The Run: Sammelband der spektakulären Götter-Fantasy »The Run« (eBook)
816 Seiten
Impress (Verlag)
978-3-646-60885-4 (ISBN)
Dana Müller-Braun wurde Silvester '89 in Bad Soden im Taunus geboren. Geschichten erfunden hat sie schon immer - mit 14 Jahren fing sie schließlich an ihre Fantasie in Worte zu fassen. Als das Schreiben immer mehr zur Leidenschaft wurde, begann sie Germanistik, Geschichte und Philosophie zu studieren. Wenn sie mal nicht schreibt, baut sie Möbel aus alten Bohlen, spielt Gitarre oder verbringt Zeit mit Freunden und ihrem Hund.
Dana Müller-Braun wurde Silvester '89 in Bad Soden im Taunus geboren. Geschichten erfunden hat sie schon immer – mit 14 Jahren fing sie schließlich an ihre Fantasie in Worte zu fassen. Als das Schreiben immer mehr zur Leidenschaft wurde, begann sie Germanistik, Geschichte und Philosophie zu studieren. Wenn sie mal nicht schreibt, baut sie Möbel aus alten Bohlen, spielt Gitarre oder verbringt Zeit mit Freunden und ihrem Hund.
K A P I T E L 1
»Das Licht des blauen Eises
kämpft nun am Firmament.
Es strahlt bis in die Wüste
aus schwarzem Turmalin.
Der Dämon war gekommen
und nahm sie mit zu sich.
Vier Völker sind gespalten
und finden nicht zurück.«
Das Lied gleitet mir wie selbstverständlich über die Lippen, während ich mir die schwarze, lederbesetzte Hose überstreife.
»Arasá, lasse mich ziehen durch das Reich des Lichts, der Liebe und Heilung. Sei mein Schutzschild mit deinem goldenen Staub«, flüstere ich das Gebet, das ich so oft zusammen mit meiner Mutter gebetet habe, und verbinde mir meine Brüste mit der schwarzen Bandage, bevor ich das enge, dunkle Oberteil darüberziehe.
»Kalipar, gib mir die Kraft, ein Krieger auf deinem Pfad zu sein. Lege mir die Waffen deines schwarzen Sandes in die Hände.« Es sind beruhigende Worte, die ich gern sage, während ich meinen Körper verschleiere. Ich lege das goldene Korsett an, das kurz unter meinen Brüsten endet und sie nach oben drückt. Die Bandagen helfen schon seit Monaten nicht mehr. Ich bin erwachsen geworden.
»Tunis, erlaube mir, an deinem Tisch des unendlichen Todes und der Unterwelt zu speisen, bis ich zu roter Asche vergehe.« Nachdem ich die Schnallen festgezogen habe, nehme ich die schwarze Sturmhaube und stülpe sie über meinen Kopf, bis nur noch mein Gesicht zu sehen ist. Keine einzige meiner goldenen Haarsträhnen darf hervorschauen. Während ich die schwarze Kapuze darüberziehe und das schwarze Tuch, das alles bis auf meine Augen verdeckt, an der linken Seite feststecke, atme ich schwer ein und aus. Ich hasse es, mich derart verhüllen zu müssen. Aber das ist nicht nur mein Schicksal. Jeder, der the Run noch nicht bestanden hat, lebt als Phantom in unserer Gesellschaft und muss ein Tahill tragen. Als Namenloser, der sich verhüllen muss und niemanden berühren darf, weil er noch kein Mitglied der Gesellschaft ist.
»Emza, gib mir die Kraft deines blauen Eises. Lass mich eintreten in ein Reich, in dem alles Leben erstarrt ist, und die Hektik des Tages vergessen.«
Ich kenne das Gebet nur bis hierhin. Marra hat damals viel mehr gesagt, aber ich habe mir nur den Anfang gemerkt und jetzt kann ich sie nicht mehr danach fragen. Ich schiebe den Gedanken beiseite, bücke mich und binde meine schwarzen Stiefel fest, bevor ich aus meinem Zimmer trete. Eigentlich ist es eher so etwas wie ein Dachboden, mit einer alten Leiter. Es gibt keine Türen, keine Privatsphäre. Nur Stroh, auf dem ich nachts unruhig schlafe.
Mein Blick fällt auf meinen kleinen Bruder Jarrusch und meine Hände ballen sich automatisch zu Fäusten, während ich den letzten Meter hinabspringe und vor dem Esstisch lande.
»Was machst du hier?«, frage ich ihn.
Dann sehe ich zu unserem Vater hinüber, der in sich gekehrt neben Jarrusch sitzt. Er zuckt immer wieder und sein Kopf wippt hin und her. Seit Marras Tod ist es, als würde er Gespenster sehen. Dunkle Wesen. Nur uns sieht er seitdem nicht mehr.
»Ich hatte Hunger«, brummt Jarrusch in einem für ihn eher aufmüpfigen Ton.
Ich schlucke schwer, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Sein Leben ist auch so schon schwarz genug. Ständig in diesem Loch eingesperrt zu sein und nie nach draußen gehen zu dürfen.
»Warum hast du wieder dieses Gebet gesprochen?«, fragt er mit erhobenen Brauen, als ich mich neben ihn setze und mir die Kruste des Brotes nehme, die er nicht mag.
»Weil man das eben so macht«, gebe ich zurück.
Sein Gesichtsausdruck wird noch skeptischer. »Aha.«
»Weil es mir hilft, zu mir zu finden und zu Marra. Und weil die Götter es dann vielleicht gut mit dir und mir meinen.« Beschwingt kneife ich ihm in seine rosige Wange.
»Sie werden es nie gut mit uns meinen. Außerdem sind sie unsere Feinde, Sari.«
»Du bist zu jung, um mir das zu erklären«, sage ich streng und deute auf das Brot auf seinem Teller. »Iss auf, und dann …«
»… ab in deine Kammer«, führt er den Satz wütend zu Ende.
Ja, heute stimmt etwas nicht. Er ist nie begeistert davon, dass er fast den ganzen Tag in einem kleinen Loch unter unseren Dielen leben muss. Aber heute ist er besonders zornig.
»Was ist los?« Ich lege meine Hand behutsam auf eines seiner Beine und sehe in sein deformiertes Gesicht. Seine Augen wirken klein und unsymmetrisch hinter seinen geschwollenen Lidern, und doch sieht man in einen Ozean aus Liebe, wenn man hineinblickt. Seine Lippen sind schmal und kaum zu erkennen und eine Narbe zieht sich bis zu seiner Nase, die viel schmaler ist als die anderer Menschen, aber für mich gibt es keinen schöneren Anblick. Vor allem dann nicht, wenn seine Augen vor Begeisterung aufleuchten, während er ein Buch liest oder unsere heilige Schrift, die ihm den Glauben an die Götter zurückgibt. Trotzdem ist sein Leben anders als das all der anderen. Ein Versteckspiel, denn Mutanten wie er müssen eigentlich gemeldet werden. Angeblich haben sie starke übersinnliche Fähigkeiten, die für die Gesellschaft nützlich sind. Doch ich glaube ihnen kein Wort. Genauso wenig, wie Marra es tat. Sie hat Jarrusch von Anfang an versteckt und behauptet, ihr Kind sei bei der Geburt gestorben. Ja, sie, Varra und ich standen vor einem Grab und haben es beerdigt. Und nur wir wussten, dass der in dem goldenen Leintuch unseres Königreichs eingewickelte Leichnam nicht das Baby Jarrusch, sondern ein Schwein war, das Varra an dem Tag getötet hatte.
Marra hat Jarrusch jahrelang vor unserem Monarchen und seiner Armee versteckt. Und als sie starb, übernahm ich das für sie. In all den Jahren habe ich mich Jarrusch nie ohne meine Verhüllung gezeigt. Möglicherweise würde es ihn nicht einmal stören, aber ich will nicht, dass er denkt, er sei anders als ich. Denn das ist er nicht.
»Auch wenn ich in einem Loch lebe, weiß ich, was morgen passiert, Sari«, zischt Jarrusch jetzt und klingt dabei reifer als ein Achtjähriger. Wahrscheinlich ist er mit seinem Schicksal erwachsener als Gleichaltrige. Genau wie ich.
»Wir haben darüber geredet. Varra wird sich um dich kümmern und ich werde ganz schnell wieder hier sein.« Ich streiche ihm eine goldene Strähne aus seinem dreckigen Gesicht.
»Du lügst! Du weißt nicht, ob du überhaupt wiederkommst!«
»Zweifelst du etwa an meinen Fähigkeiten?«, frage ich lachend, obwohl mir selbst übel wird, wenn ich an das denke, was mir morgen bevorsteht. Ich weiß nicht viel über den Lauf, weil niemand darüber sprechen darf, aber ich werde mich allein durchschlagen und die Prüfungen der Götter bestehen müssen.
»Nein, aber …«
»Nichts aber. Ab mit dir in deine Kammer. Nur bis die Arasás die Hausdurchsuchungen erledigt haben.« Ich schlucke schwer. Ich hasse es, dass die Armee des Monarchen, die hier in unserem Königreich für Ordnung sorgt, den gleichen Namen trägt wie unsere Göttin. Die Hausdurchsuchungen sollen verhindern, dass wir illegale Sachen wie Tabak bei uns haben oder eben Mutanten, die nicht gemeldet wurden. Mein Blick fällt auf Jarruschs Handgelenk. Sein leeres Handgelenk.
»Wo ist deine Münze, Jarrusch?« Ich schließe kurz die Augen, weil ich keine Lust habe, ihn ständig ermahnen zu müssen. Aber er macht es mir nicht leicht.
»In meiner Kammer«, gibt er kleinlaut zurück.
»Leg sie an, wenn du unten bist.«
Ich sage nichts weiter. Jarrusch weiß genau, wie wichtig diese Goldmünze ist, die an unseren Armbändern hängt. Ich hätte lebensnotwendige Dinge damit kaufen können, doch stattdessen habe ich Lederbänder gekauft und die Münzen daran befestigt. Wir tragen sie als Armbänder und Obolus für Tunis, den Gott des Todes. Falls uns etwas passiert, werden wir sicher in das Reich der Unterwelt übergehen können. Zumindest besagt das die Hamza, unsere heilige Schrift.
»Und was machst du?«, fragt Jarrusch mit hoher, bissiger Stimme und steht auf, damit ich den Tisch zur Seite ziehen kann.
»Ich gehe in die Stadt, um weiteres Essen zu sammeln.«
Seit Monaten versuche ich so viel Essen wie möglich zu beschaffen. Der Lauf kann fünfzig Tage dauern. Wenn ich nicht dafür sorge, dass mein Varra und Jarrusch genug Vorräte haben, werden sie verhungern.
Ich öffne die Luke im Boden und blicke noch einmal zu Jarrusch. Die geschwollene vernarbte Haut an seinen hervorstehenden Wangenknochen ist rot und wund.
»Du sollst dich nicht kratzen, Jarrusch. Es hat mich fast das Leben gekostet, dir diese antibiotische Salbe zu besorgen. Also verschwende sie nicht.«
»Aber es juckt und es ist hässlich!« Tränen steigen ihm in die Augen und sofort senkt er den Blick, damit ich es nicht sehe.
»Sag das nie wieder!«, fahre ich ihn an und fasse ihn unter das Kinn, um seinen Kopf leicht anzuheben. »Nie wieder, verstanden?« Es bricht mir das Herz, seine großen goldenen Augen so voller Trauer zu sehen. »Du bist wunderschön!«
Jarrusch zieht die Luft ein, dann nickt er mit zusammengepressten Lippen, drückt mir einen Kuss auf die Wange und verschwindet in seinem kleinen Loch.
Als ich die Klappe schließe, merke ich, wie eine Träne in den schwarzen Stoff tropft, der meine untere Gesichtshälfte bedeckt. Ich hasse es, meinen kleinen Bruder einsperren zu müssen. Viel lieber würde ich ihn mitnehmen. Ihn durch die Wälder bis in die Stadt bringen, damit auch er die Welt sehen kann. Aber das darf ich nicht. Sie könnten ihn entdecken und mir wegnehmen.
»Ich gehe jetzt«, sage ich, an meinen Vater gerichtet, und sehe ihn auffordernd an.
Doch er reagiert nicht, also drehe ich mich, ohne zu zögern, um, nehme meine Waffen und verlasse...
Erscheint lt. Verlag | 16.3.2023 |
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Reihe/Serie | The Run | The Run |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Bundle • City of burning wings • Elya Drachen • Fantasy Highlight • fantasy liebesroman deutsch • fantasy romance deutsch • Götter Fantasy • götter liebesromane deutsch • Götterromane • High Fantasy • impressbundle • impress ebooks • Lauf der Götter • Romantasy Bücher • romantische Fantasy Bücher |
ISBN-10 | 3-646-60885-4 / 3646608854 |
ISBN-13 | 978-3-646-60885-4 / 9783646608854 |
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