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Die Augen und das Unmögliche (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
240 Seiten
Atlantis Kinderbuch (Verlag)
978-3-7152-7021-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Augen und das Unmögliche -  Dave Eggers
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Johannes ist ein freier Hund in einem Stadtpark am Meer. Seine Aufgabe ist es, die Augen zu sein - alles zu sehen, was im Park passiert, und den Ältesten des Parks, drei Bisons, Bericht zu erstatten. Seine Freunde, eine Möwe, ein Waschbär, ein Eichhörnchen und ein Pelikan, helfen Johannes beim Beobachten der Menschen und Tiere und sorgen dafür, dass das Gleichgewicht im Park erhalten bleibt. Doch Veränderungen sind im Gange. Immer mehr Menschen kommen in den Park, auch gefährliche, ein neues Gebäude mit geheimnisvollen und hypnotisierenden Rechtecken wird errichtet, und dann tauchen auch noch Ziegen auf - eine ganze Bootsladung Ziegen - und mit ihnen eine schockierende Enthüllung, die Johannes' Sicht auf die Welt für immer verändert. 

Dave Eggers (*1970) ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Autoren. Sein Werk umfasst zahlreiche Bücher für Erwachsene, darunter Every, Der Circle und Ein Hologramm für den König. Ebenso hat er bereits mehrere Bücher für junge Leser*innen geschrieben, darunter Die Mitternachtstür und Her Right Foot und What Can a Citizen Do?, die beiden letzteren illustriert von Shawn Harris. Dave Eggers ist Gründer von McSweeney's, einem unabhängigen Verlag, und Mitbegründer von 826 National, einem Netzwerk von Schreib- und Nachhilfezentren für Jugendliche. Er lebt mit seiner Familie in Nordkalifornien.

Dave Eggers (*1970) ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Autoren. Sein Werk umfasst zahlreiche Bücher für Erwachsene, darunter Every, Der Circle und Ein Hologramm für den König. Ebenso hat er bereits mehrere Bücher für junge Leser*innen geschrieben, darunter Die Mitternachtstür und Her Right Foot und What Can a Citizen Do?, die beiden letzteren illustriert von Shawn Harris. Dave Eggers ist Gründer von McSweeney's, einem unabhängigen Verlag, und Mitbegründer von 826 National, einem Netzwerk von Schreib- und Nachhilfezentren für Jugendliche. Er lebt mit seiner Familie in Nordkalifornien.

Drei


Jetzt möchte ich euch erzählen, wie alles anders wurde. Das ist noch nicht lange her, schätzungsweise zweihundert Jahre. Es war nach einer Nacht mit einer Milliarde Sternen, den Geschwistern unserer Sonne.

Ich wohne in einem hohlen Baumstamm. Der Baum ist eine Million Jahre alt und vor tausend Jahren gestorben, steht aber immer noch mitten im Park und ist inzwischen von Efeu überwuchert. Am Tag nach der Nacht mit den vielen Sonnengeschwistern wachte ich noch vor Morgengrauen in meiner Baumhöhle auf und streckte und schüttelte mich. Schnell wie das Licht rannte ich ans Meer, um im klirrkalten Wasser zu baden und wach zu werden. Am windigen Strand begegneten mir nur ein paar Jogger und etliche schillernde Quallen, die angespült worden waren und stumpfsinnig herumlagen. Ich beobachtete, wie sich der erwachende Himmel von schwarz über blau und violett zu rosa, orange und gelb färbte, dann kehrte ich sauber und hellwach in den Park zurück.

An dem Tag war nichts los. Beim Überqueren der Schnellstraße ließ ich mir reichlich Zeit, lief dann an der noch schlummernden Windmühle vorbei und drehte meine übliche Runde. Am Ententeich, der entsetzlich stinkt, hielten sich wie immer die Enten auf. Der Gestank stört sie nicht. So sind die Enten eben.

Ich lief über die Brücke, weil ich nach den Bogenschützen sehen wollte. So früh waren erst wenige da. Eine Frau hatte sich in einen dicken gelben Umhang gewickelt, der beim Gehen das Gras kitzelte. Es sah eindrucksvoll aus, wie das Gelb über das taufeuchte Grün der Wiese schleifte. Neben dem Bogenschießplatz ist der Fußballplatz, und der war voller junger Spieler mit ihren Eltern. Ich wollte eine Weile zuschauen, aber seltsamerweise spielten sie gar nicht Fußball, sondern rannten auf der Stelle, machten Luftsprünge, setzten sich auf den Boden, verdrehten Arme und Beine, hüpften herum und riefen irgendwas. Das war langweilig und ich lief weiter.

Unter einem Zelt saßen zwei Leute an einem Tisch. Sie nahmen von den Eltern der jungen Menschen Geld entgegen und steckten es in ein Metallkästchen mit Deckel. Das Geld war in diesem Fall das schmuddelige Papier, das mich nicht interessiert. Ich mag Münzen lieber.

Münzen! Ich liebe Silber und Kupfer. Wenn Münzen in der Sonne funkeln, will ich sie haben. Dann muss ich einfach stehen bleiben und sie anschauen. Ein paarmal habe ich welche in meine Baumhöhle gebracht, aber im Dunkeln funkeln sie nicht mehr, darum lasse ich sie draußen in der Sonne. Ja, sie sollen in der Sonne funkeln, damit ich sie anschauen kann.

Aber nicht zu lange!

Wenn man zu lange stehen bleibt und schaut, wird man gefangen. Steven, Janie und Joanie wurden gefangen, als sie den Tanzenden zugeschaut haben, aber ich lasse mich nicht fangen.

Ich werfe den Münzen nur einen Blick zu und erfreue mich am glänzenden Silber und Kupfer, dann renne ich weiter. So schnell wie ein Donnerschlag.

An der Reitbahn saßen Menschen auf Pferden wie Königinnen und Könige, während die Pferde im Kreis trabten, und das war auch langweilig. Darum lief ich weiter zu dem flachen Bassin, wo die Leute ihre Bötchen fahren lassen. Ein runder Mann, den ich noch nicht kannte, hatte ein neues Spielzeugboot dabei. Es war kleiner als ich – höchstens so groß wie ein ausgewachsenes Erdhörnchen –, fuhr aber sehr schnell. Das fand ich spannend. Das Boot war niedrig und vorn spitz wie ein Pfeil, und in Nullkommanichts hatte es eine Runde durchs Bassin gedreht.

Mit diesem Boot musste ich unbedingt um die Wette rennen!

Wenn viele Leute da waren, konnte man Wettrennen nicht machen. Weil außer dem runden Mann aber niemand am Bassin stand, sauste ich los wie eine Rakete und stellte fest, dass ich viel schneller war als das Pfeilspitzenboot.

Verglichen mit mir war das Boot ein Witz.

Verglichen mit mir war es ein Stück Treibholz.

Doch dann drehte es auf.

Es hatte sich bloß zurückgehalten!

Ich rannte schneller, das Boot beschleunigte, jetzt ging es gegen den runden Mann und sein Boot, und wir drehten Kopf an Kopf zwei Runden ums Bassin. Als ich an dem Mann vorbeikam, hörte ich ein Nicht schlecht! Belustigt rannte ich weiter. Für solche Fälle habe ich noch meine Lichtgeschwindigkeit auf Lager! Ich wurde zum Licht selbst und ließ Boot und Mann in der weißen Glut meiner unermesslichen Schubkraft zurück.

Das geschah an jenem Tag, ja, aber es war noch nicht das einschneidende Ereignis, das ich vorhin angekündigt habe.

»Kommst du jetzt endlich?«, fragte über mir jemand. Das konnte nur Bertrand sein, eine Möwe und mein bester Freund. Es war an der Zeit, mich auf der Großen Felskugel mit meinen Helferaugen zu treffen.

Die Helferaugen habe ich gar nicht erwähnt, tut mir leid. Sie unterstützen mich. Sie sehen, was mir entgeht. Wir sind Gefährten, Verbündete. Wir treffen uns jeden Tag, wenn die Sonne direkt über uns steht, auf einem großen Felsen, der so rund und hoch ist, dass ihn Menschen nicht erklimmen können. Ihre Hände rutschen einfach ab.

Oben im Felsen ist eine Vertiefung, eine Art Becken, das ist unser Treffpunkt. Von dort aus haben wir den ganzen Park im Blick, wir selbst werden aber nicht gesehen, außer von den Vögeln. Ich bin immer im Nu oben, wie eine Feder, die vom Wind hochgeweht wird, denn ich erreiche Fluggeschwindigkeit und auf meine Krallen ist Verlass.

 

Als ich ankam, saß Bertrand schon da und kratzte sich mit dem Schnabel unterm Flügel, wie es seine Gewohnheit ist. Fragt mich nicht, warum. Bertrand ist eine Seemöwe, und zwar eine große. Von allen Möwen hier ist er die größte und stärkste – glaube ich jedenfalls –, aber er ist bescheiden und will so etwas nicht hören. Er möchte einfach Bertrand sein.

»Hi-hi«, sagte er. So begrüßt er jeden. Es klingt albern und ein bisschen schwächlich – und das, obwohl er eine tiefe Stimme, einen Brustkorb wie ein Fass und gewaltige Schwingen hat.

»Ho-ho«, erwiderte ich wie immer. Das ist unser Privatscherz.

Ich erkundigte mich, was es Neues gab. Nicht viel, antwortete er, nur dass Rose-Marie, eine Möwe aus seiner Sippe, gestern ihren letzten Flug gemacht hatte. Das kam nicht unerwartet. Sie war schon alt und konnte nicht mehr gut fliegen, und wenn Möwen alt sind und nicht mehr fliegen können, ist es aus. Das gehört zu ihrer Kultur, mehr will ich dazu gar nicht sagen. Wenn ihre Zeit gekommen ist, legen sie jedenfalls Wert auf einen eindrucksvollen Abgang. Ich wusste, dass Rose-Marie gut zu Bertrand gewesen war, und drückte ihm mein Beileid aus.

»Sie hat mir beigebracht, wie man Fische fängt.« Bertrand schaute aufs Meer hinaus.

»Einmal hat sie mir auch einen Fisch geschenkt«, sagte ich. Rohen Meeresfisch fresse ich eigentlich nicht, aber manchmal gibt mir eine Möwe etwas ab, und sei es nur, weil sie neugierig ist, was ein Hund wie ich von rohem Fisch hält. Silbrig und zappelnd, mit panischen Augen – so war der Fisch, den ich von Rose-Marie bekam. Eine grässliche Erfahrung, die ich nicht wiederholen möchte.

»Sie wird uns fehlen«, sagte Bertrand über Rose-Marie.

Bertrand sagt oft ernste Dinge, während er aufs Meer hinausschaut. Von allen Säugetieren und Vögeln, die ich kenne, ist diese Vorliebe bei ihm am stärksten ausgeprägt. Wir anderen mögen das. Wir schätzen seine nachdenkliche Art. Er wird oft um Rat gefragt.

Als Nächstes traf Sonja ein. Sonja ist ein Erdhörnchen und hat die Angewohnheit, einen nie richtig zu begrüßen, so als wäre sie gerade mitten in ein Gespräch hineingeplatzt. Sie gehört auch zu meinen Helfern und trifft sich seit mindestens sechshundert Jahren mit uns auf der Felskugel, darum verstehen wir nicht, warum sie immer erst so schüchtern ist. Seit einem Kampf mit einer Krähe fehlt ihr ein Auge, und die einfachste Erklärung wäre, dass es daran liegt. Aber ich bin nicht sicher. Die naheliegenden Erklärungen sind oft falsch.

»Hi-hi«, sagte Bertrand.

»Ho-ho-hoch«, erwiderte Sonja wie immer, wenn Bertrand »Hi-hi« sagt. Der Privatscherz der beiden.

Weil noch zwei weitere Helferaugen fehlten, hielt Sonja ihr kleines Gesicht in die Sonne. Das macht sie hier oben immer, wenn ausnahmsweise mal die Sonne scheint. Sie verbringt die meiste Zeit im Schatten unter den Pinien- und Eukalyptusbäumen. Darum hält sie hier oben das Gesicht in die Sonne und lauscht Gott. Wenn sie das unversehrte Auge schließt, sieht sie friedlich aus. Kaum ist es offen und das andere ein runzliger Stern aus Haut und Fell, wirkt sie unsicher und angespannt.

Yolanda landete wie üblich als Kuddelmuddel aus Flügeln und Füßen. Yolanda ist ein Pelikan, und zwar ein tollpatschiger, und das will etwas heißen. Schließlich sind alle Pelikane tollpatschig. Kein Wunder bei ihrem plumpen Körper und ihrer drolligen Art zu fliegen.

»Hi-hi«, sagte Bertrand.

»Ti-ti-tief«, erwiderte Yolanda. Das ist ihr Privatscherz. Wie alle Pelikane fliegt Yolanda am liebsten tief-tief über dem Wasser, ganz dicht über der Oberfläche. Es ist also sozusagen auch ein Insiderwitz zwischen ihr und Bertrand, weil beide Vögel sind. Zufällig ist Yolanda auch die Einzige von uns, die Menschenschrift lesen kann, eine Gabe, von der sie nicht viel Aufhebens macht.

Bevor Yolanda sich niederließ, schlug sie mit den Flügeln und drehte den Hals hin und her, um das Salzwasser und lose Federn abzuschütteln. »Wo ist denn Angus?«

Angus ist ein Waschbär, und Waschbären sind nachtaktiv, darum kommt Angus meistens zu spät und manchmal auch gar nicht. Bei seinen Schlafgewohnheiten braucht er nicht zu unseren Treffen zu kommen und muss auch kein Helferauge sein, das...

Erscheint lt. Verlag 25.4.2024
Illustrationen Shawn Harris
Übersetzer Ilse Layer
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte Bewegung • Freiheit • Freundschaft • Gemeinschaft • Geschenkbcuh • Hund • Kunst • Laufen • Meer • Natur • Park • Tiere
ISBN-10 3-7152-7021-7 / 3715270217
ISBN-13 978-3-7152-7021-0 / 9783715270210
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