Der Fuchs von Aramir (eBook)
456 Seiten
Arena Verlag
978-3-401-81076-8 (ISBN)
Katja Brandis, geb. 1970, studierte Amerikanistik, Anglistik und Germanistik und arbeitete als Journalistin. Sie schreibt seit ihrer Kindheit und hat inzwischen zahlreiche Romane für junge Leser*innen veröffentlicht. Sie lebt mit Mann, Sohn und zwei Katzen in der Nähe von München. www.katja-brandis.de
Katja Brandis, geb. 1970, studierte Amerikanistik, Anglistik und Germanistik und arbeitete als Journalistin. Sie schreibt seit ihrer Kindheit und hat inzwischen zahlreiche Romane für junge Leser*innen veröffentlicht. Sie lebt mit Mann, Sohn und zwei Katzen in der Nähe von München. www.katja-brandis.de
TIEF IN SCHWIERIGKEITEN
Devan
Argumentiere nie mit einem Greif, der sowieso schon sauer auf dich ist, weil du ihn aus dem Tiefschlaf geweckt hast. Aber was hätte ich machen sollen? Das Wesen hatte anscheinend beschlossen, den Tag gemütlich vor dem geheimen Eingang des SiManao-Palasts verbringen. Durch den ich reinmusste, und zwar so schnell wie möglich.
»Ich soll zur Seite gehen … ist das dein Ernst, Junge? Es ist sehr gemütlich hier!«, grollte der Greif, der hoch über mir aufragte und auf mich hinabblickte. »Falls du wirklich etwas im Palast der SiManao zu suchen hast, kannst du doch durch die Vordertür rein.« Er öffnete den Adlerschnabel drohend und faltete die schwarzen Schwingen so auseinander, dass sie mir noch gründlicher den Weg versperrten. Sein Löwenschwanz peitschte von einer Seite zur anderen und seine wolkenweißen Halsfedern hatten sich gesträubt.
Normalerweise hätte ich bei diesem Anblick Mühe gehabt, mir nicht in die Hosen zu machen. Aber an diesem Morgen war nichts normal. Noch konnte ich nicht glauben, was für eine unglaubliche Rattenkacke in der letzten Nacht passiert war. Erschöpft, aufgedreht, völlig zerstört … ich wusste noch gar nicht, wie ich mich fühlen sollte.
»Wenn ich durch die Vordertür gehe, könnte ich gesehen werden«, erklärte ich höflich. »Und glaub mir, das will Fürst Jolon nicht. Könnte ja jemand wissen, wer ich bin.«
Gereizt zog der Greif seine Vorderklauen über den Granitboden vor dem Palast. Sie hinterließen tiefe Furchen. »Ich weiß, wer du bist. Du bist doch dieser Devan, einer dieser Leute, die sie Füchse nennen, oder? Die behaupten, sie könnten alle Probleme lösen und auch unmögliche Wünsche wahr machen.«
»Genau.« Ich verbeugte mich formvollendet, obwohl meine Knie weich waren wie ungekühlte Schafsmilchbutter und sich um meine Füße herum eine Wasserpfütze gebildet hatte. »Und ich bin ganz sicher, dass Fürst Jolon mich jetzt sofort sehen möchte.«
»Ha! Du weißt doch, wie man Probleme löst. Dann lös mal dieses.« Feixend setzte sich der schwarz-weiße Greif auf seine Hinterläufe und lehnte sich an die Mauer, in der die Tür verborgen war.
Ich sagte nichts, beobachtete ihn nur und wartete ab. Und merkte, wie er langsam unsicher wurde.
»Wassss?«, zischte er schließlich.
»Hast du gewusst, dass sie diese Tür mit Kontaktgift präpariert haben, damit keiner durchkommt, der im Palast nichts zu schaffen hat?«
»Unsinn.« Er bewegte sich nicht von der Stelle. »Das ist ein Trick.«
Ich zuckte die Schultern. »Du wirst es selbst bald merken. An der betroffenen Stelle fängt dein Fell an zu jucken.«
Der Greif zögerte und schien in sich hineinzulauschen. Geduldig wartete ich ab. Es dauerte nur ein paar Atemzüge, bis das riesige Wesen von der Mauer abrückte und beunruhigt sein Hinterteil betrachtete. Garantiert juckte das Fell dort tatsächlich.
»Danke«, sagte ich und ging zum geheimen Eingang. Einen Moment lang tastete ich über den rauen Sandstein, dann fanden meine Finger die richtige Stelle und drückten zu. Mit einem äußerst üblen Gefühl in der Magengrube sah ich zu, wie ein Teil der Mauer nach innen schwang. Was würde Fürst Jolon mit mir machen, wenn ich ihm das Fiasko gestand? Sehr bald würde ich es wissen.
»He! Warte!« Der Greif versuchte, seinen weiß gefiederten Hals in die nur für Menschen gemachte Türöffnung zu stecken. »Gibt es ein Gegenmittel? Sprich schnell oder stirb!«
»Tut mir leid, ich habʼs eilig«, sagte ich über die Schulter zurück. »Aber keine Sorge, ich bin ziemlich sicher, dass Anderwesen immun sind.« Wenn ich ihm erklärte, dass ich mir das mit dem Gift ausgedacht hatte, würde er sich das nächste Mal noch genüsslicher breitmachen.
Dann war ich durch die Tür hindurch und im Inneren des Palasts. Zum Glück waren keine anderen der mit den SiManao verbündeten Greife in Sicht, sie schliefen gerne lang und draußen war gerade erst die Sonne aufgegangen. Meine nassen Lederstiefel quietschten ein bisschen auf dem Marmor, als ich die Treppe in den ersten Stock hinaufeilte. Um mich zu beruhigen, sog ich tief die Luft ein, die nach Fackelrauch, geröstetem Brot und Stein roch. Würde schon alles gut gehen. So eine Panne konnte mal passieren und hatte ich nicht schon ganz andere Dinge gemeistert? Neuer Tag, neues Glück! Als ich vor Fürst Jolons Gemächern angekommen war, hatte ich mich so weit beruhigt, dass ich eine gleichmütige Miene schaffte.
»Also?«, fragte Fürst Jolon, als ich endlich vor ihm stand. »Habt Ihr es geschafft, meine Waffenlieferung vom Meeresgrund hochzuholen?« Angewidert betrachtete er, wie ich seinen Marmorboden volltropfte.
Jolon, der vierundzwanzig Winter alt war, gehörte zu einem der mächtigsten Familienclans Aramirs – dem, der gerade über Aramir herrschte, weshalb Jolon den Beinamen »Fürst« tragen durfte. Darüber hinaus war er ein berühmter Musiker und von größerer Schönheit, als gut für ihn war. Anscheinend war er gerade erst aufgestanden, denn er trug nur eine enge Stoffhose und über dem bloßen, durchtrainierten Oberkörper eine mit Greifenfedern geschmückte Lederweste im Gelb der SiManao. In seine langen dunkelbraunen Haare und in seinen Bart hatte er gerade erst goldene Strähnchen hineinfärben lassen, die im Licht der Kerzen schimmerten. Hätten seine vielen Verehrerinnen ihn so sehen können, hätten sie noch inniger von einer Hochzeit mit ihm geträumt.
»Es gab eine Panne«, musste ich zugeben.
»Eine Panne? Was heißt das?«
»Der erste Teil der Mission ist gut verlaufen«, berichtete ich. »Die Waffen lagen zwar zu tief, um sie tauchend zu erreichen, und die Meeresdrachen wollten Euch nicht helfen, das wisst Ihr ja …«
»Ghalils Schande, kommt zum Punkt!«
»Ich habe die Schwerter mit starken Magneten hochgefischt.«
»Mit Magneten?« Wider Willen wirkte Jolon interessiert.
»Diesen neuartigen Dingern aus Isslar«, erklärte ich. »Sie ziehen bestimmte Metalle zu sich hin.«
»Großartig. Wieso bin ich nicht selbst darauf gekommen?« Jolon nickte wohlwollend.
Jetzt kam der unangenehme Teil. »Als wir die Waffen oben hatten, ist leider ein großes Boot durch die Reihen meiner Leute gebrochen und so nah an uns vorbeigefahren, dass seine Bugwelle uns zum Kentern gebracht hat. Das Boot gehört einem Euch sicher bekannten Mann, der ebenfalls als Fuchs hier in Aramir arbeitet.« Zum Glück war wenigstens meiner besten Freundin Rouka dabei nichts passiert – sie konnte ziemlich gut schwimmen.
»Ah.« In Jolons Stimme klirrte das Eis. »Ihr habt Euch also sabotieren lassen. Schwach. Ich hätte gleich Ignis beauftragen sollen und nicht Euch!«
Ich neigte schweigend den Kopf und biss die Zähne zusammen. Er hatte recht. Wieso hatte ich Hohlkopf kein größeres Fahrzeug gemietet? Meine Ablenkungsmanöver und Vorsichtsmaßnahmen waren nicht gut genug gewesen. Wahrscheinlich hätte mein Konkurrent Ignis – Mitte vierzig, bequem und dem Luxus zugeneigt – viel dafür gegeben, bei dieser Demütigung dabei sein zu können. Aber nach dem, was ich gehört hatte, trat er nie selbst in Erscheinung und schickte immer seine Leute vor; ich hatte ihn nie gesehen.
Jolon fragte: »Was spricht dagegen, es noch mal mit den Magneten zu versuchen?«
Ich sagte es ihm nur sehr ungern. »Die Magnete sind auch versunken. Und die Schwerter liegen jetzt an einer Stelle, die noch tiefer ist, und haben sich dort in Steinen und Giftkorallen verkeilt. Die Lieferung ist verloren.«
Fürst Jolon trat näher an mich heran, so nah, bis sein parfümierter Atem meine Wange streifte. »Wisst Ihr, dass diese Schwerter tausend Silber wert waren?«, flüsterte er mir ins Ohr.
»Ja. Ja, ich erinnere mich.« Da fiel es kaum ins Gewicht, dass auch die geliehenen Magneten dreißig Silber wert gewesen waren.
»So, wie ich es gerade sehe, hattet Ihr die Schwerter schon in Eurem Besitz und habt sie dann wieder verloren. Das heißt, Ihr schuldet mir tausend Silber, Devan.«
Ich hatte mir natürlich schon gedacht, dass er so reagieren würde, trotzdem durchrieselte mich ein eisiges Gefühl. »Als Ausgleich mache ich Euch ein Angebot. Ich arbeite so lange umsonst für Euch und löse all Eure Probleme, bis diese Schuld abgetragen ist.«
»Ach wirklich?« Mit...
Erscheint lt. Verlag | 2.2.2024 |
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Illustrationen | Claudia Carls |
Verlagsort | Würzburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Blauer Engel • Bücher für Jungs • Bücher wie Rebecca Yarros • Carag • Elfen • Feenfantasy • Gestaltwandler • High Fantasy • Jaguargöttin • Katja Brandis • Khyona • Magische Tierwesen • Nachhaltige Bücher • Romantasy • Romantic Fantasy • Sarah J. Maas • Seawalkers • Tierfantasy • Umweltschutz • Woodwalkers |
ISBN-10 | 3-401-81076-6 / 3401810766 |
ISBN-13 | 978-3-401-81076-8 / 9783401810768 |
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