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Mannaz - Das Flüstern der Raben (3) -  Malene Sølvsten

Mannaz - Das Flüstern der Raben (3) (eBook)

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2022 | 1. Auflage
688 Seiten
Arctis Verlag
978-3-03880-162-7 (ISBN)
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Band 3 des großen nordischen Fantasy-Bestsellers! Der Fimbulwinter herrscht über Nordeuropa, Krankheiten und Hunger breiten sich aus, und die Weissagung der Seherin vom Weltuntergang scheint sich zu bewahrheiten. Oder hat Anne die Zeichen vielleicht falsch gedeutet? Um das drohende Schicksal zu verstehen, muss Anne ihre Kräfte sammeln und den Unterschied zwischen Freund und Feind erkennen. Doch unter ihren engsten Vertrauten befindet sich ein Verräter, und sie beginnt zu begreifen, dass die Ragnarök womöglich nicht das Schlimmste, was ihnen passieren könnte. Anne würde mit ihrem Leben bezahlen, um den Untergang abzuwenden. Doch der Preis dafür ist höher, als sie ahnt, und die Zeit läuft gegen sie ...

Malene Sølvsten, geboren 1977, debütierte 2016 mit dem ersten Band der Fantasy-Trilogie Das Flüstern der Raben und wurde im selben Jahr für den 'Buchpreis der Leser:innen' ('Læsernes Bogpris') nominiert. Die Serie entwickelte sich in Dänemark rasch zu einem Überraschungserfolg und Bestseller, für den die Autorin und 2018 den 'Edvard P. prisen', der vom dänischen Bibliotheksverband jährlich vergeben wird, erhielt. Die gelernte Ökonomin lebt mit ihrer Familie in Kopenhagen, wo sie inzwischen als Vollzeit-Autorin arbeitet.

Malene Sølvsten, geboren 1977, debütierte 2016 mit dem ersten Band der Fantasy-Trilogie Das Flüstern der Raben und wurde im selben Jahr für den 'Buchpreis der Leser:innen' ('Læsernes Bogpris') nominiert. Die Serie entwickelte sich in Dänemark rasch zu einem Überraschungserfolg und Bestseller, für den die Autorin und 2018 den 'Edvard P. prisen', der vom dänischen Bibliotheksverband jährlich vergeben wird, erhielt. Die gelernte Ökonomin lebt mit ihrer Familie in Kopenhagen, wo sie inzwischen als Vollzeit-Autorin arbeitet.

Kapitel 1


Im Gestank von verbranntem Haar und Fleisch hustete ich. Obwohl irgendwo Feuer brennen musste, war es eiskalt. Gelbe Zuckungen durchfuhren den Dunst wie stroboskopartige Blitze, und ich entdeckte dunkle Umrisse in Dampf und Licht. Es glich einem brutalen Schattenspiel. Ich versuchte mich zu orientieren, sah aber fast nur Nebel.

»Was ist das hier?« Die Frage war an keine bestimmte Person gerichtet, und ich bekam auch keine Antwort. Ich schirmte meine Augen mit der Hand ab. Da waren Menschen, und da waren menschenähnliche, absurd große Gestalten. Im Gewimmel unter ihnen trieben sich Wölfe, Schlangen und Fingalke herum.

»Ragnarök besiegelt das Schicksal der Götter.« Die Worte klangen wie Gesang im Wind.

»Serén? Bist du’s?« Ich hatte lange keinen Kontakt mehr zu meiner Schwester herstellen können, darum war mir sogar ein Albtraum recht, solange sie darin vorkam. »Serén? Bist du da oben irgendwo?«, rief ich voller Hoffnung zum Himmel hoch. Die niedrige Wolkendecke versperrte die Sicht auf das Firmament. Die Sonne schimmerte als schwarze Scheibe hinter dem Dunst.

Der Dampf hob sich, und ich blickte entsetzt auf die Ebene. Sie schwamm in Blut und war haufenweise mit leblosen Menschenleibern übersät. Es waren so viele, dass man die Erde nicht mehr sehen konnte. Krähen hackten auf die Leichname ein, und ihre heiseren Schreie vermischten sich mit Dröhnen, Rufen und Schlägen. Ich entdeckte einen Leichenverschlinger mit knielosen, langen Hinterbeinen, sodass sein Hintern hervorragte. Er kaute eifrig auf einem Oberarm herum, und ich guckte schnell weg.

Dort streunten langhaarige und wilde menschenähnliche Wesen herum. Die fast nackten, aufgedunsenen Körper waren mit Spiralen bemalt, und sie trugen Goldreife um Hals und Arme. Einige schnitten den Gefallenen die Köpfe ab und reckten ihre Kriegsbeute mit Siegesgebrüll in die Luft.

Ein Mensch kam angelaufen. Der bloße Anblick des Mannes nach all diesen Monaten brachte mein Herz ins Trudeln.

»Rorik … ich meine, Sverre.«

Er kämpfte unnachgiebig in einem Schwarm Fingalke. Sein blondes Haar war blutverschmiert, und er sah älter und härter aus. Das lag vielleicht am Krieg, oder was das hier sein sollte, oder vielleicht fand dieses entsetzliche Ereignis Jahre später in unserer Zukunft statt. Sverre durchbohrte einen Fingalk mit seinem Speer. Der Fingalk ähnelte Finn, doch ihm hätte Sverre nie etwas getan. Mein eigener geliebter Fingalk war ohnehin schon lange tot.

Das Wesen fiel zu Boden, und Sverre zog ihm den Speer aus dem Körper. Dabei musste ich mir die Hände vor den Mund halten.

»Anne!«, rief Sverre. »Ich weiß, du schaust aus der Vergangenheit zu. Du musst das hier stoppen. Sorg dafür, dass ich verschlungen werde.«

Ich ging zu ihm. »Verschlungen wovon?«

Sverre drehte sich zu mir um. Seine braunen Augen suchten die Gegend ab. »Du kannst das hier ändern. Wir können zusammen glücklich werden.«

»Kannst du mich sehen?«

Er lief vor, und instinktiv breitete ich die Arme aus, um ihn zu umarmen, er rannte aber einfach durch mich hindurch. Von dem Gefühl, als er meinen Körper passierte, wurde mir schlecht. Als ich mich umdrehte, war Sverre weg.

Die Erde unter mir bewegte sich, und ich fiel auf die Knie. Dann ertönte ein lautes Krachen, gefolgt von einem unheimlichen Rumpeln. Eine eiskalte Riesenwelle überflutete den Kampfplatz, und ich ging in einem Gewirr aus Toten und Waffen unter, die im Wasser umhertrieben. Alles schwappte über meinem Kopf zusammen, und etwas Lebendes und Schuppiges packte meine Knöchel und Handgelenke.

Ich schrie zur Oberfläche, aber aus meinem Mund kamen nur Luftblasen, als die Schlange sich um meinen Körper wickelte und mich hinab in die Tiefe zog.

Ich warf meinen Kopf hin und her, wand mich, wurde aber von der Umschlingung der Schlange unten gehalten. Etwas Lebendes und Warmes drückte mir den Mund fest zu.

»Lass mich los!«, schrie ich, doch meine Worte wurden beinahe wieder zurück in meinen Mund gepresst.

Was auch immer da vor meinen Lippen war, bewegte sich kein bisschen. Stattdessen nahm der Druck zu, sodass ich kaum noch Luft bekam. Ich schlug danach. Ein lähmender Schmerz schoss mir durch den Arm, gleichzeitig wurde die Umklammerung der Schlange gesprengt. Endlich kam ich frei. Hustend holte ich Luft und trat die Schlange weg. Seltsamerweise gab sie ein lautes Ritsch von sich. Verwirrt schaute ich mich um und erwartete halb, um mich Leichenberge, Rauch und Kampfgetümmel zu sehen, doch es war still. Ich lag in meinem Bett im Schlafzimmer in Odinshöhe, es war saukalt, und auf dem Boden lag knallbunter Stoff zerrissen auf einem Haufen.

»Anne«, rief Luna vom Hof. »Wir müssen los, wenn wir es noch schaffen wollen.«

Ich rieb mir das Gesicht, ließ es aber wieder, weil meine Haut brannte. Unter den Nägeln war etwas feuchtes Rotes, und ein Fleck auf dem Handgelenk wurde immer größer. Ich hatte mich offenbar im Schlaf selbst geschlagen. Ich setzte mich aufrecht hin.

»Aaaaanneeee!«

»Ich komme.«

Auf der Treppe vorm Zimmer waren Schritte zu hören. Luna steckte den Kopf herein. Schneeflocken lagen auf ihren Korkenzieherlocken, und sie hatte sich in einen neongelben Daunenmantel eingemummelt. Darunter lugten Füße in Socken hervor. »Hast du dich mitten am Tag wieder schlafen gelegt? Auweia!« Sie hob die zerrissene Decke vom Boden auf. »Es hat über eine Woche gedauert, die zu nähen.«

»Tut mir leid«, murmelte ich.

»Schon okay. Ich repariere sie.« Sie zuckte mit den Achseln. »Warum hast du deinen Riesenkristall nicht eingeschaltet? Hier ist es eiskalt.«

»Habe ich vergessen.« Und er erinnerte mich so sehr an Sverre, dass ich ihn kaum ansehen konnte.

Luna setzte sich auf die Bettkante. »Du blutest.«

Ich stellte meine Strumpffüße auf den kalten Boden. Meine Zehen waren schon durchgefroren, noch bevor sie überhaupt mit den Bodendielen in Berührung kamen, und es wurde nicht besser, als ich aufstand. Dann beugte ich mich hinunter und schaute in den Spiegel. Wo ich mich gekratzt hatte, zogen sich vier rote Striemen von meiner Wange bis zur Oberlippe. Ein rotes Tröpfchen kullerte mir vom Mundwinkel.

»Ich habe was gesehen.« Ich guckte Luna im Spiegelbild an. »Eine brutale Schlacht.«

Sie musterte mich. »Im Traum oder in einer Vision?«

»Ich glaube, in einer Vision, aber es muss die Zukunft gewesen sein, weil ich Sverre gesehen habe, und er war älter.«

»Hat Serén sie dir geschickt?«

»Keine Ahnung, woher oder von wem die kam.«

»Kannst du sie immer noch nicht erreichen?«

Ich leckte meinen Finger an und rieb das Blut weg. Es kribbelte, war aber nur ein leichter Schmerz. »Nope. Die Leitung ist tot.«

»Sie kontaktiert dich bestimmt bald«, meinte Luna optimistisch und stand auf. »Dann kann sie dir erklären, was da abläuft.«

»Wir sollten uns besser beeilen, damit wir nicht zu spät kommen.« Ich hatte keine Lust, über die Probleme bei der Kontaktaufnahme mit meiner Schwester zu reden. Unten zog ich die inzwischen ziemlich abgerockte Jacke meiner Mutter an. Die dunklen Stickereien auf schwarzem Grund waren aufgegangen, und lose Fäden hingen heraus.

Luna schlüpfte in ihre dicken Stiefel. »Bist du startklar? Achtung, fertig, los …« Sie öffnete die Tür und hob die Hand gegen das Schneegestöber. Die kleinen Eiskristalle fielen mir ins Gesicht, und ich setzte meine Mütze auf und zog den Schal so hoch, dass nur noch meine Augen rausguckten. Gemeinsam liefen wir über den Hof zu Bens und Rebeccas orangem VW-Bulli. Mein Vater und Lunas Eltern saßen schon eingepfercht vorn, also quetschten Luna und ich uns hinten rein. Der Motor des Kleinbusses protestierte mit einem Brüllen, weil er wieder zum Leben erweckt wurde. Ben hatte sich mit einem Rentierfell und einer Kosakenmütze warm eingepackt, Rebecca saß in Wollschals gewickelt am Steuer und gab stetig Gas, damit der Bulli nicht wieder ausging, und mein Vater sah in seinem Thermo-Overall aus wie eine grüne Wurst. Ich zog die Jacke fester um mich. Mit ihr, den zwei Lagen Gestricktem, dem Schal, der Pelzmütze und Wollfäustlingen konnte ich mich beinahe warm halten.

Beinahe.

»Leg das einfach unter den Sitz.« Arthur reichte mir einen Stoffbeutel mit etwas Schwerem. Es gab ein Schwapp-Geräusch, als ich ihn auf den Boden des Wagens legte.

»Schieb ihn etwas mehr aus dem Weg.«

Ich gehorchte Arthur und stopfte den Beutel ganz unter den Autositz. »Schon irre, dass ihr Benzin aufgetrieben habt«, sagte ich, hauptsächlich um nicht an meine Nase denken zu müssen, die sich wie ein Eiszapfen anfühlte.

»Benzin. Der Wagen fährt mit Magie«, erklärte Ben so tief, dass seine Stimme fast mit dem Brummen vom Motor verschmolz. Rebecca fuhr mit dem Bulli los, und der hustete die Straße von Odinshöhe hinunter zur Kragheder Landstraße. Es schneite wieder und war fast dunkel. Der Wagen geriet ein paarmal ins Schleudern, doch Rebecca hielt uns auf der Straße in die Stadt.

Das Ortsschild war zum Teil von einer Schneewehe verdeckt, sodass dort nur Ravn, Rabe, stand. Sted war unleserlich, aber es passte gut, weil man wegen all dem Weiß beinahe unmöglich erkennen konnte, wo wir waren. Wir parkten und beeilten uns, vom Wagen in Frank’s Bar and Diner zu kommen. Die Glastür hatten Eisblumen überzogen. Drinnen war es ein bisschen wärmer als draußen, aber nicht besonders viel. Frank fing mich in einer bärenstarken Umhalsung ein.

»Schön, dich zu sehen«, sagte er mir ins Ohr.

Ich erwiderte die Umarmung, drückte mich aber etwas ab und betrachtete ihn. Er trug einen Vollbart, aber das taten jetzt fast alle...

Erscheint lt. Verlag 17.8.2022
Reihe/Serie Das Flüstern der Raben
Das Flüstern der Raben
Übersetzer Dagmar Mißfeldt, Dagmar Lendt
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Jugendbücher ab 12 Jahre
Schlagworte action • Auserwählte • Außenseiter • Dänemark • Edda • Fantasy • Götter • Halbgötter • Kampf • Mut • Nordische Mythologie • Nordjütland • Odin • Parallelwelt • Raben • Ragnarök • Romance • Rune • Sagen • Skandinavien • Spannung • Trilogie • Weltuntergang • Winter
ISBN-10 3-03880-162-3 / 3038801623
ISBN-13 978-3-03880-162-7 / 9783038801627
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