Das geheime Leben der Tiere (Wald) - Stadt der Füchse (eBook)
208 Seiten
Loewe Verlag
978-3-7320-2053-9 (ISBN)
Vanessa Walder wurde 1978 in Heidelberg geboren und wuchs in Wien auf. Eigentlich wollte sie Anwältin werden und studierte erstmal Jura, bis eine ihrer Kurzgeschichten veröffentlicht wurde und sie auf den Gedanken kam, Geschichtenerzählen zu ihrem Beruf zu machen. Mit Erscheinen des ersten Bandes der Serie 'sisters' machte sie sich 2001 als Schriftstellerin selbstständig. Seitdem sind vor allem im Loewe Verlag viele Bücher und Serien erschienen, die in 27 Sprachen übersetzt wurden. Die Autorin schreibt außerdem Drehbücher für Kinofilme und lebt seit 2008 in Berlin.
Vanessa Walder wurde 1978 in Heidelberg geboren und wuchs in Wien auf. Eigentlich wollte sie Anwältin werden und studierte erstmal Jura, bis eine ihrer Kurzgeschichten veröffentlicht wurde und sie auf den Gedanken kam, Geschichtenerzählen zu ihrem Beruf zu machen. Mit Erscheinen des ersten Bandes der Serie "sisters" machte sie sich 2001 als Schriftstellerin selbstständig. Seitdem sind vor allem im Loewe Verlag viele Bücher und Serien erschienen, die in 27 Sprachen übersetzt wurden. Die Autorin schreibt außerdem Drehbücher für Kinofilme und lebt seit 2008 in Berlin.
Mit Fressen spielen
Zeit verfliegt, auch wenn sie keine Flügel hat. Die Sonne ruht satt und mächtig zwischen weißen Wolken. Auf dem Boden sind die gelben und grünen Flächen, die sich bis zum Horizont erstrecken, golden geworden. Immer öfter beobachten die Füchse Menschen, die über die Flächen laufen oder auf großen, langsamen Tieren reiten. Insekten schwirren durch die Luft, Grillen zirpen im hohen Gras und die Füchse schätzen den kleinen Fluss, der ihre Zungen und Pfoten kühlt.
Der Sommer hat seinen Höhepunkt überschritten und nähert sich dem Herbst.
Die Jungfüchse haben nun all ihre Zähne und rotes Fell. Sie sind groß geworden, vor allem zwei von ihnen: Finder und seine Schwester Kletterin. Die Rangordnung unter ihnen steht fest: Kletterin und Finder liegen Nase an Nase vorn. Ihre Eltern bringen fast nur noch lebendige Beute nach Hause.
„Vergesst nicht: Immer mit dem Fressen spielen!“, ermahnen die Eltern sie regelmäßig.
Doch längst ergattern die Jungen auch ihre eigene Beute: Finder ist besonders gut mit Würmern und Käfern. Seine Mutter hat ihm gezeigt, wie man Regenwürmer als Ganzes aus dem Boden bekommt. Beißt man zu fest zu, hat man nur den Schwanz im Maul. Man muss seine Zähne vorsichtig einsetzen. Den Wurm nur festhalten, sich mit den Pfoten abstützen und langsam ziehen. An trockenen Tagen kann man es vergessen. Aber nach dem Regen sind die Tierchen überall. Sie schmecken nicht so gut wie Mäuse, aber man wird satt.
Kletterin hingegen hat eine Speise entdeckt, die ihre Geschwister noch nie abbekommen haben: Vogeleier. Die Vögel, die auf dem Boden brüten, lassen den kleinen Füchsen kaum eine Chance, an ihre Nester zu kommen. Sie fluchen und schimpfen, flattern und hacken mit ihren Schnäbeln auf die Augen und Ohren und Nasen der Füchse ein. Oben auf den Bäumen aber, da brüten Vögel, die weniger wehrhaft sind. Manche hauen einfach ab, wenn ein Fuchs vor ihrem Nest auftaucht. Was zugegeben selten genug vorkommt. Außer Kletterin traut sich keiner, an den glatten Rinden hochzuklettern und auf den dünnen Ästen zu balancieren. Ein Sturz aus der Höhe würde zu schweren Verletzungen führen. Wer will das freiwillig riskieren, wenn Mama und Papa immer noch Mäuse, tote Eichhörnchen und platte Hasen bringen?
Heute aber geht es endlich um die Königsdisziplin. Finder ist schon ganz aufgeregt. Er will nicht zugeben, dass er heimlich geübt hat. Und nicht erfolgreich war … Heute sollen die Jungfüchse lernen, wie man Mäuse fängt.
Mäuse werden immer die Hauptnahrungsquelle sein. Das wissen die Welpen, seitdem sie hören können. Kein Fuchs kann überleben, wenn er nicht in der Lage ist, Mäuse zu fangen. Die Jungfüchse beobachten gespannt ihre Eltern.
Mama und Papa zeigen ihnen, wie es geht. Selten waren die Kleinen so aufmerksam. So bequem es ist, sich füttern zu lassen – auch dabei muss man warten! Und Warten liegt Füchsen einfach nicht.
Die erste Lektion ist: leise sein.
Die Kleinen sollen nicht herumlaufen und ihre Nase überall reinstecken.
„Beine wie Baumstämme“, erklärt ihre Mutter und macht es ihnen vor. „Als hättet ihr Wurzeln.“
„Und jetzt: ganz Ohr!“, kommandiert ihr Vater.
Vater und Mutter legen ihre Köpfe schief und drehen jeweils ein Ohr mit der Öffnung zum Boden. Das obere aber dreht sich weiter, damit ihnen nicht entgeht, falls sie selbst in den Blick eines Räubers geraten.
Finder lauscht und lauscht. Er hört so vieles. Den Atem seiner Brüder und Schwestern. Das Rascheln der Gräser und Blätter im Wind. Das Gurgeln und Zischen des Baches. In weiter Entfernung Menschen. Das Summen der Bienen. Da!
Er versucht, nicht zu zucken. Eine Maus! Er hört sie unter der Erde. Seine Mama ist am nächsten dran. Ihr ganzer Körper ist starr wie ein Baumstamm. Dann hebt ihr Oberkörper vom Boden ab, steil in die Luft. Erst danach folgt der hintere Teil des Körpers. In der Luft folgt mit einem vollkommen gekrümmten Rücken die Umkehr: Nun ist es der Kopf, der voran zurück zur Erde fliegt.
Im letzten Augenblick fangen die Vorderpfoten den Sturz auf. Mama hat die Maus schon im Maul, bevor ihre Hinterpfoten den Boden berühren.
Große Aufregung bei den Jungfüchsen! Alle drängen sich um ihre Mutter und wollen etwas von der Beute abbekommen. Doch diesmal faucht die Fähe sie an. Weg!, schreit ihre Körperhaltung. Meine Beute!
Erschrocken weichen die Jungfüchse zurück.
„Ihr seid dran“, sagt ihr Vater gelassen.
Aha. So soll es also von jetzt an laufen. Wer nichts fängt, der kriegt auch nichts zu fressen? Was für eine Gemeinheit!
Sofort spitzt Finder wieder die Ohren. Es hilft nicht viel: Die anderen sind zu laut. Da sind das traurige Winseln seiner kleinsten Schwester, das verärgerte Grunzen von Kletterin, das Atmen und die Schritte der ganzen Familie. Er entfernt sich von ihnen.
Seine Ohren zucken in alle Richtungen. Finder weiß nun, worauf es beim Lauschen ankommt. Es geht nicht nur darum, die leisen Geräusche aufzufangen, die man sucht. Viel wichtiger ist es, die unwichtigen Geräusche nicht zu beachten.
Er hält den Kopf mal ganz hoch, die Ohren aufgestellt, dann schief, ein Ohr zum Boden gedreht. Endlich, an einem umgestürzten Baumstamm hört er Geräusche: Mäuse, mehr als eine. Er könnte rufen und seine Familie wissen lassen, dass es hier genug Beute gibt. Doch auch Mäuse haben ausgezeichnete Ohren. Sie würden verschwinden.
Füchse jagen nicht gemeinsam. Das ist sinnvoll für Wölfe, die große Beutetiere reißen und anschließend teilen. Füchse sind so viel kleiner, so viel leichter … Sie könnten mit einem Hirsch oder einem Reh nichts anfangen. Gut, wenn sie Wild auf dem Boden finden, an dem noch Fleisch dran ist, können sie sich den Bauch vollschlagen. Aber meistens genügen ihnen Mäuse, Käfer oder Regenwürmer. Und bei dieser kleinen Beute gibt es keinen Vorteil für mehrere Jäger. Finder begreift all das an diesem warmen Nachmittag.
Er dreht sein Ohr so lange, bis er genau weiß, wo das Rascheln der Mäuse herkommt. Dann macht er sich bereit. Der Sprung sitzt ihm in den Gelenken. Er muss nicht überlegen. Eine Anspannung der Muskeln, dann katapultiert er seinen Oberkörper in die Luft, die Hinterbeine folgen. In der Luft findet er die richtige Position – er fliegt auf den Boden zu. Noch immer sieht er die Maus nicht. Erst als er knapp über dem Boden ist, nimmt sein Auge die Bewegung wahr: eine Brandmaus. Sie hat längs einen schwarzen Streifen mitten durchs Fell. Das Wasser rinnt ihm im Maul zusammen. Er landet – daneben!
Die Maus raschelt davon. Finder ist völlig verdutzt. Was hat er falsch gemacht? Er hat gelauscht, er hat gehört, er hat gefunden, er ist gesprungen.
Hinter sich hört er seinen Vater.
„Mein Mäusesprung war perfekt“, beschwert sich Finder.
„O ja“, stimmt sein Vater zu.
„Aber ich hab sie nicht erwischt.“
Hinter ihnen hüpfen die anderen Jungfüchse herum wie ein Rudel Flöhe. Keiner hat mehr Glück.
„Nicht jeder Sprung ist ein Erfolg“, sagt Finders Vater. „Du springst so lange, bis du genug Mäuse hast.“
„Du erwischst auch nicht jedes Mal eine?“
„Natürlich nicht.“
Das ist eine erstaunliche Erkenntnis für den jungen Fuchs. Sein Vater hat so viele Mäuse nach Hause gebracht, dass es aussah, als wäre es einfach.
„Auf eines musst du achten, dann klappt es viel öfter: Spring nach Norden. Wenn es nicht anders geht, dann nach Süden. In alle anderen Richtungen wird es schwierig.“
„Nach Norden?“
Finder dreht sich im Kreis und sieht sich um.
„Woher weiß ich denn, wo Norden ist?“
Sein Vater stellt sich neben ihn und drängt Finders Kopf Richtung Fluss. „Du siehst es. Wenn du darauf achtest.“
Damit geht er zu den anderen Jungfüchsen zurück. Finder starrt und starrt. Er sieht ihn nicht, den Norden. Ob sein buschiger Schwanz ihm dabei helfen kann? Deutet der vielleicht immer nach Norden? Nein, wenn er ihn nicht bewegt, dann deutet der einfach dahin, wo seine Schnauze nicht hindeutet. Er schnuppert. Der Wind kommt von der Seite. Besonders nördlich riecht der aber auch nicht.
Nach einer Weile hört Finder wieder das Rascheln der Mäuse. Sie sind nicht besonders schlau, die Brandmäuse. Er hat gesehen, wie sie sich manchmal hinter Steinen verstecken, die kaum größer sind als ihr Kopf.
Er blickt immer noch zum Fluss. Dorthin, wo sein Vater den Norden sieht. Das Mäusegeräusch kommt aber von einer Stelle zu seiner Rechten. Also macht er vorsichtig einen Schritt zurück. Er setzt die Pfoten so sanft auf, als wären sie Schmetterlinge. Noch ein Schritt zurück. Einen zur Seite. Nun ist das Mäusegeräusch direkt vor ihm. Da, wo der Fluss liegt. Neuer Versuch.
Finder atmet leise ein, ganz flach. Dann schleudern seine Vorderbeine seinen Oberkörper in die Luft. Er zieht den Hinterleib nach. In der Luft richtet sich der ganze Körper nach dem Geräusch aus. Wie ein Greifvogel fliegt er zurück auf die Erde zu, Schnauze voran. Er fängt sich im letzten Moment mit den Vorderpfoten ab – und beißt zu. Diesmal hat er die Maus im Maul.
Ihm wird heiß, sein Herz rast, seine Nase zuckt.
Erfolg! Erfolg!
Die Maus landet nach zwei Bissen in seinem Magen. Sie wird ihn ein paar Stunden satt halten. Doch das, was er kurz vor seinem Fang entdeckt hat, wird ihn sein Leben lang ernähren: ein Schatten im Augenwinkel. Da, wo der Fluss liegt, ist der Schatten dunkler. Finder dreht den Kopf und überprüft seine Entdeckung: Es bleibt dabei – immer wenn er Richtung Norden blickt, ist der Schatten am obersten Rand seines Blickfeldes am dunkelsten. Dreht er sich um,...
Erscheint lt. Verlag | 16.8.2023 |
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Reihe/Serie | Das geheime Leben der Tiere - Wald | Das geheime Leben der Tiere - Wald |
Verlagsort | Bindlach |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Kinderbücher bis 11 Jahre |
Schlagworte | Abenteuergeschichten ab 8 Jahren • Bücher für Kinder ab 8 Jahren • Das geheime Leben der Tiere Reihe • Das geheime Leben der Tiere - Wald Reihe • Geschenkbücher für Kinder ab 8 Jahren • Illustrierte Kinderbücher ab 8 Jahren • Kinderbücher ab 8 Jahren • Kinderbücher über Familie • Kinderbücher über Freundschaft • Kinderbücher über Füchse • Kinderbücher über Liebe • Kinderbücher über Natur • Kinderbücher über Wald • Schullektüre eBook • Tiergeschichten ab 8 Jahren • Tierromane für Kinder ab 8 Jahren |
ISBN-10 | 3-7320-2053-3 / 3732020533 |
ISBN-13 | 978-3-7320-2053-9 / 9783732020539 |
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