Ein Mörder auf der Gästeliste - Ein Weihnachtskrimi (eBook)
320 Seiten
Verlag Carl Ueberreuter
978-3-7641-9358-4 (ISBN)
Alexandra Fischer-Hunold studierte deutsche und englische Literatur und arbeitete in einem Verlag, bevor sie selbst anfing zu schreiben. Ihre Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt.Für den Kinderkrimi 'Lord Gordon - Ein Mops in königlicher Mission' wurde sie 2017 mit dem Hansjörg-Martin-Preis für den besten Kinder- und Jugendkrimi ausgezeichnet. Sie lebt mit ihrem Mann und dem Irish Terrier Carla in Münster in Westfalen.
Alexandra Fischer-Hunold studierte deutsche und englische Literatur und arbeitete in einem Verlag, bevor sie selbst anfing zu schreiben. Ihre Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt. Für den Kinderkrimi "Lord Gordon - Ein Mops in königlicher Mission" wurde sie 2017 mit dem Hansjörg-Martin-Preis für den besten Kinder- und Jugendkrimi ausgezeichnet. Sie lebt mit ihrem Mann und dem Irish Terrier Carla in Münster in Westfalen.
Kapitel 2
»Ist das schön!« Völlig ergriffen packte ich Zelda am Arm. Am liebsten wäre ich so lange auf dem letzten Treppenabsatz stehen geblieben, bis ich mich an dem malerischen Bild zu unseren Füßen sattgesehen hatte. Das Foyer lag in vollkommener Dunkelheit. Nur der Schein des lodernden Kaminfeuers züngelte aus der Sitzecke über den Steinboden. Gleichzeitig erfüllte Silent Night, Holy Night so ergreifend feierlich den Raum, dass mir Tränen in die Augen stiegen. In der Eingangstür standen fünfzehn oder mehr dick eingemummelte Gestalten, auf die langsam watteweiche Schneeflocken rieselten.
Wortlos fasste Zelda mich bei der Hand, drückte sie und zog mich die letzten Stufen hinab zu dem kleinen Grüppchen leicht fröstelnder, aber andächtiger Zuhörer. Zielstrebig hielt sie auf Crispian zu, der ganz rechts am Türrahmen lehnte, und hakte sich mit dem einen Arm bei ihm ein, mit dem anderen bei mir. Auf meiner linken Seite stand Harriet. Als sie mich entdeckte, legte sie den Arm um meine Schultern, drückte mich und lächelte mich an.
Ich musste vor Rührung schlucken. Genau so hatte ich mir das vorgestellt. Neugierig beugte ich mich ein wenig vor: Richtig, auf ihrer anderen Seite hielt Harriet Mathilda, das alte Kindermädchen, im Arm. So klein und zierlich, dass ich immer Angst hatte, sie könnte zerbrechen. Doch um Mathilda musste man sich keine Sorgen machen. Obwohl ein Autounfall schon lange vor Zeldas Geburt sie ihr Augenlicht gekostet hatte, ließ sie sich von nichts so einfach aus der Bahn werfen.
»Jetzt kann Weihnachten kommen!«, rief Zeldas Vater Gerald in den aufflammenden Abschlussapplaus hinein, den die Sänger nach dem siebten Lied mit kleinen Verbeugungen entgegennahmen. »Wie schön, dass ihr bei diesem lausigen Wetter extra zu uns rausgekommen seid! Und bitte entschuldigt, dass ich nicht von Anfang an dabei sein konnte. Aber ich musste meine Töpfe im Auge behalten. Trotzdem ist mir nicht ein Ton entgangen. Was wäre Weihnachten ohne einen Auftritt der Montfort Carol Singers? Kommt doch bitte alle rein und wärmt euch auf.«
Mit rot gefrorenen Nasen schlurften die Carol Singers ins Foyer; der letzte sperrte hinter sich Schnee und Kälte aus. Wie die Enten ihrer Mutter folgten sie Gerald zum Empfangstresen, wo er Tabletts mit dampfenden Bechern, Keksschälchen, Milchkännchen und Zuckerdosen arrangiert hatte.
»Lasst es euch schmecken!«, lud er alle ein. »Und keine Sorge, in der Küche wartet noch mehr!«
Geralds Wangen glühten vor Aufregung, als er wieder in die Küche zurückeilte, um Nachschub zu holen. Rein vom Äußeren her passen Zeldas Eltern nicht wirklich zusammen. Harriet ist bildhübsch, mit wunderschönen langen braunen Haaren, die wie ein Wasserfall über ihre schmalen Schultern fließen. Mit ihren eins siebzig ist sie wirklich keine Riesin, trotzdem ist Gerald kleiner als sie. Er hat kein einziges Haar mehr auf dem Kopf, dafür trägt er einen Hipsterrauschebart. Außerdem spannt sich seine Chefkochjacke bedrohlich über ein kleines Bäuchlein, von dem Zelda behauptet, für sie sei es das gemütlichste Fernsehkissen.
»Wie wäre es mit einem Tässchen Tee, Poppy?« Gerald war schon mit einem neuen Tablett aus der Küche zurück. »Und du, Lilly, magst du denn gar nichts haben?«
»Doch, klar!« Wegen seiner kurzzeitigen Abwesenheit hatte er nicht mitbekommen, dass ich schon drei seiner unschlagbaren Schokozimtkekse verdrückt hatte. Ich griff mir schnell noch einen und schob ihn mir begeistert in den Mund.
»Ich danke dir, Gerald«, seufzte jetzt die angesprochene Poppy neben mir und schleuderte den Bommel ihrer Strickmütze in den Nacken. »Ein Tee, ein Keks und dann müssen wir auch schon wieder los«, ließ sie den Rest ihrer Truppe wissen, bevor sie sich einen Becher schnappte und wohlig schaudernd die Hände um das warme Porzellan legte. Offenbar handelte es sich bei ihr um die Chorleiterin. »Das Schneetreiben wird immer dichter und mein alter Klapperbus mag die Kälte eh nicht.«
Last Christmas I Gave You My Heart, mischte sich die Stimme von George Michael in das Geschnatter der vielen Menschen. Harriet musste das Radio, das im Hintergrund lief, lauter gestellt haben. Ich hätte vor Glück heulen können. Es war einfach alles so perfekt, besser als im Film.
»Möchtest du?« Urplötzlich stand Crispian vor mir und hielt mir ein Keksschälchen unter die Nase.
Es waren die falschen. Die mit Haselnüssen. Auf die steh ich eigentlich nicht so und mittlerweile war ich so satt, dass ich kaum noch Papp sagen konnte, und trotzdem behauptete ich: »Gerne!« Zu meinem großen Ärger kam das wieder mal in dieser komisch hohen Tonlage heraus, die meine Stimme immer dann annahm, wenn ich mit Crispian redete.
»Kekse sind eine großartige Erfindung«, plapperte ich jetzt auch noch los und das mit vollem Mund. »Am liebsten mag ich die mit Schokolade, weißt du, die mit ganzen Stücken. Weiße Schokolade ist okay, zartbitter ist besser. Und die mit Nougatfüllung sind einfach der Hammer.«
Crispian lächelte das süßeste Lächeln der Welt. Eins mit Grübchen. Das war wie Schokoladenpudding mit Schlagsahne. Unwiderstehlich.
»Und was ist mit denen hier?« Er nickte zur Schale in seiner Hand. Bestimmt war ihm aufgefallen, dass ich nur ein einziges Mal von dem Keks abgebissen hatte.
Ich schlug die Augen nieder. »Nicht so.«
Crispian nahm mir den angeknabberten Keks aus der Hand, schob ihn sich in den Mund und hielt mir grinsend den ausgestreckten Zeigefinger unter die Nase. Ich interpretierte das als ein »Warte kurz«. Im nächsten Moment quetschte er sich an Poppy vorbei zum Tresen durch und war in einer Sekunde tatsächlich wieder zurück. Als ich sah, was er mir da fein säuberlich auf einer Serviette präsentierte, machte mein Herz einen Hüpfer: Er hatte einen Nougatkeks geholt. Extra für mich.
»Hau rein!«, sagte er, was ein wenig die romantische Stimmung ruinierte, aber das sah ich ihm großmütig nach. Mit einem gar nicht gekieksten »Danke schön!« nahm ich den Keks entgegen. Crispian zwinkerte mir zu und mischte sich mit seinem Keksschälchen unter die Carol Singers. Sehnsüchtig schaute ich ihm nach.
Seit meinem ersten Tag an der Montfort Grammar and Boarding School und einem denkwürdigen Experiment im Chemieunterricht, bei dem ich, wäre Zelda nicht gewesen, die ganze Schule abgefackelt hätte (dabei war Phosphor im Spiel!), waren Zelda und ich die absolut besten Freundinnen. Die Chemie (haha!) stimmte einfach von Anfang an und deshalb ging ich seit jenem Montag vor knapp einem Jahr bei den Rileys ein und aus. Und mindestens ebenso lange schwärmte ich heimlich für Crispian. Na ja, heimlich …! Zelda hat mittlerweile so viel Erfahrung mit ihren Liebesromanen gesammelt, dass sie die verräterischen Anzeichen schneller erkannt hat, als mir lieb war. Aber zum Glück kann sie schweigen wie ein Grab. Wenn sie in der Nähe war, gelang es mir sogar, halbwegs normal mit Crispian zu reden. Aber wehe, ich begegnete ihm alleine!
Wo steckte Zelda überhaupt? Suchend schaute ich mich nach ihr um. Und da fiel mir der Schatten auf. Die Schals gelockert und die schneenassen Mützen vom Kopf gezogen, unterhielten sich die Mitglieder der Carol Singers in kleinen Grüppchen mit den Rileys. Zu denen ich Mathilda selbstverständlich dazuzählte. Aber eine Person schlich sich, eingemummelt bis zur Nasenspitze, an der Rezeption vorbei auf den im Dunkeln liegenden Gang, der vorbei an Garderobe und Vorratskammer zur Küche führte. Da sich in der Garderobe auch die Toiletten befanden, maß ich dem Schatten allerdings keine Bedeutung bei und vergaß ihn sofort wieder.
Ich entdeckte Zelda auf einem der weinroten Lesesofas in der Sitzecke, wo sie es sich mit Mathilda bequem gemacht hatte. Die beiden kuschelten sich neben dem gemütlich prasselnden Kaminfeuer aneinander und so wie es aussah, beschrieb Zelda ihr den mit bunten Kugeln, Lichterketten und Glitzerfiguren geschmückten Weihnachtsbaum. Gerade als ich mich zu ihnen gesellte, ließ Zelda ihre Augen wie zufällig über die alte Ritterrüstung in der Ecke zu der großen Standuhr zwischen den beiden Sprossenfenstern huschen. Der kleine Zeiger stand knapp vor der Sieben und der große machte sich schon zum Sprung auf die Zwölf bereit. Als ihr fragender Blick meinen traf, deutete ich nach draußen. Das Wetter war ganz bestimmt nicht besser geworden. Gleichzeitig ertönte über dem genüsslichen Teegeschlürfe und Keksgeknupser der Erkennungsjingle der BBC-2-Nachrichten.
»Aus aktuellem Anlass … zuerst eine amtliche Unwetterwarnung für England, Wales und Schottland.«
Die Gespräche erstarben und alle lauschten angespannt.
»Eine gigantische Unwetterfront mit extremem Schneefall und starken Sturmböen bewegt sich schneller als erwartet von Nordosten kommend auf das Vereinigte Königreich zu. Die Temperaturen werden auf bis zu minus fünfzehn Grad fallen. Mit Stromausfällen ist lokal zu rechnen. Wer jetzt noch kein Dach über dem Kopf hat, sollte schleunigst zusehen, dass er nach Hause kommt. Hoffen wir mal, dass der Weihnachtsmann und seine Rentiere sturmerprobt sind, denn ansonsten gehen wir dieses Jahr alle leer aus.«
»Hoffentlich bekommt Jason unsere Heizung schnell wieder flott!«, stöhnte Harriet und drehte das Radio etwas leiser.
»Jason ist hier?«, rief Crispian irgendwo aus der Menge. Jetzt entdeckte ich ihn. Er hatte sich bis zu dem riesigen Ölgemälde vorgearbeitet, das den Erbauer des Montfort Lakebay Country House zeigte und...
Erscheint lt. Verlag | 18.9.2024 |
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Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Beste Freundin • Cosy Crime • Cosy Mystery • Detektiv • eingeschneit • England • Erbe • Gäste • Herrenhaus • Hotel • Krimi • Krimi für Jugendliche • Kriminalroman • Lake Distrikt • Mord • Mordfall • Stromausfall • Testament • Weihnachten • Weihnachtsferien • wie Agatha Christie • wie Mausefalle • wie Mord ist nichts für junge Damen • wie Mousetrap • Wohlfühlkrimi |
ISBN-10 | 3-7641-9358-1 / 3764193581 |
ISBN-13 | 978-3-7641-9358-4 / 9783764193584 |
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