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Wenn wir wie Sterne leuchten (eBook)

Die queere Romance eines begnadeten Own-Voice-Autors
eBook Download: EPUB
2024
384 Seiten
cbj (Verlag)
978-3-641-28057-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wenn wir wie Sterne leuchten - Peyton James Thomas
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Bedeutet Dreamteam gleich Traumpaar?
Finch Kelly hat sehr genaue Zukunftsträume: Er möchte in D.C. studieren und als erster trans Abgeordneter des US-Kongress in die Geschichte eingehen. Dafür muss er jedoch erst einmal die nationale Debattiermeisterschaft gewinnen, denn ohne goldenen Pokal, ohne Collegezulassung und ohne Stipendium rückt dieser Traum in unerreichbare Ferne. Zum Glück hat er Jonah an seiner Seite - seinen Debattierpartner und besten Freund. Vor Jonah braucht er nichts von sich zu verstecken. Kein Wunder also, dass er sich bei ihm am wohlsten fühlt. Das hat nichts mit Liebe zu tun. Denn Finch ist sich sicher, dass er auf Mädchen steht. Wenn er doch nur nicht in letzter Zeit ungewöhnlich oft an Jonah denken müsste ...

Das gefühlvolle Debüt von Own-Voice-Autor Peyton Thomas ist eine ergreifende Coming-of-Age-Geschichte über Selbstfindung, Mut und die große Liebe.

Peyton Thomas ist ein Autor und Journalist aus Toronto, Kanada. Er studierte Politikwissenschaften und Geschlechterstudien und schrieb als freier Journalist u. a. schon für die New York Times und Vanity Fair. Wenn wir wie Sterne leuchten ist sein erster Roman.

Kapitel 1 


»Wie jetzt – du willst, dass wir die Argumentation in die Fünfziger zurückverlegen?«

»Komm schon, Finch. Wann hab ich dich je in die falsche Richtung gelotst?«

Da hat er recht. In all den Jahren, in denen wir gemeinsam debattieren, hat Jonah Cabrera immer die richtige Richtung vorgegeben. Ein Regalbrett in meinem Zimmer stöhnt und ächzt unter vier Jahren blauer Bänder und Goldmedaillen und droht, irgendwann durchzubrechen. Dieses Brett ist der stumme Beweis: Hör auf Jonah, und du, Finch Kelly, wirst weit kommen.

Ich bin trotzdem skeptisch. »Das andere Team wird uns hassen, wenn wir sie zwingen, als Stalins Genossen aufzutreten.«

»Oh nein, nicht als seine Genossen.« Jonah dreht sich zur Tafel und kritzelt mit weißer Kreide seine Argumente. »Es ist 1955. Stalin hat den Löffel abgegeben. Der Kalte Krieg wird allmählich kälter. Eisenhower hat gerade den New Look auf den Weg gebracht.«

Ich beobachte ihn über meinen Tisch gebeugt und kaue kräftig auf dem gelben HB-Bleistift herum. »Was war das noch mal mit dem New Look?«

»Mehr Atomwaffen, mehr verdeckte Operationen«, erwidert er selbstbewusst und richtet sich auf, »und die Verbreitung von noch mehr amerikanischer Propaganda hinter dem Eisernen Vorhang.«

»Verstehe.« Ich nehme den Stift – der mittlerweile eher wie ein von einem Biber angenagtes Ästchen aussieht –aus dem Mund und mache mir ein paar Notizen. Ich gebe es zu: Er ist dabei, mich zu überzeugen. »Rede weiter.«

In zehn Minuten werden wir hier in der Annable School aus diesem Klassenzimmer auf die Bühne treten, die es größenmäßig mit dem Broadway aufnehmen kann. Wir werden vor Hunderten von Leuten stehen, und wir werden in maximal acht Minuten langen Reden Argumente vortragen, dass jede Nation der Erde – egal, wie reich oder arm sie ist oder wie sehr sie dazu neigt, Terrorzellen hervorzubringen – unbegrenzte Mengen Atomwaffen verdient hat.

Glauben wir das ernsthaft? Hilfe, nein. Schon gar nicht Jonah, der mit dem Klemmbrett Unterschriften sammelnde Schulaktivist und Fluch für die atomare Existenz unseres Kraftwerks hier in der Stadt. Zwischen den vielen Buttons auf seinem Rucksack erspähe ich einen kleinen sonnenscheinfarbenen mit der Aufschrift: ATOMKRAFT? NEIN DANKE! Trotzdem steht er vor der Tafel und legt sich ins Zeug, um Argumente zusammenzutragen.

»Beide Teams – die USA und die Sowjetunion – sind mehr als bereit, flächendeckend Pilze hochgehen zu lassen.« Jonah deutet mit einer ausholenden Bewegung auf die Tafel. »Und der einzige Grund, warum sie nicht gleich ein Feuerinferno über dem gesamten Planeten auskippen …«

»… ist das Gleichgewicht des Schreckens.« Ich schaue auf meine Stoppuhr. Noch acht Minuten, die Zeit vergeht schneller, als mir lieb ist. »Diese Vorstellung, die einzige Verteidigung gegen Atomwaffen …«

»… bestünde in noch mehr Atomwaffen«, beendet Jonah den Satz. »Warum sollten wir die Russen angreifen, wenn wir wissen, dass sie sofort zum Gegenschlag ausholen werden?«

Während er mir das erklärt, kritzelt Jonah eine Reihe von unterstreichenden Illustrationen an die Tafel: Rauch, Flammen, die unschuldige Zivilbevölkerung, die sich in radioaktive Asche auflöst.

Falls es mit Greenpeace nicht klappt, hat er bestimmt noch eine Zukunft als Künstler.

Vorausgesetzt natürlich, dass einer von uns überhaupt irgendeine Zukunft will, denn erst mal müssen wir aufs College. Aber wenn wir die Annable School in der letzten Wettkampfrunde schlagen, wird uns die North American Debate Association of Washington State eine gigantische, glänzende Trophäe überreichen – die sich super auf College-Bewerbungen machen wird und, was noch viel wichtiger ist, auf Bewerbungen um Stipendien. Jonahs Mutter ist examinierte Krankenschwester. Mein Vater ist seit einem halben Jahr arbeitslos und macht gerade den siebten Schritt bei den Anonymen Alkoholikern. Keiner von uns beiden kann es sich leisten, auf den goldenen Plastikklotz zu verzichten.

»Okay, aber Jonah, die Annable weiß haargenau, wie sie diese Argumentation widerlegen muss.«

»Nicht, wenn wir sie in die Fünfziger zurückverlegen«, bettelt Jonah. Im Betteln ist er der absolute Experte und extrem überzeugend. »Komm schon, Finch. Zeitreise? Darauf ist Ari nie im Leben gefasst.«

Er spricht von Ariadne Schechter: dem Wunderkind von Debate Captain an der Annable School, meiner schlimmsten Feindin, meiner ewigen Widersacherin, meinem diametralen Gegensatz. Ich verabscheue sie. Und zwar zutiefst. Aus so vielen Gründen. Für den nervigen Qualm ihrer Lavendel-E-Zigarette. Für ihre absolut ironiefreie Liebe für die Milchdiebin Maggie Thatcher. Und nicht zuletzt dafür, dass sie sich über die frühzeitige Zulassung für den Studiengang Auswärtiger Dienst an der Georgetown University ihren Studienplatz klargemacht hat. Ich hingegen musste mich mit einem vernichtenden Ablehnungsschreiben abfinden. Das nagt immer noch an mir.

Es würde vermutlich weniger an mir nagen, wenn Aris Vater nicht vierzig Millionen gespendet hätte, um auf einer hohen Klippe am Rande des Unigeländes die Schechter School of Sustainable Entrepreneurship bauen zu lassen, wo nun nachhaltige Unternehmensführung gelehrt wird.

Doch ich darf gerade nicht in diesen wilden Strudel von Groll geraten. Es sei denn, ich will sowohl die Runde als auch den Bundesstaatstitel verlieren und in der Gunst der Georgetown University noch tiefer sinken.

»Dieser Ansatz, sie zu zwingen, sich als Kommunisten auszugeben, ist auf jeden Fall … kreativ.« Das muss ich ihm lassen. Aber mehr auch nicht. »Ich mache mir bloß Sorgen, dass er zu kreativ ist. Regelbrechend kreativ. Die Art von kreativ, die Ari bei der Jury rumjammern lassen wird.«

»Okay, Punkt eins: Du machst dir immer Sorgen«, erwidert Jonah, mittlerweile thront er auf der breiten Schatztruhe von Lehrerpult. Das macht er immer, wenn er nervös ist – hin und her laufen, mit den Fingern schnippen und sich auf alles, bloß keinen Stuhl setzen. »Und Punkt B: Du weißt genau, dass wir die Runde ein bisschen aufmischen müssen. Es ist das Ende des Tages. Das Ende des Wochenendes. Alle sind kurz vor dem Einschlafen.«

»Du offensichtlich auch«, sage ich. »Du hast gerade ›Punkt eins‹ und ›Punkt B‹ gesagt.«

»Hab ich? Verdammt.« Er grinst mich verlegen an, nach einem Gähnen schwingt er die Arme hoch über den Kopf. »Dann müssen wir wohl kreativ werden. Und uns wachrütteln.«

»Indem wir Nasir eine Steilvorlage für einen gefakten russischen Akzent geben?«

Nasir Shah ist Aris Debattierpartner, ein Wirtschaftsbesserwisser, der vermutlich nächstes Jahr nach Oxford geht und Tom Haverford in Parks and Recreation nachäfft.

»Nasirs russischen Akzent würde ich für mein Leben gern hören«, sagt Jonah mit Unschuldsmiene. »Ich glaube, es würde unsere Gewinnchancen immens erhöhen.«

»Vielleicht«, sage ich. »Es sei denn, die Jury nimmt es uns übel, dass wir ihm die Gelegenheit dazu gegeben haben.«

»In Ordnung. Keine Akzente. Nur nüchterne Argumente.« Jonah ist immer noch zappelig und trommelt mit den Knöcheln auf dem Pult herum: massive alte Eiche, der maximale Gegensatz zu den Spanplatten und dem Plastik bei uns an der Johnson Tech, anderthalb Stunden Fahrzeit entfernt in einem Vorort von Olympia. »Wenn wir hier die Standardnummer durchziehen – also ›dieses Haus‹ als NATO oder was auch immer definieren –, bleibt uns im Prinzip nur, zu argumentieren, dass mehr Atomwaffen eine gute Sache sind.«

»Genau. Schwer zu vertreten. Vor allem für einen Umweltschützer wie dich.«

»Wenn wir aber die Debatte in den Kalten Krieg zurückverlegen? Und als die Vereinigten Staaten von A auftreten? Und Annable zwingen, den Standpunkt der Sowjets zu vertreten?« Sein Hin-und-her-Wippen auf dem Tisch bringt einen Deko-Apfel zum Wackeln – Bester Lehrer der Welt ist in das Glas eingraviert. Ich halte die Luft an. »Wir brauchen nicht die ganzen langweiligen Standardargumente runterzubeten«, sagt er. »Wir brauchen nicht das Gleichgewicht des Schreckens anzuschneiden, sondern können eher historisch argumentieren. Und über Kommunismus reden.«

Der Apfel findet sein Gleichgewicht wieder. Ich atme aus.

»Und Kapitalismus.« Ich richte mich auf und schnipse mit den Fingern. »Und die Truman-Doktrin und … oh, oh! Wenn wir Letztere mit Entstalinisierung verbinden, könnten wir sogar …«

Seine Hand findet mein Handgelenk und hält meinen Bleistift an.

»Wusste doch, dass ich dich an Bord kriege.« Er zwinkert. »God bless America.«

Ich habe in meinem Leben zwar noch nie eine Präsidentin oder einen Präsidenten getroffen, doch als ich die Bühne betrete, kann ich mir einen Moment lang vorstellen, wie es sich anfühlen muss, eine oder einer zu sein. Ich bin einen Meter und wenig beeindruckende fünfundsechzig Zentimeter groß, habe einen widerspenstigen roten Haarschopf irgendwo zwischen Chuckie Finster von den Rugrats und einfach bloß Chucky, der Mörderpuppe. Und ich fühle mich alles andere als präsidentenmäßig.

Aber als ich unter der riesigen Lichtanlage des Annable-Auditoriums in den Ozean von Publikum starre und den Applaus aufsauge, habe ich das Gefühl … keine Ahnung … alles tun zu können. Die beste Rede meines Lebens halten. Mir den Titel des Bundesstaates sichern. Mir einen Platz an der Uni meiner Träume sichern. Und vielleicht kann ich eines Tages der erste trans Abgeordnete im...

Erscheint lt. Verlag 30.5.2024
Übersetzer Claudia Max
Sprache deutsch
Original-Titel Both Sides Now
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte 2024 • ab 14 • Adam Silvera • Alice Oseman • becky albertalli • both sides now deutsch • Casey McQuiston • Coming of Age • Coming out • debattierclub • debattierwettbewerb • Diversity • eBooks • felix ever after • Friends to Lovers • heartstopper • Highschool Romance • Homosexuell • Jugendbuch • Jugendbücher • LGBTQIA* • Liebe • Neuerscheinung • Own Voice • Pageboy • Queer • Red, White & Royal Blue • royal blue • Schwul • Sophie Gonzales • Transgender • Transident • trans Junge • Transrechte • Transsexuell • Young Adult
ISBN-10 3-641-28057-5 / 3641280575
ISBN-13 978-3-641-28057-4 / 9783641280574
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