser Sawyer funkelt mich jetzt derart wütend an, dass ich das Gefühl habe, mich gleich übergeben zu müssen.
Ich wusste es. Er gibt mir die Schuld daran.
Ich sollte ihm in die Augen sehen. Ich sollte mich von seinem vorwurfsvollen Blick verbrennen lassen. Schließlich habe ich es verdient, für das, was ich ihm genommen habe. Was ich ihr genommen habe.
Stattdessen drehe ich mich um, unterdrücke ein Schluchzen und will aus dem Flur und aus der Schule rennen, vielleicht für immer. Und dann stoße ich mit Mr Wilkens zusammen.
»Hoppla! Nicht so schnell!« Der Schulpsychologe taumelt nach hinten, streckt die Arme aus und packt mich an den Schultern, damit ich nicht hinfalle.
»Oh Gott, es tut mir so leid«, keuche ich verlegen.
»Nein, nein, Ella. Das ist schon okay. Nichts passiert.« Er versucht, mir in die Augen zu sehen. »Hallo. Hallo. Ich bin froh, dass wir zusammengestoßen sind. Wie geht es Ihnen?«
Ich zucke nur mit den Schultern, weil ich Angst habe, dass mir die Stimme versagt.
»Hm. So gut?« Mr Wilkens ist eigentlich immer glatt rasiert, aber heute sind an seinem Kinn ein paar Bartstoppel zu sehen. Und seine sonst immer strahlend blauen Augen wirken irgendwie verwaschen, als hätte sich ein Schleier darübergelegt. Vielleicht gehört er zu den Psychologen, denen tatsächlich etwas an ihren Schülern liegt. Vielleicht ist er heute Morgen auch traurig.
Ein schöner Gedanke.
»Ella«, meint er, »ich weiß, dass heute ein schwerer Tag für Sie ist. Und ich hoffe, Sie wissen, dass ich immer für Sie da bin.« Er sieht aus, als wollte er noch mehr sagen, doch es läutet, was seinen Gedankengang unterbricht. »Ah, jetzt rettet mich die Glocke.« Er lacht. »Sie sollten nicht zu spät zum Unterricht kommen. Wir reden später, okay?«
Er blickt mir mit gerunzelter Stirn nach, als ich gehe. Ich finde es sehr nett von ihm, dass er sich Sorgen macht. Dass er helfen will. Machen Sie sich keine Gedanken um mich, Mr Wilkens, sollte ich zu ihm sagen. Sparen Sie sich Ihre Mühe und Zeit für Schüler, die kein hoffnungsloser Fall sind. Schüler, die es verdient haben.
Schüler, die nicht ihre beste Freundin getötet haben.
Den ganzen Tag lang versuche ich, unsichtbar zu sein. Ich versuche, die anderen zu ignorieren, die mich anklagend anstarren oder mir mitleidige Blicke zuwerfen. Aber es ist unmöglich. Als ich an den Mädchen vorbeigehe, die am Trinkbrunnen herumstehen, verstummen schlagartig alle Gespräche. In der Englischstunde beugt sich Seema Patel zu mir und hält mir eine Tüte mit sauren Fruchtgummis hin. »Kannst du bestimmt gut gebrauchen.«
Und als ich vor der Mittagspause zu meinem Spind schleiche, tauchen plötzlich Leute auf, denen ich aus dem Weg gehen wollte: meine alte Clique. Besser gesagt, der Rest davon. Plötzlich stehen Nia Wiley, Beth Harris, Rachael Even und sogar Scott Logan um mich herum. Sawyer natürlich nicht. Aber es fehlt eben jemand, und dadurch entsteht ein Loch, das so groß ist wie ein Krater.
Eigentlich sind es Hayleys Freunde. Nia und Beth waren mit ihr zusammen im Laufteam, Beth und Rachael sind seit der neunten Klasse ein Paar, und Scott ist ein aufdringlicher Typ, den man einfach nicht loswird, egal wie oft man es versucht – fünfzig Prozent Pausenclown, fünfzig Prozent arroganter Teenager. Hayley hat mich in die Clique gebracht, aber ohne sie fehlt der Klebstoff. Ich werde ihre Anrufe noch eine Woche oder so ignorieren, dann werden sie mich in Ruhe lassen, und alle werden sich wohler fühlen.
Jetzt aber fällt mir Beth erst mal um den Hals.
»Ella, wo bist du gewesen? Ich habe mir solche Sorgen gemacht, als du dich nicht gemeldet hast! Ich habe dich den Sommer über jeden Tag angerufen!«
Nia streckt den Arm aus und schiebt Beth von mir weg. »Und wie ich gesagt habe, hätte ich vermutlich auch nicht geantwortet, wenn du mich jeden Tag mit Anrufen genervt hättest.«
Beth zieht eine Schnute und lehnt sich an Rachael, während Nia den Kopf schüttelt und mir einen entschuldigenden Blick zuwirft. »Wir wollten einfach wissen, wie es dir geht, Ella. Ich meine, abgesehen von dem, was wir uns denken können.«
»Du fehlst uns.« Rachael lächelt mir etwas zaghaft zu, während Beth zustimmend nickt. Nia rammt Scott, der hinter ihnen steht und angestrengt auf sein Handy starrt, ihren Ellbogen in die...
Erscheint lt. Verlag | 1.10.2024 |
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Übersetzer | Bea Reiter |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | a good girls guide to murder • All Age Buch • Ana Huang • Anna Huang • Bücher mit plot twist • Bücher wie Gone Girl • Bücher wie Lyx-Thriller • Bücher wie Twisted Dreams • Colleen Hoover • Crossover Thriller • dangerous boyfriend trope • Dark Romance • Dead best friend trope • düster ab 14 • enemies to lovers trope • Gefährliche Liebe • Haters to lovers • holly jackson • Jugend-Buch USA • Karen McManus • Laura Kneidl • Leonie Lastella • Liebes-Roman • Mona Kasten • New adult Romance • New Adult Suspense Sexy • new adult thriller • One of us is lying • realistischer Thriller • Romance ab 13 Jahren • Romance Highlight • Romantic Suspense • romantisches Jugendbuch • sexy Lovestory • sexy thriller • Spannung für Frauen • Stella Tack • Thriller ab 14 • Thriller Eifersucht • Thriller falscher Verdacht • Thriller große Gefühle • Thriller mit unerwarteten Wendungen • Thriller Pyschologie • Trauer • Verlust • Young Adult |
ISBN-10 | 3-7336-0642-6 / 3733606426 |
ISBN-13 | 978-3-7336-0642-8 / 9783733606428 |
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