Disney. Twisted Tales: Verlockende Freiheit (Rapunzel) (eBook)
496 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-93829-6 (ISBN)
Walt Disney (1901-1966) war einer der einflussreichsten und meistgeehrten Filmproduzenten und Trickfilmzeichner des 20. Jahrhunderts. Dafür sorgten Figuren wie Micky Maus oder Donald Duck. 1937 erschien mit »Schneewittchen und die sieben Zwerge« ein Meilenstein der Filmgeschichte: der erste abendfüllende Zeichentrickfilm. Viele weitere folgten und begeistern noch heute ein Milliardenpublikum jeder Altersklasse. Disneys Name entwickelte sich zu einer internationalen Marke, die für ein umfassendes Spektrum an Produkten der Unterhaltungsindustrie steht.
Walt Disney (1901-1966) war einer der einflussreichsten und meistgeehrten Filmproduzenten und Trickfilmzeichner des 20. Jahrhunderts. Dafür sorgten Figuren wie Micky Maus oder Donald Duck. 1937 erschien mit »Schneewittchen und die sieben Zwerge« ein Meilenstein der Filmgeschichte: der erste abendfüllende Zeichentrickfilm. Viele weitere folgten und begeistern noch heute ein Milliardenpublikum jeder Altersklasse. Disneys Name entwickelte sich zu einer internationalen Marke, die für ein umfassendes Spektrum an Produkten der Unterhaltungsindustrie steht.
Rapunzel
Die kleine Prinzessin war gesund, kräftig und lebhaft und zeigte keine Anzeichen irgendeiner Krankheit – oder hegte den Wunsch, der sündigen Menschenwelt zu entfliehen und in den Himmel zurückzukehren, wie manche es ausdrückten. Eine Amme wurde gefunden – und sofort wieder weggeschickt von Königin Arianna, die sich ganz persönlich um ihre Tochter kümmern wollte. Wer konnte ihr das verdenken? Rapunzel hatte rosige Wangen, war fröhlich, anschmiegsam und wohlgenährt. Das einzig Merkwürdige an ihr war ihr Haar. Es schimmerte silbrig und war schon bei ihrer Geburt mehrere Zentimeter lang.
Die alte Nanna Bess, die für die Mägde und Diener im Schloss verantwortlich war und von allen als die Schlossmutter angesehen wurde, verwahrte sich gegen alle Gerüchte, dämonische Kräfte hätten dabei ihre Hände im Spiel gehabt. Schließlich handelte es sich lediglich um das erste Babyhaar, das wahrscheinlich in einer Woche oder so ausfallen und durch Haare der richtigen Farbe ersetzt würde. Königin Arianna war auch mit einem kohlrabenschwarzen Haarschopf geboren worden, der nach zwei Wochen verschwand und durch kastanienbraune Locken ersetzt wurde.
Aber Rapunzels Haare waren dünn und schwierig. Sie verknoteten sich ständig, und es war eine Höllenarbeit, die kleinen Knötchen wieder auszubürsten. Das Ganze wurde noch verschlimmert durch jede Menge Babyspeichel und ausgespuckte Milch.
Am Tag der Taufe sollte es ein großes Fest im ganzen Königreich geben. König Frederic war ein passionierter Sterngucker und hatte herausgefunden, dass an diesem Tag Neumond und der Himmel tiefschwarz sein würde.
„Wir brauchen noch mehr Lampions!“, forderte er. „Wir müssen den Himmel damit erleuchten! Damit es eine fröhliche Feier werden kann!“
Eine Handelskarawane aus dem Osten hatte diese Wunderdinge vor einigen Monaten ins Land gebracht: bunte, leuchtende Papierlaternen, die in den Nachthimmel aufstiegen, wenn kleine Kerzen darin angezündet wurden. König Frederic hatte eine große Menge davon gekauft und die Händler gebeten, ihm noch mehr davon zu liefern.
Außerdem hatte er Feuerwerk, Seide, Tee und viele Gewürze für die Schlossküche gekauft, von denen die Köche zwar noch nie gehört hatten, aber reichlich Gebrauch machten.
Die Lampions wurden an alle Bürger im Königreich verteilt, zusammen mit der Anweisung, sie nach Sonnenuntergang von den Booten im Hafen aus aufsteigen zu lassen.
Im ganzen Land waren die Menschen mit Vorbereitungen für das nächtliche Fest beschäftigt: Die Häuser wurden mit Blumengirlanden geschmückt. Die Chanci malten mit Kreide farbenfrohe Mandalas auf die Markplätze. Die Musiker stimmten und polierten ihre Instrumente. Alle legten ihre besten Gewänder bereit, die Frauen flochten sich Zöpfe und verzierten sie mit weißen Lilien, die nur einen Abglanz des vermuteten Leuchtens des Sonnentropfens bieten konnten.
Mondtropfens.
Aber der kleinen Rapunzel gefiel überhaupt nicht, wie sie für das Fest vorbereitet wurde.
Sie hatte nichts dagegen, ein schneeweißes Taufkleid zu tragen, das aus der Seide der berühmtesten zwölf Seidenspinner des Landes gefertigt worden war.
Auch hatte sie nichts dagegen, dass ihre Babyspeckfalten mit Rosenwasser bespritzt wurden, damit sie so roch, wie Dummköpfe sich vorstellten, dass Babys riechen sollten.
Rapunzel hatte nicht einmal etwas dagegen, sich die Fingernägel schneiden zu lassen, damit sie sich nicht das Gesicht zerkratzte.
Was sie aber hasste, war diese Umstandskrämerei mit ihren Haaren.
„Wie kann ein Neugeborenes nur so viele Knoten im Haar haben“, wunderte sich Nanna Bess und drückte Rapunzel an sich, während die junge Magd Lettie verzweifelt versuchte, die Haare mit einem silbernen Kamm zu glätten. Königin Arianna schaute lächelnd zu und erfreute sich heimlich an den lautstarken Protesten und erstaunlich kräftigen Fußtritten ihrer Tochter. Zorn bedeutete Leben, was nicht bei allen Neugeborenen der Fall war. Zorn deutete auf einen starken Willen hin – der besonders für Mädchen und Frauen von Nutzen war, sogar für Königinnen.
König Frederic lief ungeduldig im Zimmer auf und ab und kontrollierte ständig die Arbeit des Hofmalers, der die Szene im Bild festhalten sollte. Eine durchaus charmante Idee – hätte er den armen Künstler nicht bereits dazu verpflichtet gehabt, Rapunzels erstes Bad, ihr erstes Schläfchen in der Wiege und sogar ihr erstes Windelwechseln für die Nachwelt zu dokumentieren.
„Bleib doch mal ruhig, Liebes“, bettelte Lettie, die den Kopf des Kindes vorsichtig festhielt, damit es nicht durch den hübschen Kamm verletzt wurde.
„Ganz ruhig, meine Kleine“, sagte Nanna Bess und schaukelte die Kleine auf ihrem Schoß.
„Nur noch ein Knötchen, dann haben wir es geschafft“, sagte die Magd verbissen.
Vielleicht zog sie den Kamm ein wenig zu kräftig durch. In jedem Fall stieß Rapunzel einen wütenden Schrei aus und ruckte mit dem Kopf, wodurch die wirren Haare im Kamm hängen blieben.
„O Liebes!“, rief Lettie und strich mit der Hand beschwichtigend über die rötlich verfärbte Stirn.
Rapunzel wurde knallrot im Gesicht vor Zorn, Schmerz und Verletztheit. Sie öffnete ihren rosigen Mund, heulte laut auf …
… und die Magd fiel auf der Stelle tot um.
Schweigen brach aus. Nur die Prinzessin weinte, aber nicht sehr laut, denn sie war ja noch ein Neugeborenes.
„Was …?“, fragte der normalerweise sehr schweigsame Frederic als Erster.
Einer der Wächter war schneller von Begriff. Er eilte herbei, kniete sich hin und hielt prüfend eine Hand an die Wange der Magd. „Sie wird kalt. Ruft schnell einen Arzt. Auch wenn es vielleicht schon zu spät ist.“
Der andere Wächter salutierte und lief lauf rufend durch die Flure auf der Suche nach Signore Dottore Alzi, der für die Gesundheit der Schlossbewohner verantwortlich war.
„Rapunzel!“, rief die Königin und sprang auf. Wie jede Mutter war sie verwirrt angesichts dieses schrecklichen Ereignisses. Ihr erster Instinkt war, ihr Baby an sich zu reißen.
Aber Nanna Bess wandte sich ab, drückte das Baby an sich und wollte es ihr nicht geben.
„Nein, Eure Majestät, nicht“, sagte sie. Sie hatte schneller als alle anderen Anwesenden erfasst, was hier geschehen war, abgesehen von dem Wächter wahrscheinlich. „Ihr müsst Euch von ihr fernhalten.“
„Gib mir mein Kind“, verlangte Arianna, und etwas von dem Starrsinn ihrer Tochter huschte über ihr Gesicht.
„Nein, meine Königin“, weigerte sich Bess bestimmt. „Hier geht etwas sehr Eigenartiges vor sich – Ihr habt es selbst gesehen. Lettie hat Rapunzel an den Haaren gezogen, und nun ist sie tot. Wie es scheint, hat sich das Baby wieder beruhigt, aber lasst es mich noch ein wenig halten, bis wir wissen, dass alles gut ist.“
Arianna machte einen Schritt auf Nanna Bess zu, aber Frederic hielt sie zurück.
Der Künstler fuhr fort, die Szene zu zeichnen: einen düsteren Raum, in dem Stille ausgebrochen war und Verzweiflung vorherrschte … und ein glucksendes Baby mit rosigen Wangen, das schon vergessen hatte, was eben passiert war.
Der Künstler wurde nicht in den Wintergarten geladen, wo die traurige Szene ihren Fortgang nahm – auch wenn sie nun von Nachdenklichkeit und Sorgen geprägt war. Frederic und Arianna hielten sich umschlungen, während ihre Tochter in der Nähe schlief, in einer Wiege aus Ebereschenholz, das die bösen Geister fernhalten sollte. Signore Dottore Alzi war anwesend, ebenso der Schlosspriester und Nanna Bess sowie der Wächter, der erkannt hatte, dass Lettie tot war.
„Ich bin geneigt, davon auszugehen, dass es sich um einen unglücklichen Zufall handelt“, sagte der Arzt müde. Seine freundlichen Augen blickten durch eine Brille mit Drahtgestell. »Vielleicht hatte die Magd ein schwaches Herz oder einen kranken Kopf gehabt. Die Aufregung des Augenblicks könnte ihr Blut zum Kochen und sie selbst so sehr in Aufruhr gebracht haben, dass ihr schwacher Körper es nicht mehr ertragen hatte.«
„Glauben Sie etwa, dies wäre das erste Mal gewesen, dass sie etwas Aufregendes erlebt hat?“, schnaubte Nanna Bess. „Sagen Sie mir, Signore, haben Sie jemals mit einer jungen hübschen Magd aus einer armen Familie gesprochen?“
Der Arzt zuckte nur mit den Schultern. Darauf fiel ihm nichts ein.
„Hier ist der Teufel am Werk“, verkündete der Priester. „Das kommt davon, wenn man sich auf die Wirkung von Zauberkräutern und Hexerei verlässt und nicht auf das Wort Gottes.“
König Frederic rieb sich die erstaunlich dichten Augenbrauen und drückte Ariannas Schulter, um sie zu trösten, bevor er das Wort ergriff.
„He, Wärter, komm her“, befahl er dann. „Du bist der Einzige, der sofort verstanden hat, was geschehen ist. Du bist sofort zu dem armen toten Mädchen gegangen. Erzähl mir ganz genau, was du gesehen hast.“
Der Königliche Wachmann Justin Tregsburg war jung, aber erfahren genug, sich jeglicher Gefühlsäußerungen zu enthalten. „Eure Majestät, für mich sah es aus, als sei die Prinzessin zornig geworden – und daraufhin ist die Magd augenblicklich gestorben. Ich konnte nichts erkennen bis auf die Tatsache, dass die Magd das Baby berührte, als es geschah. Die Haare des Babys, um genau zu sein. Aber Bess, die das Baby festgehalten hat, lebt noch. Ich kann mir nicht erklären, wie das passieren konnte.“
„Das Haar der Prinzessin …“ Arianna erhob sich und ging...
Erscheint lt. Verlag | 24.3.2023 |
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Reihe/Serie | Disney. Twisted Tales | Disney. Twisted Tales |
Übersetzer | Ronald Gutberlet |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Jugendbücher ab 12 Jahre |
Schlagworte | Coming of Age • coming of age bücher • dark fantasy bücher jugendliche ab 12 • Disney Buch Bösewichte • Disney Bücher Erwachsene • Disney Buch Rapunzel • Disney Geschichten anders • Disney Rapunzel • erfolgreiche Serie • Fantasy Bücher Erwachsene • Fantasy Bücher Jugendliche • Märchen für Ältere • Märchen für Jugendliche Erwachsene • Märchen mal anders • Moderne Märchen • Moderne märchen neu erzählt • Psychologischer Roman • rapunzel buch disney roman • Spannende Bücher ab 12 • twisted tales • Villains • was wäre wenn disney prinzessin schimmerglanz rapunzel • What once was mine • young adult bücher fantasy |
ISBN-10 | 3-646-93829-3 / 3646938293 |
ISBN-13 | 978-3-646-93829-6 / 9783646938296 |
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